denen des Rumpftheiles nur durch ihre etwas geringere Größe unterscheiden. Von ihm an nach hinten zu haben alle Wirbel mehr oder weniger denselben Bau. Sie sind durch wirkliche Kugel- gelenke mit einander verbunden, derart, daß der Gelenkknopf des vorhergehenden in einer runden Pfanne des nachfolgenden spielt, und tragen Rippen, welche ebenso durch Kugelgelenke mit den Wirbelkörpern zusammenhängen. Jm Schwanztheile verkümmern die Rippen mehr und mehr, bis sie endlich gänzlich verschwinden. Je nach Art und Größe schwankt die Anzahl der Wirbel in weiten Grenzen: ausnahmsweise nur scheint sie weniger als hundert zu betragen; sie kann aber bei einzelnen Arten bis gegen vierhundert ansteigen. Ein Brustbein fehlt allen Schlangen, da die Rippen voll- ständig frei endigen, und ebensowenig bemerkt man eine Spur von dem Schultergürtel und dem vorderen Fußpaare.
Nicht minder beachtenswerth als die Knochen des Gerippes sind die Zähne, welche je nach den verschiedenen Familien wichtige Unterschiede zeigen und zur Aufstellung von Zünften oder Unter- ordnungen benutzt worden sind. Man unterscheidet dreierlei Arten: derbe, gefurchte, d. h. solche, welche an ihrer äußeren Seite mit einer tiefen, von der Wurzel bis zur Spitze verlaufenden Furche versehen sind, und hohle, am Vordertheile der Wurzel durchlöcherte, an der Spitze gespaltene. Alle sind nach hinten gekrümmte, spitzige Hakenzähne, welche nur zum Beißen und zum Festhalten der Beute, niemals aber zum Zerreißen oder zum Kauen dienen können. Die derben Zähne bilden einen aus harter Zahnmasse bestehenden, mit dünner Glänze bekleideten Kegel; die Furchenzähne erscheinen gewissermaßen als unvollkommene Hohlzähne; denn man kann sagen, daß sich bei letzteren die Ränder der Furche zusammengewölbt und eine Röhre gebildet haben. "Nach dieser Beschaffen- heit der Zähne", bemerkt Karl Vogt, "richtet sich auch der Bau des Oberkieferapparats. Bei den ungefährlichen Schlangen mit ganz soliden Zähnen sind die Oberkiefer sehr lang und mit einer ununterbrochenen Reihe von Zähnen besetzt, auf welcher ein zweiter Zahnbogen nach innen folgt, gebildet von den in das Gaumenbein eingepflanzten, bei fast allen Schlangen sich findenden Zähnen. Bei den sogenannten Trugschlangen mit gefurchten Zähnen ist der Oberkiefer schon kürzer, in seinem Vordertheile mit kleinen Hakenzähnen und hinten mit den großen Rinnenzähnen bewaffnet. Bei den unechten Giftschlangen ist der Oberkiefer nur kurz und trägt hinter den großen, geschlitzten Gift- zähnen einige kleine, solide Hakenzähne; bei den Ottern endlich ist der Oberkiefer auf ein ganz kurzes Knöchelchen verkümmert und nur mit hohlen und geschlitzten Giftzähnen besetzt." Genaueres hierüber wird bei Schilderung der einzelnen Unterabtheilungen selbst, insbesondere bei Beschreibung der Gift- schlangen zu sagen sein.
Eine Folge der eigenthümlichen Bildung des Knochengerüstes ist die Menge der Muskeln. Man kann ebenso viele Zwischenrippenmuskeln zählen als Rippen; außerdem verlaufen längs des Rückens Muskeln, welche an den vielen Rippen und Wirbeln zahlreiche Befestigungspunkte finden und deshalb nicht blos gewaltige Kraft äußern, sondern auch in der verschiedenartigsten Richtung wirken können. Wie bei allen Kriechthieren überhaupt sind sie sehr blaß von Farbe.
