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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schlangen. Giftnattern. Seeschlangen.
da ihre Angriffe unvermuthet und blitzschnell geschehen, sie den Kopf auch erstaunlich weit vor- oder
emporwerfen.



Dem an Giftschlangen so reichen Australien gehört eine zahlreiche Sippschaft von Schlangen
an, welche äußerlich mit den Ottern große Aehnlichkeit haben und daher von vielen Forschern diesen
beigezählt wurden, sich jedoch als Furchenzähner zu erkennen geben. Wagler hat ihnen den Namen
der Furie Alecta beigelegt; wir können sie also geradezu Furien nennen. Gestalt und Zahnbau
lassen sie als Mittelglieder zwischen den Prunkottern und Schildvipern erscheinen; doch unterscheiden
sie sich von den einen wie von den anderen hinlänglich, um die Trennung zu rechtfertigen, insbesondere
dadurch, daß der Vordertheil des Oberkiefers hinter den kurzen, gefurchten Gifthaken noch einige
andere, kleine, gebogene und spitze Zähne ohne Furche trägt. Die Rückenschuppen ähneln den übrigen.
Der Untertheil des Schwanzes wird von einer einfachen Reihe von Schildern bekleidet.

Eine der bekanntesten und gefürchtetsten Arten dieser Sippe ist die Gelbotter (Alecto curta),
eine Schlange von reichlich 3 bis 4 Fuß Länge, gleichmäßig dunkelolivengrüner Färbung der Ober-
seite und blaßgelber der Unterseite, ausgezeichnet durch ihre großen, rundlichen, glatten Schuppen.

Wie viele von den unter den Ansiedlern gebräuchlichen Namen sich auf unsere Schlange beziehen,
läßt sich nicht mit Sicherheit bestimmen, ihr Verbreitungskreis deshalb auch noch nicht feststellen.
Wo sie vorkommt, tritt sie sehr häufig auf, so namentlich auch in Tasmanien, wo Verreaur während
der kurzen Zeit seines Aufenthaltes über vierzig Stück einsammeln konnte. Nach Bennett wird sie
ungemein gefürchtet, weil ihr Biß stets höchst bedenkliche Folgen nach sich zieht. Ein neunjähriger
Knabe aus Sidney wurde im Oktober 1858 von einer dieser Schlangen gebissen; ein geeignetes Gegen-
mittel aber von seinen Angehörigen leider nicht sofort in Anwendung gebracht, sondern der Knabe zu
dem etwa zwei englische Meilen entfernten Arzte gesandt. Als dessen Hilfe in Anwendung kam, befand
sich der Kranke bereits in einem sehr kläglichen Zustande, war schläfrig, hatte auf dem rechten Auge
die Sehfähigkeit verloren, litt überhaupt schwer unter den Folgen des Giftes. Am kleinen Finger,
in welchen er den Biß erhalten hatte, bemerkte man nur zwei feine Pünktchen, kaum aber eine Ent-
zündung oder Geschwulst. Man machte Einschnitte, saugte die Wunde aus, gab Salmiakgeist und
andere Reizmittel ein, zwang den armen Buben fortwährend umherzulaufen, um, wie es unter den
Schwarzen üblich, die Schläfrigkeit zu vertreiben, erzielte aber nicht den geringsten Erfolg; denn
acht Stunden nach dem Bisse fiel der Verwundete in Krämpfe und verschied.



So schwierig es ist, die Abtheilungen der Schlangen zu begrenzen, so leicht lassen sich die Mit-
glieder einer dieser Familien erkennen und von allen übrigen unterscheiden.

