Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Schildkröten. Alligatorschildkröten. Lurchschildkröten. Plattschildkröten.
Fischfängerin zu befreien; sie faßte, und vermittelst eines schnellen Ruckes mit meiner Hand stach
ich die Angel in ihren Unterkiefer. Da ich sie zu schwer fand, um sie über den noch sechs Fuß über
dem Wasser emporragenden, senkrechten Felsen heraufzuziehen, führte ich sie an der Angelschnur an
das andere Ufer des Teiches, wo das Ufer niedrig und das Wasser seicht war; doch hier legte sie sich,
nachdem ich sie bis auf eine Entfernung von zwei Fuß dem Ufer nah gebracht, plötzlich vor Anker,
indem sie ihre Vorderfüße vorwärts streckte und stemmte, und trotz der größten Anstrengung konnte
ich sie nicht näher heranziehen. Sie schien in einer furchtbaren Wuth zu sein, schnappte wiederholt
nach der Leine, brach endlich den Angelhaken ab und zog sich in den tiefsten Theil des Teiches zurück.
Nie konnte ich sie fortan wieder dazu bringen, nach irgend Etwas zu beißen; sie war überhaupt von
nun an sehr scheu, da sie gemerkt, daß ich ihr nach dem Leben trachtete. Jch fand sie fernerhin im
tiefen Wasser: auf den Felsen wagte sie sich nie wieder. Einst warf ich eine Harpune nach ihr, traf
sie auch glücklich in den Hals; durch eine gewaltige Kraftanstrengung der Vorderfüße aber riß sie
den Spieß los und rannte unter den Felsen. Später sah ich sie noch oft, jedoch immer nur während
ihres Rückzuges nach dem Schlupfwinkel, welcher ganz unzugänglich war. Jch beabsichtigte nun,
eine eiserne Falle mit Rindfleisch zu baizen und sie hinabzulassen, um endlich doch die Schlaue zu
überlisten; mein baldiger Abgang von jenem Orte aber rettete ihr damals das Leben. Jch habe gar
keinen Zweifel, daß sie heute noch ihres Daseins sich freut; denn ich hatte eine Menge von Fischen in
ihrem Teiche zurückgelassen."

Die Schnappschildkröte war es, welche Agassiz seinen Untersuchungen über die Schildkröten
zu Grunde legte, weil sie in der Nähe von Cambridge ziemlich häufig vorkommt, und besonders weil
ihre denen der Tauben ziemlich gleichende Eier, welche sie in der Nähe des Wassers in die Erde gräbt
und mit Laub bedeckt, leicht gesammelt werden konnten. "Monatelang", sagt Weinland, welcher
an jenen Untersuchungen einen wesentlichen Antheil nahm, "schlüpften täglich solche Schildkrötchen
aus den in Sand und Mos gelegten Eiern, und merkwürdig! -- die erste Bewegung des aus der
Schale hervorbrechenden Köpfchens war die des Schnappens und Beißens!" Genau Dasselbe erfuhr
früher der Prinz von Wied.

Alt eingefangene Schnappschildkröten verweigern gewöhnlich, Nahrung zu sich zu nehmen, jüngere
hingegen können ans Fressen gebracht werden. Eine, welche Müller gefangen hielt, fraß ein volles
Jahr Nichts. "Jch bot ihr", sagt der Genannte, "alles Mögliche an, jedoch vergebens. Jm Anfange
biß sie hinein, später aber mich in die Hände, da sie zu wissen schien, daß sie dadurch Schmerz
verursache und an mir sich rächen könne. Oft hing ich ihr einen Streifen Fleisch auf die Nase, und
sie spazierte damit in der Stube umher; es half nicht einmal Etwas, wenn man ihr das Fleisch in
den Mund steckte." Eine Geierschildkröte von achtzig Pfund Gewicht, welche Weinland beob-
achtete, ließ die in ihren Wasserbehälter gesetzten Fische unberührt an ihrem Kopfe vorbeischwimmen
oder auch die Frösche an sich umher hüpfen und biß, wenn man ihr die Nahrung zwischen die Kiefer
steckte, diese entzwei, ohne zu schlucken. Jch habe mich ebenfalls vergeblich bemüht, gefangenen
Schnappschildkröten Nahrung beizubringen, bei Effeldt aber gesehen, daß Dieß doch möglich ist.