Der langgestreckten Gestalt des Leibes entsprechen die Eingeweide. Die Luftröhre öffnet sich weit vorn im Munde, zieht sich unter und neben der Speiseröhre hin und besteht aus feinen, dehnbaren Knorpelringen, welche im vorderen Theile geschlossen, hinten aber durch eine Haut verbunden sind; der Kehlkopf ist nicht deutlich gebildet, und der Kehldeckel fehlt. Nach unten zu erweitern sich die Ringe allmählich und gehen in die Lunge über, welche einen einzigen großen Hohl- sack bildet und sich bis gegen das Ende des Bauches erstreckt. Eine zweite Lunge wird nur bei wenigen Schlangen bemerkt, ist aber stets bedeutend kleiner als die erstere. Das kleine Herz, welches weit vom Kopfe entfernt liegt, hat zwei vollkommen geschiedene Vorkammern und eine unvollkommen getrennte Herzkammer. Die Verdauungswerkzeuge zeichnen sich durch ihre Einfachheit aus. Der Schlund ist lang und sehr muskelkräftig, der Magen, eigentlich nur eine Erweiterung desselben, einem langen Sacke zu vergleichen, von dem der kurze und wenig gewundene Darmschlauch blos durch eine Verengerung des Ganzen abgeschlossen wird. Sehr lang gestreckt sind Nieren, Eierstöcke und Hoden;
Die Schlangen.
denen des Rumpftheiles nur durch ihre etwas geringere Größe unterſcheiden. Von ihm an nach hinten zu haben alle Wirbel mehr oder weniger denſelben Bau. Sie ſind durch wirkliche Kugel- gelenke mit einander verbunden, derart, daß der Gelenkknopf des vorhergehenden in einer runden Pfanne des nachfolgenden ſpielt, und tragen Rippen, welche ebenſo durch Kugelgelenke mit den Wirbelkörpern zuſammenhängen. Jm Schwanztheile verkümmern die Rippen mehr und mehr, bis ſie endlich gänzlich verſchwinden. Je nach Art und Größe ſchwankt die Anzahl der Wirbel in weiten Grenzen: ausnahmsweiſe nur ſcheint ſie weniger als hundert zu betragen; ſie kann aber bei einzelnen Arten bis gegen vierhundert anſteigen. Ein Bruſtbein fehlt allen Schlangen, da die Rippen voll- ſtändig frei endigen, und ebenſowenig bemerkt man eine Spur von dem Schultergürtel und dem vorderen Fußpaare.
Nicht minder beachtenswerth als die Knochen des Gerippes ſind die Zähne, welche je nach den verſchiedenen Familien wichtige Unterſchiede zeigen und zur Aufſtellung von Zünften oder Unter- ordnungen benutzt worden ſind. Man unterſcheidet dreierlei Arten: derbe, gefurchte, d. h. ſolche, welche an ihrer äußeren Seite mit einer tiefen, von der Wurzel bis zur Spitze verlaufenden Furche verſehen ſind, und hohle, am Vordertheile der Wurzel durchlöcherte, an der Spitze geſpaltene. Alle ſind nach hinten gekrümmte, ſpitzige Hakenzähne, welche nur zum Beißen und zum Feſthalten der Beute, niemals aber zum Zerreißen oder zum Kauen dienen können. Die derben Zähne bilden einen aus harter Zahnmaſſe beſtehenden, mit dünner Glänze bekleideten Kegel; die Furchenzähne erſcheinen gewiſſermaßen als unvollkommene