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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Aufenthalt. Verbreitung.
entspricht wirklich der Größe des Meeres und der Wassermenge desselben, gegenüber dem Jnhalte der
Süßwasserbecken und Wasserläufe.

Die Fähigkeit der Fische, in den verschiedenartigsten Gewässern, unter den verschiedenartigsten
Verhältnissen und Umständen zu leben, ist ebenso außerordentlich als die Schmiegsamkeit, falls ich
mich so ausdrücken darf, der Vögel äußeren Einflüssen gegenüber. Es gibt äußerst wenige
Gewässer, in denen man keine Fische findet. Sie steigen von der Niederung aus, den Strömen,
Flüssen und Bächen entgegenschwimmend, bis in das Gebirge empor und versenken sich im Meere
bis in Tiefen, zu deren genauerer Erforschung uns noch heutigentages die Mittel mangeln. Einzelne
von ihnen bevorzugen die oberen Wasserschichten, andere halten sich im Gegentheil in den niedersten
auf und leben hier unter dem Drucke einer Wassersäule, deren Gewicht wir wohl berechnen, uns aber
kaum vorstellen können. Zwar wird behauptet, daß es in einer Tiefe von mehr als achthundert Fuß
keine Fische mehr gäbe; diese Meinung fußt jedoch auf einer Annahme, welche trotz der Unzu-
länglichkeit unserer Untersuchungsmittel durch bestimmte Beobachtungen längst widerlegt worden ist.
Den neuerlichen Befunden zu Folge dürfen wir glauben, daß die Meerestiefen viel dichter bevölkert
sind als wir wähnen. Auch die höheren Breitengrade setzen der Verbreitung der Fische kein Ziel.
Allerdings sind die Meere des heißen und gemäßigten Gürtels reichhaltiger an ihnen als die der
beiden kalten; aber auch hier wohnen unschätzbare Massen von ihnen, auch hier beleben sie alle Theile
des Meeres in unendlicher Menge. Die Scharen der Säugethiere und Vögel, die Gesellschaften der
Kriechthiere und Lurche kann man abschätzen; für die Masse der Fische mangelt uns hierzu jeglicher
Anhalt, weil wir nicht wagen dürfen, von Dem, was wir sehen, auf das unseren Augen Verborgene
zu schließen.

Die Verbreitung einer und derselben Art erscheint geringer, als man glauben möchte, wenn man
bedenkt, daß das Wasser einem so bewegungsfähigen Geschöpfe das Reisen im hohen Grade
erleichtert, und jeder Fisch mehr oder weniger die Gabe besitzt, in verschiedenen Gewässern oder doch
Theilen eines solchen zu leben. Aber Grenzen gibt es auch auf dem unendlichen Meere. Ganz
allmählich wird die eine Art durch eine verwandte ersetzt, weiterhin diese wiederum durch eine zweite,
dritte, vierte, sowie auch zu der einen Form bald eine neue tritt. Wenige Fische finden sich an allen
Küsten eines und desselben Weltmeeres oder, was Dasselbe sagen will, wenige von ihnen über-
schwimmen eines dieser Wasserbecken, obgleich sie dazu unzweifelhaft befähigt sind. Auch sie halten
an gewissen Wohnkreisen fest, scheinen an der Stätte ihrer Geburt mit einer Jnnigkeit zu hangen,
für welche wir noch keine Erklärung gefunden haben. Kaum einem Zweifel unterworfen ist es, daß
die Lachse, welche in einem Flusse geboren wurden, später, wenn sie sich fortpflanzen wollen, auch
wieder zu diesem Flusse zurückkehren, immer zu ihm, nicht zu einem anderen, wenn auch ein solcher
unweit ihres heimatlichen münden sollte. Dies läßt sich nur erklären, wenn man annimmt, daß die
jungen Lachse nach ihrem Eintritte in das Meer sich in der Nähe der Mündung ihres Heimatflusses
aufhalten, also ein in Beziehung auf ihre Bewegungsfähigkeit außerordentlich kleines Gebiet sich
abgrenzen und dasselbe in der Regel nicht überschreiten. Ausnahmsweise freilich nimmt man auch
bei den Fischen größere Reisen wahr. Haifische z. B. folgen Schiffen hunderte von Meilen weit,
von südlichen Meeren bis in nördliche und umgekehrt, andere treibenden Schiffsplanken, welche mit
Entenmuscheln besetzt sind; andere erscheinen als Verschlagene oder Verirrte an ihnen fremden
Küsten, Mittelmeerfische z. B. in den britischen Gewässern. Aber sie bilden Ausnahmen; denn im
Allgemeinen beschränken sich die Meerfische auf bestimmte Gürtel, ja selbst Theile von solchen, wie
einzelne Süßwasserfische auf gewisse Flüsse und Seen, und die Wanderungen, welche von ihnen aus
unternommen werden, sind sicherlich viel geringer als wir glauben. Jahrelang hat man angenommen,
daß das Eismeer uns die Milliarden von Heringen sende, welche an den Küsten Norwegens,
Englands, Großbritanniens, Deutschlands, Hollands und Frankreichs gefangen werden, während
wir jetzt mit aller Bestimmtheit behaupten dürfen, daß ein Reisen von Norden nach Süden nicht,
wohl aber Aufsteigen aus den tiefen Gründen des Meeres zum seichteren Strande stattfindet. Viele

