Fluche unterbrochen. "Welche Neuigkeit, Knabe?" "O, Gott verfluche sie und ihren Vater und ihr ganzes Geschlecht und verbanne sie in den Abgrund der Hölle! -- Eine Schlange, Herr; -- doch sie schmort schon im Feuer!" Das ganze Lager wird lebendig; Jedermann, bewaffnet mit einer Zange, setzt sich auf einen Waarenballen oder auf eine Kiste und wartet der Dinge, die da kommen sollen. Und heran kriecht es, zuweilen dutzendweise; man begreift nicht, woher sie alle kommen, die Hornvipern. Vorsichtig naht sich der Eine oder der Andere, die eiserne Zange in der Hand, dem giftigen Wurme; im rechten Augenblicke packt er ihn hinten im Genick; fest kneipt er zusammen, damit er nicht wieder entrinne, und mitten ins lodernde Feuer wirst er den verruchten Sohn der Hölle, mit der boshaften Freude, welche Pfaffen beim Ketzerverbrennen empfunden haben mögen, seinen Untergang verfolgend. "Vor den Skorpionen", so schreibt mir Dümichen, "welche sich des Nachts um meine Lagerstätte scharten, habe ich mich niemals gefürchtet: die Fi aber hat mir und noch mehr meinem Diener gar oft Schrecken bereitet. Monatelang war ich beschäftigt in den Tempeln und in den Ruinen um sie herum, zeichnend, grabend, untersuchend, forschend, ohne auch nur eine einzige zu sehen; wenn aber die Nacht angebrochen war und das Feuer brannte, da waren sie zur Stelle und schlängelten und züngelten um uns herum." Jn ähnlicher Weise klagen alle Reisenden in Afrika.
Von was sich die Hornviper eigentlich ernährt inmitten der Wüste, kann ich nicht sagen; denn ich habe mir, wie ich zu meiner Schande bekenne, nie die Mühe genommen, eine von ihnen getödtete zu untersuchen. Möglicherweise bilden da, wo es keine Mäuse gibt, Eidechsen die Hauptnahrung, in der Nähe des angebauten Landes die ersteren. Daß sie auch Vögel stellt, geht aus dem soeben Mit- getheilten zur Genüge hervor.
Ueber die Fortpflanzung ist man noch heutigentages nicht einerlei Meinung. Die egyptischen Schlangenfänger sagen, daß sie, wie die anderen Vipern auch, lebende Junge zur Welt bringen; Dumeril aber erfuhr an seinen Gefangenen, welche sich wiederholt im Käfige begatteten, daß sie Eier legten, welche niemals auskamen. Trotzdem halte ich die Angabe der Egypter für richtig, da ja auf die Verschiedenheit der Fortpflanzung bei den Kriechthieren kein Gewicht gelegt werden darf.
Jn die Gefangenschaft findet sich die Cerastes leichter noch als jede andere Verwandte. Sie ist im Stande, erstaunlich lange zu hungern: Shaw behauptet, zwei im Käfige eines Liebhabers zu Venedig gesehen zu haben, welche fünf Jahre lang ohne Nahrung zugebracht hatten, sich häuteten und noch so munter waren, als wären sie soeben gefangen worden; andere Beobachter erfuhren wenigstens, daß ihnen ein strenges Fasten von halbjähriger Dauer nicht schadet. Die meisten gefangenen Hornvipern, welche lebend nach Europa gelangen, kommen ohne Giftzähne hier an, weil diese von den Fängern baldmöglichst ausgebrochen werden, und dann hält es schwer, sie ans Futter zu bringen; wenn aber die Zähne wieder ausgewachsen sind, lassen sie sich ohne Umstände herbei, eine ihnen vorgeworsene Maus anzunehmen und zu verschlingen. Mit anderen Schlangen vertragen sie sich sehr gut, mit Eidechsen ebenfalls; eine Maus aber erregt auch bei ihnen augenblicklich Aufmerk- samkeit und Mordlust. Wie in der Freiheit wühlen sie sich, wenn es irgend angeht, mit halbem Leibe in den Sand und verbringen in dieser Lage den ganzen Tag.