Hohlzähne; denn man kann ſagen, daß ſich bei letzteren die Ränder der Furche zuſammengewölbt und eine Röhre gebildet haben. „Nach dieſer Beſchaffen- heit der Zähne“, bemerkt Karl Vogt, „richtet ſich auch der Bau des Oberkieferapparats. Bei den ungefährlichen Schlangen mit ganz ſoliden Zähnen ſind die Oberkiefer ſehr lang und mit einer ununterbrochenen Reihe von Zähnen beſetzt, auf welcher ein zweiter Zahnbogen nach innen folgt, gebildet von den in das Gaumenbein eingepflanzten, bei faſt allen Schlangen ſich findenden Zähnen. Bei den ſogenannten Trugſchlangen mit gefurchten Zähnen iſt der Oberkiefer ſchon kürzer, in ſeinem Vordertheile mit kleinen Hakenzähnen und hinten mit den großen Rinnenzähnen bewaffnet. Bei den unechten Giftſchlangen iſt der Oberkiefer nur kurz und trägt hinter den großen, geſchlitzten Gift- zähnen einige kleine, ſolide Hakenzähne; bei den Ottern endlich iſt der Oberkiefer auf ein ganz kurzes Knöchelchen verkümmert und nur mit hohlen und geſchlitzten Giftzähnen beſetzt.“ Genaueres hierüber wird bei Schilderung der einzelnen Unterabtheilungen ſelbſt, insbeſondere bei Beſchreibung der Gift- ſchlangen zu ſagen ſein.
Eine Folge der eigenthümlichen Bildung des Knochengerüſtes iſt die Menge der Muskeln. Man kann ebenſo viele Zwiſchenrippenmuskeln zählen als Rippen; außerdem verlaufen längs des Rückens Muskeln, welche an den vielen Rippen und Wirbeln zahlreiche Befeſtigungspunkte finden und deshalb nicht blos gewaltige Kraft äußern, ſondern auch in der verſchiedenartigſten Richtung wirken können. Wie bei allen Kriechthieren überhaupt ſind ſie ſehr blaß von Farbe.
Der langgeſtreckten Geſtalt des Leibes entſprechen die Eingeweide. Die Luftröhre öffnet ſich weit vorn im Munde, zieht ſich unter und neben der Speiſeröhre hin und beſteht aus feinen, dehnbaren Knorpelringen, welche im vorderen Theile geſchloſſen, hinten aber durch eine Haut verbunden ſind; der Kehlkopf iſt nicht deutlich gebildet, und der Kehldeckel fehlt. Nach unten zu erweitern ſich die Ringe allmählich und gehen in die Lunge über, welche einen einzigen großen Hohl- ſack bildet und ſich bis gegen das Ende des Bauches erſtreckt. Eine zweite Lunge wird nur bei wenigen Schlangen bemerkt, iſt aber ſtets bedeutend kleiner als die erſtere. Das kleine Herz, welches weit vom Kopfe entfernt liegt, hat zwei vollkommen geſchiedene Vorkammern und eine unvollkommen getrennte Herzkammer. Die Verdauungswerkzeuge zeichnen ſich durch ihre Einfachheit aus. Der Schlund iſt lang und ſehr muskelkräftig, der Magen, eigentlich nur eine Erweiterung deſſelben, einem langen Sacke zu vergleichen, von dem der kurze und wenig gewundene Darmſchlauch blos durch eine Verengerung des Ganzen abgeſchloſſen wird. Sehr lang geſtreckt ſind Nieren, Eierſtöcke und Hoden;
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0194"n="174"/><fwplace="top"type="header">Die Schlangen.</fw><lb/>
