Die Lurche. Ein Blick auf das Leben der Gesammtheit.
"Die Hautbedeckung der Lurche erscheint in sehr verschiedener Weise ausgebildet. Bei den Fröschen und Molchen ist die Haut schlüpfrig, weich, meist sackartig weit, aus elastischen Sehnenfasern gewebt und ziemlich dünn, sodaß bei denen, bei welchen sie fest an dem Körper liegt, die Muskeln durchschimmern. Eine farblose, aus Pflasterzellen gebildete Oberhaut deckt diese Lederhaut, in welcher oft verschiedene Farbstosse von grüner, blauer, gelber oder brauner Farbe abgelagert sind. Bei vielen der nackten, froschartigen Thiere finden sich besondere Drüsenbälge in der Haut, welche einen scharfen, mehr oder minder nach Knoblauch riechenden Milchsaft absondern. Gewöhnlich sind diese Drüsen, wie z. B. bei den Kröten und Salamandern über den ganzen Körper zerstrent, oft aber noch besonders dicke Anhäufungen zu beiden Seiten des Halses angebracht, welche man Ohrdrüsen genannt hat."
Die nackte Haut und ihre Drüsen sind von außerordentlicher Bedeutung für das Leben der Lurche. Sie gehen zu Grunde, wenn jener Thätigkeit gestört wird. Durch die Haut sindet sowohl eine Ausdünstung als eine Einsaugung statt. Townson bewies zuerst durch seine Versuche, daß die Frösche nicht allein durch den Mund, sondern auch durch die Haut Wasser einnehmen. Ein Frosch, welchen man im trockenen Raume hält, wird magerer und schwächer, und seine Kraft und Munterkeit stellt sich erst wieder her, wenn man ihm gestattet, ein Bad zu nehmen. Bei warmem Sonnenscheine sieht man die Frösche allerdings auch, und mit demselben Behagen wie die Kriechthiere, am Ufer sitzen, jedoch nur in unmittelbarer Nähe des Wassers, in welches sie zurückkehren, sobald Das ihnen nöthig erscheint. Alle Lurche, welche den größeren Theil ihres Lebens auf trocknem Lande verbringen, wagen sich aus dem gegen die Sonnenstrahlen geschützten Schlupfwinkel erst dann hervor, wenn die Nacht Feuchtigkeit bringt, oder sie doch wenigstens vor der austrocknenden Wärme bewahrt. Townson beobachtete, daß Frösche, denen man das Wasser entzog, binnen wenigen Tagen zu Grunde gingen, dagegen länger am Leben blieben, wenn sie sich in Sägespähne verkriechen konnten und sich wohl befanden, wenn man gedachte Sägespähne mit Wasser besprengte. Legte man einen nassen Lumpen neben sie, so brachten sie ihren Körper soviel sie nur konnten damit in Berührung. Wie bedeutend die Wassermenge ist, welche sie durch die Haut in sich aufnehmen, kann man durch leicht anzustellende Versuche ohne Schwierigkeit erfahren. Wiegt man einen, ich will sagen aus- gedorrten Frosch, und umwickelt man ihn dann mit einem nassen Tuche derartig, daß der Mund frei bleibt, so bemerkt man sehr bald eine Zunahme des Gewichtes. Ein ausgedorrter Laubfrosch, welchen Townson untersuchte, wog fünfundneunzig Gran, nachdem er aber mit Wasser in Berührung gebracht wurde, schon eine Stunde später siebenundsechzig Gran mehr. Jn einer ver- schlossenen Schachtel können Frösche bei feuchter, nicht über zehn bis zwölf Grad warmer Luft einzig und allein durch die Thätigkeit ihrer Haut zwanzig bis vierzig Tage leben, auch wenn man alle Ver- bindung zwischen der Luft und den Lungen aufhebt. Läßt man ihnen hingegen nur durch die Lungen Feuchtigkeit zukommen, so sterben sie bei trockener Witterung nach wenigen Tagen, beraubt man sie ihrer Haut, schon nach wenigen Stunden. Fast ebenso groß als die Einsaugungsfähigkeit der Haut ist deren Ausdünstung. Das Gewicht eines Lurches, welchen man trockner Wärme aussetzt, nimmt außerordentlich schnell ab und zwar in einem gleichmäßigen Verhältniß mit der Wärme selbst. Jn luftleerem Raume ist die Ausdünstung beträchtlich, und die Lurche sterben hier deshalb schneller als im luftleeren Wasser; wird jedoch die Hautausdünstung gehemmt, beispielsweise, daß man den Leib mit einem dichten Firniß überzieht, so können sie auch länger am Leben bleiben. Ein eigenthümliches Organ, welches man fälschlich Urinblase nennt, scheint geradezu als Wasserspeicher zu dienen.
