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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Allgemeines.
Ausnahme sind Nachtthiere, welche übertages still und verborgen in Schlupfwinkeln oder auf dem
Grunde ihres Gewässers ruhen oder ihre eigene Thätigkeit erst nach Beginn der Dunkelheit oder
nach einem eben gefallenen Regen beginnen: sie alle lassen sich nicht leicht beobachten und können,
wie unsere einheimischen Arten beweisen, massenhaft an Oertlichkeiten leben, auf welchen man sie gar
nicht vermuthet. Diejenigen Arten, welche wir Landbewohner nennen dürfen, lieben düstere, feuchte
Gegenden, welche den Strahlen der Sonne wenig ausgesetzt sind, also vorzugsweise enge Thäler oder
Waldungen, und verkriechen sich hier unter Steinen, faulenden Baumstämmen oder in Erdhöhlen;
die Wassermolche verlassen ihr Wohngewässer blos dann und wann, verbergen sich unter Umständen
aber baldmöglichst in der Nähe des Ufers oder eilen wieder nach ihrer eigentlichen Wohnstätte zurück.
Trotz dieses Aufenthaltes entdeckt man sie leichter als jene, weil ja alle Wasserthiere zwischen Tag
und Nacht oder Hell und Dunkel einen geringeren Unterschied machen als die Landthiere, unsere
Wassermolche auch dann und wann zur Oberfläche emporsteigen müssen, um Luft zu schnappen, oder
in die oberen Schichten des Wassers sich begeben, um sich zu sonnen, somit also leichter bemerkt
werden. Jn dem nördlichen Gürtel ihres Verbreitungskreises fallen sie, wie andere Lurche und
Kriechthiere, mit Beginn des Winters in Erstarrung; in niederen Breiten findet Dasselbe statt, wenn
die Hitze ihr Wohngewässer austrocknet. Die wunderbare Lebenszähigkeit, welche gerade sie zeigen,
hilft ihnen derartigen Wechsel überstehen: sie können im Schlamm eindörren und im Eis einfrieren,
und der Regen und der erste warme Sonnenstrahl befreit sie doch wieder aus ihrem Grabe. Für sie
insbesondere gilt, was ich oben im Allgemeinen von der Zählebigkeit mittheilte; sie sind es, welche
ihnen entriffene Glieder wieder ersetzen, ein und dasselbe sogar zu wiederholten Malen.

Jn der Regel bezeichnet man die Bewegungen der Molche als träge und schwerfällig; Dies gilt
jedoch nur für einzelne Arten: selbst manche Salamander laufen so schnell dahin, daß man durch sie
an Eidechsen erinnert werden kann. Jm Wasser bewegen sich alle, also auch die, welche dem Lande
angehören, mit vielem Geschick, die Wassermolche selbstverständlich am gewandtesten und behendesten;
aber auch die Salamander wissen sich hier vortrefflich zu benehmen und sich keineswegs nur dadurch,
daß sie auf dem Grunde fortlaufen, zu fördern, sondern auch durch schlängelnde Bewegungen ihres
Schwanzes vorwärts zu treiben. Eine Art der Bewegung geht ihnen freilich gänzlich ab: kein
einziger Schwanzlurch ist fähig zu klettern, kein einziger im Stande, im luftigen Gelaube zeitweilig
seinen Wohnsitz aufzuschlagen.

Die Nahrung besteht aus Weichthieren, Würmern, Spinnen, Kerfen und mancherlei Wirbel-
thieren. Einzelne von ihnen sind ausgezeichnete Räuber, die meisten so rücksichtslos, daß sie
Schwächere ihrer eigenen Art ohne jegliches Bedenken auffressen. Jhre lebhafte Verdauung bedingt
Gefräßigkeit; so viel aber die Schwanzlurche zu gewissen Zeiten zu sich nehmen, so lange können sie
auch den Hunger ertragen.