Aufenthalt. Verbreitung.
entſpricht wirklich der Größe des Meeres und der Waſſermenge deſſelben, gegenüber dem Jnhalte der
Süßwaſſerbecken und Waſſerläufe.

Die Fähigkeit der Fiſche, in den verſchiedenartigſten Gewäſſern, unter den verſchiedenartigſten
Verhältniſſen und Umſtänden zu leben, iſt ebenſo außerordentlich als die Schmiegſamkeit, falls ich
mich ſo ausdrücken darf, der Vögel äußeren Einflüſſen gegenüber. Es gibt äußerſt wenige
Gewäſſer, in denen man keine Fiſche findet. Sie ſteigen von der Niederung aus, den Strömen,
Flüſſen und Bächen entgegenſchwimmend, bis in das Gebirge empor und verſenken ſich im Meere
bis in Tiefen, zu deren genauerer Erforſchung uns noch heutigentages die Mittel mangeln. Einzelne
von ihnen bevorzugen die oberen Waſſerſchichten, andere halten ſich im Gegentheil in den niederſten
auf und leben hier unter dem Drucke einer Waſſerſäule, deren Gewicht wir wohl berechnen, uns aber
kaum vorſtellen können. Zwar wird behauptet, daß es in einer Tiefe von mehr als achthundert Fuß
keine Fiſche mehr gäbe; dieſe Meinung fußt jedoch auf einer Annahme, welche trotz der Unzu-
länglichkeit unſerer Unterſuchungsmittel durch beſtimmte Beobachtungen längſt widerlegt worden iſt.
Den neuerlichen Befunden zu Folge dürfen wir glauben, daß die Meerestiefen viel dichter bevölkert
ſind als wir wähnen. Auch die höheren Breitengrade ſetzen der Verbreitung der Fiſche kein Ziel.
Allerdings ſind die Meere des heißen und gemäßigten Gürtels reichhaltiger an ihnen als die der
beiden kalten; aber auch hier wohnen unſchätzbare Maſſen von ihnen, auch hier beleben ſie alle Theile
des Meeres in unendlicher Menge. Die Scharen der Säugethiere und Vögel, die Geſellſchaften der
Kriechthiere und Lurche kann man abſchätzen; für die Maſſe der Fiſche mangelt uns hierzu jeglicher
Anhalt, weil wir nicht wagen dürfen, von Dem, was wir ſehen, auf das unſeren Augen Verborgene
zu ſchließen.

