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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Stachelflosser. Makrelen. Tunfische.
Mit wahrer Wuth arbeiten die Todtschläger, weil sie einen gewissen Antheil an der Beute erhalten
und deshalb soviel als möglich und hauptsächlich die größten Tune zu tödten suchen. Einem Menschen,
welcher in das Meer fiele oder sonst in Gefahr käme, würden sie jetzt gewiß nicht zu Hilfe kommen,
sowie man während der Schlacht auf die Verwundeten auch keine Rücksicht nimmt. Man schlägt,
schreit, wüthet und zieht den Tun so eilig als möglich aus dem Wasser. Nachdem sich die Fische
einigermaßen vermindert haben, wird eingehalten, die Kammer von Neuem herangezogen, die noch
übrigen Tune enger eingeschlossen: und ein neuer Sturm erhebt sich, ein neues Morden beginnt. So
wechselt Schlagen und Anziehen des Netzes, bis endlich auch der Boden der Todtenkammer nachge-
kommen und kein Tun mehr übrig. Das Blut der Fische färbt auf weithin das Meer.

Nach Ablauf einer Stunde ist die Metzelei vorüber. Die Fahrzeuge segeln und rudern ans
Land. Donner der am Ufer aufgestellten Böller empfängt sie. Noch ehe man ans Ausladen geht,
trägt jeder Fischer den ihm zugehörigen Theil davon; sodann beschenkt der Patron den Heiligen, welcher
sich, da er Nichts gethan, selbstverständlich glänzend bewährte; unmittelbar nach ihm machen auch die
Diebe ihre Ansprüche auf die Ausbeute des Fischfanges geltend, gleichsam als ob sie sich mit dem
Heiligen für gleichberechtigt hielten! "Man kann sagen", so drückt sich der Abt wörtlich aus, "daß
bei der Tonare Jedermann Dieb ist. Das Stehlen ist hier weder eine Schande, noch ein Ver-
brechen. Dem ergriffenen Diebe widerfährt weiter Nichts, als daß er das gestohlene Gut wieder
verliert; hat er es aber schon in seine Hütte gebracht, so ist es in Sicherheit. Hierin liegt eine gewisse
Billigkeit; denn der Lohn, um welchen der Unternehmer die Arbeiter dingt, steht mit der ihm aufge-
gebenen Arbeit in ungleichem Verhältnisse, und um nun einen Ausgleich zu treffen, muß zum ver-
sprochenen Lohne noch eine Zugabe kommen. Aus diesem Grunde also läßt der Patron das Stehlen
unter der Bedingung zu, daß es geschehe, ohne ihm kund zu werden. Diese Art von stillschweigendem
Uebereinkommen und der Gebrauch, daß der Patron sein Eigenthum rettet, wenn er den Näuber fängt,
macht ihn und seine Beamten außerordentlich aufmerksam, während die Diebe, welche weder
Beschimpfungen, noch Strafe, sondern nur Verlust des Gutes zu befürchten haben, sich überaus dreist und
flink benehmen müssen. Beim Stehlen einzelner Stücke lassen sie es nicht bewenden; das Beutemachen
erstreckt sich auf ganze Tune, und sie wissen tausenderlei Kunstgriffe anzuwenden, um solche in
Sicherheit zu bringen. Mit der Hurtigkeit eines Taschenspielers lassen sie einen Tun verschwinden,
so wie ein Anderer eine Sardelle einsteckt."

Bei jeder Metzelei, falls es nicht die letzte, leert man das Netz niemals gänzlich, läßt vielmehr,
gewissermaßen zur Lockung für den folgenden Fang, etwa hundert Stück Tune und darüber
zurück. Nach einiger Zeit wiederholt man Heiligenwahl und Todtschlag, und so fährt man fort,
solange das Streichen des Tuns anhält. Jn Sardinien währt Dies bis Mitte Juni. Jn einzelnen
Tonaren finden alljährlich acht Metzeleien statt, von denen jede etwa fünfhundert Tune liefert, auf
anderen deren bis achtzehn, jegliche zu etwa achthundert Stück; der Ertrag der Fischerei ist also sehr
bedeutend. Nach beendigtem Fange hebt man die Todtenkammer aus, läßt aber auffallenderweise
das übrige Netz im Meere zurück.

