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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schlangen. Grubenottern. Lochottern.
derselben Schlange in das Vorderbein gebissen wurde, zeigte schon sieben Minuten später große
Mattigkeit und verfiel im Verlaufe einer Viertelstunde in Betäubung. Dieser Zustand währte bis
gegen Ende der zweiten Stunde; das Thier konnte sich nicht in die Höhe heben und schrie kläglich,
wenn man es aufrichtete, schien im Verlaufe der dritten Stunde noch mehr zu leiden, schrie von Zeit
zu Zeit und fiel dann wieder in Betäubung: zwei Stunden später wurde es besser und versuchte zu
gehen, und sieben Stunden nach dem Bisse war es wieder genesen. Ein Huhn, welches eine halbe
Stunde nach dem Schweine von derselben Schlange einen Biß erhalten hatte, starb nach Verlauf von
dreiunddreißig Minuten. Sechs Tage später ließ man den Bodru einen Hund in den Schenkel
beißen. Nach sechzehn Minuten trat ein Zittern des Kopfes und der Vorderfüße ein, nach fünfund-
[Abbildung] Der Bodru (Bothrops viridis).
zwanzig Minuten war das Zittern allgemein; der Hund streckte den Hals vor, wandte das Maul
nach oben und bewegte sich gähnend, ohne jedoch zu winseln. Während der zweiten Stunde lag er
auf einer Seite in einem Zustande von Schlaffheit, drehte aber von Zeit zu Zeit seine Glieder und
hatte mitunter Flechsenspringen; nach der dritten Stunde aber verringerten sich die Zufälle, und die
Genesung trat ein. Zwei Tage später ließ man denselben Hund an beiden Schenkeln und von
derselben Schlange, welche in der Zwischenzeit drei Hühner vergiftet hatte, wiederum beißen. Er
erlitt etwa drei Stunden lang dieselben Zufälle.

Dem Bodru nah verwandt ist die Sittichschlange der Ansiedler Guianas oder die Grün-
schlange
der Brasilianer (Bothrops bilineatus), so benannt wegen ihrer grünen Färbung, ein
niedliches schlankes Thier von 2 bis 21/4 Fuß Länge, oben auf meergrünem Grunde schwärzlich

Die Schlangen. Grubenottern. Lochottern.
derſelben Schlange in das Vorderbein gebiſſen wurde, zeigte ſchon ſieben Minuten ſpäter große
Mattigkeit und verfiel im Verlaufe einer Viertelſtunde in Betäubung. Dieſer Zuſtand währte bis
gegen Ende der zweiten Stunde; das Thier konnte ſich nicht in die Höhe heben und ſchrie kläglich,
wenn man es aufrichtete, ſchien im Verlaufe der dritten Stunde noch mehr zu leiden, ſchrie von Zeit
zu Zeit und fiel dann wieder in Betäubung: zwei Stunden ſpäter wurde es beſſer und verſuchte zu
gehen, und ſieben Stunden nach dem Biſſe war es wieder geneſen. Ein Huhn, welches eine halbe
Stunde nach dem Schweine von derſelben Schlange einen Biß erhalten hatte, ſtarb nach Verlauf von
dreiunddreißig Minuten. Sechs Tage ſpäter ließ man den Bodru einen Hund in den Schenkel
beißen. Nach ſechzehn Minuten trat ein Zittern des Kopfes und der Vorderfüße ein, nach fünfund-
[Abbildung] Der Bodru (Bothrops viridis).
zwanzig Minuten war das Zittern allgemein; der Hund ſtreckte den Hals vor, wandte das Maul
nach oben und bewegte ſich gähnend, ohne jedoch zu winſeln. Während der zweiten Stunde lag er
auf einer Seite in einem Zuſtande von Schlaffheit, drehte aber von Zeit zu Zeit ſeine Glieder und
hatte mitunter Flechſenſpringen; nach der dritten Stunde aber verringerten ſich die Zufälle, und die
Geneſung trat ein. Zwei Tage ſpäter ließ man denſelben Hund an beiden Schenkeln und von
derſelben Schlange, welche in der Zwiſchenzeit drei Hühner vergiftet hatte, wiederum beißen. Er
erlitt etwa drei Stunden lang dieſelben Zufälle.

Dem Bodru nah verwandt iſt die Sittichſchlange der Anſiedler Guianas oder die Grün-
ſchlange
der Braſilianer (Bothrops bilineatus), ſo benannt wegen ihrer grünen Färbung, ein
niedliches ſchlankes Thier von 2 bis 2¼ Fuß Länge, oben auf meergrünem Grunde ſchwärzlich

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[342/0368] Die Schlangen. Grubenottern. Lochottern. derſelben Schlange in das Vorderbein gebiſſen wurde, zeigte ſchon ſieben Minuten ſpäter große Mattigkeit und verfiel im Verlaufe einer Viertelſtunde in Betäubung. Dieſer Zuſtand währte bis gegen Ende der zweiten Stunde; das Thier konnte ſich nicht in die Höhe heben und ſchrie kläglich, wenn man es aufrichtete, ſchien im Verlaufe der dritten Stunde noch mehr zu leiden, ſchrie von Zeit zu Zeit und fiel dann wieder in Betäubung: zwei Stunden ſpäter wurde es beſſer und verſuchte zu gehen, und ſieben Stunden nach dem Biſſe war es wieder geneſen. Ein Huhn, welches eine halbe Stunde nach dem Schweine von derſelben Schlange einen Biß erhalten hatte, ſtarb nach Verlauf von dreiunddreißig Minuten. Sechs Tage ſpäter ließ man den Bodru einen Hund in den Schenkel beißen. Nach ſechzehn Minuten trat ein Zittern des Kopfes und der Vorderfüße ein, nach fünfund- [Abbildung Der Bodru (Bothrops viridis).] zwanzig Minuten war das Zittern allgemein; der Hund ſtreckte den Hals vor, wandte das Maul nach oben und bewegte ſich gähnend, ohne jedoch zu winſeln. Während der zweiten Stunde lag er auf einer Seite in einem Zuſtande von Schlaffheit, drehte aber von Zeit zu Zeit ſeine Glieder und hatte mitunter Flechſenſpringen; nach der dritten Stunde aber verringerten ſich die Zufälle, und die Geneſung trat ein. Zwei Tage ſpäter ließ man denſelben Hund an beiden Schenkeln und von derſelben Schlange, welche in der Zwiſchenzeit drei Hühner vergiftet hatte, wiederum beißen. Er erlitt etwa drei Stunden lang dieſelben Zufälle. Dem Bodru nah verwandt iſt die Sittichſchlange der Anſiedler Guianas oder die Grün- ſchlange der Braſilianer (Bothrops bilineatus), ſo benannt wegen ihrer grünen Färbung, ein niedliches ſchlankes Thier von 2 bis 2¼ Fuß Länge, oben auf meergrünem Grunde ſchwärzlich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/368>, abgerufen am 21.12.2024.