Letzterer erhielt eine junge Schildkröte dieser Art, welche anfänglich alles Futter zurückwies und sich
wie die Müller'sche geberdete. Jhr Trotz wurde dadurch gebrochen, daß man ihr die Nahrung
gewaltsam einstopfte und im Schlunde hinabstieß. Nach und nach bequemte sie sich, selbst zu schlucken
und schließlich, das ihr vorgehaltene Futter artig wegzunehmen, ohne ihre Bosheit und Tücke fernerhin
zu bethätigen.



Die Lurchschildkröten (Chelydae) haben ein unvollkommen verknöchertes Rückenschild mit
Hornplatten und knochigem Rande, einen flachen Kopf mit niedrigen Kiefern, welche mit weicher Haut
überzogen sind, einen langen Hals, den sie nicht zurückziehen, sondern nur seitlich zwischen die Schilder

Die Schildkröten. Alligatorſchildkröten. Lurchſchildkröten. Plattſchildkröten.
Fiſchfängerin zu befreien; ſie faßte, und vermittelſt eines ſchnellen Ruckes mit meiner Hand ſtach
ich die Angel in ihren Unterkiefer. Da ich ſie zu ſchwer fand, um ſie über den noch ſechs Fuß über
dem Waſſer emporragenden, ſenkrechten Felſen heraufzuziehen, führte ich ſie an der Angelſchnur an
das andere Ufer des Teiches, wo das Ufer niedrig und das Waſſer ſeicht war; doch hier legte ſie ſich,
nachdem ich ſie bis auf eine Entfernung von zwei Fuß dem Ufer nah gebracht, plötzlich vor Anker,
indem ſie ihre Vorderfüße vorwärts ſtreckte und ſtemmte, und trotz der größten Anſtrengung konnte
ich ſie nicht näher heranziehen. Sie ſchien in einer furchtbaren Wuth zu ſein, ſchnappte wiederholt
nach der Leine, brach endlich den Angelhaken ab und zog ſich in den tiefſten Theil des Teiches zurück.
Nie konnte ich ſie fortan wieder dazu bringen, nach irgend Etwas zu beißen; ſie war überhaupt von
nun an ſehr ſcheu, da ſie gemerkt, daß ich ihr nach dem Leben trachtete. Jch fand ſie fernerhin im
tiefen Waſſer: auf den Felſen wagte ſie ſich nie wieder. Einſt warf ich eine Harpune nach ihr, traf
ſie auch glücklich in den Hals; durch eine gewaltige Kraftanſtrengung der Vorderfüße aber riß ſie
den Spieß los und rannte unter den Felſen. Später ſah ich ſie noch oft, jedoch immer nur während
ihres Rückzuges nach dem Schlupfwinkel, welcher ganz unzugänglich war. Jch beabſichtigte nun,
eine eiſerne Falle mit Rindfleiſch zu baizen und ſie hinabzulaſſen, um endlich doch die Schlaue zu
überliſten; mein baldiger Abgang von jenem Orte aber rettete ihr damals das Leben. Jch habe gar
keinen Zweifel, daß ſie heute noch ihres Daſeins ſich freut; denn ich hatte eine Menge von Fiſchen in
ihrem Teiche zurückgelaſſen.“

Die Schnappſchildkröte war es, welche Agaſſiz ſeinen Unterſuchungen über die Schildkröten
zu Grunde legte, weil ſie in der Nähe von Cambridge ziemlich häufig vorkommt, und beſonders weil
ihre denen der Tauben ziemlich gleichende Eier, welche ſie in der Nähe des Waſſers in die Erde gräbt
und mit Laub bedeckt, leicht geſammelt werden konnten. „Monatelang“, ſagt Weinland, welcher
an jenen Unterſuchungen einen weſentlichen Antheil nahm, „ſchlüpften täglich ſolche Schildkrötchen
aus den in Sand und Mos gelegten Eiern, und merkwürdig! — die erſte Bewegung des aus der
Schale hervorbrechenden Köpfchens war die des Schnappens und Beißens!“ Genau Daſſelbe erfuhr
früher der Prinz von Wied.