Die Ausbeute wird oft an Ausländer, welche als Käufer sich eingefunden haben, frisch abgelassen
und von diesen in ihrer Art und Weise eingesalzen und eingepökelt; einen etwaigen Nest bringt man
an einen schattigen Ort, um die Fische zu zerlegen. Zuerst haut man den Kopf ab; sodann schneidet
man Knochen und Fleisch zwischen den Flossen aus; hierauf hängt man den riesigen Fisch vermittels
Stricken auf, welche man am Schwanze befestigt, und führt sechs Längsschnitte, zwei vom After bis
an die Spitze des Schwanzes, zwei längs des Rückens und zwei nach dem Schwanze zu, letztere so nah
an einander, daß nur die oberen Bastardflossen abgesondert werden; endlich wird noch längs jeder
Seite eingeschnitten: so gewinnt man Fleischstücke, welche man für sehr verschieden erachtet. "Es ist
unglaublich", sagt Cetti, "wieviele abwechselnde Arten von Fleisch man bei unserem Fische findet.
Fast an jedem Orte, an jeder verschiedenen Tiefe, wo man mit dem Messer versucht, trifft man auch
auf ein anderes, bald auf derbes, bald auf weicheres; an einer Stelle sieht es dem Kalbfleisch, an einer

Die Stachelfloſſer. Makrelen. Tunfiſche.
Mit wahrer Wuth arbeiten die Todtſchläger, weil ſie einen gewiſſen Antheil an der Beute erhalten
und deshalb ſoviel als möglich und hauptſächlich die größten Tune zu tödten ſuchen. Einem Menſchen,
welcher in das Meer fiele oder ſonſt in Gefahr käme, würden ſie jetzt gewiß nicht zu Hilfe kommen,
ſowie man während der Schlacht auf die Verwundeten auch keine Rückſicht nimmt. Man ſchlägt,
ſchreit, wüthet und zieht den Tun ſo eilig als möglich aus dem Waſſer. Nachdem ſich die Fiſche
einigermaßen vermindert haben, wird eingehalten, die Kammer von Neuem herangezogen, die noch
übrigen Tune enger eingeſchloſſen: und ein neuer Sturm erhebt ſich, ein neues Morden beginnt. So
wechſelt Schlagen und Anziehen des Netzes, bis endlich auch der Boden der Todtenkammer nachge-
kommen und kein Tun mehr übrig. Das Blut der Fiſche färbt auf weithin das Meer.

Nach Ablauf einer Stunde iſt die Metzelei vorüber. Die Fahrzeuge ſegeln und rudern ans
Land. Donner der am Ufer aufgeſtellten Böller empfängt ſie. Noch ehe man ans Ausladen geht,
trägt jeder Fiſcher den ihm zugehörigen Theil davon; ſodann beſchenkt der Patron den Heiligen, welcher
ſich, da er Nichts gethan, ſelbſtverſtändlich glänzend bewährte; unmittelbar nach ihm machen auch die
Diebe ihre Anſprüche auf die Ausbeute des Fiſchfanges geltend, gleichſam als ob ſie ſich mit dem
Heiligen für gleichberechtigt hielten! „Man kann ſagen“, ſo drückt ſich der Abt wörtlich aus, „daß
bei der Tonare Jedermann Dieb iſt. Das Stehlen iſt hier weder eine Schande, noch ein Ver-
brechen. Dem ergriffenen Diebe widerfährt weiter Nichts, als daß er das geſtohlene Gut wieder
verliert; hat er es aber ſchon in ſeine Hütte gebracht, ſo iſt es in Sicherheit. Hierin liegt eine gewiſſe
Billigkeit; denn der Lohn, um welchen der Unternehmer die Arbeiter dingt, ſteht mit der ihm aufge-
gebenen Arbeit in ungleichem Verhältniſſe, und um nun einen Ausgleich zu treffen, muß zum ver-
ſprochenen Lohne noch eine Zugabe kommen. Aus dieſem Grunde alſo läßt der Patron das Stehlen
unter der Bedingung zu, daß es geſchehe, ohne ihm kund zu werden. Dieſe Art von ſtillſchweigendem
Uebereinkommen und der Gebrauch, daß der Patron ſein Eigenthum rettet, wenn er den Näuber fängt,
macht ihn und ſeine Beamten außerordentlich aufmerkſam, während die Diebe, welche weder
Beſchimpfungen, noch Strafe, ſondern nur Verluſt des Gutes zu befürchten haben, ſich überaus dreiſt und
flink benehmen müſſen. Beim Stehlen einzelner Stücke laſſen ſie es nicht bewenden; das Beutemachen
erſtreckt ſich auf ganze Tune, und ſie wiſſen tauſenderlei Kunſtgriffe anzuwenden, um ſolche in
Sicherheit zu bringen. Mit der Hurtigkeit eines Taſchenſpielers laſſen ſie einen Tun verſchwinden,
ſo wie ein Anderer eine Sardelle einſteckt.“

