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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Todesotter. Klapperschlange.
nattern und stellen hauptsächlich Fischen nach; die Mehrzahl aber verläßt den Boden nicht und macht
hier Jagd auf allerlei kleine Säugethiere und Vögel. Hinsichtlich der Fortpflanzung kommen sie mit
den Vipern vollständig überein, da auch sie ihre Eier soweit austragen, daß die Jungen unmittelbar
nach dem Legen die Eischale sprengen.

Obwohl die Wüstenvipern an Gefährlichkeit und Böswilligkeit schwerlich hinter den Gruben-
ottern zurückstehen, gelten diese doch als die am meisten zu fürchtenden Schlangen der Erde, und in
der That darf man behaupten, daß ihre Giftwerkzeuge am Höchsten entwickelt sind. Von der Gefahr,
mit welcher einzelne dem Menschen drohen, hat man allerdings mehr Aufhebens gemacht, als die
Sache verdient; andere hingegen, vor allen die furchtbare Lanzenschlange und der Buschmeister,
scheinen wirklich das Entsetzen zu rechtfertigen, welches an ihren Namen sich heftet. Sie gelten als
der Fluch der Länder, welche sie bewohnen, hemmen und hindern den Anbau ganzer Strecken und
fordern alljährlich viele Opfer. Jhnen steht der Mensch noch bis zum heutigen Tage ohnmächtig
gegenüber; die entsetzliche Wirkung ihres Giftes beschränkt die Anzahl ihrer Feinde und beeinträchtigt
bis jetzt noch den gegen sie begonnenen Vernichtungskampf.



Die bekanntesten Grubenottern sind die Klapperschlangen (Crotalus), ausgezeichnet vor
allen übrigen durch das sonderbare Anhängsel, welches sie am Ende ihres Schwanzes tragen, die
Klapper oder Rassel, ein aus dünnen, hornartig in einander greifenden Kapseln bestehendes Gebilde,
über dessen Bedeutung man sich bisher vergeblich den Kopf zerbrochen hat. Einige sehen sie an als
Fortsätze der Schwanzwirbel, Andere als umgebildete Schuppenringe: welche Anschauung die richtige
ist, mag dahingestellt bleiben. Sie besteht aus einer größeren oder geringeren Anzahl von in einander
steckenden, einem leicht zusammengedrückten Hohlkegel vergleichbaren Hornkörpern, welche auswendig
drei Erhöhungen zeigen, mit der Spitze nach dem Schwanzende zu gerichtet stehen und von dem nächst-
folgenden Kegel so zu sagen überstülpt werden; jeder einzelne Kegel setzt sich auf zwei Buckeln des
nach dem Leibe zu folgenden fest, verbindet sich aber nur lose mit ihm, sodaß eine Bewegung aller
Hornkegel und ein gegenseitiges Reiben derselben möglich wird. Man nimmt an, daß sich die
Klapper jedes Jahr, ja, nach jeder Häutung um ein Glied verlängert, indem sich die auf dem letzten
Hautwirbel gebildete, dicke Hautschicht überstülpt, aber nicht abstreift und von dem schon vorhandenen
Kegel ihre Gestalt empfängt; diese Annahme scheint jedoch noch sehr der Bestätigung zu bedürfen,
und soviel steht jedenfalls fest, daß die Anzahl der Ringe oder Kegel mit dem Alter der Klapper-
schlange nicht im geraden Verhältnisse steht. An mehrjährig eingesperrten Klapperschlangen beobachtete
man, daß sie an Größe zunahmen, während doch die Anzahl der Glieder ihrer Rassel immer dieselbe
blieb. Funfzehn bis achtzehn Kegel an einer Klapper werden gegenwärtig schon sehr selten gefunden,
und es bleibt fraglich, ob das Thier überhaupt, wie uns eine alte Abbildung glauben machen will,
mehr dieser Gebilde ansetzt. "Betrachtet man", sagt Geyer, "die Rassel oder einen Fortsatz der
Wirbelsäule, so scheint das Wachsthum derselben nur abhängig von der Nahrung und dem Wachs-
thume des Thieres, welches unter ungünstigen Umständen unterbrochen und im anderen Falle
beschleunigt werden kann; eine bestimmte Zeit dafür ist aber nicht anzunehmen. Klapperschlangen,
welche ich fünf bis sechs Jahre alt schätzte, hatten immer nur ein fertiges Rasselglied hinter der aus-
gerandeten Spitze und konnten noch keinen Laut damit hervorbringen. Hiernach zu urtheilen müßte
eine sechs Fuß lange Klapperschlange mit elf Rasselgliedern wohl sechzig bis siebzig Jahre alt sein."
Auch diese Angabe eines sorgfältigen Beobachters, welcher Gelegenheit genug hatte, Klapperschlangen
zu untersuchen, beweist, daß wir gegenwärtig über die Bildung der Klapper ebenso wenig unterrichtet
sind als über deren Nutzen. "Frömmelnde Bewunderer der Weisheit des Schöpfers", so spricht sich
Giebel aus, "erkennen darin eine vorsorgliche, den Menschen vor Gefahr warnende Einrichtung;