Höchst eigenthümlich und keineswegs übereinstimmend ist die Fortpflanzung dieser Thiere.
Eine wirkliche Begattung findet nicht statt; beide Geschlechter suchen sich vielmehr während der
Paarungszeit im Wasser auf; die Männchen verfolgen die Weibchen, geben dann ihren Samen von
sich, und die Weibchen legen in das von diesem sozusagen befruchtete Wasser ihre Eier; ja, noch mehr,
sie nehmen das samengeschwängerte Wasser durch den After in sich auf und befruchten die Eier, welche
sie noch im Mutterleibe haben. Die Salamander verlassen nach der Paarungszeit das Wasser wieder;
aber die Weibchen kehren geraume Zeit später zu ihm zurück, um ihre Jungen, welche sich inzwischen
in ihrem eigenen Leibe entwickelt haben, abzusetzen; die Wassermolche hingegen legen Eier, und zwar
nur wenige auf einmal und befestigen sie mittels eines kleberigen Schleimes an Pflanzenblätter.
Land- wie Wassermolche verleben ihre erste Jugendzeit im Wasser und verlassen dieses erst, wenn
ihre Lungen sich ausgebildet haben und die Athmung durch diese stattfindet. Während des Larven-
zustandes unterscheiden sich die verschiedenen Schwanzlurche sehr wenig von einander, und deshalb
gerade erscheint es gerechtfertigt, wenn man sie in einer und derselben Ordnung vereinigt; denn die

Allgemeines.
Ausnahme ſind Nachtthiere, welche übertages ſtill und verborgen in Schlupfwinkeln oder auf dem
Grunde ihres Gewäſſers ruhen oder ihre eigene Thätigkeit erſt nach Beginn der Dunkelheit oder
nach einem eben gefallenen Regen beginnen: ſie alle laſſen ſich nicht leicht beobachten und können,
wie unſere einheimiſchen Arten beweiſen, maſſenhaft an Oertlichkeiten leben, auf welchen man ſie gar
nicht vermuthet. Diejenigen Arten, welche wir Landbewohner nennen dürfen, lieben düſtere, feuchte
Gegenden, welche den Strahlen der Sonne wenig ausgeſetzt ſind, alſo vorzugsweiſe enge Thäler oder
Waldungen, und verkriechen ſich hier unter Steinen, faulenden Baumſtämmen oder in Erdhöhlen;
die Waſſermolche verlaſſen ihr Wohngewäſſer blos dann und wann, verbergen ſich unter Umſtänden
aber baldmöglichſt in der Nähe des Ufers oder eilen wieder nach ihrer eigentlichen Wohnſtätte zurück.
Trotz dieſes Aufenthaltes entdeckt man ſie leichter als jene, weil ja alle Waſſerthiere zwiſchen Tag
und Nacht oder Hell und Dunkel einen geringeren Unterſchied machen als die Landthiere, unſere
Waſſermolche auch dann und wann zur Oberfläche emporſteigen müſſen, um Luft zu ſchnappen, oder
in die oberen Schichten des Waſſers ſich begeben, um ſich zu ſonnen, ſomit alſo leichter bemerkt
werden. Jn dem nördlichen Gürtel ihres Verbreitungskreiſes fallen ſie, wie andere Lurche und
Kriechthiere, mit Beginn des Winters in Erſtarrung; in niederen Breiten findet Daſſelbe ſtatt, wenn
die Hitze ihr Wohngewäſſer austrocknet. Die wunderbare Lebenszähigkeit, welche gerade ſie zeigen,
hilft ihnen derartigen Wechſel überſtehen: ſie können im Schlamm eindörren und im Eis einfrieren,
und der Regen und der erſte warme Sonnenſtrahl befreit ſie doch wieder aus ihrem Grabe. Für ſie
insbeſondere gilt, was ich oben im Allgemeinen von der Zählebigkeit mittheilte; ſie ſind es, welche
ihnen entriffene Glieder wieder erſetzen, ein und daſſelbe ſogar zu wiederholten Malen.