Bei jeder Metzelei, falls es nicht die letzte, leert man das Netz niemals gänzlich, läßt vielmehr,
gewiſſermaßen zur Lockung für den folgenden Fang, etwa hundert Stück Tune und darüber
zurück. Nach einiger Zeit wiederholt man Heiligenwahl und Todtſchlag, und ſo fährt man fort,
ſolange das Streichen des Tuns anhält. Jn Sardinien währt Dies bis Mitte Juni. Jn einzelnen
Tonaren finden alljährlich acht Metzeleien ſtatt, von denen jede etwa fünfhundert Tune liefert, auf
anderen deren bis achtzehn, jegliche zu etwa achthundert Stück; der Ertrag der Fiſcherei iſt alſo ſehr
bedeutend. Nach beendigtem Fange hebt man die Todtenkammer aus, läßt aber auffallenderweiſe
das übrige Netz im Meere zurück.

Die Ausbeute wird oft an Ausländer, welche als Käufer ſich eingefunden haben, friſch abgelaſſen
und von dieſen in ihrer Art und Weiſe eingeſalzen und eingepökelt; einen etwaigen Neſt bringt man
an einen ſchattigen Ort, um die Fiſche zu zerlegen. Zuerſt haut man den Kopf ab; ſodann ſchneidet
man Knochen und Fleiſch zwiſchen den Floſſen aus; hierauf hängt man den rieſigen Fiſch vermittels
Stricken auf, welche man am Schwanze befeſtigt, und führt ſechs Längsſchnitte, zwei vom After bis
an die Spitze des Schwanzes, zwei längs des Rückens und zwei nach dem Schwanze zu, letztere ſo nah
an einander, daß nur die oberen Baſtardfloſſen abgeſondert werden; endlich wird noch längs jeder
Seite eingeſchnitten: ſo gewinnt man Fleiſchſtücke, welche man für ſehr verſchieden erachtet. „Es iſt
unglaublich“, ſagt Cetti, „wieviele abwechſelnde Arten von Fleiſch man bei unſerem Fiſche findet.
Faſt an jedem Orte, an jeder verſchiedenen Tiefe, wo man mit dem Meſſer verſucht, trifft man auch
auf ein anderes, bald auf derbes, bald auf weicheres; an einer Stelle ſieht es dem Kalbfleiſch, an einer

