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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schuppenechsen. Glanzschleichen.
besitzt sie eine auffallende Zählebigkeit. "Wenn man sie der Länge nach aufschneidet, das Herz und
alle Eingeweide herausnimmt, so schließt sie den aufgeschnittenen Bauch wieder und kriecht noch stunden-
lang umher oder schwimmt auch, in das Wasser geworfen, noch lange, doch nicht so gut, als wenn sie
unversehrt ist." Tabakssaft, welcher Schlangen leicht umbringt, tödtet sie nicht. Lenz gab zwei
Blindschleichen an drei auf einander folgenden Tagen Tabakssaft ein; sie wurden zwar anfangs
betäubt, erholten sich aber dann wieder. Eine, welche Steinöl einnehmen mußte, wurde zwar sehr
unruhig und bewegte sich so heftig, daß ihr Schwanz abbrach, zeigte aber nicht einmal Spuren von
Betäubung und blieb natürlich am Leben.

Die Blindschleiche gehört zu denjenigen Echsen, welche lebende Junge zur Welt bringen. Nach
Lenz scheint die Fortpflanzungsfähigkeit erst mit dem vierten oder fünften Jahre einzutreten, da er
zum Legen reife Eier nur bei Erwachsenen oder fast Erwachsenen fand. Der paarige Eierstock des
Weibchens liegt etwa vier Zoll hinter dem Kopfe und stellt ein längeres Bündelchen runder Eier dar,
welche die Größe kleiner Hirsekörner haben. Die Entwickelung derselben findet statt in den feinen,
häutigen Eigängen, welche in das Ende des Darmschlauches münden. Nach der Paarung bemerkt
man acht bis sechzehn Eier, welche Anfangs April wie kleine Hanfkörner, Anfangs Juni wie große
Erbsen und Mitte Juni's sechs bis sieben Linien lang und gegen fünf Linien dick sind. Um diese Zeit
sieht man das zarte, kleine Junge schon deutlich; in der ersten Hälfte des August sind bei manchen
Müttern die Jungen bereits drei Zoll lang und gegen eine und eine Viertel-Linie dick, liegen
zusammengerollt im Eie und bewegen sich, wenn man dasselbe öffnet. Jhre Färbung ist weißlich,
auf Kopf und Bauch ins Bläuliche spielend; längs der Rückenmitte verläuft eine bläuliche Linie.
Die Geburt der Jungen fällt in die zweite Hälfte des August oder in die erste Hälfte des September;
die Eier werden in Zwischenräumen von mehreren Minuten gelegt, und das Junge windet sich
sogleich aus der häutigen, dünnen, durchsichtigen Eischale los. Bei manchen Weibchen erfolgt die
Entwickelung übrigens erst viel später.

Lenz sagt, daß er mehr als hundert Junge von seinem gefangenen Weibchen bekommen habe,
dieselben jedoch in Zeit von einer bis sechs Wochen sämmtlich verhungert seien. Andere Liebhaber,
namentlich Erber, waren glücklicher, denn es gelang ihnen, die kleinen Thierchen aufzuziehen.
Doch ist Dies in der That nicht leicht, da die jungen Blindschleichen nur die allerfeinsten Kerfe
bewältigen können, und man nicht immer im Stande ist, diese zu beschaffen. Alt Eingefangene gehen
gewöhnlich ohne Widerstreben ans Futter, lassen sich daher bei geeigneter Behandlung ohne besondere
Schwierigkeit jahrelang erhalten. Sie sind wirklich anmuthige Gefangene, welche dem Liebhaber
viel Vergnügen gewähren. Jn einem theilweise mit Erde ausgefüllten, theilweise mit Steinen
und Mos verzierten Käfige finden sie alle Erfordernisse, welche sie an einen derartigen Raum stellen
und nehmen sich hier auch niedlich aus. Mit Recht kann man sie Jedermann empfehlen.

