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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Froschlurche. Glattfrösche. Wasserfrösche.
Schon in Südeuropa erscheint er weit früher und verschwindet später; in Nordafrika hält er da, wo
die Gewässer nicht austrocknen, gar keinen Winterschlaf mehr, sondern treibt es jahraus, jahrein so
ziemlich in derselben Weise, nur mit dem Unterschiede, daß er während der Paarungszeit fleißiger
musizirt als sonst.

Der Teichfrosch ist ein wohlbegabtes Geschöpf, dessen Bewegungen von Kraft und Gewandtheit
zeugen, dessen Betragen ein gewisses Maß von Verstand kundgibt. Wie die meisten Verwandten
bewegt er sich auf dem Lande nur springend, ist aber im Stande, sehr weite Sätze auszuführen und
sie mit überraschender Gewandtheit zu regeln. Jm Wasser schwimmt er mit alleiniger Thätigkeit
seiner Ruderfüße schnell dahin, namentlich, wenn er sich in einiger Tiefe bewegt; denn auf der
Oberfläche selbst rudert er nur gemächlich weiter. Aber er ist auch fähig, durch kräftigen Ruderstoß
sich aus dem Wasser heraus in eine ziemliche Höhe emporzuschleudern, sei es, um ein vorüber-
summendes Kerbthier zu erbeuten, sei es, um eine höher gelegene Ruhestätte zu gewinnen. Seine
Sinne stehen auf der höchsten Stufe der Ausbildung, welche von Mitgliedern unserer Klasse über-
haupt erreicht werden kann. Das Gesicht umfaßt, wie schon das wohlgebildete und schöne Auge
vermuthen läßt, einen ziemlichen Umkreis und nimmt in der Nähe auch kleine Gegenstände sicher
wahr; daß Gehör bekundet sich so klar bei den abendlichen Konzerten, daß man über seine Feinheit
nicht im Zweifel bleiben kann; der Geruch ist gewiß nicht verkümmert, und nur über Gefühl und
Geschmack können unsere Ansichten verschieden sein, weil sich hierüber schwer entscheiden läßt. Von
seinem Verstande überzeugt man sich bald, wenn man ihn längere Zeit beobachtet. Auch er richtet
sein Betragen nach den Umständen ein. Da wo ihn Niemand stört, wird er zuletzt so zudringlich,
daß er einen sich nahenden Menschen bis auf Fußweite an sich herankommen läßt, bevor er mit
gewaltigem Satze die Flucht ergreift; da wo er verfolgt wird hingegen, entflieht er schon von Weitem,
und selbst wenn er mitten auf einem kleineren Gewässer liegt, taucht er unter, wenn der ihm wohl-
bekannte Feind am Ufer sich zeigt. Aeltere Frösche sind immer vorsichtiger als jüngere, werden
auch, wie erfahrene Sängethiere und Vögel, zu Warnern für die jüngeren, welche wenigstens so klug
sind, einzusehen, daß es für sie das Beste ist, es den Weisen ihres Geschlechtes nachzuthun. Auch
vor Thieren, welche ihnen gefährlich werden können, nehmen sie sich wohl in Acht. An Teichen,
welche der Storch regelmäßig heimsucht, flüchten sie sich bei Ankunft des Vogels ebenso eilig wie
beim Erscheinen eines Menschen. Jhre Beute erwerben sie sich gar nicht selten mit einer gewissen
List: sie lauern wie ein Raubthier auf dieselbe, schwimmen sacht unter dem Wasser heran und fahren
plötzlich zu, wissen sich auch recht wohl zu helfen, wenn es ihnen schwer wird, ein von ihnen
gefangenes Thier zu bewältigen. So beobachteten Naumann und Gräfe, daß ein recht großer
Teichfrosch, welcher ein kleines Thaufröschchen verschlingen wollte, wirkliche Ueberlegung bewies. Er
hatte seinen kleinen Verwandten rücklings erfaßt, und das Sträuben desselben war so bedeutend, daß
aus dem halboffenen Rachen des Räubers trotz alles Würgens immer der Kopf der Beute hervor-
schaute. Unser Teichfrosch sann auf Rath und fand auch solchen, indem er einige kräftige Sätze
gerade gegen einen Baum ausführte, das Opfer an denselben stoßend, betäubend und gleichzeitig in
den Schlund hinabschiebend. Jn der Gefangenschaft lernt der Teichfrosch bald seinen Wärter kennen
und wie der Laubfrosch den Mehlwurmtopf würdigen, bekundet auch nach und nach eine gewisse
Anhänglichkeit an den Gebieter, nimmt diesem vorgehaltene Nahrung weg, läßt sich sogar ergreifen
und auf der Hand umhertragen, ohne zu fliehen, kurz, tritt wirklich in ein gewisses Freundschafts-
verhältniß mit ihm.

