Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Schuppenechsen. Glanzschleichen.
welche vollkommen gleich gefärbt und gezeichnet gewesen wären. Sehr alte Stücke zeigen auf der
Oberseite oft größere oder kleinere, in Längsreihen geordnete, schöne, blaue Flecken und Punkte; junge
Stücke sehen oben gelblichweiß, auf dem Bauche schwarz aus und sind auf dem Rücken durch einen
tiefschwarzen Streifen gezeichnet. Die Geschlechter unterscheiden sich ebenfalls u. s. w. Erwachsene
erreichen eine Länge von ungefähr 16 Zoll, wovon auf den Schwanz etwas mehr als die
Hälfte kommt.

Die Blindschleiche bewohnt fast ganz Europa von Südschweden an bis Griechenland und
Spanien, auch Kaukasien und Georgien und vielleicht noch viele andere Theile Asiens, fehlt jedoch,
soviel bis jetzt bekannt, in Sibirien, lebt überall, in der Tiefe, wie in der Höhe, selbst noch auf
höheren Bergen und kommt auf den verschiedensten Oertlichkeiten vor, am meisten da, wo dichtes
Buschwerk und hohes Gras den Boden bedeckt oder wenigstens lockeres Gestein hier aufliegt. Je nach
des Orts Gelegenheit wählt sie sich ihre Behausung an verschiedenen Stellen. Jn dem lockeren
Boden gräbt sie sich eine Höhle von mehr oder weniger Tiefe; an Stellen, welche mit Mos oder

[Abbildung] Die Blindschleiche (Auguis fragilis).
Gras bedeckt sind, verbirgt sie sich zwischen den Pflanzen, im Gebüsch, unter dem Gewurzel, auf
steinigten Gehängen unter großen, flachliegenden Steinen, welche sie überhaupt sehr gern zu haben
scheint. Da sie die Ameisen nicht scheut, lebt sie oft mit diesen zusammen unter Steinen, ja selbst in
Ameisenhaufen, und es scheint fast, als ob sich die unruhigen Kerbthiere, welche sonst doch über jedes
Thier herfallen, nicht viel um sie kümmern.

Mitte oder Ende Oktobers, bei gutem Wetter auch wohl erst Anfangs November, verkriecht sich
die Blindschleiche in vorgefundene oder selbst gegrabene Löcher unter der Erde, um in ihnen Winter-
schlaf zu halten. Mitunter findet man sie in ganz engen Löchern einen Viertel- bis einen Fuß tief unter
der Erde, mitunter in einem gegen drei Fuß langen, gekrümmten Stollen, welcher von innen mit
Gras und Erde verstopft wurde, hier dann gewöhnlich auch zwanzig bis dreißig Stück bei einander,
alle in tiefer Erstarrung, theils zusammengerollt, theils in einander verschlungen, theils gerade
gestreckt. Zunächst am Ausgange liegen die Jungen, auf sie folgen immer größere Stücke und zu
hinterst haben ein altes Männchen und Weibchen ihr Winterbett aufgeschlagen. Alle liegen bei kaltem
Wetter regungslos, als ob sie schlaftrunken wären, ermuntern sich aber, wenn man sie allmählich in

Die Schuppenechſen. Glanzſchleichen.
welche vollkommen gleich gefärbt und gezeichnet geweſen wären. Sehr alte Stücke zeigen auf der
Oberſeite oft größere oder kleinere, in Längsreihen geordnete, ſchöne, blaue Flecken und Punkte; junge
Stücke ſehen oben gelblichweiß, auf dem Bauche ſchwarz aus und ſind auf dem Rücken durch einen
tiefſchwarzen Streifen gezeichnet. Die Geſchlechter unterſcheiden ſich ebenfalls u. ſ. w. Erwachſene
erreichen eine Länge von ungefähr 16 Zoll, wovon auf den Schwanz etwas mehr als die
Hälfte kommt.

Die Blindſchleiche bewohnt faſt ganz Europa von Südſchweden an bis Griechenland und
Spanien, auch Kaukaſien und Georgien und vielleicht noch viele andere Theile Aſiens, fehlt jedoch,
ſoviel bis jetzt bekannt, in Sibirien, lebt überall, in der Tiefe, wie in der Höhe, ſelbſt noch auf
höheren Bergen und kommt auf den verſchiedenſten Oertlichkeiten vor, am meiſten da, wo dichtes
Buſchwerk und hohes Gras den Boden bedeckt oder wenigſtens lockeres Geſtein hier aufliegt. Je nach
des Orts Gelegenheit wählt ſie ſich ihre Behauſung an verſchiedenen Stellen. Jn dem lockeren
Boden gräbt ſie ſich eine Höhle von mehr oder weniger Tiefe; an Stellen, welche mit Mos oder

[Abbildung] Die Blindſchleiche (Auguis fragilis).
Gras bedeckt ſind, verbirgt ſie ſich zwiſchen den Pflanzen, im Gebüſch, unter dem Gewurzel, auf
ſteinigten Gehängen unter großen, flachliegenden Steinen, welche ſie überhaupt ſehr gern zu haben
ſcheint. Da ſie die Ameiſen nicht ſcheut, lebt ſie oft mit dieſen zuſammen unter Steinen, ja ſelbſt in
Ameiſenhaufen, und es ſcheint faſt, als ob ſich die unruhigen Kerbthiere, welche ſonſt doch über jedes
Thier herfallen, nicht viel um ſie kümmern.