denen des Rumpftheiles nur durch ihre etwas geringere Größe unterſcheiden. Von ihm an nach<lb/>
hinten zu haben alle Wirbel mehr oder weniger denſelben Bau. Sie ſind durch wirkliche Kugel-<lb/>
gelenke mit einander verbunden, derart, daß der Gelenkknopf des vorhergehenden in einer runden<lb/>
Pfanne des nachfolgenden ſpielt, und tragen Rippen, welche ebenſo durch Kugelgelenke mit den<lb/>
Wirbelkörpern zuſammenhängen. Jm Schwanztheile verkümmern die Rippen mehr und mehr, bis ſie<lb/>
endlich gänzlich verſchwinden. Je nach Art und Größe ſchwankt die Anzahl der Wirbel in weiten<lb/>
Grenzen: ausnahmsweiſe nur ſcheint ſie weniger als hundert zu betragen; ſie kann aber bei einzelnen<lb/>
Arten bis gegen vierhundert anſteigen. Ein Bruſtbein fehlt allen Schlangen, da die Rippen voll-<lb/>ſtändig frei endigen, und ebenſowenig bemerkt man eine Spur von dem Schultergürtel und dem<lb/>
vorderen Fußpaare.</p><lb/><p>Nicht minder beachtenswerth als die Knochen des Gerippes ſind die Zähne, welche je nach den<lb/>
verſchiedenen Familien wichtige Unterſchiede zeigen und zur Aufſtellung von Zünften oder Unter-<lb/>
ordnungen benutzt worden ſind. Man unterſcheidet dreierlei Arten: derbe, gefurchte, d. h. ſolche,<lb/>
welche an ihrer äußeren Seite mit einer tiefen, von der Wurzel bis zur Spitze verlaufenden Furche<lb/>
verſehen ſind, und hohle, am Vordertheile der Wurzel durchlöcherte, an der Spitze geſpaltene. Alle<lb/>ſind nach hinten gekrümmte, ſpitzige Hakenzähne, welche nur zum Beißen und zum Feſthalten der<lb/>
Beute, niemals aber zum Zerreißen oder zum Kauen dienen können. Die derben Zähne bilden<lb/>
einen aus harter Zahnmaſſe beſtehenden, mit dünner Glänze bekleideten Kegel; die Furchenzähne<lb/>
erſcheinen gewiſſermaßen als unvollkommene Hohlzähne; denn man kann ſagen, daß ſich bei letzteren<lb/>
die Ränder der Furche zuſammengewölbt und eine Röhre gebildet haben. „Nach dieſer Beſchaffen-<lb/>
heit der Zähne“, bemerkt <hirendition="#g">Karl Vogt,</hi>„richtet ſich auch der Bau des Oberkieferapparats. Bei den<lb/>
ungefährlichen Schlangen mit ganz ſoliden Zähnen ſind die Oberkiefer ſehr lang und mit einer<lb/>
ununterbrochenen Reihe von Zähnen beſetzt, auf welcher ein zweiter Zahnbogen nach innen folgt,<lb/>
gebildet von den in das Gaumenbein eingepflanzten, bei faſt allen Schlangen ſich findenden Zähnen.<lb/>
Bei den ſogenannten Trugſchlangen mit gefurchten Zähnen iſt der Oberkiefer ſchon kürzer, in ſeinem<lb/>
Vordertheile mit kleinen Hakenzähnen und hinten mit den großen Rinnenzähnen bewaffnet. Bei<lb/>
den unechten Giftſchlangen iſt der Oberkiefer nur kurz und trägt hinter den großen, geſchlitzten Gift-<lb/>
zähnen einige kleine, ſolide Hakenzähne; bei den Ottern endlich iſt der Oberkiefer auf ein ganz kurzes<lb/>