Noch heutigentages gilt die Blindschleiche in den Augen der ungebildeten Menschen als ein
höchst giftiges Thier und wird deshalb rücksichtslos verfolgt und unbarmherzig todtgeschlagen, wo
immer sie sich sehen läßt, während man sie im Gegentheile schonen, insbesondere in Gärten hegen
und pflegen sollte. Daß sie nicht giftig ist, wußten schon die Alten, und auch Geßner hebt aus-
drücklich hervor, daß "deß blindenschleichers bisß nit vergifft vnd sonders schedlich", glaubt aber
freilich noch beinahe Dasselbe, welches die Jtaliener der Erzschleiche nachreden. "Wenn daß vych, als
ochsen vnd dergleychen sich in den weiden ohn geferd auff sie niderlegen, vnd sie mit dem last jres
leybs zum zorn reitzen, so beissen sie, daß der bisß zu zeyten aufflaufft vnd eyteret. Woh sich nun
diser fal zutregt, so soll der bisß mit einem laßeisen oder einer alsen geöffnet vnd gebickt, darnach
kreiden oder wascherden in essich zertriben darauff gelegt werden." Dafür weiß derselbe Natur-
beschreiber aber auch von einem Nutzen der Blindschleiche zu reden -- von dem wirklichen, den sie durch
Aufzehren schädlicher Thiere leistet, freilich nicht, sondern von dem, welchen sie der damaligen Quack-
salberei leistete und unserer heutigen, der Homöopathie, unzweifelhaft ebenfalls leisten würde.
"Ettliche", fährt er fort, "haben ein theriack auß blindenschleicheren zubereitet vnd denselben zur

Die Schuppenechſen. Glanzſchleichen.
beſitzt ſie eine auffallende Zählebigkeit. „Wenn man ſie der Länge nach aufſchneidet, das Herz und
alle Eingeweide herausnimmt, ſo ſchließt ſie den aufgeſchnittenen Bauch wieder und kriecht noch ſtunden-
lang umher oder ſchwimmt auch, in das Waſſer geworfen, noch lange, doch nicht ſo gut, als wenn ſie
unverſehrt iſt.“ Tabaksſaft, welcher Schlangen leicht umbringt, tödtet ſie nicht. Lenz gab zwei
Blindſchleichen an drei auf einander folgenden Tagen Tabaksſaft ein; ſie wurden zwar anfangs
betäubt, erholten ſich aber dann wieder. Eine, welche Steinöl einnehmen mußte, wurde zwar ſehr
unruhig und bewegte ſich ſo heftig, daß ihr Schwanz abbrach, zeigte aber nicht einmal Spuren von
Betäubung und blieb natürlich am Leben.

Die Blindſchleiche gehört zu denjenigen Echſen, welche lebende Junge zur Welt bringen. Nach
Lenz ſcheint die Fortpflanzungsfähigkeit erſt mit dem vierten oder fünften Jahre einzutreten, da er
zum Legen reife Eier nur bei Erwachſenen oder faſt Erwachſenen fand. Der paarige Eierſtock des
Weibchens liegt etwa vier Zoll hinter dem Kopfe und ſtellt ein längeres Bündelchen runder Eier dar,
welche die Größe kleiner Hirſekörner haben. Die Entwickelung derſelben findet ſtatt in den feinen,
häutigen Eigängen, welche in das Ende des Darmſchlauches münden. Nach der Paarung bemerkt
man acht bis ſechzehn Eier, welche Anfangs April wie kleine Hanfkörner, Anfangs Juni wie große
Erbſen und Mitte Juni’s ſechs bis ſieben Linien lang und gegen fünf Linien dick ſind. Um dieſe Zeit
ſieht man das zarte, kleine Junge ſchon deutlich; in der erſten Hälfte des Auguſt ſind bei manchen
Müttern die Jungen bereits drei Zoll lang und gegen eine und eine Viertel-Linie dick, liegen
zuſammengerollt im Eie und bewegen ſich, wenn man daſſelbe öffnet. Jhre Färbung iſt weißlich,
auf Kopf und Bauch ins Bläuliche ſpielend; längs der Rückenmitte verläuft eine bläuliche Linie.
Die Geburt der Jungen fällt in die zweite Hälfte des Auguſt oder in die erſte Hälfte des September;
die Eier werden in Zwiſchenräumen von mehreren Minuten gelegt, und das Junge windet ſich
ſogleich aus der häutigen, dünnen, durchſichtigen Eiſchale los. Bei manchen Weibchen erfolgt die
Entwickelung übrigens erſt viel ſpäter.

