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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Ochsenfrosch.
gezeichnetsten Tongebern der Familie nun gehört ein nordamerikanischer Frosch, welcher sich freilich
nicht den Namen eines Künstlers, sondern nur den eines geachteten Säugethieres erworben hat, der
Ochsenfrosch (Rana mugiens) nämlich. Leider bin ich nicht im Stande, auf eigene Erfahrung
gestützt, zu entscheiden, inwiefern der Name gerechtfertigt ist oder nicht; amerikanische Forscher und
Reisende aber stimmen in dem Einen überein, daß sich ein von fünfhundert Ochsenfröschen ausge-
führtes Tonstück mit einer abendlichen Teichmusik, wie wir sie bei uns zu Lande vernehmen, gar nicht
vergleichen läßt. Man liest da so Manches von "schlaflosen Nächten, verwünschten Lärmmachern"
und dergleichen, daß man wohl annehmen darf, die Stimme des Ochsenfrosches möge mit der des
unserigen ungefähr in demselben Verhältnisse stehen, wie die bezügliche Leibesgröße beider.

Der Ochsenfrosch erreicht eine Leibeslänge von 8 Zoll bei 31/2 Zoll Breite, und besitzt Hinter-
beine, welche 10 Zoll an Länge messen. Die Oberseite ist auf olivengrünem Grunde mit großen,
dunkelbraunen oder schwarz gewölkten Flecken und einer längs des Rückgrats verlaufenden, gelben
Linie gezeichnet, die Unterseite gelblichweiß, das Auge röthlich mit gelben Einfassung. Sein Vater-
land erstreckt sich über den ganzen Osten Nordamerikas von New-York an bis New-Orleans; doch
scheint es, als ob er nirgends in so zahlreicher Menge vvrkomme als unser Teichfrosch, vielleicht
aus dem einleuchtenden Grunde, daß es schwierig sein möchte, eine ähnliche Anzahl so gewaltiger
Fresser zu ernähren. Nach Audubon bewohnt er alle Länder der Vereinigten Staaten, ist
in den südlichen Theilen jedoch ungleich häufiger als in den nördlichen. Gewöhnlich findet man ihn
an reinen, dicht mit Buschwerk überschatteten Strömen. Hier sitzt er in den Mittagsstunden behaglich
im Sonnenscheine, nach Art seines Verwandten angesichts des Gewässers, in welches er mit gewaltigem
Sprunge stürzt, sobald sich ihm eine Gefahr auch nur von Ferne zeigt, in der Regel bis auf den
Grund hinabtauchend und zur entgegengesetzten Seite schwimmend. Seine Stimme schallt lauter
als die irgend eines anderen Frosches und wird bestimmt in bedentender Entfernung vernommen, in
den südlichen Staaten während des ganzen Jahres, obschon hauptsächlich in den Frühlings- und
Sommermonaten, in den nördlichen nur während der letzteren und, wie zu erwarten, besonders
während der Paarungszeit, in welcher sich, glaubwürdigen Angaben zu Folge doch wenigstens einige
Hundert der Brüller vereinigen. Um diese Zeit treibt es der Riese ganz wie sein europäischer Ver-
wandter, läßt an Eifer im Hervorbringen von Tönen nicht das Geringste zu wünschen übrig, brüllt
ohne Unterbrechung ganze Nächte hindurch und bringt schwachnervige Anwohner seines Wohngewässers,
falls gedachten Berichten auch in dieser Beziehung zu glauben, nahezu in Verzweiflung. Nachdem
die Eier abgelegt, vertheilt er sich einigermaßen wieder und begiebt sich an die genannten Stellen.