Todesotter. Klapperſchlange.
nattern und ſtellen hauptſächlich Fiſchen nach; die Mehrzahl aber verläßt den Boden nicht und macht
hier Jagd auf allerlei kleine Säugethiere und Vögel. Hinſichtlich der Fortpflanzung kommen ſie mit
den Vipern vollſtändig überein, da auch ſie ihre Eier ſoweit austragen, daß die Jungen unmittelbar
nach dem Legen die Eiſchale ſprengen.

Obwohl die Wüſtenvipern an Gefährlichkeit und Böswilligkeit ſchwerlich hinter den Gruben-
ottern zurückſtehen, gelten dieſe doch als die am meiſten zu fürchtenden Schlangen der Erde, und in
der That darf man behaupten, daß ihre Giftwerkzeuge am Höchſten entwickelt ſind. Von der Gefahr,
mit welcher einzelne dem Menſchen drohen, hat man allerdings mehr Aufhebens gemacht, als die
Sache verdient; andere hingegen, vor allen die furchtbare Lanzenſchlange und der Buſchmeiſter,
ſcheinen wirklich das Entſetzen zu rechtfertigen, welches an ihren Namen ſich heftet. Sie gelten als
der Fluch der Länder, welche ſie bewohnen, hemmen und hindern den Anbau ganzer Strecken und
fordern alljährlich viele Opfer. Jhnen ſteht der Menſch noch bis zum heutigen Tage ohnmächtig
gegenüber; die entſetzliche Wirkung ihres Giftes beſchränkt die Anzahl ihrer Feinde und beeinträchtigt
bis jetzt noch den gegen ſie begonnenen Vernichtungskampf.