Neben der Cerastes kommt in Egypten eine andere Viper, die Efa, vor, welche auf den ersten Blick hin leicht mit jener verwechselt werden kann, jedoch einer anderen Sippe zugezählt wird, weil die unteren Schwanzschilder ungetheilt sind. Alle übrigen Merkmale sind die der Vipern; jedoch zeichnen sich die Rauhottern (Echis), wie man die betreffenden Schlangen genannt hat, weniger durch die Rauhigkeit ihres Schuppenkleides als durch die verhältnißmäßige Schlankheit ihres Leibes vor anderen Vipern aus.
Der bekannteste und verbreitetste Vertreter unserer Sippe, eben die Efa (Echis carinata), ist eine kleine, aber niedliche Schlange von höchstens 13/4 Fuß Länge und vielfach wechselnder Sand-
Ceraſtes. Efa.
Fluche unterbrochen. „Welche Neuigkeit, Knabe?“ „O, Gott verfluche ſie und ihren Vater und ihr ganzes Geſchlecht und verbanne ſie in den Abgrund der Hölle! — Eine Schlange, Herr; — doch ſie ſchmort ſchon im Feuer!“ Das ganze Lager wird lebendig; Jedermann, bewaffnet mit einer Zange, ſetzt ſich auf einen Waarenballen oder auf eine Kiſte und wartet der Dinge, die da kommen ſollen. Und heran kriecht es, zuweilen dutzendweiſe; man begreift nicht, woher ſie alle kommen, die Hornvipern. Vorſichtig naht ſich der Eine oder der Andere, die eiſerne Zange in der Hand, dem giftigen Wurme; im rechten Augenblicke packt er ihn hinten im Genick; feſt kneipt er zuſammen, damit er nicht wieder entrinne, und mitten ins lodernde Feuer wirſt er den verruchten Sohn der Hölle, mit der boshaften Freude, welche Pfaffen beim Ketzerverbrennen empfunden haben mögen, ſeinen Untergang verfolgend. „Vor den Skorpionen“, ſo ſchreibt mir Dümichen, „welche ſich des Nachts um meine Lagerſtätte ſcharten, habe ich mich niemals gefürchtet: die Fi aber hat mir und noch mehr meinem Diener gar oft Schrecken bereitet. Monatelang war ich beſchäftigt in den Tempeln und in den Ruinen um ſie herum, zeichnend, grabend, unterſuchend, forſchend, ohne auch nur eine einzige zu ſehen; wenn aber die Nacht angebrochen war und das Feuer brannte, da waren ſie zur Stelle und ſchlängelten und züngelten um uns herum.“ Jn ähnlicher Weiſe klagen alle Reiſenden in Afrika.
Von was ſich die Hornviper eigentlich ernährt inmitten der Wüſte, kann ich nicht ſagen; denn ich habe mir, wie ich zu meiner Schande bekenne, nie die Mühe genommen, eine von ihnen getödtete zu unterſuchen. Möglicherweiſe bilden da, wo es keine Mäuſe gibt, Eidechſen die Hauptnahrung, in der Nähe des angebauten Landes die erſteren. Daß ſie auch Vögel ſtellt, geht aus dem ſoeben Mit- getheilten zur Genüge hervor.
Ueber die Fortpflanzung iſt man noch heutigentages nicht einerlei Meinung. Die egyptiſchen Schlangenfänger ſagen, daß ſie, wie die anderen Vipern auch, lebende Junge zur Welt bringen; Dumeril aber erfuhr an ſeinen Gefangenen, welche ſich wiederholt im Käfige begatteten, daß ſie Eier legten, welche niemals auskamen. Trotzdem halte ich die Angabe der Egypter für richtig, da ja auf die Verſchiedenheit der Fortpflanzung bei den Kriechthieren kein Gewicht gelegt werden darf.