Alt eingefangene Schnappſchildkröten verweigern gewöhnlich, Nahrung zu ſich zu nehmen, jüngere
hingegen können ans Freſſen gebracht werden. Eine, welche Müller gefangen hielt, fraß ein volles
Jahr Nichts. „Jch bot ihr“, ſagt der Genannte, „alles Mögliche an, jedoch vergebens. Jm Anfange
biß ſie hinein, ſpäter aber mich in die Hände, da ſie zu wiſſen ſchien, daß ſie dadurch Schmerz
verurſache und an mir ſich rächen könne. Oft hing ich ihr einen Streifen Fleiſch auf die Naſe, und
ſie ſpazierte damit in der Stube umher; es half nicht einmal Etwas, wenn man ihr das Fleiſch in
den Mund ſteckte.“ Eine Geierſchildkröte von achtzig Pfund Gewicht, welche Weinland beob-
achtete, ließ die in ihren Waſſerbehälter geſetzten Fiſche unberührt an ihrem Kopfe vorbeiſchwimmen
oder auch die Fröſche an ſich umher hüpfen und biß, wenn man ihr die Nahrung zwiſchen die Kiefer
ſteckte, dieſe entzwei, ohne zu ſchlucken. Jch habe mich ebenfalls vergeblich bemüht, gefangenen
Schnappſchildkröten Nahrung beizubringen, bei Effeldt aber geſehen, daß Dieß doch möglich iſt.
Letzterer erhielt eine junge Schildkröte dieſer Art, welche anfänglich alles Futter zurückwies und ſich
wie die Müller’ſche geberdete. Jhr Trotz wurde dadurch gebrochen, daß man ihr die Nahrung
gewaltſam einſtopfte und im Schlunde hinabſtieß. Nach und nach bequemte ſie ſich, ſelbſt zu ſchlucken
und ſchließlich, das ihr vorgehaltene Futter artig wegzunehmen, ohne ihre Bosheit und Tücke fernerhin
zu bethätigen.



Die Lurchſchildkröten (Chelydae) haben ein unvollkommen verknöchertes Rückenſchild mit
Hornplatten und knochigem Rande, einen flachen Kopf mit niedrigen Kiefern, welche mit weicher Haut
überzogen ſind, einen langen Hals, den ſie nicht zurückziehen, ſondern nur ſeitlich zwiſchen die Schilder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0056" n="44"/><fw place="top" type="header">Die Schildkröten. Alligator&#x017F;childkröten. Lurch&#x017F;childkröten. Platt&#x017F;childkröten.</fw><lb/>
Fi&#x017F;chfängerin zu befreien; &#x017F;ie faßte, und vermittel&#x017F;t eines &#x017F;chnellen Ruckes mit meiner Hand &#x017F;tach<lb/>
ich die Angel in ihren Unterkiefer. Da ich &#x017F;ie zu &#x017F;chwer fand, um &#x017F;ie über den noch &#x017F;echs Fuß über<lb/>
dem Wa&#x017F;&#x017F;er emporragenden, &#x017F;enkrechten Fel&#x017F;en heraufzuziehen, führte ich &#x017F;ie an der Angel&#x017F;chnur an<lb/>
das andere Ufer des Teiches, wo das Ufer niedrig und das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eicht war; doch hier legte &#x017F;ie &#x017F;ich,<lb/>
nachdem ich &#x017F;ie bis auf eine Entfernung von zwei Fuß dem Ufer nah gebracht, plötzlich vor Anker,<lb/>
indem &#x017F;ie ihre Vorderfüße vorwärts &#x017F;treckte und &#x017F;temmte, und trotz der größten An&#x017F;trengung konnte<lb/>
ich &#x017F;ie nicht näher heranziehen. Sie &#x017F;chien in einer furchtbaren Wuth zu &#x017F;ein, &#x017F;chnappte wiederholt<lb/>
nach der Leine, brach endlich den Angelhaken ab und zog &#x017F;ich in den tief&#x017F;ten Theil des Teiches zurück.<lb/>