Jm Verhältniß zu seiner Größe darf unser Frosch ein tüchtiges Raubthier genannt werden. Er
genießt nur selbsterworbene Beute und blos lebende Thiere; was sich vor ihm nicht bewegt, reizt ihn
nicht zum Sprunge. Von seinem Ruhesitze aus achtet er auf Alles, was um ihn her vorgeht, als ob
er auf der Lauer liege, springt, wenn sich ihm eine Beute naht, auf dieselbe los, schlägt die Zunge
vor, falls sie klein, oder packt sie mit beiden Kiefern, falls sie größer, und schluckt sie hinab. Für
gewöhnlich bilden Kerbthiere, Spinnen und Schnecken seine Hauptnahrung, und gerade deshalb macht

Die Froſchlurche. Glattfröſche. Waſſerfröſche.
Schon in Südeuropa erſcheint er weit früher und verſchwindet ſpäter; in Nordafrika hält er da, wo
die Gewäſſer nicht austrocknen, gar keinen Winterſchlaf mehr, ſondern treibt es jahraus, jahrein ſo
ziemlich in derſelben Weiſe, nur mit dem Unterſchiede, daß er während der Paarungszeit fleißiger
muſizirt als ſonſt.

Der Teichfroſch iſt ein wohlbegabtes Geſchöpf, deſſen Bewegungen von Kraft und Gewandtheit
zeugen, deſſen Betragen ein gewiſſes Maß von Verſtand kundgibt. Wie die meiſten Verwandten
bewegt er ſich auf dem Lande nur ſpringend, iſt aber im Stande, ſehr weite Sätze auszuführen und
ſie mit überraſchender Gewandtheit zu regeln. Jm Waſſer ſchwimmt er mit alleiniger Thätigkeit
ſeiner Ruderfüße ſchnell dahin, namentlich, wenn er ſich in einiger Tiefe bewegt; denn auf der
Oberfläche ſelbſt rudert er nur gemächlich weiter. Aber er iſt auch fähig, durch kräftigen Ruderſtoß
ſich aus dem Waſſer heraus in eine ziemliche Höhe emporzuſchleudern, ſei es, um ein vorüber-
ſummendes Kerbthier zu erbeuten, ſei es, um eine höher gelegene Ruheſtätte zu gewinnen. Seine
Sinne ſtehen auf der höchſten Stufe der Ausbildung, welche von Mitgliedern unſerer Klaſſe über-
haupt erreicht werden kann. Das Geſicht umfaßt, wie ſchon das wohlgebildete und ſchöne Auge
vermuthen läßt, einen ziemlichen Umkreis und nimmt in der Nähe auch kleine Gegenſtände ſicher
wahr; daß Gehör bekundet ſich ſo klar bei den abendlichen Konzerten, daß man über ſeine Feinheit
nicht im Zweifel bleiben kann; der Geruch iſt gewiß nicht verkümmert, und nur über Gefühl und
Geſchmack können unſere Anſichten verſchieden ſein, weil ſich hierüber ſchwer entſcheiden läßt. Von
ſeinem Verſtande überzeugt man ſich bald, wenn man ihn längere Zeit beobachtet. Auch er richtet
ſein Betragen nach den Umſtänden ein. Da wo ihn Niemand ſtört, wird er zuletzt ſo zudringlich,
daß er einen ſich nahenden Menſchen bis auf Fußweite an ſich herankommen läßt, bevor er mit
gewaltigem Satze die Flucht ergreift; da wo er verfolgt wird hingegen, entflieht er ſchon von Weitem,
und ſelbſt wenn er mitten auf einem kleineren Gewäſſer liegt, taucht er unter, wenn der ihm wohl-
bekannte Feind am Ufer ſich zeigt. Aeltere Fröſche ſind immer vorſichtiger als jüngere, werden
auch, wie erfahrene Sängethiere und Vögel, zu Warnern für die jüngeren, welche wenigſtens ſo klug
ſind, einzuſehen, daß es für ſie das Beſte iſt, es den Weiſen ihres Geſchlechtes nachzuthun. Auch
vor Thieren, welche ihnen gefährlich werden können, nehmen ſie ſich wohl in Acht. An Teichen,
welche der Storch regelmäßig heimſucht, flüchten ſie ſich bei Ankunft des Vogels ebenſo eilig wie
beim Erſcheinen eines Menſchen. Jhre Beute erwerben ſie ſich gar nicht ſelten mit einer gewiſſen
Liſt: ſie lauern wie ein Raubthier auf dieſelbe, ſchwimmen ſacht unter dem Waſſer heran und fahren
plötzlich zu, wiſſen ſich auch recht wohl zu helfen, wenn es ihnen ſchwer wird, ein von ihnen
gefangenes Thier zu bewältigen. So beobachteten Naumann und Gräfe, daß ein recht großer
Teichfroſch, welcher ein kleines Thaufröſchchen verſchlingen wollte, wirkliche Ueberlegung bewies. Er
hatte ſeinen kleinen Verwandten rücklings erfaßt, und das Sträuben deſſelben war ſo bedeutend, daß
aus dem halboffenen Rachen des Räubers trotz alles Würgens immer der Kopf der Beute hervor-
ſchaute. Unſer Teichfroſch ſann auf Rath und fand auch ſolchen, indem er einige kräftige Sätze
gerade gegen einen Baum ausführte, das Opfer an denſelben ſtoßend, betäubend und gleichzeitig in
den Schlund hinabſchiebend. Jn der Gefangenſchaft lernt der Teichfroſch bald ſeinen Wärter kennen
und wie der Laubfroſch den Mehlwurmtopf würdigen, bekundet auch nach und nach eine gewiſſe
Anhänglichkeit an den Gebieter, nimmt dieſem vorgehaltene Nahrung weg, läßt ſich ſogar ergreifen
und auf der Hand umhertragen, ohne zu fliehen, kurz, tritt wirklich in ein gewiſſes Freundſchafts-
verhältniß mit ihm.

