es, Wuth und Verzweiflung in den nachtdüstern Zügen, in den glühenden Augen, wiederholt den Rachen öffnet, die Giftzähne aufrichtet, ja mit denselben nach den haltenden Fingern, wie sonst, rachedürstend über die Mundränder hinausgreift." Und das Gift verliert seine Wirksamkeit keineswegs sobald nach dem Tode; denn selbst getrocknet und wieder aufgeweicht, ist es, wie die in dieser Hinsicht ange- stellten vielfachen Versuche beweisen, mindestens befürchten lassen, noch fähig, das Blut eines höheren Säugethieres zu zerstören. Vorsicht also muß Jedem eingeschärft werden, welcher Lust und Willen zeigt, zur Verminderung der Giftschlangen beizutragen. Denjenigen meiner Leser, welche in Gegenden leben, die von dem Otterngezüchte verpestet sind, möchte ich nächtliche Jagden anrathen. Nach den oben mitgetheilten Erfahrungen glaube ich, daß man eine Gegend am Sichersten von Kreuzottern reinigen kann, wenn man sie nachts durch angezündete Feuer herbeilockt und dabei todtschlägt. Stiefeln, welche bis unter das Knie reichen, schützen vollkommen gegen ihren Biß; der Jäger läuft also, wenn er sich mit solchen kleidet, durchaus keine Gefahr, und die Jagd selbst wird sicherlich Jedermann Freude machen. Jedenfalls sollte man auch dieses Mittel nicht unversucht lassen.
Was nun die Behandlung Desjenigen anlangt, welcher das Unglück hat, gebissen zu werden, so will ich nochmals gesagt haben, daß, nach unserigen bisherigen Erfahrungen, Weingeist, d. h. Arak, Cognak, Rum, Branntwein, in sehr starken Gaben genossen, das wirksamste aller der unzähligen Gegenmittel ist, welche man versucht hat, daß also Jedermann im Stande ist, einen durch die Kreuz- otter Verwundeten zu behandeln, da er sich ja auch in dem kleinsten Dorfe Branntwein verschaffen kann. Unter den Gebirgsbewohnern Oberbaierns ist dieses vortreffliche Mittel übrigens, wie ich neuerlich aus sicherer Quelle erfahren, allgemein bekannt und wird fast regelmäßig mit Erfolg angewendet. Zur Beruhigung Derer, welche von der Anwendung in solchen Fällen schlimmere Folgen als einen Rausch befürchten, will ich ausdrücklich bemerken, daß die durch einen Otternbiß erkrankten Menschen auch nach unmäßigem Branntweingenusse nicht trunken werden, mindestens von dem Rausche Nichts verspüren. Daß man außerdem, wenn man kann, die Bißstelle aussaugt, ausschneidet und ausbrennt oder doch bis zur Erlangung ärztlicher Hilfe einen harten Gegenstand, beispielsweise ein Steinchen, so fest, als man es leiden kann, auf sie bindet: dies Alles bedarf, wie ich meine, einer besonderen Erwähnung nicht.
Jm südwestlichen Europa wird die Kreuzotter theilweise ersetzt und vertreten durch eine Verwandte, welcher der Name Viper mehr als jeder anderen gebührt, weil sie es ist, welche den alten Römern am Besten bekannt war und von ihnen "Vivipara", die lebendig Gebärende, genannt wurde. Man sieht sie gewöhnlich als Vertreterin einer besonderen Sippe (Vipera) an; die Unterschiede zwischen ihr und der Kreuzotter sind jedoch so geringfügiger Art, daß man Jan, welcher hierauf kein Gewicht legt, wohl beistimmen und beide, Kreuzotter und Viper, in einer und derselben Gruppe vereinigen kann. Während bei der Kreuzotter, wie wir sahen, der Vorderkopf mit kleinen Schildern bekleidet wird, ist er hier ganz mit Schuppen bedeckt, und während jene kleine Nasenlöcher hat, besitzt diese große und etwas anders gestaltete. Hierauf beschränken sich die unterscheidenden Merkmale, welche zur Aufstellung einer Sippe hervorgesucht werden können; denn im übrigen ähneln sich beide Schlangen wie Geschwister, und erst genauere Untersuchung und Vergleichung läßt Merkmale erkennen, welche befähigen, die eine von der anderen zu unterscheiden. Ein solches Merkmal besteht darin, daß der Rücken der Viper kein zusammenhängendes Zackenband, sondern nur große, getrennte Flecken zeigt, welche aber ganz in derselben Weise geordnet sind wie die, welche das Rückenband der Otter bilden. Die Grundfärbung, von welcher die dunkle Zeichnung sich abhebt, spielt ebenfalls in den verschiedensten Schattirungen von einfarbig Hellbräunlich an bis zum Kupferroth oder Braunschwarz, und wie bei der Kreuzotter sind auch bei der Viper die Männchen gewöhnlich lichter, die Weibchen dunkler gefärbt. Um eine, lebenden Stücken entnommene Beschreibung zu geben, will ich Schinz reden lassen: "Der Rücken ist mit vier Längsstreifen schwarzer oder schwarzbrauner Flecken bedeckt, wovon die beiden mittleren Reihen fast viereckig sind und dicht neben einander stehen, niemals aber
Kreuzotter. Viper.
