Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Fische. Ein Blick auf das Leben der Gesammtheit.
das Empfindungsvermögen zeigt sich jedoch nicht blos so groben, sondern weit feineren Einflüssen
zugänglich. Die allbekannte, obschon noch wenig besprochene und bezüglich untersuchte Fähigkeit
der Fische, ihre Färbung zu verändern, beweist Dies zur Genüge. Schollen oder andere Grund-
fische, welche eine Zeitlang auf sandigem Grunde gelegen haben, nehmen eine gewisse, der des
Sandes zum Täuschen ähnliche Färbung an, verändern diese aber überraschend schnell, wenn sie auf
einen andersfarbigen Grund, beispielsweise auf lichtgrauen Granitkies gelangen oder gebracht werden.
Ebenso reizbar gegen die Einwirkungen des Lichtes zeigt sich die Oberhaupt anderer Fische, nament-
lich der Forellen, welche in dicht überschattetem, also sehr dunklen Gewässer oder in mit einem
Deckel verschlossenen Fischbehälter dunkel werden und erblassen, wenn sie in sonnebeschienenes Wasser
gelangen oder durch Aufheben des gedachten Deckels in ähnlicher Weise dem Lichte ausgesetzt werden.
Auch mechanische Einwirkungen, Drücken und Reiben der Haut, können beim lebenden Fische plötzliche
Veränderung der Farben hervorrufen, und ebenso wirken innere Erregung, die Begierde, sich fort-
zuflanzen, bezüglich den Samen und Laich zu entleeren, Schrecken und Angst, auf die äußere Haut,
indem sich die sogenannten Farbebehälter zusammenziehen oder bezüglich ausdehnen, was ja doch nur
auf eine Thätigkeit der Hautnerven zurückgeführt werden kann. Zum Tasten benutzen unsere Thiere
ihre Lippen, fadenförmige Anhänge, welche bei sehr vielen sich finden, und die Flossen.

Auch Verstand haben die Fische, aber freilich sehr wenig. Sie lernen ihre Feinde von den ihnen
unschädlichen Wesen unterscheiden, merken Nachstellungen und erkennen ebenso ihnen gewährten Schutz,
gewöhnen sich an den Pfleger, an eine gewisse Futterzeit, an den Ton einer Glocke, welcher sie zum
Füttern herbeiruft, wissen sich geeignete Plätze, welche ihnen Nahrung versprechen, mit Geschick aus-
zuwählen, legen sich hier auf die Lauer, um ihre Beute zu überlisten, lernen es, Hindernisse zu
überwinden und Gefahren sich zu entziehen, bilden einen mehr oder weniger innigen Verband mit
Jhresgleichen, jagen gemeinschaftlich und unterstützen sich dabei, zeigen endlich, wenigstens theilweise
eine gewisse Fürsorge, Anhänglichkeit und Liebe zu ihrer Brut, kurz, bekunden geistige Thätigkeit.
Diese von unserem Standpunkte aus zu erkennen und demgemäß richtig zu beurtheilen, ist schwer,
wo nicht gänzlich unmöglich, schon weil die meisten Fische unserer Beobachtung entzogen sind, und
wir auch diejenigen, welche wir beobachten können, noch keineswegs so auf ihre Fähigkeiten geprüft
haben, als Dies zu einer Beurtheilung derselben unbedingt nöthig.