Die Verbreitung einer und derſelben Art erſcheint geringer, als man glauben möchte, wenn man
bedenkt, daß das Waſſer einem ſo bewegungsfähigen Geſchöpfe das Reiſen im hohen Grade
erleichtert, und jeder Fiſch mehr oder weniger die Gabe beſitzt, in verſchiedenen Gewäſſern oder doch
Theilen eines ſolchen zu leben. Aber Grenzen gibt es auch auf dem unendlichen Meere. Ganz
allmählich wird die eine Art durch eine verwandte erſetzt, weiterhin dieſe wiederum durch eine zweite,
dritte, vierte, ſowie auch zu der einen Form bald eine neue tritt. Wenige Fiſche finden ſich an allen
Küſten eines und deſſelben Weltmeeres oder, was Daſſelbe ſagen will, wenige von ihnen über-
ſchwimmen eines dieſer Waſſerbecken, obgleich ſie dazu unzweifelhaft befähigt ſind. Auch ſie halten
an gewiſſen Wohnkreiſen feſt, ſcheinen an der Stätte ihrer Geburt mit einer Jnnigkeit zu hangen,
für welche wir noch keine Erklärung gefunden haben. Kaum einem Zweifel unterworfen iſt es, daß
die Lachſe, welche in einem Fluſſe geboren wurden, ſpäter, wenn ſie ſich fortpflanzen wollen, auch
wieder zu dieſem Fluſſe zurückkehren, immer zu ihm, nicht zu einem anderen, wenn auch ein ſolcher
unweit ihres heimatlichen münden ſollte. Dies läßt ſich nur erklären, wenn man annimmt, daß die
jungen Lachſe nach ihrem Eintritte in das Meer ſich in der Nähe der Mündung ihres Heimatfluſſes
aufhalten, alſo ein in Beziehung auf ihre Bewegungsfähigkeit außerordentlich kleines Gebiet ſich
abgrenzen und daſſelbe in der Regel nicht überſchreiten. Ausnahmsweiſe freilich nimmt man auch
bei den Fiſchen größere Reiſen wahr. Haifiſche z. B. folgen Schiffen hunderte von Meilen weit,
von ſüdlichen Meeren bis in nördliche und umgekehrt, andere treibenden Schiffsplanken, welche mit
Entenmuſcheln beſetzt ſind; andere erſcheinen als Verſchlagene oder Verirrte an ihnen fremden
Küſten, Mittelmeerfiſche z. B. in den britiſchen Gewäſſern. Aber ſie bilden Ausnahmen; denn im
Allgemeinen beſchränken ſich die Meerfiſche auf beſtimmte Gürtel, ja ſelbſt Theile von ſolchen, wie
einzelne Süßwaſſerfiſche auf gewiſſe Flüſſe und Seen, und die Wanderungen, welche von ihnen aus
unternommen werden, ſind ſicherlich viel geringer als wir glauben. Jahrelang hat man angenommen,
daß das Eismeer uns die Milliarden von Heringen ſende, welche an den Küſten Norwegens,
Englands, Großbritanniens, Deutſchlands, Hollands und Frankreichs gefangen werden, während
wir jetzt mit aller Beſtimmtheit behaupten dürfen, daß ein Reiſen von Norden nach Süden nicht,
wohl aber Aufſteigen aus den tiefen Gründen des Meeres zum ſeichteren Strande ſtattfindet. Viele