Nie konnte ich &#x017F;ie fortan wieder dazu bringen, nach irgend Etwas zu beißen; &#x017F;ie war überhaupt von<lb/>
nun an &#x017F;ehr &#x017F;cheu, da &#x017F;ie gemerkt, daß ich ihr nach dem Leben trachtete. Jch fand &#x017F;ie fernerhin im<lb/>
tiefen Wa&#x017F;&#x017F;er: auf den Fel&#x017F;en wagte &#x017F;ie &#x017F;ich nie wieder. Ein&#x017F;t warf ich eine Harpune nach ihr, traf<lb/>
&#x017F;ie auch glücklich in den Hals; durch eine gewaltige Kraftan&#x017F;trengung der Vorderfüße aber riß &#x017F;ie<lb/>
den Spieß los und rannte unter den Fel&#x017F;en. Später &#x017F;ah ich &#x017F;ie noch oft, jedoch immer nur während<lb/>
ihres Rückzuges nach dem Schlupfwinkel, welcher ganz unzugänglich war. Jch beab&#x017F;ichtigte nun,<lb/>
eine ei&#x017F;erne Falle mit Rindflei&#x017F;ch zu baizen und &#x017F;ie hinabzula&#x017F;&#x017F;en, um endlich doch die Schlaue zu<lb/>
überli&#x017F;ten; mein baldiger Abgang von jenem Orte aber rettete ihr damals das Leben. Jch habe gar<lb/>
keinen Zweifel, daß &#x017F;ie heute noch ihres Da&#x017F;eins &#x017F;ich freut; denn ich hatte eine Menge von Fi&#x017F;chen in<lb/>
ihrem Teiche zurückgela&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die Schnapp&#x017F;childkröte war es, welche <hi rendition="#g">Aga&#x017F;&#x017F;iz</hi> &#x017F;einen Unter&#x017F;uchungen über die Schildkröten<lb/>
zu Grunde legte, weil &#x017F;ie in der Nähe von Cambridge ziemlich häufig vorkommt, und be&#x017F;onders weil<lb/>
ihre denen der Tauben ziemlich gleichende Eier, welche &#x017F;ie in der Nähe des Wa&#x017F;&#x017F;ers in die Erde gräbt<lb/>
und mit Laub bedeckt, leicht ge&#x017F;ammelt werden konnten. &#x201E;Monatelang&#x201C;, &#x017F;agt <hi rendition="#g">Weinland,</hi> welcher<lb/>
an jenen Unter&#x017F;uchungen einen we&#x017F;entlichen Antheil nahm, &#x201E;&#x017F;chlüpften täglich &#x017F;olche Schildkrötchen<lb/>
aus den in Sand und Mos gelegten Eiern, und merkwürdig! &#x2014; die er&#x017F;te Bewegung des aus der<lb/>
Schale hervorbrechenden Köpfchens war die des Schnappens und Beißens!&#x201C; Genau Da&#x017F;&#x017F;elbe erfuhr<lb/>
früher der <hi rendition="#g">Prinz von Wied.</hi></p><lb/>
          <p>Alt eingefangene Schnapp&#x017F;childkröten verweigern gewöhnlich, Nahrung zu &#x017F;ich zu nehmen, jüngere<lb/>
hingegen können ans Fre&#x017F;&#x017F;en gebracht werden. Eine, welche <hi rendition="#g">Müller</hi> gefangen hielt, fraß ein volles<lb/>
Jahr Nichts. &#x201E;Jch bot ihr&#x201C;, &#x017F;agt der Genannte, &#x201E;alles Mögliche an, jedoch vergebens. Jm Anfange<lb/>
biß &#x017F;ie hinein, &#x017F;päter aber mich in die Hände, da &#x017F;ie zu wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chien, daß &#x017F;ie dadurch Schmerz<lb/>
verur&#x017F;ache und an mir &#x017F;ich rächen könne. Oft hing ich ihr einen Streifen Flei&#x017F;ch auf die Na&#x017F;e, und<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;pazierte damit in der Stube umher; es half nicht einmal Etwas, wenn man ihr das Flei&#x017F;ch in<lb/>