Neben dem reinen Wasser schwitzt die Haut auch einen unter derselben erzeugten Schleim in größerer oder geringerer Menge aus. Bei Kröten und Salamandern ist diese Absonderung, den zahlreichen Drüsen entsprechend, bedeutender als bei allen übrigen Lurchen, kann auch durch Haut- reize noch besonders vermehrt werden. Setzt man z. B. einen Salamander oder eine Kröte auf glühende Kohlen, so sondert sich dieser Schleim in solcher Menge ab, daß ein geringes Feuer erlöschen kann: daher die uralte, grundlose Sage, daß der Salamander im Feuer aushalten könne. Wie es
Die Lurche. Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
„Die Hautbedeckung der Lurche erſcheint in ſehr verſchiedener Weiſe ausgebildet. Bei den Fröſchen und Molchen iſt die Haut ſchlüpfrig, weich, meiſt ſackartig weit, aus elaſtiſchen Sehnenfaſern gewebt und ziemlich dünn, ſodaß bei denen, bei welchen ſie feſt an dem Körper liegt, die Muskeln durchſchimmern. Eine farbloſe, aus Pflaſterzellen gebildete Oberhaut deckt dieſe Lederhaut, in welcher oft verſchiedene Farbſtoſſe von grüner, blauer, gelber oder brauner Farbe abgelagert ſind. Bei vielen der nackten, froſchartigen Thiere finden ſich beſondere Drüſenbälge in der Haut, welche einen ſcharfen, mehr oder minder nach Knoblauch riechenden Milchſaft abſondern. Gewöhnlich ſind dieſe Drüſen, wie z. B. bei den Kröten und Salamandern über den ganzen Körper zerſtrent, oft aber noch beſonders dicke Anhäufungen zu beiden Seiten des Halſes angebracht, welche man Ohrdrüſen genannt hat.“
Die nackte Haut und ihre Drüſen ſind von außerordentlicher Bedeutung für das Leben der Lurche. Sie gehen zu Grunde, wenn jener Thätigkeit geſtört wird. Durch die Haut ſindet ſowohl eine Ausdünſtung als eine Einſaugung ſtatt. Townſon bewies zuerſt durch ſeine Verſuche, daß die Fröſche nicht allein durch den Mund, ſondern auch durch die Haut Waſſer einnehmen. Ein Froſch, welchen man im trockenen Raume hält, wird magerer und ſchwächer, und ſeine Kraft und Munterkeit ſtellt ſich erſt wieder her, wenn man ihm geſtattet, ein Bad zu nehmen. Bei warmem Sonnenſcheine ſieht man die Fröſche allerdings auch, und mit demſelben Behagen wie die Kriechthiere, am Ufer ſitzen, jedoch nur in unmittelbarer Nähe des Waſſers, in welches ſie zurückkehren, ſobald Das ihnen nöthig erſcheint. Alle Lurche, welche den größeren Theil ihres Lebens auf trocknem Lande verbringen, wagen ſich aus dem gegen die Sonnenſtrahlen geſchützten Schlupfwinkel erſt dann hervor, wenn die Nacht Feuchtigkeit bringt, oder ſie doch wenigſtens vor der austrocknenden Wärme bewahrt. Townſon beobachtete, daß Fröſche, denen man das Waſſer entzog, binnen wenigen Tagen zu Grunde gingen, dagegen länger am Leben blieben, wenn ſie ſich in Sägeſpähne verkriechen konnten und ſich wohl befanden, wenn man gedachte Sägeſpähne mit Waſſer beſprengte. Legte man einen naſſen Lumpen neben ſie, ſo brachten ſie ihren Körper ſoviel ſie nur konnten damit in Berührung. Wie bedeutend die Waſſermenge iſt, welche ſie durch die Haut in ſich aufnehmen, kann man durch leicht anzuſtellende Verſuche ohne Schwierigkeit erfahren. Wiegt man einen, ich will ſagen aus- gedorrten Froſch, und umwickelt man ihn dann mit einem naſſen Tuche derartig, daß der Mund frei bleibt, ſo bemerkt man ſehr bald eine Zunahme des Gewichtes. Ein ausgedorrter Laubfroſch, welchen Townſon unterſuchte, wog fünfundneunzig Gran, nachdem er aber mit Waſſer in Berührung gebracht wurde, ſchon eine Stunde ſpäter ſiebenundſechzig Gran mehr. Jn einer ver- ſchloſſenen Schachtel können Fröſche bei feuchter, nicht über