lichen Raubthieren völlig geschützt ist. Jhr Fleisch soll man, nach Dumeril, nicht besonders achten, umsomehr aber ihre Eier, welche denen einer Taube an Größe ungefähr gleichkommen.
Mühlenberg erzählt, daß sie auch den Ratten und Schlangen nachstelle und sich deshalb sehr nützlich mache. Sie erhasche diese Thiere, klemme sie zwischen den Rücken und Brustpanzer und quetsche sie bis zu Tode, um sie dann in aller Behaglichkeit zu fressen: -- die Erzählung beweist einfach, daß man dem guten Manne ein Kindermährchen aufgebunden hat. Dagegen ist es wohl begründet, daß sie sich als Hausgenossen durch Aufzehrung von Gewürm und Ungeziefer Verdienste erwirbt und deshalb gern in der Gefangenschaft gehalten wird. Jn der Gesellschaft von Menschen verliert sie ihre ursprüngliche Schüchternheit sehr bald und wird schließlich so zahm, daß sie aus der Hand frißt. Sie nimmt die verschiedenartigste Nahrung an, Pilze, Salat, Kartoffeln, Obst, Brod, Kerbthiere und Fleisch. Eine Gefangene, welche Reichenbach hielt, zeigte einen sonderbaren Wider- willen gegen eine griechische Schildkröte, mit welcher sie zusammenlebte. "Während ich ruhig arbeitete", sagt dieser ausgezeichnete Forscher, "hörte ich oftmals ein Klopfen, wie die Schläge eines kleinen Hammers, ohne sogleich die Ursache entdecken zu können. Jch bemerkte endlich, daß die kleine Carolinaschildkröte die große griechische angriff, mit einer gewissen Wuth auf sie losschritt, in der Nähe sich so aufstellte, daß sie auf die Mitte des Seitenrandes der Gegnerin zusteuerte, hier angelangt, den Kopf einzog, auf den Vorderbeinen sich emporhob und aus der Entfernung von etwa einem Zoll nunmehr in der Weise, wie die römischen Mauerbrecher mit dem Vordertheile ihres Schildes auf den Mittelpunkt des Seitenrandes jener losstieß und ihre Stöße zehn- bis zwölfmal wiederholte. Dieses anziehende Schauspiel wiederholte sich tagtäglich, und viele meiner Freunde haben es mit angesehen, bis die Kleine, vielleicht mit aus Aerger über die Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen starb."
Gegen Eintritt des Winters muß man auch den Gefangenen dieser Art Gelegenheit geben, sich in das Erdreich eingraben zu können; in dieser Weise überwintert man sie am sichersten.
Jn der zweiten Zunft der Ordnung vereinigen wir die Sumpfschildkröten(Paludivagi), mittelgroße Arten der Ordnung, mit ziemlich flachem Rückenschilde, unter welches der Kopf und die Beine nicht oder nur theilweise zurückgezogen werden können, fast gleichlangen Gangbeinen, mit vor- wärts gerichteten, kurzen, vollkommen beweglichen, durch eine größere oder kleinere faltbare Schwimm- haut mit einander verbundenen Zehen. Jhr Verbreitungskreis erstreckt sich über alle Theile der Erde; sie bewohnen Sümpfe und süße Gewässer des warmen und beider gemäßigten Gürtel.
"Wer die Schildkröten in ihrer Manchfaltigkeit studiren und sie täglich im Freien beobachten will", sagt Weinland, "muß Nordamerika besuchen, das Schildkrötenland der Erde, wo sie in etwa zwei Dutzend verschiedenen Arten Teiche und Flüsse, Wald und Thal beleben, und wo der Kundige ihr Aussterben noch lange nicht zu besürchten hat."
