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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Begabungen.
rasch, schwimmen die meisten Fische, solange es sich um ein Dahingleiten in annähernd denselben
Wasserschichten handelt, während das Senken in tiefere Schichten und Aufsteigen zu höheren, wahr-
scheinlich durch Zusammenpressen und Ausdehnen der Schwimmblase geregelt wird. Mehrere Fische
aber, insbesondere diejenigen mit spindelförmigem Leibe und kleinen Flossen, schwimmen gänzlich
abweichend durch schlängelnde Bewegungen ihres Leibes oder wellenförmige Biegungen ihrer langen
niederen Rückenflossen, sowie die von oben nach unten zusammengedrückten, scheibenartigen auch, nur
daß diese, anstatt der seitlichen Wellenlinien, solche von oben nach unten ausführen. An Ausdauer
der Bewegung übertreffen die Fische vielleicht jedes andere Thier, obgleich sie weit weniger athmen,
d. h. weniger Sauerstoff verbrauchen als diese, und der Kreislauf ihres Blutes langsamer vor sich geht.
Dafür unterstützt freilich die Art und Weise der Athmung, die Leichtigkeit, mit welcher der dem
Wasser beigemengte Sauerstoff an die Kiemen gelangt, und die Kraft, welche der Rückstoß des durch
die Kiemenspalten ausströmenden Wassers äußert, die Bewegung in einem gewissen Grade.

Es muß betont werden, daß die Fische bei der Athmung das Wasser nicht in seine Bestandtheile
zerlegen und so den ihnen nöthigen Sauerstoff gewinnen, sondern einzig und allein die dem Wasser
in sehr geringer Menge beigemischte Luft verbrauchen. Nun begnügen sie sich zwar mit verhältniß-
mäßig wenig Sauerstoff -- wie schon ihr "kaltes" Blut beweist -- müssen aber doch eine ver-
hältnißmäßig bedeutende Wassermenge zur Verfügung haben, wenn sie sich wohlbefinden sollen.
Einer geringen Wassermenge entziehen sie bald die wenigen Lufttheilchen welche diese enthält,
und müssen dann ebenso unfehlbar ersticken als luftahmende Thiere im luft- oder doch sauerstoff-
leeren Raume. Außerhalb des Wassers sterben sie, weil ihre Kiemen nicht mehr thätig sein können,
wenn sie, wie Dies in freier Luft bald geschieht, eintrocknen.

Nothwendige Folge der Kiemenathmung ist, daß kein Fisch eine Stimme hervorzubringen ver-
mag. Von mehreren Arten vernimmt man allerdings Töne, richtiger Geräusche, ein Knurren
oder Brummen nämlich; das eine wie das andere kann jedoch gewiß nicht mit den Stimmlauten der
höheren Wirbelthiere verglichen werden, da es wohl nur durch Aneinanderreiben der harten Kiemen-
deckel oder vielleicht der Flossen und Schuppen entsteht, gewissermaßen also an das Schwirren der
heuschreckenartigen Kerbthiere erinnert. Das Sprüchwort: "Stumm wie ein Fisch", drückt in der
That die volle Wahrheit aus.