zehn bis zwölf Grad warmer Luft einzig und allein durch die Thätigkeit ihrer Haut zwanzig bis vierzig Tage leben, auch wenn man alle Ver- bindung zwiſchen der Luft und den Lungen aufhebt. Läßt man ihnen hingegen nur durch die Lungen Feuchtigkeit zukommen, ſo ſterben ſie bei trockener Witterung nach wenigen Tagen, beraubt man ſie ihrer Haut, ſchon nach wenigen Stunden. Faſt ebenſo groß als die Einſaugungsfähigkeit der Haut iſt deren Ausdünſtung. Das Gewicht eines Lurches, welchen man trockner Wärme ausſetzt, nimmt außerordentlich ſchnell ab und zwar in einem gleichmäßigen Verhältniß mit der Wärme ſelbſt. Jn luftleerem Raume iſt die Ausdünſtung beträchtlich, und die Lurche ſterben hier deshalb ſchneller als im luftleeren Waſſer; wird jedoch die Hautausdünſtung gehemmt, beiſpielsweiſe, daß man den Leib mit einem dichten Firniß überzieht, ſo können ſie auch länger am Leben bleiben. Ein eigenthümliches Organ, welches man fälſchlich Urinblaſe nennt, ſcheint geradezu als Waſſerſpeicher zu dienen.
Neben dem reinen Waſſer ſchwitzt die Haut auch einen unter derſelben erzeugten Schleim in größerer oder geringerer Menge aus. Bei Kröten und Salamandern iſt dieſe Abſonderung, den zahlreichen Drüſen entſprechend, bedeutender als bei allen übrigen Lurchen, kann auch durch Haut- reize noch beſonders vermehrt werden. Setzt man z. B. einen Salamander oder eine Kröte auf glühende Kohlen, ſo ſondert ſich dieſer Schleim in ſolcher Menge ab, daß ein geringes Feuer erlöſchen kann: daher die uralte, grundloſe Sage, daß der Salamander im Feuer aushalten könne. Wie es
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„Die Hautbedeckung der Lurche erſcheint in ſehr verſchiedener Weiſe ausgebildet. Bei den
Fröſchen und Molchen iſt die Haut ſchlüpfrig, weich, meiſt ſackartig weit, aus elaſtiſchen Sehnenfaſern
gewebt und ziemlich dünn, ſodaß bei denen, bei welchen ſie feſt an dem Körper liegt, die Muskeln
durchſchimmern. Eine farbloſe, aus Pflaſterzellen gebildete Oberhaut deckt dieſe Lederhaut, in
welcher oft verſchiedene Farbſtoſſe von grüner, blauer, gelber oder brauner Farbe abgelagert ſind.
Bei vielen der nackten, froſchartigen Thiere finden ſich beſondere Drüſenbälge in der Haut, welche einen
ſcharfen, mehr oder minder nach Knoblauch riechenden Milchſaft abſondern. Gewöhnlich ſind dieſe
Drüſen, wie z. B. bei den Kröten und Salamandern über den ganzen Körper zerſtrent, oft aber noch
beſonders dicke Anhäufungen zu beiden Seiten des Halſes angebracht, welche man Ohrdrüſen
genannt hat.“
Die nackte Haut und ihre Drüſen ſind von außerordentlicher Bedeutung für das Leben der
Lurche. Sie gehen zu Grunde, wenn jener Thätigkeit geſtört wird. Durch die Haut ſindet ſowohl
eine Ausdünſtung als eine Einſaugung ſtatt. Townſon bewies zuerſt durch ſeine Verſuche, daß
die Fröſche nicht allein durch den Mund, ſondern auch durch die Haut Waſſer einnehmen. Ein Froſch,
welchen man im trockenen Raume hält, wird magerer und ſchwächer, und ſeine Kraft und Munterkeit
ſtellt ſich erſt wieder her, wenn man ihm geſtattet, ein Bad zu nehmen. Bei warmem Sonnenſcheine
ſieht man die Fröſche allerdings auch, und mit demſelben Behagen wie die Kriechthiere, am Ufer ſitzen,
jedoch nur in unmittelbarer Nähe des Waſſers, in welches ſie zurückkehren, ſobald Das ihnen nöthig
erſcheint. Alle Lurche, welche den größeren Theil ihres Lebens auf trocknem Lande verbringen,
wagen ſich aus dem gegen die Sonnenſtrahlen geſchützten Schlupfwinkel erſt dann hervor, wenn die
Nacht Feuchtigkeit bringt, oder ſie doch wenigſtens vor der austrocknenden Wärme bewahrt.