Jn der Regel bezeichnet man die Bewegungen der Molche als träge und ſchwerfällig; Dies gilt
jedoch nur für einzelne Arten: ſelbſt manche Salamander laufen ſo ſchnell dahin, daß man durch ſie
an Eidechſen erinnert werden kann. Jm Waſſer bewegen ſich alle, alſo auch die, welche dem Lande
angehören, mit vielem Geſchick, die Waſſermolche ſelbſtverſtändlich am gewandteſten und behendeſten;
aber auch die Salamander wiſſen ſich hier vortrefflich zu benehmen und ſich keineswegs nur dadurch,
daß ſie auf dem Grunde fortlaufen, zu fördern, ſondern auch durch ſchlängelnde Bewegungen ihres
Schwanzes vorwärts zu treiben. Eine Art der Bewegung geht ihnen freilich gänzlich ab: kein
einziger Schwanzlurch iſt fähig zu klettern, kein einziger im Stande, im luftigen Gelaube zeitweilig
ſeinen Wohnſitz aufzuſchlagen.

Die Nahrung beſteht aus Weichthieren, Würmern, Spinnen, Kerfen und mancherlei Wirbel-
thieren. Einzelne von ihnen ſind ausgezeichnete Räuber, die meiſten ſo rückſichtslos, daß ſie
Schwächere ihrer eigenen Art ohne jegliches Bedenken auffreſſen. Jhre lebhafte Verdauung bedingt
Gefräßigkeit; ſo viel aber die Schwanzlurche zu gewiſſen Zeiten zu ſich nehmen, ſo lange können ſie
auch den Hunger ertragen.