Die Gefräßigkeit der Frösche wird beim Ochsenfrosch jedem nah wohnenden Bauer kund und
offenbar. Kerbthiere, Land- und Süßwasserschnecken bilden auch seine Hauptnahrung; er begnügt
sich jedoch, falls etwas Anderes zu haben, keineswegs mit solcher Beute, sondern überfällt räuberisch
alle lebenden Wesen, welche er bewältigen zu können glaubt. Was unsere Teichfrösche nur versuchen,
wird von ihm ausgeführt: das auf seinem Wohngewässer schwimmende Entchen von unten erfaßt, in
die Tiefe hinabgezogen, ertränkt und verschlungen, das auf dem Uferrande unvorsichtig sich nähernde
Küchlein, noch ehe die mit gesträubten Federn herbeistürzende Alte zur Stelle, mit jähem Sprunge
erhascht und ebenfalls in der sichern Tiefe geborgen. Dumeril fand in dem Magen der fünf oder
sechs von ihm untersuchten Ochsenfrösche Reste von allerlei Kerbthieren, Schnecken, Ueberbleibsel von
Fischen, das Geripp einer Sirene und Vogelknochen; Harlan erzählte ihm, daß er einen in dem
Augenblicke erlegte, als er eine gefangene Schlange verzehren wollte, und die Bauern schwören darauf,
daß er unter dem jungen Wassergeflügel ärger hause als der Mink und seine Verwandten. Solche
Gefräßigkeit wird ihm oft genug zum Verderben: er schnappt nach der betrüglich geköderten Angel
mit gleicher Gier wie nach dem Küchlein und wird leicht zur Beute des Gegners, welchen er bis dahin
schädigte und dem er nunmehr zu einem willkommenen, weil überaus schmackhaftem Gerichte dienen
muß. Und nicht blos der Angel bedient man sich, um ihn zu fangen, sondern auch der Netze und
Fallen, ja selbst des Schrotgewehres; denn der oft mehr als ein halbes Pfund wiegende Frosch ist

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Ochſenfroſch.
gezeichnetſten Tongebern der Familie nun gehört ein nordamerikaniſcher Froſch, welcher ſich freilich
nicht den Namen eines Künſtlers, ſondern nur den eines geachteten Säugethieres erworben hat, der
Ochſenfroſch (Rana mugiens) nämlich. Leider bin ich nicht im Stande, auf eigene Erfahrung
geſtützt, zu entſcheiden, inwiefern der Name gerechtfertigt iſt oder nicht; amerikaniſche Forſcher und
Reiſende aber ſtimmen in dem Einen überein, daß ſich ein von fünfhundert Ochſenfröſchen ausge-
führtes Tonſtück mit einer abendlichen Teichmuſik, wie wir ſie bei uns zu Lande vernehmen, gar nicht
vergleichen läßt. Man lieſt da ſo Manches von „ſchlafloſen Nächten, verwünſchten Lärmmachern“
und dergleichen, daß man wohl annehmen darf, die Stimme des Ochſenfroſches möge mit der des
unſerigen ungefähr in demſelben Verhältniſſe ſtehen, wie die bezügliche Leibesgröße beider.

Der Ochſenfroſch erreicht eine Leibeslänge von 8 Zoll bei 3½ Zoll Breite, und beſitzt Hinter-
beine, welche 10 Zoll an Länge meſſen. Die Oberſeite iſt auf olivengrünem Grunde mit großen,
dunkelbraunen oder ſchwarz gewölkten Flecken und einer längs des Rückgrats verlaufenden, gelben
Linie gezeichnet, die Unterſeite gelblichweiß, das Auge röthlich mit gelben Einfaſſung. Sein Vater-
land erſtreckt ſich über den ganzen Oſten Nordamerikas von New-York an bis New-Orleans; doch
ſcheint es, als ob er nirgends in ſo zahlreicher Menge vvrkomme als unſer Teichfroſch, vielleicht
aus dem einleuchtenden Grunde, daß es ſchwierig ſein möchte, eine ähnliche Anzahl ſo gewaltiger
Freſſer zu ernähren. Nach Audubon bewohnt er alle Länder der Vereinigten Staaten, iſt
in den ſüdlichen Theilen jedoch ungleich häufiger als in den nördlichen. Gewöhnlich findet man ihn
an reinen, dicht mit Buſchwerk überſchatteten Strömen. Hier ſitzt er in den Mittagsſtunden behaglich
im Sonnenſcheine, nach Art ſeines Verwandten angeſichts des Gewäſſers, in welches er mit gewaltigem
Sprunge ſtürzt, ſobald ſich ihm eine Gefahr auch nur von Ferne zeigt, in der Regel bis auf den
Grund hinabtauchend und zur entgegengeſetzten Seite ſchwimmend. Seine Stimme ſchallt lauter
als die irgend eines anderen Froſches und wird beſtimmt in bedentender Entfernung vernommen, in
den ſüdlichen Staaten während des ganzen Jahres, obſchon hauptſächlich in den Frühlings- und
Sommermonaten, in den nördlichen nur während der letzteren und, wie zu erwarten, beſonders
während der Paarungszeit, in welcher ſich, glaubwürdigen Angaben zu Folge doch wenigſtens einige
Hundert der Brüller vereinigen. Um dieſe Zeit treibt es der Rieſe ganz wie ſein europäiſcher Ver-
wandter, läßt an Eifer im Hervorbringen von Tönen nicht das Geringſte zu wünſchen übrig, brüllt
ohne Unterbrechung ganze Nächte hindurch und bringt ſchwachnervige Anwohner ſeines Wohngewäſſers,
falls gedachten Berichten auch in dieſer Beziehung zu glauben, nahezu in Verzweiflung. Nachdem
die Eier abgelegt, vertheilt er ſich einigermaßen wieder und begiebt ſich an die genannten Stellen.