es, Wuth und Verzweiflung in den nachtdüſtern Zügen, in den glühenden Augen, wiederholt den Rachen öffnet, die Giftzähne aufrichtet, ja mit denſelben nach den haltenden Fingern, wie ſonſt, rachedürſtend über die Mundränder hinausgreift.“ Und das Gift verliert ſeine Wirkſamkeit keineswegs ſobald nach dem Tode; denn ſelbſt getrocknet und wieder aufgeweicht, iſt es, wie die in dieſer Hinſicht ange- ſtellten vielfachen Verſuche beweiſen, mindeſtens befürchten laſſen, noch fähig, das Blut eines höheren Säugethieres zu zerſtören. Vorſicht alſo muß Jedem eingeſchärft werden, welcher Luſt und Willen zeigt, zur Verminderung der Giftſchlangen beizutragen. Denjenigen meiner Leſer, welche in Gegenden leben, die von dem Otterngezüchte verpeſtet ſind, möchte ich nächtliche Jagden anrathen. Nach den oben mitgetheilten Erfahrungen glaube ich, daß man eine Gegend am Sicherſten von Kreuzottern reinigen kann, wenn man ſie nachts durch angezündete Feuer herbeilockt und dabei todtſchlägt. Stiefeln, welche bis unter das Knie reichen, ſchützen vollkommen gegen ihren Biß; der Jäger läuft alſo, wenn er ſich mit ſolchen kleidet, durchaus keine Gefahr, und die Jagd ſelbſt wird ſicherlich Jedermann Freude machen. Jedenfalls ſollte man auch dieſes Mittel nicht unverſucht laſſen.
Was nun die Behandlung Desjenigen anlangt, welcher das Unglück hat, gebiſſen zu werden, ſo will ich nochmals geſagt haben, daß, nach unſerigen bisherigen Erfahrungen, Weingeiſt, d. h. Arak, Cognak, Rum, Branntwein, in ſehr ſtarken Gaben genoſſen, das wirkſamſte aller der unzähligen Gegenmittel iſt, welche man verſucht hat, daß alſo Jedermann im Stande iſt, einen durch die Kreuz- otter Verwundeten zu behandeln, da er ſich ja auch in dem kleinſten Dorfe Branntwein verſchaffen kann. Unter den Gebirgsbewohnern Oberbaierns iſt dieſes vortreffliche Mittel übrigens, wie ich neuerlich aus ſicherer Quelle erfahren, allgemein bekannt und wird faſt regelmäßig mit Erfolg angewendet. Zur Beruhigung Derer, welche von der Anwendung in ſolchen Fällen ſchlimmere Folgen als einen Rauſch befürchten, will ich ausdrücklich bemerken, daß die durch einen Otternbiß erkrankten Menſchen auch nach unmäßigem Branntweingenuſſe nicht trunken werden, mindeſtens von dem Rauſche Nichts verſpüren. Daß man außerdem, wenn man kann, die Bißſtelle ausſaugt, ausſchneidet und ausbrennt oder doch bis zur Erlangung ärztlicher Hilfe einen harten Gegenſtand, beiſpielsweiſe ein Steinchen, ſo feſt, als man es leiden kann, auf ſie bindet: dies Alles bedarf, wie ich meine, einer beſonderen Erwähnung nicht.
