Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.Die Froschlurche. Kröten. Landkröten. rechte Entfernung genähert, so hält sie in ihrem Laufe an, nimmt wie ein vor dem Wilde stehenderHühnerhund den Raub fest ins Auge, schießt die Zunge hervor und wirft mit ihr das Opfer in den weit geöffneten Nachen, fast gleichzeitig es verschluckend und in dem Magen bergend. Wenn sie, wie es auch nicht ganz selten geschieht, eine Beute fehlt oder sie durch einen Schlag mit der Zunge nur betäubt, nicht aber anleimt, steht sie von aller weiteren Verfolgung sofort ab, nimmt aber die Jagd augenblicklich wieder auf, wenn das Kerbthier von Neuem sich zu regen anfängt. Neben dem genannten Kleingethier scheinen Schnecken, insbesondere Nacktschnecken eine sehr beliebte Nahrung von ihr zu bilden; außerdem vergreift sie sich auch an kleinen Kriechthieren und Lurchen, einigen Beobachtern zufolge sogar an Jungen der eigenen Art, obgleich sie sonst mit Jhresgleichen im tiefsten Frieden lebt, sich auch durch keinerlei Erregung zu Kampf und Streit mit anderen ihrer Art auf- stacheln läßt. Einen Beleg dafür gibt folgende Erzählung. Um eine Kröte, deren ständigen Aufenthalt man kannte, bei ihrem Kerbthierfange zu beobachten, bestrich man ein Blatt mit etwas Honig und legte dieses vor den Schlupfwinkel der Kröte. Der Honig zog bald eine Menge Fliegen und Wespen herbei, welche von der Bewohnerin der Höhlung weggeschnappt wurden. Als einst eine andere Kröte sich an dieser stets reich bestellten Tafel einfand, warf man viele Kerbthiere zwischen beide, sodaß ihre Aufmerksamkeit wechselseitig erregt wurde. Dabei geschah es, daß zuweilen beide nach einem und demselben Kerfe haschten; niemals aber zeigte diejenige, welche leer ausging, den geringsten Unwillen oder gar ein Gelüst nach Rache, und niemals überhaupt sah man zwei Kröten mit einander streiten. Diese Gutmüthigkeit, welche man ebensowohl als Geistlosigkeit bezeichnen darf, ist allen Lurchen gemein: der Magen bestimmt ihr Gebahren. Sie versuchen, ein sich ihnen nahendes Thier zu verschlingen, wenn sie Dies vermögen, lassen es im übrigen aber vollkommen unbe- helligt, weil bei ihnen alle Gefühle, welche Ueberlegung erfordern, nur angedeutet sind oder ihnen gänzlich abgehen. Doch soll damit durchaus nicht gesagt sein, daß ihnen und insbesondere den Kröten jede geistige Thätigkeit mangele. Sie unterscheiden sehr wohl zwischen den verschiedenen Geschöpfen, mit welchen sie zu verkehren haben und passen gelegentlich ihre Gewohnheiten den Ver- hältnissen an. Mehr als andere Lurche noch fliehen sie ängstlich jedes größere Thier, sogut sie Dies vermögen, und wagen es im Bewußtsein ihrer Schwäche nicht, einem starken Feinde Widerstand zu leisten; aber auch sie erkennen ihnen erwiesene Wohlthaten dankbar an und legen gegenüber Dem, welcher sie freundlich behandelt, nach und nach die ihnen sonst eigene Scheu fast gänzlich ab. Bell hatte eine Kröte soweit gezähmt, daß sie ruhig auf der einen Hand sitzen blieb und die ihr mit der anderen vorgehaltenen Fliegen aus den Fingern nahm; andere Freunde dieser so verachteten Thiere brachten ihre Gefangenen dahin, daß sie sich auf einen ihnen geltenden Ruf oder Pfiff regelmäßig einstellten, um das ihnen zugedachte Futter in Empfang zu nehmen. Fothergill glaubt sogar, daß gezähmte Kröten ihren Gebieter und dessen Familie von fremden Leuten unterscheiden können. Als er eines Sommers zufällig einen umgestülpten Blumentopf aufhob, von welchem ein Theil des Randes ausgebrochen war, bemerkte er, daß dieser Topf einer Kröte zum Schlupfwinkel diente. Er