Die Fähigkeiten des Gehirns entsprechen der geringen Größe desselben. Doch läßt sich eine
Thätigkeit aller Sinne wahrnehmen; ja, die Schärfe oder Feinheit derselben ist wahrscheinlich größer,
als man gewöhnlich annimmt. Obgleich das im Allgemeinen sehr große und weitsternige Auge nur
bei wenigen Fischen, beispielsweise bei den Schollen sich beweglich zeigt, sehen sie sehr gut, und zwar
auch in den tieferen Schichten des Wassers, weil die hier geschwächten Lichtstrahlen, dank des erweiterten
Sternes, doch noch zur Geltung kommen. Daß die Fische hören, trotzdem sie weder ein Trommel-
fell, noch Gehörknöchelchen besitzen, unterliegt keinem Zweifel, da man gezähmte durch den Laut einer
Glocke herbeilocken oder bemerken kann, daß scheuere bei lautem Geräusche entfliehen; schwerlich
jedoch ist man zu der Annahme berechtigt, daß sie verschiedene Töne unterscheiden. Geruch und
Geschmack stehen wahrscheinlich auf sehr niederer Stufe, ohne indeß eigentlich verkümmert zu sein.
Das Wasser verhält sich den durch den Geruch wahrnehmbaren Gasen gegenüber anders als die Luft,
verhindert aber eine Verbreitung derselben durchaus nicht, und so läßt sich wohl annehmen, daß die
Fische bestimmte Gerüche noch auf ziemliche Entfernung hin wahrnehmen. Wie es sich mit dem
Geschmack verhält, wissen wir nicht. An ein Auflösen oder chemisches Zersetzen der Nahrungsstoffe
kann bei Thieren, welche alle Beute unzerstückelt verschlingen, kaum gedacht werden, und eher
noch darf man annehmen, daß der Sinn des Gefühles den eigentlichen Geschmack ersetzt. Jenes
nämlich scheint bei den Fischen weit mehr begünstigt zu sein als die übrigen Sinne mit Ausnahme
des Gesichtes, und zwar ebensowohl was Empfindungsvermögen als die Tastfähigkeit anlangt.
Daß den Fischen jede äußere Berührung zum Bewußtsein gelangt, läßt sich bestimmt behaupten;

Begabungen.
raſch, ſchwimmen die meiſten Fiſche, ſolange es ſich um ein Dahingleiten in annähernd denſelben
Waſſerſchichten handelt, während das Senken in tiefere Schichten und Aufſteigen zu höheren, wahr-
ſcheinlich durch Zuſammenpreſſen und Ausdehnen der Schwimmblaſe geregelt wird. Mehrere Fiſche
aber, insbeſondere diejenigen mit ſpindelförmigem Leibe und kleinen Floſſen, ſchwimmen gänzlich
abweichend durch ſchlängelnde Bewegungen ihres Leibes oder wellenförmige Biegungen ihrer langen
niederen Rückenfloſſen, ſowie die von oben nach unten zuſammengedrückten, ſcheibenartigen auch, nur
daß dieſe, anſtatt der ſeitlichen Wellenlinien, ſolche von oben nach unten ausführen. An Ausdauer
der Bewegung übertreffen die Fiſche vielleicht jedes andere Thier, obgleich ſie weit weniger athmen,
d. h. weniger Sauerſtoff verbrauchen als dieſe, und der Kreislauf ihres Blutes langſamer vor ſich geht.
Dafür unterſtützt freilich die Art und Weiſe der Athmung, die Leichtigkeit, mit welcher der dem
Waſſer beigemengte Sauerſtoff an die Kiemen gelangt, und die Kraft, welche der Rückſtoß des durch
die Kiemenſpalten ausſtrömenden Waſſers äußert, die Bewegung in einem gewiſſen Grade.

Es muß betont werden, daß die Fiſche bei der Athmung das Waſſer nicht in ſeine Beſtandtheile
zerlegen und ſo den ihnen nöthigen Sauerſtoff gewinnen, ſondern einzig und allein die dem Waſſer
in ſehr geringer Menge beigemiſchte Luft verbrauchen. Nun begnügen ſie ſich zwar mit verhältniß-
mäßig wenig Sauerſtoff — wie ſchon ihr „kaltes“ Blut beweiſt — müſſen aber doch eine ver-
hältnißmäßig bedeutende Waſſermenge zur Verfügung haben, wenn ſie ſich wohlbefinden ſollen.
Einer geringen Waſſermenge entziehen ſie bald die wenigen Lufttheilchen welche dieſe enthält,
und müſſen dann ebenſo unfehlbar erſticken als luftahmende Thiere im luft- oder doch ſauerſtoff-
leeren Raume. Außerhalb des Waſſers ſterben ſie, weil ihre Kiemen nicht mehr thätig ſein können,
wenn ſie, wie Dies in freier Luft bald geſchieht, eintrocknen.

Nothwendige Folge der Kiemenathmung iſt, daß kein Fiſch eine Stimme hervorzubringen ver-
mag. Von mehreren Arten vernimmt man allerdings Töne, richtiger Geräuſche, ein Knurren
oder Brummen nämlich; das eine wie das andere kann jedoch gewiß nicht mit den Stimmlauten der
höheren Wirbelthiere verglichen werden, da es wohl nur durch Aneinanderreiben der harten Kiemen-
deckel oder vielleicht der Floſſen und Schuppen entſteht, gewiſſermaßen alſo an das Schwirren der
heuſchreckenartigen Kerbthiere erinnert. Das Sprüchwort: „Stumm wie ein Fiſch“, drückt in der
That die volle Wahrheit aus.

