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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Klapperschlange.
konnte ich auch nicht eine erblicken. Einige Tage nach meinem Schlangenabenteuer hatte ich das
Vergnügen, den Oberfaktor Macdonald zu Fort Colville zu treffen. Als ich ihm die oben
berichtete Thatsache mittheilte, versicherte er mir zu meinem großen Erstaunen, daß er am 21. August,
also einen Tag vor mir, Dasselbe am Ufer des Columbia erlebt habe."

Die meisten Beobachter beschreiben die Klapperschlange als ein überaus träges, langsames
Thier, und Beauvois sagt sogar, daß wenige Thiere so gutmüthig seien als sie. "Nie fällt sie von
selbst Thiere an, deren sie nicht zur Nahrung bedarf; nie beißt sie, wenn sie nicht erschreckt oder
berührt wird. Oft bin ich in einer Entfernung von nur einem Fuße an ihr vorübergegangen, ohne
daß sie die geringste Lust zeigte, mich zu beißen. Jch habe ihre Gegenwart immer wegen des
Rasselns ihrer Klapper im Voraus bemerkt, und während ich mich ohne Eile entfernte, rührte sie sich
nicht und ließ mir Zeit, einen Stock abzuschneiden und sie zu tödten." Diese Angabe gilt nur
bedingungsweise; denn sie bezieht sich auf das Betragen der Schlange während der Zeit ihrer Ruhe:
wenn sie wirklich munter ist, verhält sich die Sache anders. "Die Klapperschlange", sagt Geyer,
"ist rasch in ihren Fortbewegungen, ohne sich sehr anzustrengen, zu krümmen oder zu biegen. Letzteres
ist es, welches ihr scheinbar eine langsame Bewegung gibt; bedenkt man aber die Strecke, welche sie in
einer Sekunde zurücklegt, so ergibt sich eine bedeutende Schnelligkeit. Auf ihren Raub stürzt sie sich
mit zunehmender Geschwindigkeit, welche zuletzt dem Fluge eines Vogels gleicht. So sah ich einst
bei einem Bauernhofe in Missouri eine Klapperschlange von einem Baumstamme herab auf ein junges
Huhn schießen und es, beim Flügel fassend, blitzschnell nach einem nackten Felseneilande tragen, sodaß ich
ihr kaum folgen konnte. Ein gut geworfener Stein brachte sie zum Anhalten: sie umwickelte nun ihr
Opfer und ließ es mit dem Rachen los, biß es aber, sobald ich mich ruhig verhielt, in den Kopf.
Beim zweiten Steinwurfe ließ sie das Opfer wieder los, hielt es dann abermals beim Flügel ziemlich
hoch empor, anscheinend sich an der Todesangst desselben ergötzend. Bald zeigte sie Lust, davon zu
gehen; aber scharf getroffen von einem Steine, ließ sie ihre halbtodte Beute fahren und rollte sich zur
Wehre auf. Jch tödtete sie nun. Noch größere Schnelligkeit bewunderte ich bei einer Klapperschlange
am oberen Mississippi bei der Jagd auf ein Grundeichhörnchen" (Bd. II, S. 80). Genau Dasselbe
sagt Audubon. "Die Klapperschlange jagt die in unseren Wäldern häufigen grauen Eichhörnchen
und fängt sie ohne Mühe. Jch selbst hatte im Jahre 1821 das Vergnügen, einer solchen Jagd
zuzusehen. Um das Benehmen eines mir neuen Vogels zu beobachten, hatte ich mich niedergelegt,
wurde aber durch ein scharfes Rauschen in meiner Nähe aufmerksam gemacht und erblickte beim
Umsehen ein ausgewachsenes graues Eichhorn, welches aus einem Dickichte herausfuhr und in Sätzen
von mehreren Fuß Länge geradeaus vor einer Klapperschlange floh, welche nur noch etwa zwanzig Fuß
hinter ihm war. Sie glitt so schnell über den Boden weg, daß sie dem Eichhorn immer näher kam.