Die bekannteſten Grubenottern ſind die Klapperſchlangen (Crotalus), ausgezeichnet vor
allen übrigen durch das ſonderbare Anhängſel, welches ſie am Ende ihres Schwanzes tragen, die
Klapper oder Raſſel, ein aus dünnen, hornartig in einander greifenden Kapſeln beſtehendes Gebilde,
über deſſen Bedeutung man ſich bisher vergeblich den Kopf zerbrochen hat. Einige ſehen ſie an als
Fortſätze der Schwanzwirbel, Andere als umgebildete Schuppenringe: welche Anſchauung die richtige
iſt, mag dahingeſtellt bleiben. Sie beſteht aus einer größeren oder geringeren Anzahl von in einander
ſteckenden, einem leicht zuſammengedrückten Hohlkegel vergleichbaren Hornkörpern, welche auswendig
drei Erhöhungen zeigen, mit der Spitze nach dem Schwanzende zu gerichtet ſtehen und von dem nächſt-
folgenden Kegel ſo zu ſagen überſtülpt werden; jeder einzelne Kegel ſetzt ſich auf zwei Buckeln des
nach dem Leibe zu folgenden feſt, verbindet ſich aber nur loſe mit ihm, ſodaß eine Bewegung aller
Hornkegel und ein gegenſeitiges Reiben derſelben möglich wird. Man nimmt an, daß ſich die
Klapper jedes Jahr, ja, nach jeder Häutung um ein Glied verlängert, indem ſich die auf dem letzten
Hautwirbel gebildete, dicke Hautſchicht überſtülpt, aber nicht abſtreift und von dem ſchon vorhandenen
Kegel ihre Geſtalt empfängt; dieſe Annahme ſcheint jedoch noch ſehr der Beſtätigung zu bedürfen,
und ſoviel ſteht jedenfalls feſt, daß die Anzahl der Ringe oder Kegel mit dem Alter der Klapper-
ſchlange nicht im geraden Verhältniſſe ſteht. An mehrjährig eingeſperrten Klapperſchlangen beobachtete
man, daß ſie an Größe zunahmen, während doch die Anzahl der Glieder ihrer Raſſel immer dieſelbe
blieb. Funfzehn bis achtzehn Kegel an einer Klapper werden gegenwärtig ſchon ſehr ſelten gefunden,
und es bleibt fraglich, ob das Thier überhaupt, wie uns eine alte Abbildung glauben machen will,
mehr dieſer Gebilde anſetzt. „Betrachtet man“, ſagt Geyer, „die Raſſel oder einen Fortſatz der
Wirbelſäule, ſo ſcheint das Wachsthum derſelben nur abhängig von der Nahrung und dem Wachs-
thume des Thieres, welches unter ungünſtigen Umſtänden unterbrochen und im anderen Falle
beſchleunigt werden kann; eine beſtimmte Zeit dafür iſt aber nicht anzunehmen. Klapperſchlangen,
welche ich fünf bis ſechs Jahre alt ſchätzte, hatten immer nur ein fertiges Raſſelglied hinter der aus-
gerandeten Spitze und konnten noch keinen Laut damit hervorbringen. Hiernach zu urtheilen müßte
eine ſechs Fuß lange Klapperſchlange mit elf Raſſelgliedern wohl ſechzig bis ſiebzig Jahre alt ſein.“
Auch dieſe Angabe eines ſorgfältigen Beobachters, welcher Gelegenheit genug hatte, Klapperſchlangen
zu unterſuchen, beweiſt, daß wir gegenwärtig über die Bildung der Klapper ebenſo wenig unterrichtet
ſind als über deren Nutzen. „Frömmelnde Bewunderer der Weisheit des Schöpfers“, ſo ſpricht ſich
Giebel aus, „erkennen darin eine vorſorgliche, den Menſchen vor Gefahr warnende Einrichtung;