den Mund &#x017F;teckte.&#x201C; Eine Geier&#x017F;childkröte von achtzig Pfund Gewicht, welche <hi rendition="#g">Weinland</hi> beob-<lb/>
achtete, ließ die in ihren Wa&#x017F;&#x017F;erbehälter ge&#x017F;etzten Fi&#x017F;che unberührt an ihrem Kopfe vorbei&#x017F;chwimmen<lb/>
oder auch die Frö&#x017F;che an &#x017F;ich umher hüpfen und biß, wenn man ihr die Nahrung zwi&#x017F;chen die Kiefer<lb/>
&#x017F;teckte, die&#x017F;e entzwei, ohne zu &#x017F;chlucken. Jch habe mich ebenfalls vergeblich bemüht, gefangenen<lb/>
Schnapp&#x017F;childkröten Nahrung beizubringen, bei <hi rendition="#g">Effeldt</hi> aber ge&#x017F;ehen, daß Dieß doch möglich i&#x017F;t.<lb/>
Letzterer erhielt eine junge Schildkröte die&#x017F;er Art, welche anfänglich alles Futter zurückwies und &#x017F;ich<lb/>
wie die <hi rendition="#g">Müller&#x2019;</hi>&#x017F;che geberdete. Jhr Trotz wurde dadurch gebrochen, daß man ihr die Nahrung<lb/>
gewalt&#x017F;am ein&#x017F;topfte und im Schlunde hinab&#x017F;tieß. Nach und nach bequemte &#x017F;ie &#x017F;ich, &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;chlucken<lb/>
und &#x017F;chließlich, das ihr vorgehaltene Futter artig wegzunehmen, ohne ihre Bosheit und Tücke fernerhin<lb/>
zu bethätigen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Lurch&#x017F;childkröten</hi> <hi rendition="#aq">(Chelydae)</hi> haben ein unvollkommen verknöchertes Rücken&#x017F;child mit<lb/>
Hornplatten und knochigem Rande, einen flachen Kopf mit niedrigen Kiefern, welche mit weicher Haut<lb/>
überzogen &#x017F;ind, einen langen Hals, den &#x017F;ie nicht zurückziehen, &#x017F;ondern nur &#x017F;eitlich zwi&#x017F;chen die Schilder<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0056] Die Schildkröten. Alligatorſchildkröten. Lurchſchildkröten. Plattſchildkröten. Fiſchfängerin zu befreien; ſie faßte, und vermittelſt eines ſchnellen Ruckes mit meiner Hand ſtach ich die Angel in ihren Unterkiefer. Da ich ſie zu ſchwer fand, um ſie über den noch ſechs Fuß über dem Waſſer emporragenden, ſenkrechten Felſen heraufzuziehen, führte ich ſie an der Angelſchnur an das andere Ufer des Teiches, wo das Ufer niedrig und das Waſſer ſeicht war; doch hier legte ſie ſich, nachdem ich ſie bis auf eine Entfernung von zwei Fuß dem Ufer nah gebracht, plötzlich vor Anker, indem ſie ihre Vorderfüße vorwärts ſtreckte und ſtemmte, und trotz der größten Anſtrengung konnte ich ſie nicht näher heranziehen. Sie ſchien in einer furchtbaren Wuth zu ſein, ſchnappte wiederholt nach der Leine, brach endlich den Angelhaken ab und zog ſich in den tiefſten Theil des Teiches zurück. Nie konnte ich ſie fortan wieder dazu bringen, nach irgend Etwas zu beißen; ſie war überhaupt von nun an ſehr ſcheu, da ſie gemerkt, daß ich ihr nach dem Leben trachtete. Jch fand ſie fernerhin im tiefen Waſſer: auf den Felſen wagte ſie ſich nie wieder. Einſt warf ich eine Harpune nach ihr, traf ſie auch glücklich in den Hals; durch eine gewaltige Kraftanſtrengung der Vorderfüße aber riß ſie den Spieß los und rannte unter den Felſen. Später ſah ich ſie noch oft, jedoch immer nur während ihres Rückzuges nach dem Schlupfwinkel, welcher ganz unzugänglich war. Jch beabſichtigte nun, eine eiſerne Falle mit Rindfleiſch zu baizen und ſie hinabzulaſſen, um endlich doch die Schlaue zu überliſten; mein baldiger Abgang von jenem Orte aber rettete ihr damals das Leben. Jch habe gar keinen Zweifel, daß ſie heute noch ihres Daſeins ſich freut; denn ich hatte eine Menge von Fiſchen in ihrem Teiche zurückgelaſſen.