Der Doko ist für uns aus dem Grunde von Wichtigkeit, weil ich der Güte Th. v. Heuglin's eine Beschreibung seines Lebens verdanke, welche das über die Lungenfische bisher Bekannte wesentlich ergänzt. "Das Thier", schreibt mir mein Freund, "lebt im weißen Nile und seinen Zuflüssen südlich vom 9. Grade nördlicher Breite und scheint hier überall häufig zu sein. Man findet den sonderbaren Fisch im Schlamme, seltener im freien Wasser; aber er nähert sich des Nachts häufig den Barken, wohl um den Auswurf derselben aufzufressen. Während der trockenen Jahreszeit hält er sich in wahrscheinlich selbstgegrabenen, wagerechten, vier bis fünf Fuß tiefen Löchern im hohen Gestade der Regenbecken auf und verläßt diese nur zur Nachtzeit, um Frösche, Weichthiere und Krabben zu fangen, welche seine Hauptnahrung ausmachen. Während der Regenzeit bahnt er sich förmliche
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Der Schlammfisch(Protopterus annectens). 1/2 der nat. Größe.
Wege im Schlamme. Selten sieht man mehrere beisammen, weil sie im höchsten Grade unverträglich sind, sich, wenn sie sich zufällig begegnen, sofort bekämpfen und auch regelmäßig so arg zurichten, daß man selten Stücke findet, welche noch einen vollständigen Schwanz haben. Auch dem Menschen gegenüber setzt sich der Doko zur Wehre, beißt, wenn man zufällig auf ihn tritt, und zischt dabei wie eine Schlange, an welche er auch in der Behendigkeit seines Fortgleitens erinnert. Die Neger fangen ihn mit dem Wurfspeer, weil sie sein leckeres Fleisch gern essen. Doch beißt er auch in die Angel."
Diese auf eigener Beobachtung beruhende Schilderung der Lebensweise des Doko unterscheidet sich wesentlich von Dem, was wir über den Schlammfisch wissen. Letzterer lebt zwar in ähnlichen Gewässern, also sumpfigen, langsam fließenden Strömen oder überschwemmten Landstrecken, bildet sich aber, wenn diese austrocknen, keine Höhlung, sondern hüllt sich in eine aus Schlamm bestehende Kapsel ein und verbringt in dieser die Zeit der Dürre. Seit einigen Jahren kommen lebende
Caramurn. Schlammfiſch und Doko.
Der Doko iſt für uns aus dem Grunde von Wichtigkeit, weil ich der Güte Th. v. Heuglin’s eine Beſchreibung ſeines Lebens verdanke, welche das über die Lungenfiſche bisher Bekannte weſentlich ergänzt. „Das Thier“, ſchreibt mir mein Freund, „lebt im weißen Nile und ſeinen Zuflüſſen ſüdlich vom 9. Grade nördlicher Breite und ſcheint hier überall häufig zu ſein. Man findet den ſonderbaren Fiſch im Schlamme, ſeltener im freien Waſſer; aber er nähert ſich des Nachts häufig den Barken, wohl um den Auswurf derſelben aufzufreſſen. Während der trockenen Jahreszeit hält er ſich in wahrſcheinlich ſelbſtgegrabenen, wagerechten, vier bis fünf Fuß tiefen Löchern im hohen Geſtade der Regenbecken auf und verläßt dieſe nur zur Nachtzeit, um Fröſche, Weichthiere und Krabben zu fangen, welche ſeine Hauptnahrung ausmachen. Während der Regenzeit bahnt er ſich förmliche
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Der Schlammfiſch(Protopterus annectens). ½ der nat. Größe.