Jm Verhältniß zu ſeiner Größe darf unſer Froſch ein tüchtiges Raubthier genannt werden. Er
genießt nur ſelbſterworbene Beute und blos lebende Thiere; was ſich vor ihm nicht bewegt, reizt ihn
nicht zum Sprunge. Von ſeinem Ruheſitze aus achtet er auf Alles, was um ihn her vorgeht, als ob
er auf der Lauer liege, ſpringt, wenn ſich ihm eine Beute naht, auf dieſelbe los, ſchlägt die Zunge
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gewöhnlich bilden Kerbthiere, Spinnen und Schnecken ſeine Hauptnahrung, und gerade deshalb macht

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[382/0408] Die Froſchlurche. Glattfröſche. Waſſerfröſche. Schon in Südeuropa erſcheint er weit früher und verſchwindet ſpäter; in Nordafrika hält er da, wo die Gewäſſer nicht austrocknen, gar keinen Winterſchlaf mehr, ſondern treibt es jahraus, jahrein ſo ziemlich in derſelben Weiſe, nur mit dem Unterſchiede, daß er während der Paarungszeit fleißiger muſizirt als ſonſt. Der Teichfroſch iſt ein wohlbegabtes Geſchöpf, deſſen Bewegungen von Kraft und Gewandtheit zeugen, deſſen Betragen ein gewiſſes Maß von Verſtand kundgibt. Wie die meiſten Verwandten bewegt er ſich auf dem Lande nur ſpringend, iſt aber im Stande, ſehr weite Sätze auszuführen und ſie mit überraſchender Gewandtheit zu regeln. Jm Waſſer ſchwimmt er mit alleiniger Thätigkeit ſeiner Ruderfüße ſchnell dahin, namentlich, wenn er ſich in einiger Tiefe bewegt; denn auf der Oberfläche ſelbſt rudert er nur gemächlich weiter. Aber er iſt auch fähig, durch kräftigen Ruderſtoß ſich aus dem Waſſer heraus in eine ziemliche Höhe emporzuſchleudern, ſei es, um ein vorüber- ſummendes Kerbthier zu erbeuten, ſei es, um eine höher gelegene Ruheſtätte zu gewinnen. Seine Sinne ſtehen auf der höchſten Stufe der Ausbildung, welche von Mitgliedern unſerer Klaſſe über- haupt erreicht werden kann. Das Geſicht umfaßt, wie ſchon das wohlgebildete und ſchöne Auge vermuthen läßt, einen ziemlichen Umkreis und nimmt in der Nähe auch kleine Gegenſtände ſicher wahr; daß Gehör bekundet ſich ſo klar bei den abendlichen Konzerten, daß man über ſeine Feinheit nicht im Zweifel bleiben kann; der Geruch iſt gewiß nicht verkümmert, und nur über Gefühl und Geſchmack können unſere Anſichten verſchieden ſein, weil ſich hierüber ſchwer entſcheiden läßt. Von ſeinem Verſtande überzeugt man ſich bald, wenn man ihn längere Zeit beobachtet. Auch er richtet ſein Betragen nach den Umſtänden ein. Da wo ihn Niemand ſtört, wird er zuletzt ſo zudringlich, daß er einen ſich nahenden Menſchen bis auf Fußweite an ſich herankommen läßt, bevor er mit gewaltigem Satze die