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[548/0582] Die Stachelfloſſer. Makrelen. Tunfiſche. Mit wahrer Wuth arbeiten die Todtſchläger, weil ſie einen gewiſſen Antheil an der Beute erhalten und deshalb ſoviel als möglich und hauptſächlich die größten Tune zu tödten ſuchen. Einem Menſchen, welcher in das Meer fiele oder ſonſt in Gefahr käme, würden ſie jetzt gewiß nicht zu Hilfe kommen, ſowie man während der Schlacht auf die Verwundeten auch keine Rückſicht nimmt. Man ſchlägt, ſchreit, wüthet und zieht den Tun ſo eilig als möglich aus dem Waſſer. Nachdem ſich die Fiſche einigermaßen vermindert haben, wird eingehalten, die Kammer von Neuem herangezogen, die noch übrigen Tune enger eingeſchloſſen: und ein neuer Sturm erhebt ſich, ein neues Morden beginnt. So wechſelt Schlagen und Anziehen des Netzes, bis endlich auch der Boden der Todtenkammer nachge- kommen und kein Tun mehr übrig. Das Blut der Fiſche färbt auf weithin das Meer. Nach Ablauf einer Stunde iſt die Metzelei vorüber. Die Fahrzeuge ſegeln und rudern ans Land. Donner der am Ufer aufgeſtellten Böller empfängt ſie. Noch ehe man ans Ausladen geht, trägt jeder Fiſcher den ihm zugehörigen Theil davon; ſodann beſchenkt der Patron den Heiligen, welcher ſich, da er Nichts gethan, ſelbſtverſtändlich glänzend bewährte; unmittelbar nach ihm machen auch die Diebe ihre Anſprüche auf die Ausbeute des Fiſchfanges geltend, gleichſam als ob ſie ſich mit dem Heiligen für gleichberechtigt hielten! „Man kann ſagen“, ſo drückt ſich der Abt wörtlich aus, „daß bei der Tonare Jedermann Dieb iſt. Das Stehlen iſt hier weder eine Schande, noch ein Ver- brechen. Dem ergriffenen Diebe widerfährt weiter Nichts, als daß er das geſtohlene Gut wieder verliert; hat er es aber ſchon in ſeine Hütte gebracht, ſo iſt es in Sicherheit. Hierin liegt eine gewiſſe Billigkeit; denn der Lohn, um welchen der Unternehmer die Arbeiter dingt, ſteht mit der ihm aufge- gebenen Arbeit in ungleichem Verhältniſſe, und um nun einen Ausgleich zu treffen, muß zum ver- ſprochenen Lohne noch eine Zugabe kommen. Aus dieſem Grunde alſo läßt der Patron das Stehlen unter der Bedingung zu, daß es geſchehe, ohne ihm kund zu werden. Dieſe Art von ſtillſchweigendem Uebereinkommen und der Gebrauch, daß der Patron ſein Eigenthum rettet, wenn er den Näuber fängt, macht ihn und ſeine Beamten außerordentlich aufmerkſam, während die Diebe, welche weder Beſchimpfungen, noch Strafe, ſondern nur Verluſt des Gutes zu befürchten haben, ſich überaus dreiſt und flink benehmen müſſen. Beim Stehlen einzelner Stücke laſſen ſie es nicht bewenden; das Beutemachen erſtreckt ſich auf ganze Tune, und ſie wiſſen tauſenderlei Kunſtgriffe anzuwenden, um ſolche in Sicherheit zu bringen. Mit der Hurtigkeit eines Taſchenſpielers laſſen ſie einen Tun verſchwinden, ſo wie ein Anderer eine Sardelle einſteckt.“ Bei jeder Metzelei, falls es nicht die letzte, leert man das Netz niemals gänzlich, läßt vielmehr, gewiſſermaßen zur Lockung für den folgenden Fang, etwa hundert Stück Tune und darüber zurück. Nach einiger Zeit wiederholt man Heiligenwahl und Todtſchlag, und ſo fährt man fort, ſolange das Streichen des Tuns anhält. Jn Sardinien währt Dies bis Mitte Juni. Jn einzelnen Tonaren finden alljährlich acht Metzeleien ſtatt, von denen jede etwa fünfhundert Tune liefert, auf anderen deren bis achtzehn, jegliche zu etwa achthundert Stück; der Ertrag der Fiſcherei iſt alſo ſehr bedeutend. Nach beendigtem Fange hebt man die Todtenkammer aus, läßt aber auffallenderweiſe das übrige Netz im Meere zurück. Die Ausbeute wird oft an Ausländer, welche als Käufer ſich eingefunden haben, friſch abgelaſſen und von dieſen in ihrer Art und Weiſe eingeſalzen und eingepökelt; einen etwaigen Neſt bringt man an einen ſchattigen Ort, um die Fiſche zu zerlegen. Zuerſt haut man den Kopf ab; ſodann ſchneidet man Knochen und Fleiſch zwiſchen den Floſſen aus; hierauf hängt man den rieſigen Fiſch vermittels Stricken auf, welche man am Schwanze befeſtigt, und führt ſechs Längsſchnitte, zwei vom After bis an die Spitze des Schwanzes, zwei längs des Rückens und zwei nach dem Schwanze zu, letztere ſo nah an einander, daß nur die oberen Baſtardfloſſen abgeſondert werden; endlich wird noch längs jeder Seite eingeſchnitten: ſo gewinnt man Fleiſchſtücke, welche man für ſehr verſchieden erachtet. „Es iſt unglaublich“, ſagt Cetti, „wieviele abwechſelnde Arten von Fleiſch man bei unſerem Fiſche findet. Faſt an jedem Orte, an jeder verſchiedenen Tiefe, wo man mit dem Meſſer verſucht, trifft man auch auf ein anderes, bald auf derbes, bald auf weicheres; an einer Stelle ſieht es dem Kalbfleiſch, an einer

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/582>, abgerufen am 16.07.2024.