Die Fische verbringen ihr Leben im Wasser. Jene, welche befähigt sind, ihr Element auf
kürzere oder längere Zeit zu verlassen, sei es, indem sie wirkliche Wanderungen über Land antreten,
sei es, indem sie sich in den Schlamm einwühlen oder in eine aus Schlamm zusammengesetzte
Kapsel einhüllen und hier, auch wenn die Trockenheit den Schlamm dörrte und erhärtete, in einem,
dem Winterschlafe der höheren Wirbelthiere ähnelndem Zustande verharren, können kaum in Betracht
kommen; ihre Anzahl ist auch außerordentlich gering im Vergleich zu den Fischen, welche beständig im
Wasser verweilen müssen oder desselben doch nur auf kurze Zeit entbehren können. Die wahre
Heimat unserer Thiere ist das Meer, vom hohen Norden an bis zum Gleicher herab, das Weltmeer
und alle Verzweigungen und Ausbuchtungen desselben, welchen Namen sie führen mögen. Damit
soll nicht gesagt sein, daß die süßen Gewässer der Erde der Fische ermangeln, sondern nur soviel, daß
die Anzahl der Arten und Einzelstücke der stehenden und fließenden Binnengewässer mit dem Reich-
thume des Meeres kaum verglichen werden kann. Wahrscheinlich kennen wir erst den geringeren
Theil aller Fische, welche es gibt, haben also von der Manchfaltigkeit dieser Klasse noch keineswegs
eine der Wirklichkeit entsprechende Vorstellung; gleichwohl dürfen wir die vorstehende Behauptung
für richtig halten. Die Artenanzahl der Fische des Meeres im Vergleich zu jener der Süßgewässer

Die Fiſche. Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
das Empfindungsvermögen zeigt ſich jedoch nicht blos ſo groben, ſondern weit feineren Einflüſſen
zugänglich. Die allbekannte, obſchon noch wenig beſprochene und bezüglich unterſuchte Fähigkeit
der Fiſche, ihre Färbung zu verändern, beweiſt Dies zur Genüge. Schollen oder andere Grund-
fiſche, welche eine Zeitlang auf ſandigem Grunde gelegen haben, nehmen eine gewiſſe, der des
Sandes zum Täuſchen ähnliche Färbung an, verändern dieſe aber überraſchend ſchnell, wenn ſie auf
einen andersfarbigen Grund, beiſpielsweiſe auf lichtgrauen Granitkies gelangen oder gebracht werden.
Ebenſo reizbar gegen die Einwirkungen des Lichtes zeigt ſich die Oberhaupt anderer Fiſche, nament-
lich der Forellen, welche in dicht überſchattetem, alſo ſehr dunklen Gewäſſer oder in mit einem
Deckel verſchloſſenen Fiſchbehälter dunkel werden und erblaſſen, wenn ſie in ſonnebeſchienenes Waſſer
gelangen oder durch Aufheben des gedachten Deckels in ähnlicher Weiſe dem Lichte ausgeſetzt werden.
Auch mechaniſche Einwirkungen, Drücken und Reiben der Haut, können beim lebenden Fiſche plötzliche
Veränderung der Farben hervorrufen, und ebenſo wirken innere Erregung, die Begierde, ſich fort-
zuflanzen, bezüglich den Samen und Laich zu entleeren, Schrecken und Angſt, auf die äußere Haut,
indem ſich die ſogenannten Farbebehälter zuſammenziehen oder bezüglich ausdehnen, was ja doch nur
auf eine Thätigkeit der Hautnerven zurückgeführt werden kann. Zum Taſten benutzen unſere Thiere
ihre Lippen, fadenförmige Anhänge, welche bei ſehr vielen ſich finden, und die Floſſen.

Auch Verſtand haben die Fiſche, aber freilich ſehr wenig. Sie lernen ihre Feinde von den ihnen
unſchädlichen Weſen unterſcheiden, merken Nachſtellungen und erkennen ebenſo ihnen gewährten Schutz,
gewöhnen ſich an den Pfleger, an eine gewiſſe Futterzeit, an den Ton einer Glocke, welcher ſie zum
Füttern herbeiruft, wiſſen ſich geeignete Plätze, welche ihnen Nahrung verſprechen, mit Geſchick aus-
zuwählen, legen ſich hier auf die Lauer, um ihre Beute zu überliſten, lernen es, Hinderniſſe zu
überwinden und Gefahren ſich zu entziehen, bilden einen mehr oder weniger innigen Verband mit
Jhresgleichen, jagen gemeinſchaftlich und unterſtützen ſich dabei, zeigen endlich, wenigſtens theilweiſe
eine gewiſſe Fürſorge, Anhänglichkeit und Liebe zu ihrer Brut, kurz, bekunden geiſtige Thätigkeit.