Die Seeschlangen (Hydri), welche die zweite Hauptgruppe der Furchenzähner bilden,
haben in ihrem Ruderschwanze ein so bezeichnendes Merkmal, daß es unmöglich ist, sie mit
anderen zu verwechseln. Bei roher Vergleichung scheinen sie aalartigen Fischen ähnlicher zu sein
als anderen Schlangen. Jhr Kopf ist verhältnißmäßig klein, der Rumpf kurz, seitlich zusammen-
gedrückt, der Schwanz sehr kurz und einem senkrecht gestellten Ruder vergleichbar. Die Nasenlöcher
öffnen sich oben in den großen Nasenschildern; die kleinen Augen haben einen runden Stern. Der
Kopf wird stets mit großen Schildern, der Leib mit kleinen Schuppen bekleidet, welche auch auf
der Unterseite nur ausnahmsweise zu Schildchen sich gestalten. Das Gebiß besteht aus gefurchten
Giftzähnen, an welche sich hinten noch eine Anzahl kleinerer, leicht gerinnelter Zähne reihen; den
Unterkiefer waffnen seiner ganzen Länge nach feste Fangzähne.

Dem ausgezeichneten Baue entsprechen Aufenthalt und Lebensweise, sodaß also diese Familie als
eine in jeder Hinsicht nach außen wohl abgegrenzte erscheinen muß. Alle Seeschlangen leben, wie ihr

Die Schlangen. Giftnattern. Seeſchlangen.
da ihre Angriffe unvermuthet und blitzſchnell geſchehen, ſie den Kopf auch erſtaunlich weit vor- oder
emporwerfen.



Dem an Giftſchlangen ſo reichen Auſtralien gehört eine zahlreiche Sippſchaft von Schlangen
an, welche äußerlich mit den Ottern große Aehnlichkeit haben und daher von vielen Forſchern dieſen
beigezählt wurden, ſich jedoch als Furchenzähner zu erkennen geben. Wagler hat ihnen den Namen
der Furie Alecta beigelegt; wir können ſie alſo geradezu Furien nennen. Geſtalt und Zahnbau
laſſen ſie als Mittelglieder zwiſchen den Prunkottern und Schildvipern erſcheinen; doch unterſcheiden
ſie ſich von den einen wie von den anderen hinlänglich, um die Trennung zu rechtfertigen, insbeſondere
dadurch, daß der Vordertheil des Oberkiefers hinter den kurzen, gefurchten Gifthaken noch einige
andere, kleine, gebogene und ſpitze Zähne ohne Furche trägt. Die Rückenſchuppen ähneln den übrigen.
Der Untertheil des Schwanzes wird von einer einfachen Reihe von Schildern bekleidet.

Eine der bekannteſten und gefürchtetſten Arten dieſer Sippe iſt die Gelbotter (Alecto curta),
eine Schlange von reichlich 3 bis 4 Fuß Länge, gleichmäßig dunkelolivengrüner Färbung der Ober-
ſeite und blaßgelber der Unterſeite, ausgezeichnet durch ihre großen, rundlichen, glatten Schuppen.

Wie viele von den unter den Anſiedlern gebräuchlichen Namen ſich auf unſere Schlange beziehen,
läßt ſich nicht mit Sicherheit beſtimmen, ihr Verbreitungskreis deshalb auch noch nicht feſtſtellen.
Wo ſie vorkommt, tritt ſie ſehr häufig auf, ſo namentlich auch in Tasmanien, wo Verreaur während
der kurzen Zeit ſeines Aufenthaltes über vierzig Stück einſammeln konnte. Nach Bennett wird ſie
ungemein gefürchtet, weil ihr Biß ſtets höchſt bedenkliche Folgen nach ſich zieht. Ein neunjähriger
Knabe aus Sidney wurde im Oktober 1858 von einer dieſer Schlangen gebiſſen; ein geeignetes Gegen-
mittel aber von ſeinen Angehörigen leider nicht ſofort in Anwendung gebracht, ſondern der Knabe zu
dem etwa zwei engliſche Meilen entfernten Arzte geſandt. Als deſſen Hilfe in Anwendung kam, befand
ſich der Kranke bereits in einem ſehr kläglichen Zuſtande, war ſchläfrig, hatte auf dem rechten Auge
die Sehfähigkeit verloren, litt überhaupt ſchwer unter den Folgen des Giftes. Am kleinen Finger,
in welchen er den Biß erhalten hatte, bemerkte man nur zwei feine Pünktchen, kaum aber eine Ent-
zündung oder Geſchwulſt. Man machte Einſchnitte, ſaugte die Wunde aus, gab Salmiakgeiſt und
andere Reizmittel ein, zwang den armen Buben fortwährend umherzulaufen, um, wie es unter den
Schwarzen üblich, die Schläfrigkeit zu vertreiben, erzielte aber nicht den geringſten Erfolg; denn
acht Stunden nach dem Biſſe fiel der Verwundete in Krämpfe und verſchied.



