Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.Froschlurche. Baumfrösche. Laubfrösche. Verwandten, gehen oder humpeln besser als diese, springen mit verhältnißmäßig gewaltigen Sätzenund außerordentlichem Geschick, schwimmen und tauchen vorzüglich, sehen, hören, riechen scharf, lassen trotz ihrer scheinbaren Gefühllosigkeit Empfindungsvermögen und ebenso Tastfähigkeit nicht verkennen und besitzen auch wahrscheinlich, obschon in geringem Grade, die Fähigkeit zu schmecken. Während es bei anderen Klassenverwandten schwer hält, eine Spur höherer Geistesthätigkeit zu erkennen, bekunden sie Ortssinn und Unterscheidungsvermögen, Gedächtniß und Gewitztheit in Folge gemachter Erfahrungen, Vorsicht und Scheu anderen Geschöpfen gegenüber, ja, sogar ein wenig List, wenn es sich darum handelt, einer Gefahr zu entrinnen oder eine Beute zu machen, Wohlgefallen an lauten Tönen, wie aus ihren abendlichen Musikaufführungen in unverkennbarer Weise hervorgeht, und sprechen uns wegen aller dieser Eigenschaften in ungleich höherem Grade an als alle übrigen Ver- wandten. Unwillkürlich drängt sich uns die Meinung auf, daß sie heitere, lebenslustige Thiere sind, welche sich mit Behagen den ihnen wohlthuenden Empfindungen hingeben und dieses Behagen durch lautes Geschrei, von ihrem Standpunkte aus zu reden, durch Gesang, der ganzen Welt kund zu thun sich bestreben. Neben dieser unschuldigen Fröhlichkeit, welche allen Gliedern der Ordnung, auch den verdächtigen Kröten und verschrienen Unken eigen, befestigen sie sich in unserem Wohlwollen durch ihre Unschädlichkeit, ja nutzenbringende Thätigkeit, deren Bedeutung wir sicherlich noch sehr unterschätzen. Unter sämmtlichen Lurchen stellt man mit Recht die Baumfrösche obenan. Sie sind, wenn Sofort nach der Paarung verlassen sie das Wasser, in welchem sie ihren Laich abgesetzt haben, und Froſchlurche. Baumfröſche. Laubfröſche. Verwandten, gehen oder humpeln beſſer als dieſe, ſpringen mit verhältnißmäßig gewaltigen Sätzenund außerordentlichem Geſchick, ſchwimmen und tauchen vorzüglich, ſehen, hören, riechen ſcharf, laſſen trotz ihrer ſcheinbaren Gefühlloſigkeit Empfindungsvermögen und ebenſo Taſtfähigkeit nicht verkennen und beſitzen auch wahrſcheinlich, obſchon in geringem Grade, die Fähigkeit zu ſchmecken. Während es bei anderen Klaſſenverwandten ſchwer hält, eine Spur höherer Geiſtesthätigkeit zu erkennen, bekunden ſie Ortsſinn und Unterſcheidungsvermögen, Gedächtniß und Gewitztheit in Folge gemachter Erfahrungen, Vorſicht und Scheu anderen Geſchöpfen gegenüber, ja, ſogar ein wenig Liſt, wenn es ſich darum handelt, einer Gefahr zu entrinnen oder eine Beute zu machen, Wohlgefallen an lauten Tönen, wie aus ihren abendlichen Muſikaufführungen in unverkennbarer Weiſe hervorgeht, und ſprechen uns wegen aller dieſer Eigenſchaften in ungleich höherem Grade an als alle übrigen Ver- wandten. Unwillkürlich drängt ſich uns die Meinung auf, daß ſie heitere, lebensluſtige Thiere ſind, welche ſich mit Behagen den ihnen wohlthuenden Empfindungen hingeben und dieſes Behagen durch lautes Geſchrei, von ihrem Standpunkte aus zu reden, durch Geſang, der ganzen Welt kund zu thun ſich beſtreben. Neben dieſer unſchuldigen Fröhlichkeit, welche allen Gliedern der Ordnung, auch den verdächtigen Kröten und verſchrienen Unken eigen, befeſtigen ſie ſich in unſerem Wohlwollen durch ihre Unſchädlichkeit, ja nutzenbringende Thätigkeit, deren Bedeutung wir ſicherlich noch ſehr unterſchätzen. Unter ſämmtlichen Lurchen ſtellt man mit Recht die Baumfröſche obenan. Sie ſind, wenn Sofort nach der Paarung verlaſſen ſie das Waſſer, in welchem ſie ihren Laich abgeſetzt haben, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0392" n="366"/><fw place="top" type="header">Froſchlurche. Baumfröſche. 