Die Gefräßigkeit der Fröſche wird beim Ochſenfroſch jedem nah wohnenden Bauer kund und
offenbar. Kerbthiere, Land- und Süßwaſſerſchnecken bilden auch ſeine Hauptnahrung; er begnügt
ſich jedoch, falls etwas Anderes zu haben, keineswegs mit ſolcher Beute, ſondern überfällt räuberiſch
alle lebenden Weſen, welche er bewältigen zu können glaubt. Was unſere Teichfröſche nur verſuchen,
wird von ihm ausgeführt: das auf ſeinem Wohngewäſſer ſchwimmende Entchen von unten erfaßt, in
die Tiefe hinabgezogen, ertränkt und verſchlungen, das auf dem Uferrande unvorſichtig ſich nähernde
Küchlein, noch ehe die mit geſträubten Federn herbeiſtürzende Alte zur Stelle, mit jähem Sprunge
erhaſcht und ebenfalls in der ſichern Tiefe geborgen. Dumeril fand in dem Magen der fünf oder
ſechs von ihm unterſuchten Ochſenfröſche Reſte von allerlei Kerbthieren, Schnecken, Ueberbleibſel von
Fiſchen, das Geripp einer Sirene und Vogelknochen; Harlan erzählte ihm, daß er einen in dem
Augenblicke erlegte, als er eine gefangene Schlange verzehren wollte, und die Bauern ſchwören darauf,
daß er unter dem jungen Waſſergeflügel ärger hauſe als der Mink und ſeine Verwandten. Solche
Gefräßigkeit wird ihm oft genug zum Verderben: er ſchnappt nach der betrüglich geköderten Angel
mit gleicher Gier wie nach dem Küchlein und wird leicht zur Beute des Gegners, welchen er bis dahin
ſchädigte und dem er nunmehr zu einem willkommenen, weil überaus ſchmackhaftem Gerichte dienen
muß. Und nicht blos der Angel bedient man ſich, um ihn zu fangen, ſondern auch der Netze und
Fallen, ja ſelbſt des Schrotgewehres; denn der oft mehr als ein halbes Pfund wiegende Froſch iſt

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[387/0415] Ochſenfroſch. gezeichnetſten Tongebern der Familie nun gehört ein nordamerikaniſcher Froſch, welcher ſich freilich nicht den Namen eines Künſtlers, ſondern nur den eines geachteten Säugethieres erworben hat, der Ochſenfroſch (Rana mugiens) nämlich. Leider bin ich nicht im Stande, auf eigene Erfahrung geſtützt, zu entſcheiden, inwiefern der Name gerechtfertigt iſt oder nicht; amerikaniſche Forſcher und Reiſende aber ſtimmen in dem Einen überein, daß ſich ein von fünfhundert Ochſenfröſchen ausge- führtes Tonſtück mit einer abendlichen Teichmuſik, wie wir ſie bei uns zu Lande vernehmen, gar nicht vergleichen läßt. Man lieſt da ſo Manches von „ſchlafloſen Nächten, verwünſchten Lärmmachern“ und dergleichen, daß man wohl annehmen darf, die Stimme des Ochſenfroſches möge mit der des unſerigen ungefähr in demſelben Verhältniſſe ſtehen, wie die bezügliche Leibesgröße beider. Der Ochſenfroſch erreicht eine Leibeslänge von 8 Zoll bei 3½ Zoll Breite, und beſitzt Hinter- beine, welche 10 Zoll an Länge meſſen. Die Oberſeite iſt auf olivengrünem Grunde mit großen, dunkelbraunen oder ſchwarz gewölkten Flecken und einer längs des Rückgrats verlaufenden, gelben Linie gezeichnet, die Unterſeite gelblichweiß, das Auge röthlich mit gelben Einfaſſung. Sein Vater- land erſtreckt ſich über den ganzen Oſten Nordamerikas von New-York an bis New-Orleans; doch ſcheint es, als ob er nirgends in ſo zahlreicher Menge vvrkomme als unſer Teichfroſch, vielleicht aus dem einleuchtenden Grunde, daß es ſchwierig