Die Fähigkeiten des Gehirns entſprechen der geringen Größe deſſelben. Doch läßt ſich eine
Thätigkeit aller Sinne wahrnehmen; ja, die Schärfe oder Feinheit derſelben iſt wahrſcheinlich größer,
als man gewöhnlich annimmt. Obgleich das im Allgemeinen ſehr große und weitſternige Auge nur
bei wenigen Fiſchen, beiſpielsweiſe bei den Schollen ſich beweglich zeigt, ſehen ſie ſehr gut, und zwar
auch in den tieferen Schichten des Waſſers, weil die hier geſchwächten Lichtſtrahlen, dank des erweiterten
Sternes, doch noch zur Geltung kommen. Daß die Fiſche hören, trotzdem ſie weder ein Trommel-
fell, noch Gehörknöchelchen beſitzen, unterliegt keinem Zweifel, da man gezähmte durch den Laut einer
Glocke herbeilocken oder bemerken kann, daß ſcheuere bei lautem Geräuſche entfliehen; ſchwerlich
jedoch iſt man zu der Annahme berechtigt, daß ſie verſchiedene Töne unterſcheiden. Geruch und
Geſchmack ſtehen wahrſcheinlich auf ſehr niederer Stufe, ohne indeß eigentlich verkümmert zu ſein.
Das Waſſer verhält ſich den durch den Geruch wahrnehmbaren Gaſen gegenüber anders als die Luft,
verhindert aber eine Verbreitung derſelben durchaus nicht, und ſo läßt ſich wohl annehmen, daß die
Fiſche beſtimmte Gerüche noch auf ziemliche Entfernung hin wahrnehmen. Wie es ſich mit dem
Geſchmack verhält, wiſſen wir nicht. An ein Auflöſen oder chemiſches Zerſetzen der Nahrungsſtoffe
kann bei Thieren, welche alle Beute unzerſtückelt verſchlingen, kaum gedacht werden, und eher
noch darf man annehmen, daß der Sinn des Gefühles den eigentlichen Geſchmack erſetzt. Jenes
nämlich ſcheint bei den Fiſchen weit mehr begünſtigt zu ſein als die übrigen Sinne mit Ausnahme
des Geſichtes, und zwar ebenſowohl was Empfindungsvermögen als die Taſtfähigkeit anlangt.
Daß den Fiſchen jede äußere Berührung zum Bewußtſein gelangt, läßt ſich beſtimmt behaupten;