beschloß, letztere zu beobachten, begann, sie mit Kerbthieren zu füttern und gewöhnte sie bald so an sich, daß sie ohne jegliche Scheu erschien, so oft er sie durch vorgeworfene Speise lockte. Gegen Abend verließ sie ihren Schlupfwinkel, um im Garten umherzustreifen; gegen Morgen kehrte sie regelmäßig zu ihrem Topfe zurück. Jn dieser Weise verlief ihr Leben wochenlang, bis eines Tages eine Gesellschaft Fremder bei Fothergill erschien und die Fütterung der Kröte mit anzusehen wünschte. Das Thier zeigte sich angesichts der ihr unbekannten Leute ungewöhnlich scheu und unruhig, verließ am Abende ihren Platz und kehrte in diesem Jahre nicht mehr dahin zurück. Jm folgenden Sommer jedoch fand sich dieselbe oder doch eine andere, ihr ganz ähnliche Kröte wieder unter dem Topfe ein und wurde, wie früher, sorgfältig gefüttert. Fortan erschien sie jedesmal zu Ende des Mai und verschwand Mitte Septembers wieder, ließ auch deutlich erkennen, daß sie ihrem Pfleger vertraue, da sie ruhig aushielt, wenn dieser sie streichelte oder mit einem Rüthchen berührte, nicht aber sich so eilig als möglich verbarg, wie andere es in solchem Falle zu thun pflegen. Die Froſchlurche. Kröten. Landkröten. rechte Entfernung genähert, ſo hält ſie in ihrem Laufe an, nimmt wie ein vor dem Wilde ſtehenderHühnerhund den Raub feſt ins Auge, ſchießt die Zunge hervor und wirft mit ihr das Opfer in den weit geöffneten Nachen, faſt gleichzeitig es verſchluckend und in dem Magen bergend. Wenn ſie, wie es auch nicht ganz ſelten geſchieht, eine Beute fehlt oder ſie durch einen Schlag mit der Zunge nur betäubt, nicht aber anleimt, ſteht ſie von aller weiteren Verfolgung ſofort ab, nimmt aber die Jagd augenblicklich wieder auf, wenn das Kerbthier von Neuem ſich zu regen anfängt. Neben dem genannten Kleingethier ſcheinen Schnecken, insbeſondere Nacktſchnecken eine ſehr beliebte Nahrung von ihr zu bilden; außerdem vergreift ſie ſich auch an kleinen Kriechthieren und Lurchen, einigen Beobachtern zufolge ſogar an Jungen der eigenen Art, obgleich ſie ſonſt mit Jhresgleichen im tiefſten Frieden lebt, ſich auch durch keinerlei Erregung zu Kampf und Streit mit anderen ihrer Art auf- ſtacheln läßt. Einen Beleg dafür gibt folgende Erzählung. Um eine Kröte, deren ſtändigen Aufenthalt man kannte, bei ihrem Kerbthierfange zu beobachten, beſtrich man ein Blatt mit etwas Honig und legte dieſes vor den Schlupfwinkel der Kröte. Der Honig zog bald eine Menge Fliegen und Weſpen herbei, welche von der Bewohnerin der Höhlung weggeſchnappt wurden. Als einſt eine andere Kröte ſich an dieſer ſtets reich beſtellten Tafel einfand, warf man viele Kerbthiere zwiſchen beide, ſodaß ihre Aufmerkſamkeit wechſelſeitig erregt wurde. Dabei geſchah es, daß zuweilen beide nach einem und demſelben Kerfe haſchten; niemals aber zeigte diejenige, welche leer ausging, den geringſten Unwillen oder gar ein Gelüſt nach Rache, und niemals überhaupt ſah man zwei Kröten mit einander ſtreiten. Dieſe Gutmüthigkeit, welche man ebenſowohl als Geiſtloſigkeit bezeichnen darf, iſt allen Lurchen gemein: der Magen beſtimmt ihr Gebahren. Sie verſuchen, ein ſich ihnen nahendes Thier zu verſchlingen, wenn ſie Dies vermögen, laſſen es im übrigen aber vollkommen unbe- helligt, weil bei ihnen alle Gefühle, welche Ueberlegung erfordern, nur angedeutet ſind oder ihnen gänzlich abgehen. Doch ſoll damit durchaus nicht geſagt ſein, daß ihnen und insbeſondere den Kröten jede geiſtige Thätigkeit mangele. Sie unterſcheiden ſehr wohl zwiſchen den verſchiedenen Geſchöpfen, mit welchen ſie zu verkehren haben und paſſen gelegentlich