Knöchelchen verkümmert und nur mit hohlen und geſchlitzten Giftzähnen beſetzt.“ Genaueres hierüber<lb/>
wird bei Schilderung der einzelnen Unterabtheilungen ſelbſt, insbeſondere bei Beſchreibung der Gift-<lb/>ſchlangen zu ſagen ſein.</p><lb/><p>Eine Folge der eigenthümlichen Bildung des Knochengerüſtes iſt die Menge der Muskeln. Man<lb/>
kann ebenſo viele Zwiſchenrippenmuskeln zählen als Rippen; außerdem verlaufen längs des Rückens<lb/>
Muskeln, welche an den vielen Rippen und Wirbeln zahlreiche Befeſtigungspunkte finden und<lb/>
deshalb nicht blos gewaltige Kraft äußern, ſondern auch in der verſchiedenartigſten Richtung wirken<lb/>
können. Wie bei allen Kriechthieren überhaupt ſind ſie ſehr blaß von Farbe.</p><lb/><p>Der langgeſtreckten Geſtalt des Leibes entſprechen die Eingeweide. Die Luftröhre öffnet ſich<lb/>
weit vorn im Munde, zieht ſich unter und neben der Speiſeröhre hin und beſteht aus feinen,<lb/>
dehnbaren Knorpelringen, welche im vorderen Theile geſchloſſen, hinten aber durch eine Haut<lb/>
verbunden ſind; der Kehlkopf iſt nicht deutlich gebildet, und der Kehldeckel fehlt. Nach unten zu<lb/>
erweitern ſich die Ringe allmählich und gehen in die Lunge über, welche einen einzigen großen Hohl-<lb/>ſack bildet und ſich bis gegen das Ende des Bauches erſtreckt. Eine zweite Lunge wird nur bei<lb/>
wenigen Schlangen bemerkt, iſt aber ſtets bedeutend kleiner als die erſtere. Das kleine Herz, welches<lb/>
weit vom Kopfe entfernt liegt, hat zwei vollkommen geſchiedene Vorkammern und eine unvollkommen<lb/>
getrennte Herzkammer. Die Verdauungswerkzeuge zeichnen ſich durch ihre Einfachheit aus. Der<lb/>
Schlund iſt lang und ſehr muskelkräftig, der Magen, eigentlich nur eine Erweiterung deſſelben, einem<lb/>
langen Sacke zu vergleichen, von dem der kurze und wenig gewundene Darmſchlauch blos durch eine<lb/>
Verengerung des Ganzen abgeſchloſſen wird. Sehr lang geſtreckt ſind Nieren, Eierſtöcke und Hoden;<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[174/0194]
Die Schlangen.
denen des Rumpftheiles nur durch ihre etwas geringere Größe unterſcheiden. Von ihm an nach
hinten zu haben alle Wirbel mehr oder weniger denſelben Bau. Sie ſind durch wirkliche Kugel-
gelenke mit einander verbunden, derart, daß der Gelenkknopf des vorhergehenden in einer runden
Pfanne des nachfolgenden ſpielt, und tragen Rippen, welche ebenſo durch Kugelgelenke mit den
Wirbelkörpern zuſammenhängen. Jm Schwanztheile verkümmern die Rippen mehr und mehr, bis ſie
endlich gänzlich verſchwinden. Je nach Art und Größe ſchwankt die Anzahl der Wirbel in weiten
Grenzen: ausnahmsweiſe nur ſcheint ſie weniger als hundert zu betragen; ſie kann aber bei einzelnen
Arten bis gegen vierhundert anſteigen. Ein Bruſtbein fehlt allen Schlangen, da die Rippen voll-
ſtändig frei endigen, und ebenſowenig bemerkt man eine Spur von dem Schultergürtel und dem
vorderen Fußpaare.