So ſchwierig es iſt, die Abtheilungen der Schlangen zu begrenzen, ſo leicht laſſen ſich die Mit-
glieder einer dieſer Familien erkennen und von allen übrigen unterſcheiden.

Die Seeſchlangen (Hydri), welche die zweite Hauptgruppe der Furchenzähner bilden,
haben in ihrem Ruderſchwanze ein ſo bezeichnendes Merkmal, daß es unmöglich iſt, ſie mit
anderen zu verwechſeln. Bei roher Vergleichung ſcheinen ſie aalartigen Fiſchen ähnlicher zu ſein
als anderen Schlangen. Jhr Kopf iſt verhältnißmäßig klein, der Rumpf kurz, ſeitlich zuſammen-
gedrückt, der Schwanz ſehr kurz und einem ſenkrecht geſtellten Ruder vergleichbar. Die Naſenlöcher
öffnen ſich oben in den großen Naſenſchildern; die kleinen Augen haben einen runden Stern. Der
Kopf wird ſtets mit großen Schildern, der Leib mit kleinen Schuppen bekleidet, welche auch auf
der Unterſeite nur ausnahmsweiſe zu Schildchen ſich geſtalten. Das Gebiß beſteht aus gefurchten
Giftzähnen, an welche ſich hinten noch eine Anzahl kleinerer, leicht gerinnelter Zähne reihen; den
Unterkiefer waffnen ſeiner ganzen Länge nach feſte Fangzähne.

Dem ausgezeichneten Baue entſprechen Aufenthalt und Lebensweiſe, ſodaß alſo dieſe Familie als
eine in jeder Hinſicht nach außen wohl abgegrenzte erſcheinen muß. Alle Seeſchlangen leben, wie ihr

