Die Schildkröten. Schienenschildkröten. Fransenschildkröten.
"Den Jubel, mit welchem die Bootsleute gewisse Sandbänke begrüßten", sagt Schomburgk, "konnte ich nicht eher enträthseln, als bis mehrere der Jndianer, ehe noch die Kähne landeten, unge- duldig in den Fluß sprangen, nach einer der Sandbänke schwammen, plötzlich dort im Sande zu scharren begannen, und eine Menge Eier zum Vorscheine brachten.
"Die Legezeit der Schildkröten hatte begonnen, eine Zeit, welcher der Jndianer mit ebenso großer Sehnsucht als unser Gutschmecker dem Schnepfenstriche oder dem Beginne der frischen Austersendungen entgegensieht. Die Begierde der Jndianer war so groß, daß sie, glaube ich, auch wenn Todesstrafe auf eigenwilligem Verlassen des Kahnes gestanden hätte, sich nicht würden haben abhalten lassen, nach den Sandbänken zu schwimmen, welche in ihrem Schoße die wohlschmeckenden Eier bargen. Als ich jenen gefeierten Leckerbissen kennen lernte, fand ich die Leidenschaft der Jndianer erklärlich. Was sind unsere viel gepriesenen Kiebitzeier gegen das Ei einer Schildkröte!
"Das Thier begibt sich auf diesen Sandbänken meist achtzig bis hundertundvierzig Schritt land- einwärts, scharrt dann eine Vertiefung in den Sand, legt die Eier ab, bedeckt sie mit Sand und kehrt zum Wasser zurück. Ein Europäer würde ohne Erfahrung im Aufsuchen dieser Eier sich lange ver- geblich bemühen; der kundige Sohn des Waldes aber täuscht sich selten und entfernt den Sand an einer Stelle fast nie, ohne unmittelbar darunter die Eier zu finden. Eine leichte, wellenförmige Erhöhung der Sandfläche verräth ihm die Stelle des Nestes, ein Zeichen, welches wir nicht eher unter- scheiden lernten, als bis wir einige Sandbänke sahen, deren ganze Oberfläche ein wellenförmiges Aeußere hatte. Das Eiweiß, welches beim Kochen nicht hart wird, sondern vollständig im flüssigen Zustande bleibt, läßt man auslaufen und genießt nur das wohlschmeckende und nahrhafte Dotter. Einen ausgezeichneten Leckerbissen lieferten uns die rohen Dotter mit Zucker und einigen Tropfen Rum vermischt, was ihnen eine überraschende Aehnlichkeit mit dem feinsten Marzipan gab.
"Martius gibt als Legezeit der Schildkröte im Amazonenstrome die Monate Oktober und November an; nach Humboldt fällt sie für den Orinoko in den März; im Essequibo dagegen beginnt sie mit Januar und währt höchstens bis Anfang Februars. Diese Verschiedenheit der Legezeit scheint genau mit dem verschiedenen Eintritte der Regenzeit innerhalb der Grenzen der drei Stromgebiete in Verbindung zu stehen. Die Thiere entledigen sich ihrer Eier während jener günstigen Tage, in welchen die Sonne vor dem Eintritte der großen Regenzeit noch ihr Brutgeschäft beendigen kann. Für den Jndianer ist das Erscheinen der jungen Schildkröten das sicherste Merkmal für den baldigen Beginn der letzteren; denn wenn jene, nachdem sie ausgekrochen sind, dem Wasser zueilen, kann man sicher darauf rechnen, daß die Legezeit naht. Vierzig Tage, nachdem das Ei gelegt, durchbricht das Junge die Pergamentumhüllung und schlüpft aus."
Eine der auffallendsten aller Schildkröten, in Brasilien Matamata genannt, vertritt die Sippe der Fransenschildkröten(Chelys). Der ganz verknöcherte Brustpanzer ist mit dem Rückenpanzer durch Knochennähte verbunden, der Kopf breit gedrückt und dreiseitig, die Nase in einen Rüssel verlängert, das Maul bis in die Ohrgegend gespalten, der Hornüberzug der schwachen Kiefern äußerst dünn und häutig, das Kinn durch Bärteln oder Fransen, die Kopfseite durch große Hautlappen, die Kehle durch Fransen und der Hals durch ähnliche Gebilde geziert oder, richtiger, verunziert; denn der sogenannte Kopfschmuck verleiht dem Thiere etwas überaus Häßliches. Auf dem flach gewölbten Rückenpanzer fallen zwei breite tiefe Rinnen längs der Mittellinie und der wellig gezackte Rand in die Augen; die Schilder sind mit um einander laufenden und ausstrahlenden Linien gezeichnet; der Rückenpanzer ist kastanienbraun, die Unterschale schmuziggelb, der Kopf, der Hals und die Füße sind gilblich, auf der Unterseite röthlich gefärbt. Die Länge des erwachsenen Thieres kann bis 3 Fuß erreichen.
Die Schildkröten. Schienenſchildkröten. Franſenſchildkröten.