Jn die Gefangenſchaft findet ſich die Ceraſtes leichter noch als jede andere Verwandte. Sie iſt im Stande, erſtaunlich lange zu hungern: Shaw behauptet, zwei im Käfige eines Liebhabers zu Venedig geſehen zu haben, welche fünf Jahre lang ohne Nahrung zugebracht hatten, ſich häuteten und noch ſo munter waren, als wären ſie ſoeben gefangen worden; andere Beobachter erfuhren wenigſtens, daß ihnen ein ſtrenges Faſten von halbjähriger Dauer nicht ſchadet. Die meiſten gefangenen Hornvipern, welche lebend nach Europa gelangen, kommen ohne Giftzähne hier an, weil dieſe von den Fängern baldmöglichſt ausgebrochen werden, und dann hält es ſchwer, ſie ans Futter zu bringen; wenn aber die Zähne wieder ausgewachſen ſind, laſſen ſie ſich ohne Umſtände herbei, eine ihnen vorgeworſene Maus anzunehmen und zu verſchlingen. Mit anderen Schlangen vertragen ſie ſich ſehr gut, mit Eidechſen ebenfalls; eine Maus aber erregt auch bei ihnen augenblicklich Aufmerk- ſamkeit und Mordluſt. Wie in der Freiheit wühlen ſie ſich, wenn es irgend angeht, mit halbem Leibe in den Sand und verbringen in dieſer Lage den ganzen Tag.
Neben der Ceraſtes kommt in Egypten eine andere Viper, die Efa, vor, welche auf den erſten Blick hin leicht mit jener verwechſelt werden kann, jedoch einer anderen Sippe zugezählt wird, weil die unteren Schwanzſchilder ungetheilt ſind. Alle übrigen Merkmale ſind die der Vipern; jedoch zeichnen ſich die Rauhottern (Echis), wie man die betreffenden Schlangen genannt hat, weniger durch die Rauhigkeit ihres Schuppenkleides als durch die verhältnißmäßige Schlankheit ihres Leibes vor anderen Vipern aus.
Der bekannteſte und verbreitetſte Vertreter unſerer Sippe, eben die Efa (Echis carinata), iſt eine kleine, aber niedliche Schlange von höchſtens 1¾ Fuß Länge und vielfach wechſelnder Sand-
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Ceraſtes. Efa.
Fluche unterbrochen. „Welche Neuigkeit, Knabe?“ „O, Gott verfluche ſie und ihren Vater und ihr
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ſie ſchmort ſchon im Feuer!“ Das ganze Lager wird lebendig; Jedermann, bewaffnet mit einer
Zange, ſetzt ſich auf einen Waarenballen oder auf eine Kiſte und wartet der Dinge, die da kommen
ſollen. Und heran kriecht es, zuweilen dutzendweiſe; man begreift nicht, woher ſie alle kommen, die
Hornvipern. Vorſichtig naht ſich der Eine oder der Andere, die eiſerne Zange in der Hand, dem
giftigen Wurme; im rechten Augenblicke packt er ihn hinten im Genick; feſt kneipt er zuſammen,
damit er nicht wieder entrinne, und mitten ins lodernde Feuer wirſt er den verruchten Sohn der
Hölle, mit der boshaften Freude, welche Pfaffen beim Ketzerverbrennen empfunden haben mögen,
ſeinen Untergang verfolgend. „Vor den Skorpionen“, ſo ſchreibt mir Dümichen, „welche ſich des
Nachts um meine Lagerſtätte ſcharten, habe ich mich niemals gefürchtet: die Fi aber hat mir und
noch mehr meinem Diener gar oft Schrecken bereitet. Monatelang war ich beſchäftigt in den Tempeln
und in den Ruinen um ſie herum, zeichnend, grabend, unterſuchend, forſchend, ohne auch nur eine
einzige zu ſehen; wenn aber die Nacht angebrochen war und das Feuer brannte, da waren ſie zur Stelle
und ſchlängelten und züngelten um uns herum.“ Jn ähnlicher Weiſe klagen alle Reiſenden in Afrika.