"Wenn der europäische Naturforscher dort etwa in dem Deutschland so ähnlichen Neuengland an einem warmen Sommernachmittage einen Spaziergang durch die schöne Landschaft macht, so wird er umsonst nach den Eidechsen spähen, welche in Deutschland an jedem warmen Raine zu seinen Füßen rascheln, wird er keine Blindschleichen entdecken, und wenn er noch soviel Steine umkehren sollte: -- führt ihn aber sein Weg zu einem kleinen See, zu einem langsam fließenden Wiesenbache, so findet er da plötzlich die Hülle und Fülle für seine Wißbegierde. Was ist wohl das eigenthümliche, kreisrunde, thalergroße, braune Geschöpf, welches auf jenem Teichrosenblatte sitzt? Er tritt schnell näher; aber wie ein Blitz ist es hinab von dem schwimmenden Blatte in das kühle Wasser. Sehnsüchtig verfolgt er es mit seinen Blicken und gewahrt endlich ein niedliches Schildkrötchen, welches auf dem Grunde hurtig dahin schreitet und sich im nächsten Augenblicke im Schlamme oder unter Wasserpflanzen ver- birgt. Wohl mag es eine Stunde währen, bevor es wieder zum Vorscheine kommt, um zu athmen,
Die Schildkröten. Sumpfſchildkröten.
lichen Raubthieren völlig geſchützt iſt. Jhr Fleiſch ſoll man, nach Dumeril, nicht beſonders achten, umſomehr aber ihre Eier, welche denen einer Taube an Größe ungefähr gleichkommen.
Mühlenberg erzählt, daß ſie auch den Ratten und Schlangen nachſtelle und ſich deshalb ſehr nützlich mache. Sie erhaſche dieſe Thiere, klemme ſie zwiſchen den Rücken und Bruſtpanzer und quetſche ſie bis zu Tode, um ſie dann in aller Behaglichkeit zu freſſen: — die Erzählung beweiſt einfach, daß man dem guten Manne ein Kindermährchen aufgebunden hat. Dagegen iſt es wohl begründet, daß ſie ſich als Hausgenoſſen durch Aufzehrung von Gewürm und Ungeziefer Verdienſte erwirbt und deshalb gern in der Gefangenſchaft gehalten wird. Jn der Geſellſchaft von Menſchen verliert ſie ihre urſprüngliche Schüchternheit ſehr bald und wird ſchließlich ſo zahm, daß ſie aus der Hand frißt. Sie nimmt die verſchiedenartigſte Nahrung an, Pilze, Salat, Kartoffeln, Obſt, Brod, Kerbthiere und Fleiſch. Eine Gefangene, welche Reichenbach hielt, zeigte einen ſonderbaren Wider- willen gegen eine griechiſche Schildkröte, mit welcher ſie zuſammenlebte. „Während ich ruhig arbeitete“, ſagt dieſer ausgezeichnete Forſcher, „hörte ich oftmals ein Klopfen, wie die Schläge eines kleinen Hammers, ohne ſogleich die Urſache entdecken zu können. Jch bemerkte endlich, daß die kleine Carolinaſchildkröte die große griechiſche angriff, mit einer gewiſſen Wuth auf ſie losſchritt, in der Nähe ſich ſo aufſtellte, daß ſie auf die Mitte des Seitenrandes der Gegnerin zuſteuerte, hier angelangt, den Kopf einzog, auf den Vorderbeinen ſich emporhob und aus der Entfernung von etwa einem Zoll nunmehr in der Weiſe, wie die römiſchen Mauerbrecher mit dem Vordertheile ihres Schildes auf den Mittelpunkt des Seitenrandes jener losſtieß und ihre Stöße zehn- bis zwölfmal wiederholte. Dieſes anziehende Schauſpiel wiederholte ſich tagtäglich, und viele meiner Freunde haben es mit angeſehen, bis die Kleine, vielleicht mit aus Aerger über die Erfolgloſigkeit ihrer Bemühungen ſtarb.“
Gegen Eintritt des Winters muß man auch den Gefangenen dieſer Art Gelegenheit geben, ſich in das Erdreich eingraben zu können; in dieſer Weiſe überwintert man ſie am ſicherſten.