Letzteres erreichte einen Baum und war geschwind bis zu dessen Wipfel emporgeklettert. Die Schlange
folgte ihm bedeutend langsamer, immerhin aber noch so schnell, daß das Eichhorn weder mit dem
Schwanze schlug noch grunzte, vielmehr den emporkletternden Feind scharf im Auge behielt. Als die
Schlange nur noch wenige Ellen vom Eichhorn entfernt war, sprang dieses auf einen anderen Zweig;
jene folgte ihm, indem sie sich um volle zwei Dritttheile ihrer Länge in die Luft ausstreckte, hinten
mit dem Schwanze sich haltend. Das Eichhorn sprang mit außerordentlicher Geschwindigkeit von
einem Zweige zum anderen, kroch währenddem in mehrere Löcher, aus denen es jedoch bald wieder
herauskam, weil es wohl wußte, daß die Schlange ihm in jedes Loch folgen könne; endlich that es
einen gewaltigen Satz auf den Boden, wobei es, um den Fall zu verzögern, Schwanz und Beine
soweit als möglich ausstreckte. Jn demselben Augenblicke ließ sich die Schlange ebenfalls herabfallen,
sodaß sie sich, ehe das Eichhorn weiter geflohen war, nur wenige Ellen von ihm besand. Nun ging die
Jagd auf dem Boden von Neuem an, und ehe das Eichhorn wieder einen Baum erreichen konnte, hatte
es die Schlange am Hinterkopfe gepackt und sich bald so um dasselbe gewickelt, daß ich es zwar schreien
hörte, aber nicht das Geringste von ihm sehen konnte. Sie war dabei so erpicht, daß sie mich gar
nicht beachtete, während ich mich näherte, um sie genau ins Gesicht zu fassen. Nach wenigen Minuten

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Klapperſchlange.
konnte ich auch nicht eine erblicken. Einige Tage nach meinem Schlangenabenteuer hatte ich das
Vergnügen, den Oberfaktor Macdonald zu Fort Colville zu treffen. Als ich ihm die oben
berichtete Thatſache mittheilte, verſicherte er mir zu meinem großen Erſtaunen, daß er am 21. Auguſt,
alſo einen Tag vor mir, Daſſelbe am Ufer des Columbia erlebt habe.“

Die meiſten Beobachter beſchreiben die Klapperſchlange als ein überaus träges, langſames
Thier, und Beauvois ſagt ſogar, daß wenige Thiere ſo gutmüthig ſeien als ſie. „Nie fällt ſie von
ſelbſt Thiere an, deren ſie nicht zur Nahrung bedarf; nie beißt ſie, wenn ſie nicht erſchreckt oder
berührt wird. Oft bin ich in einer Entfernung von nur einem Fuße an ihr vorübergegangen, ohne
daß ſie die geringſte Luſt zeigte, mich zu beißen. Jch habe ihre Gegenwart immer wegen des
Raſſelns ihrer Klapper im Voraus bemerkt, und während ich mich ohne Eile entfernte, rührte ſie ſich
nicht und ließ mir Zeit, einen Stock abzuſchneiden und ſie zu tödten.“ Dieſe Angabe gilt nur
bedingungsweiſe; denn ſie bezieht ſich auf das Betragen der Schlange während der Zeit ihrer Ruhe:
wenn ſie wirklich munter iſt, verhält ſich die Sache anders. „Die Klapperſchlange“, ſagt Geyer,
„iſt raſch in ihren Fortbewegungen, ohne ſich ſehr anzuſtrengen, zu krümmen oder zu biegen. Letzteres
iſt es, welches ihr ſcheinbar eine langſame Bewegung gibt; bedenkt man aber die Strecke, welche ſie in
einer Sekunde zurücklegt, ſo ergibt ſich eine bedeutende Schnelligkeit. Auf ihren Raub ſtürzt ſie ſich
mit zunehmender Geſchwindigkeit, welche zuletzt dem Fluge eines Vogels gleicht. So ſah ich einſt
bei einem Bauernhofe in Miſſouri eine Klapperſchlange von einem Baumſtamme herab auf ein junges
Huhn ſchießen und es, beim Flügel faſſend, blitzſchnell nach einem nackten Felſeneilande tragen, ſodaß ich
ihr kaum folgen konnte. Ein gut geworfener Stein brachte ſie zum Anhalten: ſie umwickelte nun ihr
Opfer und ließ es mit dem Rachen los, biß es aber, ſobald ich mich ruhig verhielt, in den Kopf.