Jm ſüdweſtlichen Europa wird die Kreuzotter theilweiſe erſetzt und vertreten durch eine Verwandte, welcher der Name Viper mehr als jeder anderen gebührt, weil ſie es iſt, welche den alten Römern am Beſten bekannt war und von ihnen „Vivipara“, die lebendig Gebärende, genannt wurde. Man ſieht ſie gewöhnlich als Vertreterin einer beſonderen Sippe (Vipera) an; die Unterſchiede zwiſchen ihr und der Kreuzotter ſind jedoch ſo geringfügiger Art, daß man Jan, welcher hierauf kein Gewicht legt, wohl beiſtimmen und beide, Kreuzotter und Viper, in einer und derſelben Gruppe vereinigen kann. Während bei der Kreuzotter, wie wir ſahen, der Vorderkopf mit kleinen Schildern bekleidet wird, iſt er hier ganz mit Schuppen bedeckt, und während jene kleine Naſenlöcher hat, beſitzt dieſe große und etwas anders geſtaltete. Hierauf beſchränken ſich die unterſcheidenden Merkmale, welche zur Aufſtellung einer Sippe hervorgeſucht werden können; denn im übrigen ähneln ſich beide Schlangen wie Geſchwiſter, und erſt genauere Unterſuchung und Vergleichung läßt Merkmale erkennen, welche befähigen, die eine von der anderen zu unterſcheiden. Ein ſolches Merkmal beſteht darin, daß der Rücken der Viper kein zuſammenhängendes Zackenband, ſondern nur große, getrennte Flecken zeigt, welche aber ganz in derſelben Weiſe geordnet ſind wie die, welche das Rückenband der Otter bilden. Die Grundfärbung, von welcher die dunkle Zeichnung ſich abhebt, ſpielt ebenfalls in den verſchiedenſten Schattirungen von einfarbig Hellbräunlich an bis zum Kupferroth oder Braunſchwarz, und wie bei der Kreuzotter ſind auch bei der Viper die Männchen gewöhnlich lichter, die Weibchen dunkler gefärbt. Um eine, lebenden Stücken entnommene Beſchreibung zu geben, will ich Schinz reden laſſen: „Der Rücken iſt mit vier Längsſtreifen ſchwarzer oder ſchwarzbrauner Flecken bedeckt, wovon die beiden mittleren Reihen faſt viereckig ſind und dicht neben einander ſtehen, niemals aber
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[301/0327]
Kreuzotter. Viper.
es, Wuth und Verzweiflung in den nachtdüſtern Zügen, in den glühenden Augen, wiederholt den Rachen
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über die Mundränder hinausgreift.“ Und das Gift verliert ſeine Wirkſamkeit keineswegs ſobald
nach dem Tode; denn ſelbſt getrocknet und wieder aufgeweicht, iſt es, wie die in dieſer Hinſicht ange-
ſtellten vielfachen Verſuche beweiſen, mindeſtens befürchten laſſen, noch fähig, das Blut eines höheren
Säugethieres zu zerſtören. Vorſicht alſo muß Jedem eingeſchärft werden, welcher Luſt und Willen
zeigt, zur Verminderung der Giftſchlangen beizutragen. Denjenigen meiner Leſer, welche in Gegenden
leben, die von dem Otterngezüchte verpeſtet ſind, möchte ich nächtliche Jagden anrathen. Nach den
oben mitgetheilten Erfahrungen glaube ich, daß man eine Gegend am Sicherſten von Kreuzottern
reinigen kann, wenn man ſie nachts durch angezündete Feuer herbeilockt und dabei todtſchlägt.
Stiefeln, welche bis unter das Knie reichen, ſchützen vollkommen gegen ihren Biß; der Jäger läuft
alſo, wenn er ſich mit ſolchen kleidet, durchaus keine Gefahr, und die Jagd ſelbſt wird ſicherlich
Jedermann Freude machen. Jedenfalls ſollte man auch dieſes Mittel nicht unverſucht laſſen.