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[457/0487] Aufenthalt. Verbreitung. entſpricht wirklich der Größe des Meeres und der Waſſermenge deſſelben, gegenüber dem Jnhalte der Süßwaſſerbecken und Waſſerläufe. Die Fähigkeit der Fiſche, in den verſchiedenartigſten Gewäſſern, unter den verſchiedenartigſten Verhältniſſen und Umſtänden zu leben, iſt ebenſo außerordentlich als die Schmiegſamkeit, falls ich mich ſo ausdrücken darf, der Vögel äußeren Einflüſſen gegenüber. Es gibt äußerſt wenige Gewäſſer, in denen man keine Fiſche findet. Sie ſteigen von der Niederung aus, den Strömen, Flüſſen und Bächen entgegenſchwimmend, bis in das Gebirge empor und verſenken ſich im Meere bis in Tiefen, zu deren genauerer Erforſchung uns noch heutigentages die Mittel mangeln. Einzelne von ihnen bevorzugen die oberen Waſſerſchichten, andere halten ſich im Gegentheil in den niederſten auf und leben hier unter dem Drucke einer Waſſerſäule, deren Gewicht wir wohl berechnen, uns aber kaum vorſtellen können. Zwar wird behauptet, daß es in einer Tiefe von mehr als achthundert Fuß keine Fiſche mehr gäbe; dieſe Meinung fußt jedoch auf einer Annahme, welche trotz der Unzu- länglichkeit unſerer Unterſuchungsmittel durch beſtimmte Beobachtungen längſt widerlegt worden iſt. Den neuerlichen Befunden zu Folge dürfen wir glauben, daß die Meerestiefen viel dichter bevölkert ſind als wir wähnen. Auch die höheren Breitengrade ſetzen der Verbreitung der Fiſche kein Ziel. Allerdings ſind die Meere des heißen und gemäßigten Gürtels reichhaltiger an ihnen als die der beiden kalten; aber auch hier wohnen unſchätzbare Maſſen von ihnen, auch hier beleben ſie alle Theile des Meeres in unendlicher Menge. Die Scharen der Säugethiere und Vögel, die Geſellſchaften der Kriechthiere und Lurche kann man abſchätzen; für die Maſſe der Fiſche mangelt uns hierzu jeglicher Anhalt, weil wir nicht wagen dürfen, von Dem, was wir ſehen, auf das unſeren Augen Verborgene zu ſchließen. Die Verbreitung einer und derſelben Art erſcheint geringer, als man glauben möchte, wenn man bedenkt, daß das Waſſer einem ſo bewegungsfähigen Geſchöpfe das Reiſen im hohen Grade erleichtert, und jeder Fiſch mehr oder weniger die Gabe beſitzt, in verſchiedenen Gewäſſern oder doch Theilen eines ſolchen zu leben. Aber Grenzen gibt es auch auf dem unendlichen Meere. Ganz allmählich wird die eine Art durch eine verwandte erſetzt, weiterhin dieſe wiederum durch eine zweite, dritte, vierte, ſowie auch zu der einen Form bald eine neue tritt. Wenige Fiſche finden ſich an allen Küſten eines und deſſelben Weltmeeres oder, was Daſſelbe ſagen will, wenige von ihnen über- ſchwimmen eines dieſer Waſſerbecken, obgleich ſie dazu unzweifelhaft befähigt ſind. Auch ſie halten an gewiſſen Wohnkreiſen feſt, ſcheinen an der Stätte ihrer Geburt mit einer Jnnigkeit zu hangen, für welche wir noch keine Erklärung gefunden haben. Kaum einem Zweifel unterworfen iſt es, daß die Lachſe, welche in einem Fluſſe geboren wurden, ſpäter, wenn ſie ſich fortpflanzen wollen, auch wieder zu dieſem Fluſſe zurückkehren, immer zu ihm, nicht zu einem anderen, wenn auch ein ſolcher unweit ihres heimatlichen münden ſollte. Dies läßt ſich nur erklären, wenn man annimmt, daß die jungen Lachſe nach ihrem Eintritte in das Meer ſich in der Nähe der Mündung ihres Heimatfluſſes aufhalten, alſo ein in Beziehung auf ihre Bewegungsfähigkeit außerordentlich kleines Gebiet ſich abgrenzen und daſſelbe in der Regel nicht überſchreiten. Ausnahmsweiſe freilich nimmt man auch bei den Fiſchen größere Reiſen wahr. Haifiſche z. B. folgen Schiffen hunderte von Meilen weit, von ſüdlichen Meeren bis in nördliche und umgekehrt, andere treibenden Schiffsplanken, welche mit Entenmuſcheln beſetzt ſind; andere erſcheinen als Verſchlagene oder Verirrte an ihnen fremden Küſten, Mittelmeerfiſche z. B. in den britiſchen Gewäſſern. Aber ſie bilden Ausnahmen; denn im Allgemeinen beſchränken ſich die Meerfiſche auf beſtimmte Gürtel, ja ſelbſt Theile von ſolchen, wie einzelne Süßwaſſerfiſche auf gewiſſe Flüſſe und Seen, und die Wanderungen, welche von ihnen aus unternommen werden, ſind ſicherlich viel geringer als wir glauben. Jahrelang hat man angenommen, daß das Eismeer uns die Milliarden von Heringen ſende, welche an den Küſten Norwegens, Englands, Großbritanniens, Deutſchlands, Hollands und Frankreichs gefangen werden, während wir jetzt mit aller Beſtimmtheit behaupten dürfen, daß ein Reiſen von Norden nach Süden nicht, wohl aber Aufſteigen aus den tiefen Gründen des Meeres zum ſeichteren Strande ſtattfindet. Viele

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/487>, abgerufen am 23.12.2024.