Lenz ſagt, daß er mehr als hundert Junge von ſeinem gefangenen Weibchen bekommen habe,
dieſelben jedoch in Zeit von einer bis ſechs Wochen ſämmtlich verhungert ſeien. Andere Liebhaber,
namentlich Erber, waren glücklicher, denn es gelang ihnen, die kleinen Thierchen aufzuziehen.
Doch iſt Dies in der That nicht leicht, da die jungen Blindſchleichen nur die allerfeinſten Kerfe
bewältigen können, und man nicht immer im Stande iſt, dieſe zu beſchaffen. Alt Eingefangene gehen
gewöhnlich ohne Widerſtreben ans Futter, laſſen ſich daher bei geeigneter Behandlung ohne beſondere
Schwierigkeit jahrelang erhalten. Sie ſind wirklich anmuthige Gefangene, welche dem Liebhaber
viel Vergnügen gewähren. Jn einem theilweiſe mit Erde ausgefüllten, theilweiſe mit Steinen
und Mos verzierten Käfige finden ſie alle Erforderniſſe, welche ſie an einen derartigen Raum ſtellen
und nehmen ſich hier auch niedlich aus. Mit Recht kann man ſie Jedermann empfehlen.

Noch heutigentages gilt die Blindſchleiche in den Augen der ungebildeten Menſchen als ein
höchſt giftiges Thier und wird deshalb rückſichtslos verfolgt und unbarmherzig todtgeſchlagen, wo
immer ſie ſich ſehen läßt, während man ſie im Gegentheile ſchonen, insbeſondere in Gärten hegen
und pflegen ſollte. Daß ſie nicht giftig iſt, wußten ſchon die Alten, und auch Geßner hebt aus-
drücklich hervor, daß „deß blindenſchleichers biſß nit vergifft vnd ſonders ſchedlich“, glaubt aber
freilich noch beinahe Daſſelbe, welches die Jtaliener der Erzſchleiche nachreden. „Wenn daß vych, als
ochſen vnd dergleychen ſich in den weiden ohn geferd auff ſie niderlegen, vnd ſie mit dem laſt jres
leybs zum zorn reitzen, ſo beiſſen ſie, daß der biſß zu zeyten aufflaufft vnd eyteret. Woh ſich nun
diſer fal zutregt, ſo ſoll der biſß mit einem laßeiſen oder einer alſen geöffnet vnd gebickt, darnach
kreiden oder waſcherden in eſſich zertriben darauff gelegt werden.“ Dafür weiß derſelbe Natur-
beſchreiber aber auch von einem Nutzen der Blindſchleiche zu reden — von dem wirklichen, den ſie durch
Aufzehren ſchädlicher Thiere leiſtet, freilich nicht, ſondern von dem, welchen ſie der damaligen Quack-
ſalberei leiſtete und unſerer heutigen, der Homöopathie, unzweifelhaft ebenfalls leiſten würde.
„Ettliche“, fährt er fort, „haben ein theriack auß blindenſchleicheren zubereitet vnd denſelben zur