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[319/0345] Todesotter. Klapperſchlange. nattern und ſtellen hauptſächlich Fiſchen nach; die Mehrzahl aber verläßt den Boden nicht und macht hier Jagd auf allerlei kleine Säugethiere und Vögel. Hinſichtlich der Fortpflanzung kommen ſie mit den Vipern vollſtändig überein, da auch ſie ihre Eier ſoweit austragen, daß die Jungen unmittelbar nach dem Legen die Eiſchale ſprengen. Obwohl die Wüſtenvipern an Gefährlichkeit und Böswilligkeit ſchwerlich hinter den Gruben- ottern zurückſtehen, gelten dieſe doch als die am meiſten zu fürchtenden Schlangen der Erde, und in der That darf man behaupten, daß ihre Giftwerkzeuge am Höchſten entwickelt ſind. Von der Gefahr, mit welcher einzelne dem Menſchen drohen, hat man allerdings mehr Aufhebens gemacht, als die Sache verdient; andere hingegen, vor allen die furchtbare Lanzenſchlange und der Buſchmeiſter, ſcheinen wirklich das Entſetzen zu rechtfertigen, welches an ihren Namen ſich heftet. Sie gelten als der Fluch der Länder, welche ſie bewohnen, hemmen und hindern den Anbau ganzer Strecken und fordern alljährlich viele Opfer. Jhnen ſteht der Menſch noch bis zum heutigen Tage ohnmächtig gegenüber; die entſetzliche Wirkung ihres Giftes beſchränkt die Anzahl ihrer Feinde und beeinträchtigt bis jetzt noch den gegen ſie begonnenen Vernichtungskampf. Die bekannteſten Grubenottern ſind die Klapperſchlangen (Crotalus), ausgezeichnet vor allen übrigen durch das ſonderbare Anhängſel, welches ſie am Ende ihres Schwanzes tragen, die Klapper oder Raſſel, ein aus dünnen, hornartig in einander greifenden Kapſeln beſtehendes Gebilde, über deſſen Bedeutung man ſich bisher vergeblich den Kopf zerbrochen hat. Einige ſehen ſie an als Fortſätze der Schwanzwirbel, Andere als umgebildete Schuppenringe: welche Anſchauung die richtige iſt, mag dahingeſtellt bleiben. Sie beſteht aus einer größeren oder geringeren Anzahl von in einander ſteckenden, einem leicht zuſammengedrückten Hohlkegel vergleichbaren Hornkörpern, welche auswendig drei Erhöhungen zeigen, mit der Spitze nach dem Schwanzende zu gerichtet ſtehen und von dem nächſt- folgenden Kegel ſo zu ſagen überſtülpt werden; jeder einzelne Kegel ſetzt ſich auf zwei Buckeln des nach dem Leibe zu folgenden feſt, verbindet ſich aber nur loſe mit ihm, ſodaß eine Bewegung aller Hornkegel und ein gegenſeitiges Reiben derſelben möglich wird. Man nimmt an, daß ſich die Klapper jedes Jahr, ja, nach jeder Häutung um ein Glied verlängert, indem ſich die auf dem letzten Hautwirbel gebildete, dicke Hautſchicht überſtülpt, aber nicht abſtreift und von dem ſchon vorhandenen Kegel ihre Geſtalt empfängt; dieſe Annahme ſcheint jedoch noch ſehr der Beſtätigung zu bedürfen, und ſoviel ſteht jedenfalls feſt, daß die Anzahl der Ringe oder Kegel mit dem Alter der Klapper- ſchlange nicht im geraden Verhältniſſe ſteht. An mehrjährig eingeſperrten Klapperſchlangen beobachtete man, daß ſie an Größe zunahmen, während doch die Anzahl der Glieder ihrer Raſſel immer dieſelbe blieb. Funfzehn bis achtzehn Kegel an einer Klapper werden gegenwärtig ſchon ſehr ſelten gefunden, und es bleibt fraglich, ob das Thier überhaupt, wie uns eine alte Abbildung glauben machen will, mehr dieſer Gebilde anſetzt. „Betrachtet man“, ſagt Geyer, „die Raſſel oder einen Fortſatz der Wirbelſäule, ſo ſcheint das Wachsthum derſelben nur abhängig von der Nahrung und dem Wachs- thume des Thieres, welches unter ungünſtigen Umſtänden unterbrochen und im anderen Falle beſchleunigt werden kann; eine beſtimmte Zeit dafür iſt aber nicht anzunehmen. Klapperſchlangen, welche ich fünf bis ſechs Jahre alt ſchätzte, hatten immer nur ein fertiges Raſſelglied hinter der aus- gerandeten Spitze und konnten noch keinen Laut damit hervorbringen. Hiernach zu urtheilen müßte eine ſechs Fuß lange Klapperſchlange mit elf Raſſelgliedern wohl ſechzig bis ſiebzig Jahre alt ſein.“ Auch dieſe Angabe eines ſorgfältigen Beobachters, welcher Gelegenheit genug hatte, Klapperſchlangen zu unterſuchen, beweiſt, daß wir gegenwärtig über die Bildung der Klapper ebenſo wenig unterrichtet ſind als über deren Nutzen. „Frömmelnde Bewunderer der Weisheit des Schöpfers“, ſo ſpricht ſich Giebel aus, „erkennen darin eine vorſorgliche, den Menſchen vor Gefahr warnende Einrichtung;

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/345>, abgerufen am 23.12.2024.