“ Die Schnappſchildkröte war es, welche Agaſſiz ſeinen Unterſuchungen über die Schildkröten zu Grunde legte, weil ſie in der Nähe von Cambridge ziemlich häufig vorkommt, und beſonders weil ihre denen der Tauben ziemlich gleichende Eier, welche ſie in der Nähe des Waſſers in die Erde gräbt und mit Laub bedeckt, leicht geſammelt werden konnten. „Monatelang“, ſagt Weinland, welcher an jenen Unterſuchungen einen weſentlichen Antheil nahm, „ſchlüpften täglich ſolche Schildkrötchen aus den in Sand und Mos gelegten Eiern, und merkwürdig! — die erſte Bewegung des aus der Schale hervorbrechenden Köpfchens war die des Schnappens und Beißens!“ Genau Daſſelbe erfuhr früher der Prinz von Wied. Alt eingefangene Schnappſchildkröten verweigern gewöhnlich, Nahrung zu ſich zu nehmen, jüngere hingegen können ans Freſſen gebracht werden. Eine, welche Müller gefangen hielt, fraß ein volles Jahr Nichts. „Jch bot ihr“, ſagt der Genannte, „alles Mögliche an, jedoch vergebens. Jm Anfange biß ſie hinein, ſpäter aber mich in die Hände, da ſie zu wiſſen ſchien, daß ſie dadurch Schmerz verurſache und an mir ſich rächen könne. Oft hing ich ihr einen Streifen Fleiſch auf die Naſe, und ſie ſpazierte damit in der Stube umher; es half nicht einmal Etwas, wenn man ihr das Fleiſch in den Mund ſteckte.“ Eine Geierſchildkröte von achtzig Pfund Gewicht, welche Weinland beob- achtete, ließ die in ihren Waſſerbehälter geſetzten Fiſche unberührt an ihrem Kopfe vorbeiſchwimmen oder auch die Fröſche an ſich umher hüpfen und biß, wenn man ihr die Nahrung zwiſchen die Kiefer ſteckte, dieſe entzwei, ohne zu ſchlucken. Jch habe mich ebenfalls vergeblich bemüht, gefangenen Schnappſchildkröten Nahrung beizubringen, bei Effeldt aber geſehen, daß Dieß doch möglich iſt. Letzterer erhielt eine junge Schildkröte dieſer Art, welche anfänglich alles Futter zurückwies und ſich wie die Müller’ſche geberdete. Jhr Trotz wurde dadurch gebrochen, daß man ihr die Nahrung gewaltſam einſtopfte und im Schlunde hinabſtieß. Nach und nach bequemte ſie ſich, ſelbſt zu ſchlucken und ſchließlich, das ihr vorgehaltene Futter artig wegzunehmen, ohne ihre Bosheit und Tücke fernerhin zu bethätigen. Die Lurchſchildkröten (Chelydae) haben ein unvollkommen verknöchertes Rückenſchild mit Hornplatten und knochigem Rande, einen flachen Kopf mit niedrigen Kiefern, welche mit weicher Haut überzogen ſind, einen langen Hals, den ſie nicht zurückziehen, ſondern nur ſeitlich zwiſchen die Schilder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/56
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/56>, abgerufen am 21.12.2024.