ihre Gewohnheiten den Ver- hältniſſen an. Mehr als andere Lurche noch fliehen ſie ängſtlich jedes größere Thier, ſogut ſie Dies vermögen, und wagen es im Bewußtſein ihrer Schwäche nicht, einem ſtarken Feinde Widerſtand zu leiſten; aber auch ſie erkennen ihnen erwieſene Wohlthaten dankbar an und legen gegenüber Dem, welcher ſie freundlich behandelt, nach und nach die ihnen ſonſt eigene Scheu faſt gänzlich ab. Bell hatte eine Kröte ſoweit gezähmt, daß ſie ruhig auf der einen Hand ſitzen blieb und die ihr mit der anderen vorgehaltenen Fliegen aus den Fingern nahm; andere Freunde dieſer ſo verachteten Thiere brachten ihre Gefangenen dahin, daß ſie ſich auf einen ihnen geltenden Ruf oder Pfiff regelmäßig einſtellten, um das ihnen zugedachte Futter in Empfang zu nehmen. Fothergill glaubt ſogar, daß gezähmte Kröten ihren Gebieter und deſſen Familie von fremden Leuten unterſcheiden können. Als er eines Sommers zufällig einen umgeſtülpten Blumentopf aufhob, von welchem ein Theil des Randes ausgebrochen war, bemerkte er, daß dieſer Topf einer Kröte zum Schlupfwinkel diente. Er beſchloß, letztere zu beobachten, begann, ſie mit Kerbthieren zu füttern und gewöhnte ſie bald ſo an ſich, daß ſie ohne jegliche Scheu erſchien, ſo oft er ſie durch vorgeworfene Speiſe lockte. Gegen Abend verließ ſie ihren Schlupfwinkel, um im Garten umherzuſtreifen; gegen Morgen kehrte ſie regelmäßig zu ihrem Topfe zurück. Jn dieſer Weiſe verlief ihr Leben wochenlang, bis eines Tages eine Geſellſchaft Fremder bei Fothergill erſchien und die Fütterung der Kröte mit anzuſehen wünſchte. Das Thier zeigte ſich angeſichts der ihr unbekannten Leute ungewöhnlich ſcheu und unruhig, verließ am Abende ihren Platz und kehrte in dieſem Jahre nicht mehr dahin zurück. Jm folgenden Sommer jedoch fand ſich dieſelbe oder doch eine andere, ihr ganz ähnliche Kröte wieder unter dem Topfe ein und wurde, wie früher, ſorgfältig gefüttert. Fortan erſchien ſie jedesmal zu Ende des Mai und verſchwand Mitte Septembers wieder, ließ auch deutlich erkennen, daß ſie ihrem Pfleger vertraue, da ſie ruhig aushielt, wenn dieſer ſie ſtreichelte oder mit einem Rüthchen berührte, nicht aber ſich ſo eilig als möglich verbarg, wie andere es in ſolchem Falle zu thun pflegen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0430" n="402"/><fw place="top" type="header">Die Froſchlurche. Kröten. 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Die Froſchlurche. Kröten. Landkröten.
rechte Entfernung genähert, ſo hält ſie in ihrem Laufe an, nimmt wie ein vor dem Wilde ſtehender
Hühnerhund den Raub feſt ins Auge, ſchießt die Zunge hervor und wirft mit ihr das Opfer in den
weit geöffneten Nachen, faſt gleichzeitig es verſchluckend und in dem Magen bergend. Wenn ſie, wie
es auch nicht ganz ſelten geſchieht, eine Beute fehlt oder ſie durch einen Schlag mit der Zunge nur
betäubt, nicht aber anleimt, ſteht ſie von aller weiteren Verfolgung ſofort ab, nimmt aber die Jagd
augenblicklich wieder auf, wenn das Kerbthier von Neuem ſich zu regen anfängt. Neben dem
genannten Kleingethier ſcheinen Schnecken, insbeſondere Nacktſchnecken eine ſehr beliebte Nahrung
von ihr zu bilden; außerdem vergreift ſie ſich auch an kleinen Kriechthieren und Lurchen, einigen
Beobachtern zufolge ſogar an Jungen der eigenen Art, obgleich ſie ſonſt mit Jhresgleichen im tiefſten
Frieden lebt, ſich auch durch keinerlei Erregung zu Kampf und Streit mit anderen ihrer Art auf-
ſtacheln läßt. Einen Beleg dafür gibt folgende Erzählung. Um eine Kröte, deren ſtändigen