Jn der zweiten Zunft der Ordnung vereinigen wir die Sumpfſchildkröten(Paludivagi), mittelgroße Arten der Ordnung, mit ziemlich flachem Rückenſchilde, unter welches der Kopf und die Beine nicht oder nur theilweiſe zurückgezogen werden können, faſt gleichlangen Gangbeinen, mit vor- wärts gerichteten, kurzen, vollkommen beweglichen, durch eine größere oder kleinere faltbare Schwimm- haut mit einander verbundenen Zehen. Jhr Verbreitungskreis erſtreckt ſich über alle Theile der Erde; ſie bewohnen Sümpfe und ſüße Gewäſſer des warmen und beider gemäßigten Gürtel.
„Wer die Schildkröten in ihrer Manchfaltigkeit ſtudiren und ſie täglich im Freien beobachten will“, ſagt Weinland, „muß Nordamerika beſuchen, das Schildkrötenland der Erde, wo ſie in etwa zwei Dutzend verſchiedenen Arten Teiche und Flüſſe, Wald und Thal beleben, und wo der Kundige ihr Ausſterben noch lange nicht zu beſürchten hat.“
„Wenn der europäiſche Naturforſcher dort etwa in dem Deutſchland ſo ähnlichen Neuengland an einem warmen Sommernachmittage einen Spaziergang durch die ſchöne Landſchaft macht, ſo wird er umſonſt nach den Eidechſen ſpähen, welche in Deutſchland an jedem warmen Raine zu ſeinen Füßen raſcheln, wird er keine Blindſchleichen entdecken, und wenn er noch ſoviel Steine umkehren ſollte: — führt ihn aber ſein Weg zu einem kleinen See, zu einem langſam fließenden Wieſenbache, ſo findet er da plötzlich die Hülle und Fülle für ſeine Wißbegierde. Was iſt wohl das eigenthümliche, kreisrunde, thalergroße, braune Geſchöpf, welches auf jenem Teichroſenblatte ſitzt? Er tritt ſchnell näher; aber wie ein Blitz iſt es hinab von dem ſchwimmenden Blatte in das kühle Waſſer. Sehnſüchtig verfolgt er es mit ſeinen Blicken und gewahrt endlich ein niedliches Schildkrötchen, welches auf dem Grunde hurtig dahin ſchreitet und ſich im nächſten Augenblicke im Schlamme oder unter Waſſerpflanzen ver- birgt. Wohl mag es eine Stunde währen, bevor es wieder zum Vorſcheine kommt, um zu athmen,
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[30/0042]
Die Schildkröten. Sumpfſchildkröten.
lichen Raubthieren völlig geſchützt iſt. Jhr Fleiſch ſoll man, nach Dumeril, nicht beſonders achten,
umſomehr aber ihre Eier, welche denen einer Taube an Größe ungefähr gleichkommen.
Mühlenberg erzählt, daß ſie auch den Ratten und Schlangen nachſtelle und ſich deshalb ſehr
nützlich mache. Sie erhaſche dieſe Thiere, klemme ſie zwiſchen den Rücken und Bruſtpanzer und
quetſche ſie bis zu Tode, um ſie dann in aller Behaglichkeit zu freſſen: — die Erzählung beweiſt
einfach, daß man dem guten Manne ein Kindermährchen aufgebunden hat. Dagegen iſt es wohl
begründet, daß ſie ſich als Hausgenoſſen durch Aufzehrung von Gewürm und Ungeziefer Verdienſte
erwirbt und deshalb gern in der Gefangenſchaft gehalten wird. Jn der Geſellſchaft von Menſchen
verliert ſie ihre urſprüngliche Schüchternheit ſehr bald und wird ſchließlich ſo zahm, daß ſie aus der
Hand frißt. Sie nimmt die verſchiedenartigſte Nahrung an, Pilze, Salat, Kartoffeln, Obſt, Brod,
Kerbthiere und Fleiſch. Eine Gefangene, welche Reichenbach hielt, zeigte einen ſonderbaren Wider-
willen gegen eine griechiſche Schildkröte, mit welcher ſie zuſammenlebte. „Während ich ruhig