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[455/0485] Begabungen. raſch, ſchwimmen die meiſten Fiſche, ſolange es ſich um ein Dahingleiten in annähernd denſelben Waſſerſchichten handelt, während das Senken in tiefere Schichten und Aufſteigen zu höheren, wahr- ſcheinlich durch Zuſammenpreſſen und Ausdehnen der Schwimmblaſe geregelt wird. Mehrere Fiſche aber, insbeſondere diejenigen mit ſpindelförmigem Leibe und kleinen Floſſen, ſchwimmen gänzlich abweichend durch ſchlängelnde Bewegungen ihres Leibes oder wellenförmige Biegungen ihrer langen niederen Rückenfloſſen, ſowie die von oben nach unten zuſammengedrückten, ſcheibenartigen auch, nur daß dieſe, anſtatt der ſeitlichen Wellenlinien, ſolche von oben nach unten ausführen. An Ausdauer der Bewegung übertreffen die Fiſche vielleicht jedes andere Thier, obgleich ſie weit weniger athmen, d. h. weniger Sauerſtoff verbrauchen als dieſe, und der Kreislauf ihres Blutes langſamer vor ſich geht. Dafür unterſtützt freilich die Art und Weiſe der Athmung, die Leichtigkeit, mit welcher der dem Waſſer beigemengte Sauerſtoff an die Kiemen gelangt, und die Kraft, welche der Rückſtoß des durch die Kiemenſpalten ausſtrömenden Waſſers äußert, die Bewegung in einem gewiſſen Grade. Es muß betont werden, daß die Fiſche bei der Athmung das Waſſer nicht in ſeine Beſtandtheile zerlegen und ſo den ihnen nöthigen Sauerſtoff gewinnen, ſondern einzig und allein die dem Waſſer in ſehr geringer Menge beigemiſchte Luft verbrauchen. Nun begnügen ſie ſich zwar mit verhältniß- mäßig wenig Sauerſtoff — wie ſchon ihr „kaltes“ Blut beweiſt — müſſen aber doch eine ver- hältnißmäßig bedeutende Waſſermenge zur Verfügung haben, wenn ſie ſich wohlbefinden ſollen. Einer geringen Waſſermenge entziehen ſie bald die wenigen Lufttheilchen welche dieſe enthält, und müſſen dann ebenſo unfehlbar erſticken als luftahmende Thiere im luft- oder doch ſauerſtoff- leeren Raume. Außerhalb des Waſſers ſterben ſie, weil ihre Kiemen nicht mehr thätig ſein können, wenn ſie, wie Dies in freier Luft bald geſchieht, eintrocknen. Nothwendige Folge der Kiemenathmung iſt, daß kein Fiſch eine Stimme hervorzubringen ver- mag. Von mehreren Arten vernimmt man allerdings Töne, richtiger Geräuſche, ein Knurren oder Brummen nämlich; das eine wie das andere kann jedoch gewiß nicht mit den Stimmlauten der höheren Wirbelthiere verglichen werden, da es wohl nur durch Aneinanderreiben der harten Kiemen- deckel oder vielleicht der Floſſen und Schuppen entſteht, gewiſſermaßen alſo an das Schwirren der heuſchreckenartigen Kerbthiere erinnert. Das Sprüchwort: „Stumm wie ein Fiſch“, drückt in der That die volle Wahrheit aus. Die Fähigkeiten des Gehirns entſprechen der geringen Größe deſſelben. Doch läßt ſich eine Thätigkeit aller Sinne wahrnehmen; ja, die Schärfe oder Feinheit derſelben iſt wahrſcheinlich größer, als man gewöhnlich annimmt. Obgleich das im Allgemeinen ſehr große und weitſternige Auge nur bei wenigen Fiſchen, beiſpielsweiſe bei den Schollen ſich beweglich zeigt, ſehen ſie ſehr gut, und zwar auch in den tieferen Schichten des Waſſers, weil die hier geſchwächten Lichtſtrahlen, dank des erweiterten Sternes, doch noch zur Geltung kommen. Daß die Fiſche hören, trotzdem ſie weder ein Trommel- fell, noch Gehörknöchelchen beſitzen, unterliegt keinem Zweifel, da man gezähmte durch den Laut einer Glocke herbeilocken oder bemerken kann, daß ſcheuere bei lautem Geräuſche entfliehen; ſchwerlich jedoch iſt man zu der Annahme berechtigt, daß ſie verſchiedene Töne unterſcheiden. Geruch und Geſchmack ſtehen wahrſcheinlich auf ſehr niederer Stufe, ohne indeß eigentlich verkümmert zu ſein. Das Waſſer verhält ſich den durch den Geruch wahrnehmbaren Gaſen gegenüber anders als die Luft, verhindert aber eine Verbreitung derſelben durchaus nicht, und ſo läßt ſich wohl annehmen, daß die Fiſche beſtimmte Gerüche noch auf ziemliche Entfernung hin wahrnehmen. Wie es ſich mit dem Geſchmack verhält, wiſſen wir nicht. An ein Auflöſen oder chemiſches Zerſetzen der Nahrungsſtoffe kann bei Thieren, welche alle Beute unzerſtückelt verſchlingen, kaum gedacht werden, und eher noch darf man annehmen, daß der Sinn des Gefühles den eigentlichen Geſchmack erſetzt. Jenes nämlich ſcheint bei den Fiſchen weit mehr begünſtigt zu ſein als die übrigen Sinne mit Ausnahme des Geſichtes, und zwar ebenſowohl was Empfindungsvermögen als die Taſtfähigkeit anlangt. Daß den Fiſchen jede äußere Berührung zum Bewußtſein gelangt, läßt ſich beſtimmt behaupten;

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/485>, abgerufen am 23.12.2024.