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[282/0306] Die Schlangen. Giftnattern. Seeſchlangen. da ihre Angriffe unvermuthet und blitzſchnell geſchehen, ſie den Kopf auch erſtaunlich weit vor- oder emporwerfen. Dem an Giftſchlangen ſo reichen Auſtralien gehört eine zahlreiche Sippſchaft von Schlangen an, welche äußerlich mit den Ottern große Aehnlichkeit haben und daher von vielen Forſchern dieſen beigezählt wurden, ſich jedoch als Furchenzähner zu erkennen geben. Wagler hat ihnen den Namen der Furie Alecta beigelegt; wir können ſie alſo geradezu Furien nennen. Geſtalt und Zahnbau laſſen ſie als Mittelglieder zwiſchen den Prunkottern und Schildvipern erſcheinen; doch unterſcheiden ſie ſich von den einen wie von den anderen hinlänglich, um die Trennung zu rechtfertigen, insbeſondere dadurch, daß der Vordertheil des Oberkiefers hinter den kurzen, gefurchten Gifthaken noch einige andere, kleine, gebogene und ſpitze Zähne ohne Furche trägt. Die Rückenſchuppen ähneln den übrigen. Der Untertheil des Schwanzes wird von einer einfachen Reihe von Schildern bekleidet. Eine der bekannteſten und gefürchtetſten Arten dieſer Sippe iſt die Gelbotter (Alecto curta), eine Schlange von reichlich 3 bis 4 Fuß Länge, gleichmäßig dunkelolivengrüner Färbung der Ober- ſeite und blaßgelber der Unterſeite, ausgezeichnet durch ihre großen, rundlichen, glatten Schuppen. Wie viele von den unter den Anſiedlern gebräuchlichen Namen ſich auf unſere Schlange beziehen, läßt ſich nicht mit Sicherheit beſtimmen, ihr Verbreitungskreis deshalb auch noch nicht feſtſtellen. Wo ſie vorkommt, tritt ſie ſehr häufig auf, ſo namentlich auch in Tasmanien, wo Verreaur während der kurzen Zeit ſeines Aufenthaltes über vierzig Stück einſammeln konnte. Nach Bennett wird ſie ungemein gefürchtet, weil ihr Biß ſtets höchſt bedenkliche Folgen nach ſich zieht. Ein neunjähriger Knabe aus Sidney wurde im Oktober 1858 von einer dieſer Schlangen gebiſſen; ein geeignetes Gegen- mittel aber von ſeinen Angehörigen leider nicht ſofort in Anwendung gebracht, ſondern der Knabe zu dem etwa zwei engliſche Meilen entfernten Arzte geſandt. Als deſſen Hilfe in Anwendung kam, befand ſich der Kranke bereits in einem ſehr kläglichen Zuſtande, war ſchläfrig, hatte auf dem rechten Auge die Sehfähigkeit verloren, litt überhaupt ſchwer unter den Folgen des Giftes. Am kleinen Finger, in welchen er den Biß erhalten hatte, bemerkte man nur zwei feine Pünktchen, kaum aber eine Ent- zündung oder Geſchwulſt. Man machte Einſchnitte, ſaugte die Wunde aus, gab Salmiakgeiſt und andere Reizmittel ein, zwang den armen Buben fortwährend umherzulaufen, um, wie es unter den Schwarzen üblich, die Schläfrigkeit zu vertreiben, erzielte aber nicht den geringſten Erfolg; denn acht Stunden nach dem Biſſe fiel der Verwundete in Krämpfe und verſchied. So ſchwierig es iſt, die Abtheilungen der Schlangen zu begrenzen, ſo leicht laſſen ſich die Mit- glieder einer dieſer Familien erkennen und von allen übrigen unterſcheiden. Die Seeſchlangen (Hydri), welche die zweite Hauptgruppe der Furchenzähner bilden, haben in ihrem Ruderſchwanze ein ſo bezeichnendes Merkmal, daß es unmöglich iſt, ſie mit anderen zu verwechſeln. Bei roher Vergleichung ſcheinen ſie aalartigen Fiſchen ähnlicher zu ſein als anderen Schlangen. Jhr Kopf iſt verhältnißmäßig klein, der Rumpf kurz, ſeitlich zuſammen- gedrückt, der Schwanz ſehr kurz und einem ſenkrecht geſtellten Ruder vergleichbar. Die Naſenlöcher öffnen ſich oben in den großen Naſenſchildern; die kleinen Augen haben einen runden Stern. Der Kopf wird ſtets mit großen Schildern, der Leib mit kleinen Schuppen bekleidet, welche auch auf der Unterſeite nur ausnahmsweiſe zu Schildchen ſich geſtalten. Das Gebiß beſteht aus gefurchten Giftzähnen, an welche ſich hinten noch eine Anzahl kleinerer, leicht gerinnelter Zähne reihen; den Unterkiefer waffnen ſeiner ganzen Länge nach feſte Fangzähne. Dem ausgezeichneten Baue entſprechen Aufenthalt und Lebensweiſe, ſodaß alſo dieſe Familie als eine in jeder Hinſicht nach außen wohl abgegrenzte erſcheinen muß. Alle Seeſchlangen leben, wie ihr

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/306>, abgerufen am 23.12.2024.