Dieſe von unſerem Standpunkte aus zu erkennen und demgemäß richtig zu beurtheilen, iſt ſchwer,
wo nicht gänzlich unmöglich, ſchon weil die meiſten Fiſche unſerer Beobachtung entzogen ſind, und
wir auch diejenigen, welche wir beobachten können, noch keineswegs ſo auf ihre Fähigkeiten geprüft
haben, als Dies zu einer Beurtheilung derſelben unbedingt nöthig.



Die Fiſche verbringen ihr Leben im Waſſer. Jene, welche befähigt ſind, ihr Element auf
kürzere oder längere Zeit zu verlaſſen, ſei es, indem ſie wirkliche Wanderungen über Land antreten,
ſei es, indem ſie ſich in den Schlamm einwühlen oder in eine aus Schlamm zuſammengeſetzte
Kapſel einhüllen und hier, auch wenn die Trockenheit den Schlamm dörrte und erhärtete, in einem,
dem Winterſchlafe der höheren Wirbelthiere ähnelndem Zuſtande verharren, können kaum in Betracht
kommen; ihre Anzahl iſt auch außerordentlich gering im Vergleich zu den Fiſchen, welche beſtändig im
Waſſer verweilen müſſen oder deſſelben doch nur auf kurze Zeit entbehren können. Die wahre
Heimat unſerer Thiere iſt das Meer, vom hohen Norden an bis zum Gleicher herab, das Weltmeer
und alle Verzweigungen und Ausbuchtungen deſſelben, welchen Namen ſie führen mögen. Damit
ſoll nicht geſagt ſein, daß die ſüßen Gewäſſer der Erde der Fiſche ermangeln, ſondern nur ſoviel, daß
die Anzahl der Arten und Einzelſtücke der ſtehenden und fließenden Binnengewäſſer mit dem Reich-
thume des Meeres kaum verglichen werden kann. Wahrſcheinlich kennen wir erſt den geringeren
Theil aller Fiſche, welche es gibt, haben alſo von der Manchfaltigkeit dieſer Klaſſe noch keineswegs
eine der Wirklichkeit entſprechende Vorſtellung; gleichwohl dürfen wir die vorſtehende Behauptung
für richtig halten. Die Artenanzahl der Fiſche des Meeres im Vergleich zu jener der Süßgewäſſer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0486" n="456"/><fw place="top" type="header">Die Fi&#x017F;che. Ein Blick auf das Leben der Ge&#x017F;ammtheit.</fw><lb/>
das Empfindungsvermögen zeigt &#x017F;ich jedoch nicht blos &#x017F;o groben, &#x017F;ondern weit feineren Einflü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zugänglich. Die allbekannte, ob&#x017F;chon noch wenig be&#x017F;prochene und bezüglich unter&#x017F;uchte Fähigkeit<lb/>
der Fi&#x017F;che, ihre Färbung zu verändern, bewei&#x017F;t Dies zur Genüge. Schollen oder andere Grund-<lb/>
fi&#x017F;che, welche eine Zeitlang auf &#x017F;andigem Grunde gelegen haben, nehmen eine gewi&#x017F;&#x017F;e, der des<lb/>
Sandes zum Täu&#x017F;chen ähnliche Färbung an, verändern die&#x017F;e aber überra&#x017F;chend &#x017F;chnell, wenn &#x017F;ie auf<lb/>
einen andersfarbigen Grund, bei&#x017F;pielswei&#x017F;e auf lichtgrauen Granitkies gelangen oder gebracht werden.<lb/>
Eben&#x017F;o reizbar gegen die Einwirkungen des Lichtes zeigt &#x017F;ich die Oberhaupt anderer Fi&#x017F;che, nament-<lb/>
lich der Forellen, welche in dicht über&#x017F;chattetem, al&#x017F;o &#x017F;ehr dunklen Gewä&#x017F;&#x017F;er oder in mit einem<lb/>