Flucht ergreift; da wo er verfolgt wird hingegen, entflieht er ſchon von Weitem, und ſelbſt wenn er mitten auf einem kleineren Gewäſſer liegt, taucht er unter, wenn der ihm wohl- bekannte Feind am Ufer ſich zeigt. Aeltere Fröſche ſind immer vorſichtiger als jüngere, werden auch, wie erfahrene Sängethiere und Vögel, zu Warnern für die jüngeren, welche wenigſtens ſo klug ſind, einzuſehen, daß es für ſie das Beſte iſt, es den Weiſen ihres Geſchlechtes nachzuthun. Auch vor Thieren, welche ihnen gefährlich werden können, nehmen ſie ſich wohl in Acht. An Teichen, welche der Storch regelmäßig heimſucht, flüchten ſie ſich bei Ankunft des Vogels ebenſo eilig wie beim Erſcheinen eines Menſchen. Jhre Beute erwerben ſie ſich gar nicht ſelten mit einer gewiſſen Liſt: ſie lauern wie ein Raubthier auf dieſelbe, ſchwimmen ſacht unter dem Waſſer heran und fahren plötzlich zu, wiſſen ſich auch recht wohl zu helfen, wenn es ihnen ſchwer wird, ein von ihnen gefangenes Thier zu bewältigen. So beobachteten Naumann und Gräfe, daß ein recht großer Teichfroſch, welcher ein kleines Thaufröſchchen verſchlingen wollte, wirkliche Ueberlegung bewies. Er hatte ſeinen kleinen Verwandten rücklings erfaßt, und das Sträuben deſſelben war ſo bedeutend, daß aus dem halboffenen Rachen des Räubers trotz alles Würgens immer der Kopf der Beute hervor- ſchaute. Unſer Teichfroſch ſann auf Rath und fand auch ſolchen, indem er einige kräftige Sätze gerade gegen einen Baum ausführte, das Opfer an denſelben ſtoßend, betäubend und gleichzeitig in den Schlund hinabſchiebend. Jn der Gefangenſchaft lernt der Teichfroſch bald ſeinen Wärter kennen und wie der Laubfroſch den Mehlwurmtopf würdigen, bekundet auch nach und nach eine gewiſſe Anhänglichkeit an den Gebieter, nimmt dieſem vorgehaltene Nahrung weg, läßt ſich ſogar ergreifen und auf der Hand umhertragen, ohne zu fliehen, kurz, tritt wirklich in ein gewiſſes Freundſchafts- verhältniß mit ihm. Jm Verhältniß zu ſeiner Größe darf unſer Froſch ein tüchtiges Raubthier genannt werden. Er genießt nur ſelbſterworbene Beute und blos lebende Thiere; was ſich vor ihm nicht bewegt, reizt ihn nicht zum Sprunge. Von ſeinem Ruheſitze aus achtet er auf Alles, was um ihn her vorgeht, als ob er auf der Lauer liege, ſpringt, wenn ſich ihm eine Beute naht, auf dieſelbe los, ſchlägt die Zunge vor, falls ſie klein, oder packt ſie mit beiden Kiefern, falls ſie größer, und ſchluckt ſie hinab. Für gewöhnlich bilden Kerbthiere, Spinnen und Schnecken ſeine Hauptnahrung, und gerade deshalb macht

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/408>, abgerufen am 21.12.2024.