Nicht minder beachtenswerth als die Knochen des Gerippes ſind die Zähne, welche je nach den
verſchiedenen Familien wichtige Unterſchiede zeigen und zur Aufſtellung von Zünften oder Unter-
ordnungen benutzt worden ſind. Man unterſcheidet dreierlei Arten: derbe, gefurchte, d. h. ſolche,
welche an ihrer äußeren Seite mit einer tiefen, von der Wurzel bis zur Spitze verlaufenden Furche
verſehen ſind, und hohle, am Vordertheile der Wurzel durchlöcherte, an der Spitze geſpaltene. Alle
ſind nach hinten gekrümmte, ſpitzige Hakenzähne, welche nur zum Beißen und zum Feſthalten der
Beute, niemals aber zum Zerreißen oder zum Kauen dienen können. Die derben Zähne bilden
einen aus harter Zahnmaſſe beſtehenden, mit dünner Glänze bekleideten Kegel; die Furchenzähne
erſcheinen gewiſſermaßen als unvollkommene Hohlzähne; denn man kann ſagen, daß ſich bei letzteren
die Ränder der Furche zuſammengewölbt und eine Röhre gebildet haben. „Nach dieſer Beſchaffen-
heit der Zähne“, bemerkt Karl Vogt, „richtet ſich auch der Bau des Oberkieferapparats. Bei den
ungefährlichen Schlangen mit ganz ſoliden Zähnen ſind die Oberkiefer ſehr lang und mit einer
ununterbrochenen Reihe von Zähnen beſetzt, auf welcher ein zweiter Zahnbogen nach innen folgt,
gebildet von den in das Gaumenbein eingepflanzten, bei faſt allen Schlangen ſich findenden Zähnen.
Bei den ſogenannten Trugſchlangen mit gefurchten Zähnen iſt der Oberkiefer ſchon kürzer, in ſeinem
Vordertheile mit kleinen Hakenzähnen und hinten mit den großen Rinnenzähnen bewaffnet. Bei
den unechten Giftſchlangen iſt der Oberkiefer nur kurz und trägt hinter den großen, geſchlitzten Gift-
zähnen einige kleine, ſolide Hakenzähne; bei den Ottern endlich iſt der Oberkiefer auf ein ganz kurzes
Knöchelchen verkümmert und nur mit hohlen und geſchlitzten Giftzähnen beſetzt.“ Genaueres hierüber
wird bei Schilderung der einzelnen Unterabtheilungen ſelbſt, insbeſondere bei Beſchreibung der Gift-
ſchlangen zu ſagen ſein.
Eine Folge der eigenthümlichen Bildung des Knochengerüſtes iſt die Menge der Muskeln. Man
kann ebenſo viele Zwiſchenrippenmuskeln zählen als Rippen; außerdem verlaufen längs des Rückens
Muskeln, welche an den vielen Rippen und Wirbeln zahlreiche Befeſtigungspunkte finden und
deshalb nicht blos gewaltige Kraft äußern, ſondern auch in der verſchiedenartigſten Richtung wirken
können. Wie bei allen Kriechthieren überhaupt ſind ſie ſehr blaß von Farbe.
Der langgeſtreckten Geſtalt des Leibes entſprechen die Eingeweide. Die Luftröhre öffnet ſich
weit vorn im Munde, zieht ſich unter und neben der Speiſeröhre hin und beſteht aus feinen,
dehnbaren Knorpelringen, welche im vorderen Theile geſchloſſen, hinten aber durch eine Haut
verbunden ſind; der Kehlkopf iſt nicht deutlich gebildet, und der Kehldeckel fehlt. Nach unten zu
erweitern ſich die Ringe allmählich und gehen in die Lunge über, welche einen einzigen großen Hohl-
ſack bildet und ſich bis gegen das Ende des Bauches erſtreckt. Eine zweite Lunge wird nur bei
wenigen Schlangen bemerkt, iſt aber ſtets bedeutend kleiner als die erſtere. Das kleine Herz, welches
weit vom Kopfe entfernt liegt, hat zwei vollkommen geſchiedene Vorkammern und eine unvollkommen
getrennte Herzkammer. Die Verdauungswerkzeuge zeichnen ſich durch ihre Einfachheit aus. Der
Schlund iſt lang und ſehr muskelkräftig, der Magen, eigentlich nur eine Erweiterung deſſelben, einem
langen Sacke zu vergleichen, von dem der kurze und wenig gewundene Darmſchlauch blos durch eine
Verengerung des Ganzen abgeſchloſſen wird. Sehr lang geſtreckt ſind Nieren, Eierſtöcke und Hoden;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/194>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.