Deckel ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Fi&#x017F;chbehälter dunkel werden und erbla&#x017F;&#x017F;en, wenn &#x017F;ie in &#x017F;onnebe&#x017F;chienenes Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
gelangen oder durch Aufheben des gedachten Deckels in ähnlicher Wei&#x017F;e dem Lichte ausge&#x017F;etzt werden.<lb/>
Auch mechani&#x017F;che Einwirkungen, Drücken und Reiben der Haut, können beim lebenden Fi&#x017F;che plötzliche<lb/>
Veränderung der Farben hervorrufen, und eben&#x017F;o wirken innere Erregung, die Begierde, &#x017F;ich fort-<lb/>
zuflanzen, bezüglich den Samen und Laich zu entleeren, Schrecken und Ang&#x017F;t, auf die äußere Haut,<lb/>
indem &#x017F;ich die &#x017F;ogenannten Farbebehälter zu&#x017F;ammenziehen oder bezüglich ausdehnen, was ja doch nur<lb/>
auf eine Thätigkeit der Hautnerven zurückgeführt werden kann. Zum Ta&#x017F;ten benutzen un&#x017F;ere Thiere<lb/>
ihre Lippen, fadenförmige Anhänge, welche bei &#x017F;ehr vielen &#x017F;ich finden, und die Flo&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Auch Ver&#x017F;tand haben die Fi&#x017F;che, aber freilich &#x017F;ehr wenig. Sie lernen ihre Feinde von den ihnen<lb/>
un&#x017F;chädlichen We&#x017F;en unter&#x017F;cheiden, merken Nach&#x017F;tellungen und erkennen eben&#x017F;o ihnen gewährten Schutz,<lb/>
gewöhnen &#x017F;ich an den Pfleger, an eine gewi&#x017F;&#x017F;e Futterzeit, an den Ton einer Glocke, welcher &#x017F;ie zum<lb/>
Füttern herbeiruft, wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich geeignete Plätze, welche ihnen Nahrung ver&#x017F;prechen, mit Ge&#x017F;chick aus-<lb/>
zuwählen, legen &#x017F;ich hier auf die Lauer, um ihre Beute zu überli&#x017F;ten, lernen es, Hinderni&#x017F;&#x017F;e zu<lb/>
überwinden und Gefahren &#x017F;ich zu entziehen, bilden einen mehr oder weniger innigen Verband mit<lb/>
Jhresgleichen, jagen gemein&#x017F;chaftlich und unter&#x017F;tützen &#x017F;ich dabei, zeigen endlich, wenig&#x017F;tens theilwei&#x017F;e<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Für&#x017F;orge, Anhänglichkeit und Liebe zu ihrer Brut, kurz, bekunden gei&#x017F;tige Thätigkeit.<lb/>
Die&#x017F;e von un&#x017F;erem Standpunkte aus zu erkennen und demgemäß richtig zu beurtheilen, i&#x017F;t &#x017F;chwer,<lb/>
wo nicht gänzlich unmöglich, &#x017F;chon weil die mei&#x017F;ten Fi&#x017F;che un&#x017F;erer Beobachtung entzogen &#x017F;ind, und<lb/>
wir auch diejenigen, welche wir beobachten können, noch keineswegs &#x017F;o auf ihre Fähigkeiten geprüft<lb/>
haben, als Dies zu einer Beurtheilung der&#x017F;elben unbedingt nöthig.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Die Fi&#x017F;che verbringen ihr Leben im Wa&#x017F;&#x017F;er. Jene, welche befähigt &#x017F;ind, ihr Element auf<lb/>
kürzere oder längere Zeit zu verla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ei es, indem &#x017F;ie wirkliche Wanderungen über Land antreten,<lb/>