Beim zweiten Steinwurfe ließ ſie das Opfer wieder los, hielt es dann abermals beim Flügel ziemlich
hoch empor, anſcheinend ſich an der Todesangſt deſſelben ergötzend. Bald zeigte ſie Luſt, davon zu
gehen; aber ſcharf getroffen von einem Steine, ließ ſie ihre halbtodte Beute fahren und rollte ſich zur
Wehre auf. Jch tödtete ſie nun. Noch größere Schnelligkeit bewunderte ich bei einer Klapperſchlange
am oberen Miſſiſſippi bei der Jagd auf ein Grundeichhörnchen“ (Bd. II, S. 80). Genau Daſſelbe
ſagt Audubon. „Die Klapperſchlange jagt die in unſeren Wäldern häufigen grauen Eichhörnchen
und fängt ſie ohne Mühe. Jch ſelbſt hatte im Jahre 1821 das Vergnügen, einer ſolchen Jagd
zuzuſehen. Um das Benehmen eines mir neuen Vogels zu beobachten, hatte ich mich niedergelegt,
wurde aber durch ein ſcharfes Rauſchen in meiner Nähe aufmerkſam gemacht und erblickte beim
Umſehen ein ausgewachſenes graues Eichhorn, welches aus einem Dickichte herausfuhr und in Sätzen
von mehreren Fuß Länge geradeaus vor einer Klapperſchlange floh, welche nur noch etwa zwanzig Fuß
hinter ihm war. Sie glitt ſo ſchnell über den Boden weg, daß ſie dem Eichhorn immer näher kam.
Letzteres erreichte einen Baum und war geſchwind bis zu deſſen Wipfel emporgeklettert. Die Schlange
folgte ihm bedeutend langſamer, immerhin aber noch ſo ſchnell, daß das Eichhorn weder mit dem
Schwanze ſchlug noch grunzte, vielmehr den emporkletternden Feind ſcharf im Auge behielt. Als die
Schlange nur noch wenige Ellen vom Eichhorn entfernt war, ſprang dieſes auf einen anderen Zweig;
jene folgte ihm, indem ſie ſich um volle zwei Dritttheile ihrer Länge in die Luft ausſtreckte, hinten
mit dem Schwanze ſich haltend. Das Eichhorn ſprang mit außerordentlicher Geſchwindigkeit von
einem Zweige zum anderen, kroch währenddem in mehrere Löcher, aus denen es jedoch bald wieder
herauskam, weil es wohl wußte, daß die Schlange ihm in jedes Loch folgen könne; endlich that es
einen gewaltigen Satz auf den Boden, wobei es, um den Fall zu verzögern, Schwanz und Beine
ſoweit als möglich ausſtreckte. Jn demſelben Augenblicke ließ ſich die Schlange ebenfalls herabfallen,
ſodaß ſie ſich, ehe das Eichhorn weiter geflohen war, nur wenige Ellen von ihm beſand. Nun ging die
Jagd auf dem Boden von Neuem an, und ehe das Eichhorn wieder einen Baum erreichen konnte, hatte
es die Schlange am Hinterkopfe gepackt und ſich bald ſo um daſſelbe gewickelt, daß ich es zwar ſchreien
hörte, aber nicht das Geringſte von ihm ſehen konnte. Sie war dabei ſo erpicht, daß ſie mich gar
nicht beachtete, während ich mich näherte, um ſie genau ins Geſicht zu faſſen. Nach wenigen Minuten

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[323/0349] Klapperſchlange. konnte ich auch nicht eine erblicken. Einige Tage nach meinem Schlangenabenteuer hatte ich das Vergnügen, den Oberfaktor Macdonald zu Fort Colville zu treffen. Als ich ihm die oben berichtete Thatſache mittheilte, verſicherte er mir zu meinem großen Erſtaunen, daß er am 21. Auguſt, alſo einen Tag vor mir, Daſſelbe am Ufer des Columbia erlebt habe.“ Die meiſten Beobachter beſchreiben die Klapperſchlange als ein überaus träges, langſames Thier, und Beauvois ſagt ſogar, daß wenige Thiere ſo gutmüthig ſeien als ſie. „Nie fällt ſie von ſelbſt Thiere an, deren ſie nicht zur Nahrung bedarf; nie beißt ſie, wenn ſie nicht erſchreckt oder berührt wird. Oft bin ich in einer Entfernung von nur einem Fuße an ihr vorübergegangen, ohne daß ſie die geringſte Luſt zeigte, mich zu beißen. Jch habe ihre Gegenwart immer wegen des Raſſelns ihrer Klapper im Voraus bemerkt, und während ich mich ohne Eile entfernte, rührte ſie ſich nicht und ließ mir Zeit, einen Stock abzuſchneiden und ſie zu tödten.