Was nun die Behandlung Desjenigen anlangt, welcher das Unglück hat, gebiſſen zu werden, ſo
will ich nochmals geſagt haben, daß, nach unſerigen bisherigen Erfahrungen, Weingeiſt, d. h. Arak,
Cognak, Rum, Branntwein, in ſehr ſtarken Gaben genoſſen, das wirkſamſte aller der unzähligen
Gegenmittel iſt, welche man verſucht hat, daß alſo Jedermann im Stande iſt, einen durch die Kreuz-
otter Verwundeten zu behandeln, da er ſich ja auch in dem kleinſten Dorfe Branntwein verſchaffen
kann. Unter den Gebirgsbewohnern Oberbaierns iſt dieſes vortreffliche Mittel übrigens, wie ich
neuerlich aus ſicherer Quelle erfahren, allgemein bekannt und wird faſt regelmäßig mit Erfolg
angewendet. Zur Beruhigung Derer, welche von der Anwendung in ſolchen Fällen ſchlimmere Folgen
als einen Rauſch befürchten, will ich ausdrücklich bemerken, daß die durch einen Otternbiß erkrankten
Menſchen auch nach unmäßigem Branntweingenuſſe nicht trunken werden, mindeſtens von dem
Rauſche Nichts verſpüren. Daß man außerdem, wenn man kann, die Bißſtelle ausſaugt, ausſchneidet
und ausbrennt oder doch bis zur Erlangung ärztlicher Hilfe einen harten Gegenſtand, beiſpielsweiſe
ein Steinchen, ſo feſt, als man es leiden kann, auf ſie bindet: dies Alles bedarf, wie ich meine, einer
beſonderen Erwähnung nicht.
Jm ſüdweſtlichen Europa wird die Kreuzotter theilweiſe erſetzt und vertreten durch eine Verwandte,
welcher der Name Viper mehr als jeder anderen gebührt, weil ſie es iſt, welche den alten Römern
am Beſten bekannt war und von ihnen „Vivipara“, die lebendig Gebärende, genannt wurde. Man
ſieht ſie gewöhnlich als Vertreterin einer beſonderen Sippe (Vipera) an; die Unterſchiede zwiſchen
ihr und der Kreuzotter ſind jedoch ſo geringfügiger Art, daß man Jan, welcher hierauf kein Gewicht
legt, wohl beiſtimmen und beide, Kreuzotter und Viper, in einer und derſelben Gruppe vereinigen
kann. Während bei der Kreuzotter, wie wir ſahen, der Vorderkopf mit kleinen Schildern bekleidet
wird, iſt er hier ganz mit Schuppen bedeckt, und während jene kleine Naſenlöcher hat, beſitzt dieſe
große und etwas anders geſtaltete. Hierauf beſchränken ſich die unterſcheidenden Merkmale, welche
zur Aufſtellung einer Sippe hervorgeſucht werden können; denn im übrigen ähneln ſich beide
Schlangen wie Geſchwiſter, und erſt genauere Unterſuchung und Vergleichung läßt Merkmale erkennen,
welche befähigen, die eine von der anderen zu unterſcheiden. Ein ſolches Merkmal beſteht darin, daß
der Rücken der Viper kein zuſammenhängendes Zackenband, ſondern nur große, getrennte Flecken
zeigt, welche aber ganz in derſelben Weiſe geordnet ſind wie die, welche das Rückenband der Otter
bilden. Die Grundfärbung, von welcher die dunkle Zeichnung ſich abhebt, ſpielt ebenfalls in den
verſchiedenſten Schattirungen von einfarbig Hellbräunlich an bis zum Kupferroth oder Braunſchwarz,
und wie bei der Kreuzotter ſind auch bei der Viper die Männchen gewöhnlich lichter, die Weibchen
dunkler gefärbt. Um eine, lebenden Stücken entnommene Beſchreibung zu geben, will ich Schinz
reden laſſen: „Der Rücken iſt mit vier Längsſtreifen ſchwarzer oder ſchwarzbrauner Flecken bedeckt,
wovon die beiden mittleren Reihen faſt viereckig ſind und dicht neben einander ſtehen, niemals aber
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/327>, abgerufen am 18.07.2024.
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