&#x017F;ei es, indem &#x017F;ie &#x017F;ich in den Schlamm einwühlen oder in eine aus Schlamm zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzte<lb/>
Kap&#x017F;el einhüllen und hier, auch wenn die Trockenheit den Schlamm dörrte und erhärtete, in einem,<lb/>
dem Winter&#x017F;chlafe der höheren Wirbelthiere ähnelndem Zu&#x017F;tande verharren, können kaum in Betracht<lb/>
kommen; ihre Anzahl i&#x017F;t auch außerordentlich gering im Vergleich zu den Fi&#x017F;chen, welche be&#x017F;tändig im<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er verweilen mü&#x017F;&#x017F;en oder de&#x017F;&#x017F;elben doch nur auf kurze Zeit entbehren können. Die wahre<lb/>
Heimat un&#x017F;erer Thiere i&#x017F;t das Meer, vom hohen Norden an bis zum Gleicher herab, das Weltmeer<lb/>
und alle Verzweigungen und Ausbuchtungen de&#x017F;&#x017F;elben, welchen Namen &#x017F;ie führen mögen. Damit<lb/>
&#x017F;oll nicht ge&#x017F;agt &#x017F;ein, daß die &#x017F;üßen Gewä&#x017F;&#x017F;er der Erde der Fi&#x017F;che ermangeln, &#x017F;ondern nur &#x017F;oviel, daß<lb/>
die Anzahl der Arten und Einzel&#x017F;tücke der &#x017F;tehenden und fließenden Binnengewä&#x017F;&#x017F;er mit dem Reich-<lb/>
thume des Meeres kaum verglichen werden kann. Wahr&#x017F;cheinlich kennen wir er&#x017F;t den geringeren<lb/>
Theil aller Fi&#x017F;che, welche es gibt, haben al&#x017F;o von der Manchfaltigkeit die&#x017F;er Kla&#x017F;&#x017F;e noch keineswegs<lb/>
eine der Wirklichkeit ent&#x017F;prechende Vor&#x017F;tellung; gleichwohl dürfen wir die vor&#x017F;tehende Behauptung<lb/>
für richtig halten. Die Artenanzahl der Fi&#x017F;che des Meeres im Vergleich zu jener der Süßgewä&#x017F;&#x017F;er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[456/0486] Die Fiſche. Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit. das Empfindungsvermögen zeigt ſich jedoch nicht blos ſo groben, ſondern weit feineren Einflüſſen zugänglich. Die allbekannte, obſchon noch wenig beſprochene und bezüglich unterſuchte Fähigkeit der Fiſche, ihre Färbung zu verändern, beweiſt Dies zur Genüge. Schollen oder andere Grund- fiſche, welche eine Zeitlang auf ſandigem Grunde gelegen haben, nehmen eine gewiſſe, der des Sandes zum Täuſchen ähnliche Färbung an, verändern dieſe aber überraſchend ſchnell, wenn ſie auf einen andersfarbigen Grund, beiſpielsweiſe auf lichtgrauen Granitkies gelangen oder gebracht werden. Ebenſo reizbar gegen die Einwirkungen des Lichtes zeigt ſich die Oberhaupt anderer Fiſche, nament- lich der Forellen, welche in dicht überſchattetem, alſo ſehr dunklen Gewäſſer oder in mit einem Deckel verſchloſſenen Fiſchbehälter dunkel werden und erblaſſen, wenn ſie in ſonnebeſchienenes Waſſer gelangen oder durch Aufheben des gedachten Deckels in ähnlicher Weiſe dem Lichte ausgeſetzt werden. Auch mechaniſche Einwirkungen, Drücken und Reiben der Haut, können beim lebenden Fiſche plötzliche Veränderung der Farben hervorrufen, und ebenſo wirken innere Erregung, die Begierde, ſich fort- zuflanzen, bezüglich den Samen und Laich zu entleeren, Schrecken und Angſt, auf die