“ Dieſe Angabe gilt nur bedingungsweiſe; denn ſie bezieht ſich auf das Betragen der Schlange während der Zeit ihrer Ruhe: wenn ſie wirklich munter iſt, verhält ſich die Sache anders. „Die Klapperſchlange“, ſagt Geyer, „iſt raſch in ihren Fortbewegungen, ohne ſich ſehr anzuſtrengen, zu krümmen oder zu biegen. Letzteres iſt es, welches ihr ſcheinbar eine langſame Bewegung gibt; bedenkt man aber die Strecke, welche ſie in einer Sekunde zurücklegt, ſo ergibt ſich eine bedeutende Schnelligkeit. Auf ihren Raub ſtürzt ſie ſich mit zunehmender Geſchwindigkeit, welche zuletzt dem Fluge eines Vogels gleicht. So ſah ich einſt bei einem Bauernhofe in Miſſouri eine Klapperſchlange von einem Baumſtamme herab auf ein junges Huhn ſchießen und es, beim Flügel faſſend, blitzſchnell nach einem nackten Felſeneilande tragen, ſodaß ich ihr kaum folgen konnte. Ein gut geworfener Stein brachte ſie zum Anhalten: ſie umwickelte nun ihr Opfer und ließ es mit dem Rachen los, biß es aber, ſobald ich mich ruhig verhielt, in den Kopf. Beim zweiten Steinwurfe ließ ſie das Opfer wieder los, hielt es dann abermals beim Flügel ziemlich hoch empor, anſcheinend ſich an der Todesangſt deſſelben ergötzend. Bald zeigte ſie Luſt, davon zu gehen; aber ſcharf getroffen von einem Steine, ließ ſie ihre halbtodte Beute fahren und rollte ſich zur Wehre auf. Jch tödtete ſie nun. Noch größere Schnelligkeit bewunderte ich bei einer Klapperſchlange am oberen Miſſiſſippi bei der Jagd auf ein Grundeichhörnchen“ (Bd. II, S. 80). Genau Daſſelbe ſagt Audubon. „Die Klapperſchlange jagt die in unſeren Wäldern häufigen grauen Eichhörnchen und fängt ſie ohne Mühe. Jch ſelbſt hatte im Jahre 1821 das Vergnügen, einer ſolchen Jagd zuzuſehen. Um das Benehmen eines mir neuen Vogels zu beobachten, hatte ich mich niedergelegt, wurde aber durch ein ſcharfes Rauſchen in meiner Nähe aufmerkſam gemacht und erblickte beim Umſehen ein ausgewachſenes graues Eichhorn, welches aus einem Dickichte herausfuhr und in Sätzen von mehreren Fuß Länge geradeaus vor einer Klapperſchlange floh, welche nur noch etwa zwanzig Fuß hinter ihm war. Sie glitt ſo ſchnell über den Boden weg, daß ſie dem Eichhorn immer näher kam. Letzteres erreichte einen Baum und war geſchwind bis zu deſſen Wipfel emporgeklettert. Die Schlange folgte ihm bedeutend langſamer, immerhin aber noch ſo ſchnell, daß das Eichhorn weder mit dem Schwanze ſchlug noch grunzte, vielmehr den emporkletternden Feind ſcharf im Auge behielt. Als die Schlange nur noch wenige Ellen vom Eichhorn entfernt war, ſprang dieſes auf einen anderen Zweig; jene folgte ihm, indem ſie ſich um volle zwei Dritttheile ihrer Länge in die Luft ausſtreckte, hinten mit dem Schwanze ſich haltend. Das Eichhorn ſprang mit außerordentlicher Geſchwindigkeit von einem Zweige zum anderen, kroch währenddem in mehrere Löcher, aus denen es jedoch bald wieder herauskam, weil es wohl wußte, daß die Schlange ihm in jedes Loch folgen könne; endlich that es einen gewaltigen Satz auf den Boden, wobei es, um den Fall zu verzögern, Schwanz und Beine ſoweit als möglich ausſtreckte. Jn demſelben Augenblicke ließ ſich die Schlange ebenfalls herabfallen, ſodaß ſie ſich, ehe das Eichhorn weiter geflohen war, nur wenige Ellen von ihm beſand. Nun ging die Jagd auf dem Boden von Neuem an, und ehe das Eichhorn wieder einen Baum erreichen konnte, hatte es die Schlange am Hinterkopfe gepackt und ſich bald ſo um daſſelbe gewickelt, daß ich es zwar ſchreien hörte, aber nicht das Geringſte von ihm ſehen konnte. Sie war dabei ſo erpicht, daß ſie mich gar nicht beachtete, während ich mich näherte, um ſie genau ins Geſicht zu faſſen. Nach wenigen Minuten 21*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/349>, abgerufen am 23.12.2024.