„Den Jubel, mit welchem die Bootsleute gewiſſe Sandbänke begrüßten“, ſagt Schomburgk, „konnte ich nicht eher enträthſeln, als bis mehrere der Jndianer, ehe noch die Kähne landeten, unge- duldig in den Fluß ſprangen, nach einer der Sandbänke ſchwammen, plötzlich dort im Sande zu ſcharren begannen, und eine Menge Eier zum Vorſcheine brachten.
„Die Legezeit der Schildkröten hatte begonnen, eine Zeit, welcher der Jndianer mit ebenſo großer Sehnſucht als unſer Gutſchmecker dem Schnepfenſtriche oder dem Beginne der friſchen Auſterſendungen entgegenſieht. Die Begierde der Jndianer war ſo groß, daß ſie, glaube ich, auch wenn Todesſtrafe auf eigenwilligem Verlaſſen des Kahnes geſtanden hätte, ſich nicht würden haben abhalten laſſen, nach den Sandbänken zu ſchwimmen, welche in ihrem Schoße die wohlſchmeckenden Eier bargen. Als ich jenen gefeierten Leckerbiſſen kennen lernte, fand ich die Leidenſchaft der Jndianer erklärlich. Was ſind unſere viel geprieſenen Kiebitzeier gegen das Ei einer Schildkröte!
„Das Thier begibt ſich auf dieſen Sandbänken meiſt achtzig bis hundertundvierzig Schritt land- einwärts, ſcharrt dann eine Vertiefung in den Sand, legt die Eier ab, bedeckt ſie mit Sand und kehrt zum Waſſer zurück. Ein Europäer würde ohne Erfahrung im Aufſuchen dieſer Eier ſich lange ver- geblich bemühen; der kundige Sohn des Waldes aber täuſcht ſich ſelten und entfernt den Sand an einer Stelle faſt nie, ohne unmittelbar darunter die Eier zu finden. Eine leichte, wellenförmige Erhöhung der Sandfläche verräth ihm die Stelle des Neſtes, ein Zeichen, welches wir nicht eher unter- ſcheiden lernten, als bis wir einige Sandbänke ſahen, deren ganze Oberfläche ein wellenförmiges Aeußere hatte. Das Eiweiß, welches beim Kochen nicht hart wird, ſondern vollſtändig im flüſſigen Zuſtande bleibt, läßt man auslaufen und genießt nur das wohlſchmeckende und nahrhafte Dotter. Einen ausgezeichneten Leckerbiſſen lieferten uns die rohen Dotter mit Zucker und einigen Tropfen Rum vermiſcht, was ihnen eine überraſchende Aehnlichkeit mit dem feinſten Marzipan gab.
„Martius gibt als Legezeit der Schildkröte im Amazonenſtrome die Monate Oktober und November an; nach Humboldt fällt ſie für den Orinoko in den März; im Eſſequibo dagegen beginnt ſie mit Januar und währt höchſtens bis Anfang Februars. Dieſe Verſchiedenheit der Legezeit ſcheint genau mit dem verſchiedenen Eintritte der Regenzeit innerhalb der Grenzen der drei Stromgebiete in Verbindung zu ſtehen. Die Thiere entledigen ſich ihrer Eier während jener günſtigen Tage, in welchen die Sonne vor dem Eintritte der großen Regenzeit noch ihr Brutgeſchäft beendigen kann. Für den Jndianer iſt das Erſcheinen der jungen Schildkröten das ſicherſte Merkmal für den baldigen Beginn der letzteren; denn wenn jene, nachdem ſie ausgekrochen ſind, dem Waſſer zueilen, kann man ſicher darauf rechnen, daß die Legezeit naht. Vierzig Tage, nachdem das Ei gelegt, durchbricht das Junge die Pergamentumhüllung und ſchlüpft aus.“
Eine der auffallendſten aller Schildkröten, in Braſilien Matamata genannt, vertritt die Sippe der Franſenſchildkröten(Chelys). Der ganz verknöcherte Bruſtpanzer iſt mit dem Rückenpanzer durch Knochennähte verbunden, der Kopf breit gedrückt und dreiſeitig, die Naſe in einen Rüſſel verlängert, das Maul bis in die Ohrgegend geſpalten, der Hornüberzug der ſchwachen Kiefern äußerſt dünn und häutig, das Kinn durch Bärteln oder Franſen, die Kopfſeite durch große Hautlappen, die Kehle durch Franſen und der Hals durch ähnliche Gebilde geziert oder, richtiger, verunziert; denn der ſogenannte Kopfſchmuck verleiht dem Thiere etwas überaus Häßliches. Auf dem flach gewölbten Rückenpanzer fallen zwei breite tiefe Rinnen längs der Mittellinie und der wellig gezackte Rand in die Augen; die Schilder ſind mit um einander laufenden und ausſtrahlenden Linien gezeichnet; der Rückenpanzer iſt kaſtanienbraun, die Unterſchale ſchmuziggelb, der Kopf, der Hals und die Füße ſind gilblich, auf der Unterſeite röthlich gefärbt. Die Länge des erwachſenen Thieres kann bis 3 Fuß erreichen.
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Die Schildkröten. Schienenſchildkröten. Franſenſchildkröten.
