Ein alter Seemann, der Admiral Pleville, welcher fünfzig Jahre seines Lebens auf dem Meere zubrachte, versicherte, das Winterlager der Makrelen erkundet zu haben: kleine Felsenbuchten mit ruhigem und stillen Wasser und schlammigen Grunde an den grönländischen Küsten nämlich, in denen er während der kalten Jahreszeit Milliarden unserer Fische halben Leibes, mit dem Kopfe voran, in dem Schlamme verborgen gesehen habe, so dicht neben einander, daß es aussah, als ob Pfähle ein- geschlagen worden wären und die Schiffsleute zuerst sich weigerten, mit dem Boote eine dieser Buchten zu besuchen, weil sie fürchteten, daß die Makrelen eine besondere Art von Klippen sein möchten, welche ihrem Boote schaden könnten. Daß die Erzählung des alten Seehelden gänzlich aus der Luft gegriffen, bedarf wohl kaum der Erwähnung; aber auch bezüglich der sogenannten Reisen ist man
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Die Makrele (Scomber scombrus). 1/4 der nat. Größe.
gegenwärtig zu einer durchaus verschiedenen Anschauung gelangt. Jn größeren Tiefen der See fängt man nämlich jederzeit Makrelen, und zwar ebensowohl in der Nord- und Ostsee, als in dem atlantischen oder in dem Mittelmeere; die Fische erscheinen auch fast gleichzeitig an den nördlichen und südlichen Küsten: es deutet somit alles darauf hin, daß sie eigentlich in den tiefen Gründen der See sich aufhalten und von diesen aus nur, um zu laichen der Küste zuschwimmen, ganz ebenso wie es auch der Hering und andere Fische thun.
Dieses Erscheinen an den Küsten wird überall mit Jubel begrüßt; denn die Makrele gehört zu den ausgezeichnetsten und wichtigsten aller Seefische, und ihr Fang hat wie im Alterthume heutigen- tags noch eine großartige Bedeutung. Jn den Fischerstädten und Dörfern erregt die Ankunft der Makrelen Alt und Jung, Hoch und Gering; Hunderte und Tausende von Booten machen sich alsbald auf, um den köstlichen Fisch einzuheimsen, und ein überaus reges und bewegtes Leben entfaltet sich
Makrele.
Ein alter Seemann, der Admiral Pleville, welcher fünfzig Jahre ſeines Lebens auf dem Meere zubrachte, verſicherte, das Winterlager der Makrelen erkundet zu haben: kleine Felſenbuchten mit ruhigem und ſtillen Waſſer und ſchlammigen Grunde an den grönländiſchen Küſten nämlich, in denen er während der kalten Jahreszeit Milliarden unſerer Fiſche halben Leibes, mit dem Kopfe voran, in dem Schlamme verborgen geſehen habe, ſo dicht neben einander, daß es ausſah, als ob Pfähle ein- geſchlagen worden wären und die Schiffsleute zuerſt ſich weigerten, mit dem Boote eine dieſer Buchten zu beſuchen, weil ſie fürchteten, daß die Makrelen eine beſondere Art von Klippen ſein möchten, welche ihrem Boote ſchaden könnten. Daß die Erzählung des alten Seehelden gänzlich aus der Luft gegriffen, bedarf wohl kaum der Erwähnung; aber auch bezüglich der ſogenannten Reiſen iſt man
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Die Makrele (Scomber scombrus). ¼ der nat. Größe.
gegenwärtig zu einer durchaus verſchiedenen Anſchauung gelangt. Jn größeren Tiefen der See fängt man nämlich jederzeit Makrelen, und zwar ebenſowohl in der Nord- und Oſtſee, als in dem atlantiſchen oder in dem Mittelmeere; die Fiſche erſcheinen auch faſt gleichzeitig an den nördlichen und ſüdlichen Küſten: es deutet ſomit alles darauf hin, daß ſie eigentlich in den tiefen Gründen der See ſich aufhalten und von dieſen aus nur, um zu laichen der Küſte zuſchwimmen, ganz ebenſo wie es auch der Hering und andere Fiſche thun.
Dieſes Erſcheinen an den Küſten wird überall mit Jubel begrüßt; denn die Makrele gehört zu den ausgezeichnetſten und wichtigſten aller Seefiſche, und ihr Fang hat wie im Alterthume heutigen- tags noch eine großartige Bedeutung. Jn den Fiſcherſtädten und Dörfern erregt die Ankunft der Makrelen Alt und Jung, Hoch und Gering; Hunderte und Tauſende von Booten machen ſich alsbald auf, um den köſtlichen Fiſch einzuheimſen, und ein überaus reges und bewegtes Leben entfaltet ſich
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Makrele.
Ein alter Seemann, der Admiral Pleville, welcher fünfzig Jahre ſeines Lebens auf dem Meere
zubrachte, verſicherte, das Winterlager der Makrelen erkundet zu haben: kleine Felſenbuchten mit
ruhigem und ſtillen Waſſer und ſchlammigen Grunde an den grönländiſchen Küſten nämlich, in denen
er während der kalten Jahreszeit Milliarden unſerer Fiſche halben Leibes, mit dem Kopfe voran, in
dem Schlamme verborgen geſehen habe, ſo dicht neben einander, daß es ausſah, als ob Pfähle ein-
geſchlagen worden wären und die Schiffsleute zuerſt ſich weigerten, mit dem Boote eine dieſer Buchten
zu beſuchen, weil ſie fürchteten, daß die Makrelen eine beſondere Art von Klippen ſein möchten,
welche ihrem Boote ſchaden könnten. Daß die Erzählung des alten Seehelden gänzlich aus der Luft
gegriffen, bedarf wohl kaum der Erwähnung; aber auch bezüglich der ſogenannten Reiſen iſt man
[Abbildung Die Makrele (Scomber scombrus). ¼ der nat. Größe.]
gegenwärtig zu einer durchaus verſchiedenen Anſchauung gelangt. Jn größeren Tiefen der See
fängt man nämlich jederzeit Makrelen, und zwar ebenſowohl in der Nord- und Oſtſee, als in dem
atlantiſchen oder in dem Mittelmeere; die Fiſche erſcheinen auch faſt gleichzeitig an den nördlichen
und ſüdlichen Küſten: es deutet ſomit alles darauf hin, daß ſie eigentlich in den tiefen Gründen
der See ſich aufhalten und von dieſen aus nur, um zu laichen der Küſte zuſchwimmen, ganz ebenſo
wie es auch der Hering und andere Fiſche thun.
Dieſes Erſcheinen an den Küſten wird überall mit Jubel begrüßt; denn die Makrele gehört zu
den ausgezeichnetſten und wichtigſten aller Seefiſche, und ihr Fang hat wie im Alterthume heutigen-
tags noch eine großartige Bedeutung. Jn den Fiſcherſtädten und Dörfern erregt die Ankunft der
Makrelen Alt und Jung, Hoch und Gering; Hunderte und Tauſende von Booten machen ſich alsbald
auf, um den köſtlichen Fiſch einzuheimſen, und ein überaus reges und bewegtes Leben entfaltet ſich
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/575>, abgerufen am 23.12.2024.
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