Von was ſich die Hornviper eigentlich ernährt inmitten der Wüſte, kann ich nicht ſagen; denn
ich habe mir, wie ich zu meiner Schande bekenne, nie die Mühe genommen, eine von ihnen getödtete
zu unterſuchen. Möglicherweiſe bilden da, wo es keine Mäuſe gibt, Eidechſen die Hauptnahrung, in
der Nähe des angebauten Landes die erſteren. Daß ſie auch Vögel ſtellt, geht aus dem ſoeben Mit-
getheilten zur Genüge hervor.
Ueber die Fortpflanzung iſt man noch heutigentages nicht einerlei Meinung. Die egyptiſchen
Schlangenfänger ſagen, daß ſie, wie die anderen Vipern auch, lebende Junge zur Welt bringen;
Dumeril aber erfuhr an ſeinen Gefangenen, welche ſich wiederholt im Käfige begatteten, daß ſie Eier
legten, welche niemals auskamen. Trotzdem halte ich die Angabe der Egypter für richtig, da ja auf
die Verſchiedenheit der Fortpflanzung bei den Kriechthieren kein Gewicht gelegt werden darf.
Jn die Gefangenſchaft findet ſich die Ceraſtes leichter noch als jede andere Verwandte. Sie
iſt im Stande, erſtaunlich lange zu hungern: Shaw behauptet, zwei im Käfige eines Liebhabers zu
Venedig geſehen zu haben, welche fünf Jahre lang ohne Nahrung zugebracht hatten, ſich häuteten
und noch ſo munter waren, als wären ſie ſoeben gefangen worden; andere Beobachter erfuhren
wenigſtens, daß ihnen ein ſtrenges Faſten von halbjähriger Dauer nicht ſchadet. Die meiſten
gefangenen Hornvipern, welche lebend nach Europa gelangen, kommen ohne Giftzähne hier an, weil
dieſe von den Fängern baldmöglichſt ausgebrochen werden, und dann hält es ſchwer, ſie ans Futter
zu bringen; wenn aber die Zähne wieder ausgewachſen ſind, laſſen ſie ſich ohne Umſtände herbei, eine
ihnen vorgeworſene Maus anzunehmen und zu verſchlingen. Mit anderen Schlangen vertragen ſie
ſich ſehr gut, mit Eidechſen ebenfalls; eine Maus aber erregt auch bei ihnen augenblicklich Aufmerk-
ſamkeit und Mordluſt. Wie in der Freiheit wühlen ſie ſich, wenn es irgend angeht, mit halbem
Leibe in den Sand und verbringen in dieſer Lage den ganzen Tag.
Neben der Ceraſtes kommt in Egypten eine andere Viper, die Efa, vor, welche auf den erſten
Blick hin leicht mit jener verwechſelt werden kann, jedoch einer anderen Sippe zugezählt wird, weil
die unteren Schwanzſchilder ungetheilt ſind. Alle übrigen Merkmale ſind die der Vipern; jedoch
zeichnen ſich die Rauhottern (Echis), wie man die betreffenden Schlangen genannt hat, weniger durch
die Rauhigkeit ihres Schuppenkleides als durch die verhältnißmäßige Schlankheit ihres Leibes
vor anderen Vipern aus.
Der bekannteſte und verbreitetſte Vertreter unſerer Sippe, eben die Efa (Echis carinata), iſt
eine kleine, aber niedliche Schlange von höchſtens 1¾ Fuß Länge und vielfach wechſelnder Sand-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/341>, abgerufen am 09.01.2025.
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