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[166/0186] Die Schuppenechſen. Glanzſchleichen. beſitzt ſie eine auffallende Zählebigkeit. „Wenn man ſie der Länge nach aufſchneidet, das Herz und alle Eingeweide herausnimmt, ſo ſchließt ſie den aufgeſchnittenen Bauch wieder und kriecht noch ſtunden- lang umher oder ſchwimmt auch, in das Waſſer geworfen, noch lange, doch nicht ſo gut, als wenn ſie unverſehrt iſt.“ Tabaksſaft, welcher Schlangen leicht umbringt, tödtet ſie nicht. Lenz gab zwei Blindſchleichen an drei auf einander folgenden Tagen Tabaksſaft ein; ſie wurden zwar anfangs betäubt, erholten ſich aber dann wieder. Eine, welche Steinöl einnehmen mußte, wurde zwar ſehr unruhig und bewegte ſich ſo heftig, daß ihr Schwanz abbrach, zeigte aber nicht einmal Spuren von Betäubung und blieb natürlich am Leben. Die Blindſchleiche gehört zu denjenigen Echſen, welche lebende Junge zur Welt bringen. Nach Lenz ſcheint die Fortpflanzungsfähigkeit erſt mit dem vierten oder fünften Jahre einzutreten, da er zum Legen reife Eier nur bei Erwachſenen oder faſt Erwachſenen fand. Der paarige Eierſtock des Weibchens liegt etwa vier Zoll hinter dem Kopfe und ſtellt ein längeres Bündelchen runder Eier dar, welche die Größe kleiner Hirſekörner haben. Die Entwickelung derſelben findet ſtatt in den feinen, häutigen Eigängen, welche in das Ende des Darmſchlauches münden. Nach der Paarung bemerkt man acht bis ſechzehn Eier, welche Anfangs April wie kleine Hanfkörner, Anfangs Juni wie große Erbſen und Mitte Juni’s ſechs bis ſieben Linien lang und gegen fünf Linien dick ſind. Um dieſe Zeit ſieht man das zarte, kleine Junge ſchon deutlich; in der erſten Hälfte des Auguſt ſind bei manchen Müttern die Jungen bereits drei Zoll lang und gegen eine und eine Viertel-Linie dick, liegen zuſammengerollt im Eie und bewegen ſich, wenn man daſſelbe öffnet. Jhre Färbung iſt weißlich, auf Kopf und Bauch ins Bläuliche ſpielend; längs der Rückenmitte verläuft eine bläuliche Linie. Die Geburt der Jungen fällt in die zweite Hälfte des Auguſt oder in die erſte Hälfte des September; die Eier werden in Zwiſchenräumen von mehreren Minuten gelegt, und das Junge windet ſich ſogleich aus der häutigen, dünnen, durchſichtigen Eiſchale los. Bei manchen Weibchen erfolgt die Entwickelung übrigens erſt viel ſpäter. Lenz ſagt, daß er mehr als hundert Junge von ſeinem gefangenen Weibchen bekommen habe, dieſelben jedoch in Zeit von einer bis ſechs Wochen ſämmtlich verhungert ſeien. Andere Liebhaber, namentlich Erber, waren glücklicher, denn es gelang ihnen, die kleinen Thierchen aufzuziehen. Doch iſt Dies in der That nicht leicht, da die jungen Blindſchleichen nur die allerfeinſten Kerfe bewältigen können, und man nicht immer im Stande iſt, dieſe zu beſchaffen. Alt Eingefangene gehen gewöhnlich ohne Widerſtreben ans Futter, laſſen ſich daher bei geeigneter Behandlung ohne beſondere Schwierigkeit jahrelang erhalten. Sie ſind wirklich anmuthige Gefangene, welche dem Liebhaber viel Vergnügen gewähren. Jn einem theilweiſe mit Erde ausgefüllten, theilweiſe mit Steinen und Mos verzierten Käfige finden ſie alle Erforderniſſe, welche ſie an einen derartigen Raum ſtellen und nehmen ſich hier auch niedlich aus. Mit Recht kann man ſie Jedermann empfehlen. Noch heutigentages gilt die Blindſchleiche in den Augen der ungebildeten Menſchen als ein höchſt giftiges Thier und wird deshalb rückſichtslos verfolgt und unbarmherzig todtgeſchlagen, wo immer ſie ſich ſehen läßt, während man ſie im Gegentheile ſchonen, insbeſondere in Gärten hegen und pflegen ſollte. Daß ſie nicht giftig iſt, wußten ſchon die Alten, und auch Geßner hebt aus- drücklich hervor, daß „deß blindenſchleichers biſß nit vergifft vnd ſonders ſchedlich“, glaubt aber freilich noch beinahe Daſſelbe, welches die Jtaliener der Erzſchleiche nachreden. „Wenn daß vych, als ochſen vnd dergleychen ſich in den weiden ohn geferd auff ſie niderlegen, vnd ſie mit dem laſt jres leybs zum zorn reitzen, ſo beiſſen ſie, daß der biſß zu zeyten aufflaufft vnd eyteret. Woh ſich nun diſer fal zutregt, ſo ſoll der biſß mit einem laßeiſen oder einer alſen geöffnet vnd gebickt, darnach kreiden oder waſcherden in eſſich zertriben darauff gelegt werden.“ Dafür weiß derſelbe Natur- beſchreiber aber auch von einem Nutzen der Blindſchleiche zu reden — von dem wirklichen, den ſie durch Aufzehren ſchädlicher Thiere leiſtet, freilich nicht, ſondern von dem, welchen ſie der damaligen Quack- ſalberei leiſtete und unſerer heutigen, der Homöopathie, unzweifelhaft ebenfalls leiſten würde. „Ettliche“, fährt er fort, „haben ein theriack auß blindenſchleicheren zubereitet vnd denſelben zur

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/186>, abgerufen am 22.12.2024.