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„konnte ich nicht eher enträthſeln, als bis mehrere der Jndianer, ehe noch die Kähne landeten, unge-
duldig in den Fluß ſprangen, nach einer der Sandbänke ſchwammen, plötzlich dort im Sande zu
ſcharren begannen, und eine Menge Eier zum Vorſcheine brachten.
„Die Legezeit der Schildkröten hatte begonnen, eine Zeit, welcher der Jndianer mit ebenſo großer
Sehnſucht als unſer Gutſchmecker dem Schnepfenſtriche oder dem Beginne der friſchen Auſterſendungen
entgegenſieht. Die Begierde der Jndianer war ſo groß, daß ſie, glaube ich, auch wenn Todesſtrafe
auf eigenwilligem Verlaſſen des Kahnes geſtanden hätte, ſich nicht würden haben abhalten laſſen, nach
den Sandbänken zu ſchwimmen, welche in ihrem Schoße die wohlſchmeckenden Eier bargen. Als ich
jenen gefeierten Leckerbiſſen kennen lernte, fand ich die Leidenſchaft der Jndianer erklärlich. Was ſind
unſere viel geprieſenen Kiebitzeier gegen das Ei einer Schildkröte!
„Das Thier begibt ſich auf dieſen Sandbänken meiſt achtzig bis hundertundvierzig Schritt land-
einwärts, ſcharrt dann eine Vertiefung in den Sand, legt die Eier ab, bedeckt ſie mit Sand und kehrt
zum Waſſer zurück. Ein Europäer würde ohne Erfahrung im Aufſuchen dieſer Eier ſich lange ver-
geblich bemühen; der kundige Sohn des Waldes aber täuſcht ſich ſelten und entfernt den Sand an
einer Stelle faſt nie, ohne unmittelbar darunter die Eier zu finden. Eine leichte, wellenförmige
Erhöhung der Sandfläche verräth ihm die Stelle des Neſtes, ein Zeichen, welches wir nicht eher unter-
ſcheiden lernten, als bis wir einige Sandbänke ſahen, deren ganze Oberfläche ein wellenförmiges
Aeußere hatte. Das Eiweiß, welches beim Kochen nicht hart wird, ſondern vollſtändig im flüſſigen
Zuſtande bleibt, läßt man auslaufen und genießt nur das wohlſchmeckende und nahrhafte Dotter.
Einen ausgezeichneten Leckerbiſſen lieferten uns die rohen Dotter mit Zucker und einigen Tropfen
Rum vermiſcht, was ihnen eine überraſchende Aehnlichkeit mit dem feinſten Marzipan gab.
„Martius gibt als Legezeit der Schildkröte im Amazonenſtrome die Monate Oktober und
November an; nach Humboldt fällt ſie für den Orinoko in den März; im Eſſequibo dagegen beginnt
ſie mit Januar und währt höchſtens bis Anfang Februars. Dieſe Verſchiedenheit der Legezeit ſcheint
genau mit dem verſchiedenen Eintritte der Regenzeit innerhalb der Grenzen der drei Stromgebiete in
Verbindung zu ſtehen. Die Thiere entledigen ſich ihrer Eier während jener günſtigen Tage, in
welchen die Sonne vor dem Eintritte der großen Regenzeit noch ihr Brutgeſchäft beendigen kann. Für
den Jndianer iſt das Erſcheinen der jungen Schildkröten das ſicherſte Merkmal für den baldigen
Beginn der letzteren; denn wenn jene, nachdem ſie ausgekrochen ſind, dem Waſſer zueilen, kann man
ſicher darauf rechnen, daß die Legezeit naht. Vierzig Tage, nachdem das Ei gelegt, durchbricht das
Junge die Pergamentumhüllung und ſchlüpft aus.“
Eine der auffallendſten aller Schildkröten, in Braſilien Matamata genannt, vertritt die Sippe
der Franſenſchildkröten (Chelys). Der ganz verknöcherte Bruſtpanzer iſt mit dem Rückenpanzer
durch Knochennähte verbunden, der Kopf breit gedrückt und dreiſeitig, die Naſe in einen Rüſſel verlängert,
das Maul bis in die Ohrgegend geſpalten, der Hornüberzug der ſchwachen Kiefern äußerſt dünn und
häutig, das Kinn durch Bärteln oder Franſen, die Kopfſeite durch große Hautlappen, die Kehle durch
Franſen und der Hals durch ähnliche Gebilde geziert oder, richtiger, verunziert; denn der ſogenannte
Kopfſchmuck verleiht dem Thiere etwas überaus Häßliches. Auf dem flach gewölbten Rückenpanzer
fallen zwei breite tiefe Rinnen längs der Mittellinie und der wellig gezackte Rand in die Augen;
die Schilder ſind mit um einander laufenden und ausſtrahlenden Linien gezeichnet; der Rückenpanzer
iſt kaſtanienbraun, die Unterſchale ſchmuziggelb, der Kopf, der Hals und die Füße ſind gilblich, auf
der Unterſeite röthlich gefärbt. Die Länge des erwachſenen Thieres kann bis 3 Fuß erreichen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/58>, abgerufen am 21.12.2024.
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