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Jn Europa wird die ſehr artenreiche Familie<lb/> nur durch den allbekannten Laubfroſch vertreten; in ſüdlichen Ländern zeigt ſie ſich in einer erſtaun-<lb/> lichen Manchfaltigkeit; insbeſondere erzeugt Amerika eine außerordentliche Menge von Baumfröſchen,<lb/> der Artenzahl nach mehr als die Hälfte von allen überhaupt bekannten. „Jn Braſilien“, ſagt der<lb/><hi rendition="#g">Prinz von Wied,</hi> „bewohnen ſie in ſehr anſehnlicher Menge die Gebüſche in der Nähe der<lb/> Wohnungen, der Flußufer und Seeküſte, in weit bedeutenderer aber die Urwälder. Hier leben ſolche<lb/> Thiere von mancherlei Größe, Bildung, Färbung und Stimme, deren unendlich manchfache Töne in<lb/> der feuchtwarmen Dunkelheit der Nächte, beſonders in der Regenzeit einen merkwürdigen, höchſt<lb/> ſonderbaren Chorgeſang bilden. Die meiſten von ihnen wohnen oben in den Kronen der hohen Wald-<lb/> bäume, wo ſie beſonders zwiſchen den ſteifen Blättern der dort oben wachſenden Bromelien ihren<lb/> Stand nehmen. Viele der kleineren Arten bringen ſelbſt in dem ſchwarzen, ſtehenden Waſſer,<lb/> welches ſich in dem Winkel zwiſchen den ſteilen Blättern letztgenannter Pflanzen anſammelt, ihre<lb/> Brut aus; andere ſteigen in der Zeit der Paarung von ihren luſtigen Wohnungen herab und begeben<lb/> ſich in die Sümpfe, Teiche und Pfützen, namentlich in die Brüche, welche in der dichten Verflechtung<lb/> der Urwälder verborgen liegen. Hier erſchallt dann ihr vereinigter Chor, und hier iſt die günſtigſte<lb/> Gelegenheit, ſich die verſchiedenen Arten, welche man ſonſt ſchwer oder nicht erhält, zu verſchaffen,<lb/> da man dieſelben an ihrer Stimme erkennen kann.“ Wahrſcheinlich beherbergen die feuchten<lb/> Waldungen Südaſiens und Afrikas ebenfalls viele Arten dieſer Familie; hierüber aber vermögen<lb/> wir bis jetzt noch kein Urtheil zu fällen.</p><lb/> <p>Sofort nach der Paarung verlaſſen ſie das Waſſer, in welchem ſie ihren Laich abgeſetzt haben, und<lb/> begeben ſich in die luftige Höhe der Bäume, hier die geeigneten Blätter ſich zum Standorte erwählend,<lb/> und von dieſem aus ihre Jagd betreibend. 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Froſchlurche. Baumfröſche. Laubfröſche.
Verwandten, gehen oder humpeln beſſer als dieſe, ſpringen mit verhältnißmäßig gewaltigen Sätzen
und außerordentlichem Geſchick, ſchwimmen und tauchen vorzüglich, ſehen, hören, riechen ſcharf, laſſen
trotz ihrer ſcheinbaren Gefühlloſigkeit Empfindungsvermögen und ebenſo Taſtfähigkeit nicht verkennen
und beſitzen auch wahrſcheinlich, obſchon in geringem Grade, die Fähigkeit zu ſchmecken. Während es
bei anderen Klaſſenverwandten ſchwer hält, eine Spur höherer Geiſtesthätigkeit zu erkennen,
bekunden ſie Ortsſinn und Unterſcheidungsvermögen, Gedächtniß und Gewitztheit in Folge gemachter
Erfahrungen, Vorſicht und Scheu anderen Geſchöpfen gegenüber, ja, ſogar ein wenig Liſt, wenn es
ſich darum handelt, einer Gefahr zu entrinnen oder eine Beute zu machen, Wohlgefallen an lauten
Tönen, wie aus ihren abendlichen Muſikaufführungen in unverkennbarer Weiſe hervorgeht, und
ſprechen uns wegen aller dieſer Eigenſchaften in ungleich höherem Grade an als alle übrigen Ver-
wandten. Unwillkürlich drängt ſich uns die Meinung auf, daß ſie heitere, lebensluſtige Thiere ſind,
welche ſich mit Behagen den ihnen wohlthuenden Empfindungen hingeben und dieſes Behagen durch
lautes Geſchrei, von ihrem Standpunkte aus zu reden, durch Geſang, der ganzen Welt kund zu thun
ſich beſtreben. Neben dieſer unſchuldigen Fröhlichkeit, welche allen Gliedern der Ordnung, auch den
verdächtigen Kröten und verſchrienen Unken eigen, befeſtigen ſie ſich in unſerem Wohlwollen durch ihre
Unſchädlichkeit, ja nutzenbringende Thätigkeit, deren Bedeutung wir ſicherlich noch ſehr unterſchätzen.