äußere Haut, indem ſich die ſogenannten Farbebehälter zuſammenziehen oder bezüglich ausdehnen, was ja doch nur auf eine Thätigkeit der Hautnerven zurückgeführt werden kann. Zum Taſten benutzen unſere Thiere ihre Lippen, fadenförmige Anhänge, welche bei ſehr vielen ſich finden, und die Floſſen. Auch Verſtand haben die Fiſche, aber freilich ſehr wenig. Sie lernen ihre Feinde von den ihnen unſchädlichen Weſen unterſcheiden, merken Nachſtellungen und erkennen ebenſo ihnen gewährten Schutz, gewöhnen ſich an den Pfleger, an eine gewiſſe Futterzeit, an den Ton einer Glocke, welcher ſie zum Füttern herbeiruft, wiſſen ſich geeignete Plätze, welche ihnen Nahrung verſprechen, mit Geſchick aus- zuwählen, legen ſich hier auf die Lauer, um ihre Beute zu überliſten, lernen es, Hinderniſſe zu überwinden und Gefahren ſich zu entziehen, bilden einen mehr oder weniger innigen Verband mit Jhresgleichen, jagen gemeinſchaftlich und unterſtützen ſich dabei, zeigen endlich, wenigſtens theilweiſe eine gewiſſe Fürſorge, Anhänglichkeit und Liebe zu ihrer Brut, kurz, bekunden geiſtige Thätigkeit. Dieſe von unſerem Standpunkte aus zu erkennen und demgemäß richtig zu beurtheilen, iſt ſchwer, wo nicht gänzlich unmöglich, ſchon weil die meiſten Fiſche unſerer Beobachtung entzogen ſind, und wir auch diejenigen, welche wir beobachten können, noch keineswegs ſo auf ihre Fähigkeiten geprüft haben, als Dies zu einer Beurtheilung derſelben unbedingt nöthig. Die Fiſche verbringen ihr Leben im Waſſer. Jene, welche befähigt ſind, ihr Element auf kürzere oder längere Zeit zu verlaſſen, ſei es, indem ſie wirkliche Wanderungen über Land antreten, ſei es, indem ſie ſich in den Schlamm einwühlen oder in eine aus Schlamm zuſammengeſetzte Kapſel einhüllen und hier, auch wenn die Trockenheit den Schlamm dörrte und erhärtete, in einem, dem Winterſchlafe der höheren Wirbelthiere ähnelndem Zuſtande verharren, können kaum in Betracht kommen; ihre Anzahl iſt auch außerordentlich gering im Vergleich zu den Fiſchen, welche beſtändig im Waſſer verweilen müſſen oder deſſelben doch nur auf kurze Zeit entbehren können. Die wahre Heimat unſerer Thiere iſt das Meer, vom hohen Norden an bis zum Gleicher herab, das Weltmeer und alle Verzweigungen und Ausbuchtungen deſſelben, welchen Namen ſie führen mögen. Damit ſoll nicht geſagt ſein, daß die ſüßen Gewäſſer der Erde der Fiſche ermangeln, ſondern nur ſoviel, daß die Anzahl der Arten und Einzelſtücke der ſtehenden und fließenden Binnengewäſſer mit dem Reich- thume des Meeres kaum verglichen werden kann. Wahrſcheinlich kennen wir erſt den geringeren Theil aller Fiſche, welche es gibt, haben alſo von der Manchfaltigkeit dieſer Klaſſe noch keineswegs eine der Wirklichkeit entſprechende Vorſtellung; gleichwohl dürfen wir die vorſtehende Behauptung für richtig halten. Die Artenanzahl der Fiſche des Meeres im Vergleich zu jener der Süßgewäſſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/486
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/486>, abgerufen am 23.12.2024.