arbeitete“, ſagt dieſer ausgezeichnete Forſcher, „hörte ich oftmals ein Klopfen, wie die Schläge eines
kleinen Hammers, ohne ſogleich die Urſache entdecken zu können. Jch bemerkte endlich, daß die kleine
Carolinaſchildkröte die große griechiſche angriff, mit einer gewiſſen Wuth auf ſie losſchritt, in der
Nähe ſich ſo aufſtellte, daß ſie auf die Mitte des Seitenrandes der Gegnerin zuſteuerte, hier angelangt,
den Kopf einzog, auf den Vorderbeinen ſich emporhob und aus der Entfernung von etwa einem Zoll
nunmehr in der Weiſe, wie die römiſchen Mauerbrecher mit dem Vordertheile ihres Schildes auf den
Mittelpunkt des Seitenrandes jener losſtieß und ihre Stöße zehn- bis zwölfmal wiederholte. Dieſes
anziehende Schauſpiel wiederholte ſich tagtäglich, und viele meiner Freunde haben es mit angeſehen,
bis die Kleine, vielleicht mit aus Aerger über die Erfolgloſigkeit ihrer Bemühungen ſtarb.“
Gegen Eintritt des Winters muß man auch den Gefangenen dieſer Art Gelegenheit geben, ſich
in das Erdreich eingraben zu können; in dieſer Weiſe überwintert man ſie am ſicherſten.
Jn der zweiten Zunft der Ordnung vereinigen wir die Sumpfſchildkröten (Paludivagi),
mittelgroße Arten der Ordnung, mit ziemlich flachem Rückenſchilde, unter welches der Kopf und die
Beine nicht oder nur theilweiſe zurückgezogen werden können, faſt gleichlangen Gangbeinen, mit vor-
wärts gerichteten, kurzen, vollkommen beweglichen, durch eine größere oder kleinere faltbare Schwimm-
haut mit einander verbundenen Zehen. Jhr Verbreitungskreis erſtreckt ſich über alle Theile der Erde;
ſie bewohnen Sümpfe und ſüße Gewäſſer des warmen und beider gemäßigten Gürtel.
„Wer die Schildkröten in ihrer Manchfaltigkeit ſtudiren und ſie täglich im Freien beobachten
will“, ſagt Weinland, „muß Nordamerika beſuchen, das Schildkrötenland der Erde, wo ſie in etwa
zwei Dutzend verſchiedenen Arten Teiche und Flüſſe, Wald und Thal beleben, und wo der Kundige
ihr Ausſterben noch lange nicht zu beſürchten hat.“
„Wenn der europäiſche Naturforſcher dort etwa in dem Deutſchland ſo ähnlichen Neuengland an
einem warmen Sommernachmittage einen Spaziergang durch die ſchöne Landſchaft macht, ſo wird er
umſonſt nach den Eidechſen ſpähen, welche in Deutſchland an jedem warmen Raine zu ſeinen Füßen
raſcheln, wird er keine Blindſchleichen entdecken, und wenn er noch ſoviel Steine umkehren ſollte: —
führt ihn aber ſein Weg zu einem kleinen See, zu einem langſam fließenden Wieſenbache, ſo findet er
da plötzlich die Hülle und Fülle für ſeine Wißbegierde. Was iſt wohl das eigenthümliche, kreisrunde,
thalergroße, braune Geſchöpf, welches auf jenem Teichroſenblatte ſitzt? Er tritt ſchnell näher; aber
wie ein Blitz iſt es hinab von dem ſchwimmenden Blatte in das kühle Waſſer. Sehnſüchtig verfolgt
er es mit ſeinen Blicken und gewahrt endlich ein niedliches Schildkrötchen, welches auf dem Grunde
hurtig dahin ſchreitet und ſich im nächſten Augenblicke im Schlamme oder unter Waſſerpflanzen ver-
birgt. Wohl mag es eine Stunde währen, bevor es wieder zum Vorſcheine kommt, um zu athmen,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/42>, abgerufen am 21.12.2024.
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