Aufenthalt man kannte, bei ihrem Kerbthierfange zu beobachten, beſtrich man ein Blatt mit etwas
Honig und legte dieſes vor den Schlupfwinkel der Kröte. Der Honig zog bald eine Menge Fliegen
und Weſpen herbei, welche von der Bewohnerin der Höhlung weggeſchnappt wurden. Als einſt eine
andere Kröte ſich an dieſer ſtets reich beſtellten Tafel einfand, warf man viele Kerbthiere zwiſchen
beide, ſodaß ihre Aufmerkſamkeit wechſelſeitig erregt wurde. Dabei geſchah es, daß zuweilen beide
nach einem und demſelben Kerfe haſchten; niemals aber zeigte diejenige, welche leer ausging, den
geringſten Unwillen oder gar ein Gelüſt nach Rache, und niemals überhaupt ſah man zwei Kröten
mit einander ſtreiten. Dieſe Gutmüthigkeit, welche man ebenſowohl als Geiſtloſigkeit bezeichnen
darf, iſt allen Lurchen gemein: der Magen beſtimmt ihr Gebahren. Sie verſuchen, ein ſich ihnen
nahendes Thier zu verſchlingen, wenn ſie Dies vermögen, laſſen es im übrigen aber vollkommen unbe-
helligt, weil bei ihnen alle Gefühle, welche Ueberlegung erfordern, nur angedeutet ſind oder ihnen
gänzlich abgehen. Doch ſoll damit durchaus nicht geſagt ſein, daß ihnen und insbeſondere den
Kröten jede geiſtige Thätigkeit mangele. Sie unterſcheiden ſehr wohl zwiſchen den verſchiedenen
Geſchöpfen, mit welchen ſie zu verkehren haben und paſſen gelegentlich ihre Gewohnheiten den Ver-
hältniſſen an. Mehr als andere Lurche noch fliehen ſie ängſtlich jedes größere Thier, ſogut ſie Dies
vermögen, und wagen es im Bewußtſein ihrer Schwäche nicht, einem ſtarken Feinde Widerſtand zu
leiſten; aber auch ſie erkennen ihnen erwieſene Wohlthaten dankbar an und legen gegenüber Dem,
welcher ſie freundlich behandelt, nach und nach die ihnen ſonſt eigene Scheu faſt gänzlich ab. Bell
hatte eine Kröte ſoweit gezähmt, daß ſie ruhig auf der einen Hand ſitzen blieb und die ihr mit der
anderen vorgehaltenen Fliegen aus den Fingern nahm; andere Freunde dieſer ſo verachteten Thiere
brachten ihre Gefangenen dahin, daß ſie ſich auf einen ihnen geltenden Ruf oder Pfiff regelmäßig
einſtellten, um das ihnen zugedachte Futter in Empfang zu nehmen. Fothergill glaubt ſogar,
daß gezähmte Kröten ihren Gebieter und deſſen Familie von fremden Leuten unterſcheiden können.
Als er eines Sommers zufällig einen umgeſtülpten Blumentopf aufhob, von welchem ein Theil des
Randes ausgebrochen war, bemerkte er, daß dieſer Topf einer Kröte zum Schlupfwinkel diente. Er
beſchloß, letztere zu beobachten, begann, ſie mit Kerbthieren zu füttern und gewöhnte ſie bald ſo an
ſich, daß ſie ohne jegliche Scheu erſchien, ſo oft er ſie durch vorgeworfene Speiſe lockte. Gegen
Abend verließ ſie ihren Schlupfwinkel, um im Garten umherzuſtreifen; gegen Morgen kehrte ſie
regelmäßig zu ihrem Topfe zurück. Jn dieſer Weiſe verlief ihr Leben wochenlang, bis eines Tages
eine Geſellſchaft Fremder bei Fothergill erſchien und die Fütterung der Kröte mit anzuſehen
wünſchte. Das Thier zeigte ſich angeſichts der ihr unbekannten Leute ungewöhnlich ſcheu und
unruhig, verließ am Abende ihren Platz und kehrte in dieſem Jahre nicht mehr dahin zurück. Jm
folgenden Sommer jedoch fand ſich dieſelbe oder doch eine andere, ihr ganz ähnliche Kröte wieder
unter dem Topfe ein und wurde, wie früher, ſorgfältig gefüttert. Fortan erſchien ſie jedesmal zu
Ende des Mai und verſchwand Mitte Septembers wieder, ließ auch deutlich erkennen, daß ſie ihrem
Pfleger vertraue, da ſie ruhig aushielt, wenn dieſer ſie ſtreichelte oder mit einem Rüthchen berührte,
nicht aber ſich ſo eilig als möglich verbarg, wie andere es in ſolchem Falle zu thun pflegen.
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