Wege im Schlamme. Selten ſieht man mehrere beiſammen, weil ſie im höchſten Grade unverträglich ſind, ſich, wenn ſie ſich zufällig begegnen, ſofort bekämpfen und auch regelmäßig ſo arg zurichten, daß man ſelten Stücke findet, welche noch einen vollſtändigen Schwanz haben. Auch dem Menſchen gegenüber ſetzt ſich der Doko zur Wehre, beißt, wenn man zufällig auf ihn tritt, und ziſcht dabei wie eine Schlange, an welche er auch in der Behendigkeit ſeines Fortgleitens erinnert. Die Neger fangen ihn mit dem Wurfſpeer, weil ſie ſein leckeres Fleiſch gern eſſen. Doch beißt er auch in die Angel.“
Dieſe auf eigener Beobachtung beruhende Schilderung der Lebensweiſe des Doko unterſcheidet ſich weſentlich von Dem, was wir über den Schlammfiſch wiſſen. Letzterer lebt zwar in ähnlichen Gewäſſern, alſo ſumpfigen, langſam fließenden Strömen oder überſchwemmten Landſtrecken, bildet ſich aber, wenn dieſe austrocknen, keine Höhlung, ſondern hüllt ſich in eine aus Schlamm beſtehende Kapſel ein und verbringt in dieſer die Zeit der Dürre. Seit einigen Jahren kommen lebende
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Caramurn. Schlammfiſch und Doko.
Der Doko iſt für uns aus dem Grunde von Wichtigkeit, weil ich der Güte Th. v. Heuglin’s
eine Beſchreibung ſeines Lebens verdanke, welche das über die Lungenfiſche bisher Bekannte weſentlich
ergänzt. „Das Thier“, ſchreibt mir mein Freund, „lebt im weißen Nile und ſeinen Zuflüſſen ſüdlich
vom 9. Grade nördlicher Breite und ſcheint hier überall häufig zu ſein. Man findet den ſonderbaren
Fiſch im Schlamme, ſeltener im freien Waſſer; aber er nähert ſich des Nachts häufig den Barken,
wohl um den Auswurf derſelben aufzufreſſen. Während der trockenen Jahreszeit hält er ſich in
wahrſcheinlich ſelbſtgegrabenen, wagerechten, vier bis fünf Fuß tiefen Löchern im hohen Geſtade der
Regenbecken auf und verläßt dieſe nur zur Nachtzeit, um Fröſche, Weichthiere und Krabben zu
fangen, welche ſeine Hauptnahrung ausmachen. Während der Regenzeit bahnt er ſich förmliche
[Abbildung Der Schlammfiſch (Protopterus annectens). ½ der nat. Größe.]
Wege im Schlamme. Selten ſieht man mehrere beiſammen, weil ſie im höchſten Grade unverträglich
ſind, ſich, wenn ſie ſich zufällig begegnen, ſofort bekämpfen und auch regelmäßig ſo arg zurichten, daß
man ſelten Stücke findet, welche noch einen vollſtändigen Schwanz haben. Auch dem Menſchen
gegenüber ſetzt ſich der Doko zur Wehre, beißt, wenn man zufällig auf ihn tritt, und ziſcht dabei wie
eine Schlange, an welche er auch in der Behendigkeit ſeines Fortgleitens erinnert. Die Neger fangen
ihn mit dem Wurfſpeer, weil ſie ſein leckeres Fleiſch gern eſſen. Doch beißt er auch in die Angel.“
Dieſe auf eigener Beobachtung beruhende Schilderung der Lebensweiſe des Doko unterſcheidet
ſich weſentlich von Dem, was wir über den Schlammfiſch wiſſen. Letzterer lebt zwar in ähnlichen
Gewäſſern, alſo ſumpfigen, langſam fließenden Strömen oder überſchwemmten Landſtrecken, bildet ſich
aber, wenn dieſe austrocknen, keine Höhlung, ſondern hüllt ſich in eine aus Schlamm beſtehende
Kapſel ein und verbringt in dieſer die Zeit der Dürre. Seit einigen Jahren kommen lebende
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/499>, abgerufen am 21.12.2024.
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