Townſon beobachtete, daß Fröſche, denen man das Waſſer entzog, binnen wenigen Tagen zu
Grunde gingen, dagegen länger am Leben blieben, wenn ſie ſich in Sägeſpähne verkriechen konnten
und ſich wohl befanden, wenn man gedachte Sägeſpähne mit Waſſer beſprengte. Legte man einen
naſſen Lumpen neben ſie, ſo brachten ſie ihren Körper ſoviel ſie nur konnten damit in Berührung.
Wie bedeutend die Waſſermenge iſt, welche ſie durch die Haut in ſich aufnehmen, kann man durch
leicht anzuſtellende Verſuche ohne Schwierigkeit erfahren. Wiegt man einen, ich will ſagen aus-
gedorrten Froſch, und umwickelt man ihn dann mit einem naſſen Tuche derartig, daß der Mund
frei bleibt, ſo bemerkt man ſehr bald eine Zunahme des Gewichtes. Ein ausgedorrter Laubfroſch,
welchen Townſon unterſuchte, wog fünfundneunzig Gran, nachdem er aber mit Waſſer in
Berührung gebracht wurde, ſchon eine Stunde ſpäter ſiebenundſechzig Gran mehr. Jn einer ver-
ſchloſſenen Schachtel können Fröſche bei feuchter, nicht über zehn bis zwölf Grad warmer Luft einzig
und allein durch die Thätigkeit ihrer Haut zwanzig bis vierzig Tage leben, auch wenn man alle Ver-
bindung zwiſchen der Luft und den Lungen aufhebt. Läßt man ihnen hingegen nur durch die Lungen
Feuchtigkeit zukommen, ſo ſterben ſie bei trockener Witterung nach wenigen Tagen, beraubt man ſie
ihrer Haut, ſchon nach wenigen Stunden. Faſt ebenſo groß als die Einſaugungsfähigkeit der Haut
iſt deren Ausdünſtung. Das Gewicht eines Lurches, welchen man trockner Wärme ausſetzt, nimmt
außerordentlich ſchnell ab und zwar in einem gleichmäßigen Verhältniß mit der Wärme ſelbſt. Jn
luftleerem Raume iſt die Ausdünſtung beträchtlich, und die Lurche ſterben hier deshalb ſchneller als
im luftleeren Waſſer; wird jedoch die Hautausdünſtung gehemmt, beiſpielsweiſe, daß man den Leib
mit einem dichten Firniß überzieht, ſo können ſie auch länger am Leben bleiben. Ein eigenthümliches
Organ, welches man fälſchlich Urinblaſe nennt, ſcheint geradezu als Waſſerſpeicher zu dienen.
Neben dem reinen Waſſer ſchwitzt die Haut auch einen unter derſelben erzeugten Schleim in
größerer oder geringerer Menge aus. Bei Kröten und Salamandern iſt dieſe Abſonderung, den
zahlreichen Drüſen entſprechend, bedeutender als bei allen übrigen Lurchen, kann auch durch Haut-
reize noch beſonders vermehrt werden. Setzt man z. B. einen Salamander oder eine Kröte auf
glühende Kohlen, ſo ſondert ſich dieſer Schleim in ſolcher Menge ab, daß ein geringes Feuer erlöſchen
kann: daher die uralte, grundloſe Sage, daß der Salamander im Feuer aushalten könne. Wie es
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/380>, abgerufen am 21.12.2024.
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