Unter ſämmtlichen Lurchen ſtellt man mit Recht die Baumfröſche obenan. Sie ſind, wenn
auch nicht die farbenſchönſten, ſodoch die beweglichſten und anmuthigſten Mitglieder der Klaſſe und
haben ſich wegen dieſer Eigenſchaften die Liebe der Menſchen in ſo hohem Grade erworben, daß man
einzelne von ihnen als Hausthiere im Zimmer hält. Jn Europa wird die ſehr artenreiche Familie
nur durch den allbekannten Laubfroſch vertreten; in ſüdlichen Ländern zeigt ſie ſich in einer erſtaun-
lichen Manchfaltigkeit; insbeſondere erzeugt Amerika eine außerordentliche Menge von Baumfröſchen,
der Artenzahl nach mehr als die Hälfte von allen überhaupt bekannten. „Jn Braſilien“, ſagt der
Prinz von Wied, „bewohnen ſie in ſehr anſehnlicher Menge die Gebüſche in der Nähe der
Wohnungen, der Flußufer und Seeküſte, in weit bedeutenderer aber die Urwälder. Hier leben ſolche
Thiere von mancherlei Größe, Bildung, Färbung und Stimme, deren unendlich manchfache Töne in
der feuchtwarmen Dunkelheit der Nächte, beſonders in der Regenzeit einen merkwürdigen, höchſt
ſonderbaren Chorgeſang bilden. Die meiſten von ihnen wohnen oben in den Kronen der hohen Wald-
bäume, wo ſie beſonders zwiſchen den ſteifen Blättern der dort oben wachſenden Bromelien ihren
Stand nehmen. Viele der kleineren Arten bringen ſelbſt in dem ſchwarzen, ſtehenden Waſſer,
welches ſich in dem Winkel zwiſchen den ſteilen Blättern letztgenannter Pflanzen anſammelt, ihre
Brut aus; andere ſteigen in der Zeit der Paarung von ihren luſtigen Wohnungen herab und begeben
ſich in die Sümpfe, Teiche und Pfützen, namentlich in die Brüche, welche in der dichten Verflechtung
der Urwälder verborgen liegen. Hier erſchallt dann ihr vereinigter Chor, und hier iſt die günſtigſte
Gelegenheit, ſich die verſchiedenen Arten, welche man ſonſt ſchwer oder nicht erhält, zu verſchaffen,
da man dieſelben an ihrer Stimme erkennen kann.“ Wahrſcheinlich beherbergen die feuchten
Waldungen Südaſiens und Afrikas ebenfalls viele Arten dieſer Familie; hierüber aber vermögen
wir bis jetzt noch kein Urtheil zu fällen.
Sofort nach der Paarung verlaſſen ſie das Waſſer, in welchem ſie ihren Laich abgeſetzt haben, und
begeben ſich in die luftige Höhe der Bäume, hier die geeigneten Blätter ſich zum Standorte erwählend,
und von dieſem aus ihre Jagd betreibend. Jhre Färbung ähnelt, ſo verſchiedenartig ſie auch iſt, der
des Laubes, auf welchem ſie wohnen; ja, ſie ſchmiegt ſich derſelben nach Zeit und Umſtänden auf das
Genaueſte an, da die meiſten Arten die Fähigkeit beſitzen, dieſe Färbung in überraſchender Weiſe zu
verändern: weit mehr und viel ſchneller als das berühmte Chamäleon. Ein Baumfroſch, welcher
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