Höchſt eigenthümlich und keineswegs übereinſtimmend iſt die Fortpflanzung dieſer Thiere.
Eine wirkliche Begattung findet nicht ſtatt; beide Geſchlechter ſuchen ſich vielmehr während der
Paarungszeit im Waſſer auf; die Männchen verfolgen die Weibchen, geben dann ihren Samen von
ſich, und die Weibchen legen in das von dieſem ſozuſagen befruchtete Waſſer ihre Eier; ja, noch mehr,
ſie nehmen das ſamengeſchwängerte Waſſer durch den After in ſich auf und befruchten die Eier, welche
ſie noch im Mutterleibe haben. Die Salamander verlaſſen nach der Paarungszeit das Waſſer wieder;
aber die Weibchen kehren geraume Zeit ſpäter zu ihm zurück, um ihre Jungen, welche ſich inzwiſchen
in ihrem eigenen Leibe entwickelt haben, abzuſetzen; die Waſſermolche hingegen legen Eier, und zwar
nur wenige auf einmal und befeſtigen ſie mittels eines kleberigen Schleimes an Pflanzenblätter.
Land- wie Waſſermolche verleben ihre erſte Jugendzeit im Waſſer und verlaſſen dieſes erſt, wenn
ihre Lungen ſich ausgebildet haben und die Athmung durch dieſe ſtattfindet. Während des Larven-
zuſtandes unterſcheiden ſich die verſchiedenen Schwanzlurche ſehr wenig von einander, und deshalb
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[411/0439] Allgemeines. Ausnahme ſind Nachtthiere, welche übertages ſtill und verborgen in Schlupfwinkeln oder auf dem Grunde ihres Gewäſſers ruhen oder ihre eigene Thätigkeit erſt nach Beginn der Dunkelheit oder nach einem eben gefallenen Regen beginnen: ſie alle laſſen ſich nicht leicht beobachten und können, wie unſere einheimiſchen Arten beweiſen, maſſenhaft an Oertlichkeiten leben, auf welchen man ſie gar nicht vermuthet. Diejenigen Arten, welche wir Landbewohner nennen dürfen, lieben düſtere, feuchte Gegenden, welche den Strahlen der Sonne wenig ausgeſetzt ſind, alſo vorzugsweiſe enge Thäler oder Waldungen, und verkriechen ſich hier unter Steinen, faulenden Baumſtämmen oder in Erdhöhlen; die Waſſermolche verlaſſen ihr Wohngewäſſer blos dann und wann, verbergen ſich unter Umſtänden aber baldmöglichſt in der Nähe des Ufers oder eilen wieder nach ihrer eigentlichen Wohnſtätte zurück. Trotz dieſes Aufenthaltes entdeckt man ſie leichter als jene, weil ja alle Waſſerthiere zwiſchen Tag und Nacht oder Hell und Dunkel einen geringeren Unterſchied machen als die Landthiere, unſere Waſſermolche auch dann und wann zur Oberfläche emporſteigen müſſen, um Luft zu ſchnappen, oder in die oberen Schichten des Waſſers ſich begeben, um ſich zu ſonnen, ſomit alſo leichter bemerkt werden. Jn dem nördlichen Gürtel ihres Verbreitungskreiſes fallen ſie, wie andere Lurche und Kriechthiere, mit Beginn des Winters in Erſtarrung; in niederen Breiten findet Daſſelbe ſtatt, wenn die Hitze ihr Wohngewäſſer austrocknet. Die wunderbare Lebenszähigkeit, welche gerade ſie zeigen, hilft ihnen derartigen Wechſel überſtehen: ſie können im Schlamm eindörren und im Eis einfrieren, und der Regen und der erſte warme Sonnenſtrahl befreit ſie doch wieder aus ihrem Grabe. Für ſie insbeſondere gilt, was ich oben im Allgemeinen von der Zählebigkeit mittheilte; ſie ſind es, welche ihnen entriffene Glieder wieder erſetzen, ein und daſſelbe ſogar zu wiederholten Malen. Jn der Regel bezeichnet man die Bewegungen der Molche als träge und ſchwerfällig; Dies gilt jedoch nur für einzelne Arten: ſelbſt manche Salamander laufen ſo ſchnell dahin, daß man durch ſie an Eidechſen erinnert werden kann. Jm Waſſer bewegen ſich alle, alſo auch die, welche dem Lande angehören, mit vielem Geſchick, die Waſſermolche ſelbſtverſtändlich am gewandteſten und behendeſten; aber auch die Salamander wiſſen ſich hier vortrefflich zu benehmen und ſich keineswegs nur dadurch, daß ſie auf dem Grunde fortlaufen, zu fördern, ſondern auch durch ſchlängelnde Bewegungen ihres Schwanzes vorwärts zu treiben. Eine Art der Bewegung geht ihnen freilich gänzlich ab: kein einziger Schwanzlurch iſt fähig zu klettern, kein einziger im Stande, im luftigen Gelaube zeitweilig ſeinen Wohnſitz aufzuſchlagen. Die Nahrung beſteht aus Weichthieren, Würmern, Spinnen, Kerfen und mancherlei Wirbel- thieren. Einzelne von ihnen ſind ausgezeichnete Räuber, die meiſten ſo rückſichtslos, daß ſie Schwächere ihrer eigenen Art ohne jegliches Bedenken auffreſſen. Jhre lebhafte Verdauung bedingt Gefräßigkeit; ſo viel aber die Schwanzlurche zu gewiſſen Zeiten zu ſich nehmen, ſo lange können ſie auch den Hunger ertragen. Höchſt eigenthümlich und keineswegs übereinſtimmend iſt die Fortpflanzung dieſer Thiere. Eine wirkliche Begattung findet nicht ſtatt; beide Geſchlechter ſuchen ſich vielmehr während der Paarungszeit im Waſſer auf; die Männchen verfolgen die Weibchen, geben dann ihren Samen von ſich, und die Weibchen legen in das von dieſem ſozuſagen befruchtete Waſſer ihre Eier; ja, noch mehr, ſie nehmen das ſamengeſchwängerte Waſſer durch den After in ſich auf und befruchten die Eier, welche ſie noch im Mutterleibe haben. Die Salamander verlaſſen nach der Paarungszeit das Waſſer wieder; aber die Weibchen kehren geraume Zeit ſpäter zu ihm zurück, um ihre Jungen, welche ſich inzwiſchen in ihrem eigenen Leibe entwickelt haben, abzuſetzen; die Waſſermolche hingegen legen Eier, und zwar nur wenige auf einmal und befeſtigen ſie mittels eines kleberigen Schleimes an Pflanzenblätter. Land- wie Waſſermolche verleben ihre erſte Jugendzeit im Waſſer und verlaſſen dieſes erſt, wenn ihre Lungen ſich ausgebildet haben und die Athmung durch dieſe ſtattfindet. Während des Larven- zuſtandes unterſcheiden ſich die verſchiedenen Schwanzlurche ſehr wenig von einander, und deshalb gerade erſcheint es gerechtfertigt, wenn man ſie in einer und derſelben Ordnung vereinigt; denn die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/439>, abgerufen am 23.12.2024.