ſein möchte, eine ähnliche Anzahl ſo gewaltiger Freſſer zu ernähren. Nach Audubon bewohnt er alle Länder der Vereinigten Staaten, iſt in den ſüdlichen Theilen jedoch ungleich häufiger als in den nördlichen. Gewöhnlich findet man ihn an reinen, dicht mit Buſchwerk überſchatteten Strömen. Hier ſitzt er in den Mittagsſtunden behaglich im Sonnenſcheine, nach Art ſeines Verwandten angeſichts des Gewäſſers, in welches er mit gewaltigem Sprunge ſtürzt, ſobald ſich ihm eine Gefahr auch nur von Ferne zeigt, in der Regel bis auf den Grund hinabtauchend und zur entgegengeſetzten Seite ſchwimmend. Seine Stimme ſchallt lauter als die irgend eines anderen Froſches und wird beſtimmt in bedentender Entfernung vernommen, in den ſüdlichen Staaten während des ganzen Jahres, obſchon hauptſächlich in den Frühlings- und Sommermonaten, in den nördlichen nur während der letzteren und, wie zu erwarten, beſonders während der Paarungszeit, in welcher ſich, glaubwürdigen Angaben zu Folge doch wenigſtens einige Hundert der Brüller vereinigen. Um dieſe Zeit treibt es der Rieſe ganz wie ſein europäiſcher Ver- wandter, läßt an Eifer im Hervorbringen von Tönen nicht das Geringſte zu wünſchen übrig, brüllt ohne Unterbrechung ganze Nächte hindurch und bringt ſchwachnervige Anwohner ſeines Wohngewäſſers, falls gedachten Berichten auch in dieſer Beziehung zu glauben, nahezu in Verzweiflung. Nachdem die Eier abgelegt, vertheilt er ſich einigermaßen wieder und begiebt ſich an die genannten Stellen. Die Gefräßigkeit der Fröſche wird beim Ochſenfroſch jedem nah wohnenden Bauer kund und offenbar. Kerbthiere, Land- und Süßwaſſerſchnecken bilden auch ſeine Hauptnahrung; er begnügt ſich jedoch, falls etwas Anderes zu haben, keineswegs mit ſolcher Beute, ſondern überfällt räuberiſch alle lebenden Weſen, welche er bewältigen zu können glaubt. Was unſere Teichfröſche nur verſuchen, wird von ihm ausgeführt: das auf ſeinem Wohngewäſſer ſchwimmende Entchen von unten erfaßt, in die Tiefe hinabgezogen, ertränkt und verſchlungen, das auf dem Uferrande unvorſichtig ſich nähernde Küchlein, noch ehe die mit geſträubten Federn herbeiſtürzende Alte zur Stelle, mit jähem Sprunge erhaſcht und ebenfalls in der ſichern Tiefe geborgen. Dumeril fand in dem Magen der fünf oder ſechs von ihm unterſuchten Ochſenfröſche Reſte von allerlei Kerbthieren, Schnecken, Ueberbleibſel von Fiſchen, das Geripp einer Sirene und Vogelknochen; Harlan erzählte ihm, daß er einen in dem Augenblicke erlegte, als er eine gefangene Schlange verzehren wollte, und die Bauern ſchwören darauf, daß er unter dem jungen Waſſergeflügel ärger hauſe als der Mink und ſeine Verwandten. Solche Gefräßigkeit wird ihm oft genug zum Verderben: er ſchnappt nach der betrüglich geköderten Angel mit gleicher Gier wie nach dem Küchlein und wird leicht zur Beute des Gegners, welchen er bis dahin ſchädigte und dem er nunmehr zu einem willkommenen, weil überaus ſchmackhaftem Gerichte dienen muß. Und nicht blos der Angel bedient man ſich, um ihn zu fangen, ſondern auch der Netze und Fallen, ja ſelbſt des Schrotgewehres; denn der oft mehr als ein halbes Pfund wiegende Froſch iſt 25*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/415>, abgerufen am 21.12.2024.