Mitte oder Ende Oktobers, bei gutem Wetter auch wohl erſt Anfangs November, verkriecht ſich
die Blindſchleiche in vorgefundene oder ſelbſt gegrabene Löcher unter der Erde, um in ihnen Winter-
ſchlaf zu halten. Mitunter findet man ſie in ganz engen Löchern einen Viertel- bis einen Fuß tief unter
der Erde, mitunter in einem gegen drei Fuß langen, gekrümmten Stollen, welcher von innen mit
Gras und Erde verſtopft wurde, hier dann gewöhnlich auch zwanzig bis dreißig Stück bei einander,
alle in tiefer Erſtarrung, theils zuſammengerollt, theils in einander verſchlungen, theils gerade
geſtreckt. Zunächſt am Ausgange liegen die Jungen, auf ſie folgen immer größere Stücke und zu
hinterſt haben ein altes Männchen und Weibchen ihr Winterbett aufgeſchlagen. Alle liegen bei kaltem
Wetter regungslos, als ob ſie ſchlaftrunken wären, ermuntern ſich aber, wenn man ſie allmählich in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0184" n="164"/><fw place="top" type="header">Die Schuppenech&#x017F;en. Glanz&#x017F;chleichen.</fw><lb/>
welche vollkommen gleich gefärbt und gezeichnet gewe&#x017F;en wären. Sehr alte Stücke zeigen auf der<lb/>
Ober&#x017F;eite oft größere oder kleinere, in Längsreihen geordnete, &#x017F;chöne, blaue Flecken und Punkte; junge<lb/>
Stücke &#x017F;ehen oben gelblichweiß, auf dem Bauche &#x017F;chwarz aus und &#x017F;ind auf dem Rücken durch einen<lb/>
tief&#x017F;chwarzen Streifen gezeichnet. Die Ge&#x017F;chlechter unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich ebenfalls u. &#x017F;. w. Erwach&#x017F;ene<lb/>
erreichen eine Länge von ungefähr 16 Zoll, wovon auf den Schwanz etwas mehr als die<lb/>
Hälfte kommt.</p><lb/>
            <p>Die Blind&#x017F;chleiche bewohnt fa&#x017F;t ganz Europa von Süd&#x017F;chweden an bis Griechenland und<lb/>
Spanien, auch Kauka&#x017F;ien und Georgien und vielleicht noch viele andere Theile A&#x017F;iens, fehlt jedoch,<lb/>
&#x017F;oviel bis jetzt bekannt, in Sibirien, lebt überall, in der Tiefe, wie in der Höhe, &#x017F;elb&#x017F;t noch auf<lb/>
höheren Bergen und kommt auf den ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Oertlichkeiten vor, am mei&#x017F;ten da, wo dichtes<lb/>
Bu&#x017F;chwerk und hohes Gras den Boden bedeckt oder wenig&#x017F;tens lockeres Ge&#x017F;tein hier aufliegt. Je nach<lb/>
des Orts Gelegenheit wählt &#x017F;ie &#x017F;ich ihre Behau&#x017F;ung an ver&#x017F;chiedenen Stellen. Jn dem lockeren<lb/>
Boden gräbt &#x017F;ie &#x017F;ich eine Höhle von mehr oder weniger Tiefe; an Stellen, welche mit Mos oder<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Die Blind&#x017F;chleiche</hi><hi rendition="#aq">(Auguis fragilis).</hi></hi></head></figure><lb/>
Gras bedeckt &#x017F;ind, verbirgt &#x017F;ie &#x017F;ich zwi&#x017F;chen den Pflanzen, im Gebü&#x017F;ch, unter dem Gewurzel, auf<lb/>
&#x017F;teinigten Gehängen unter großen, flachliegenden Steinen, welche &#x017F;ie überhaupt &#x017F;ehr gern zu haben<lb/>
&#x017F;cheint. Da &#x017F;ie die Amei&#x017F;en nicht &#x017F;cheut, lebt &#x017F;ie oft mit die&#x017F;en zu&#x017F;ammen unter Steinen, ja &#x017F;elb&#x017F;t in<lb/>
Amei&#x017F;enhaufen, und es &#x017F;cheint fa&#x017F;t, als ob &#x017F;ich die unruhigen Kerbthiere, welche &#x017F;on&#x017F;t doch über jedes<lb/>
Thier herfallen, nicht viel um &#x017F;ie kümmern.</p><lb/>
            <p>Mitte oder Ende Oktobers, bei gutem Wetter auch wohl er&#x017F;t Anfangs November, verkriecht &#x017F;ich<lb/>
die Blind&#x017F;chleiche in vorgefundene oder &#x017F;elb&#x017F;t gegrabene Löcher unter der Erde, um in ihnen Winter-<lb/>
&#x017F;chlaf zu halten. Mitunter findet man &#x017F;ie in ganz engen Löchern einen Viertel- bis einen Fuß tief unter<lb/>
der Erde, mitunter in einem gegen drei Fuß langen, gekrümmten Stollen, welcher von innen mit<lb/>
Gras und Erde ver&#x017F;topft wurde, hier dann gewöhnlich auch zwanzig bis dreißig Stück bei einander,<lb/>
alle in tiefer Er&#x017F;tarrung, theils zu&#x017F;ammengerollt, theils in einander ver&#x017F;chlungen, theils gerade<lb/>
ge&#x017F;treckt. Zunäch&#x017F;t am Ausgange liegen die Jungen, auf &#x017F;ie folgen immer größere Stücke und zu<lb/>
hinter&#x017F;t haben ein altes Männchen und Weibchen ihr Winterbett aufge&#x017F;chlagen. Alle liegen bei kaltem<lb/>
Wetter regungslos, als ob &#x017F;ie &#x017F;chlaftrunken wären, ermuntern &#x017F;ich aber, wenn man &#x017F;ie allmählich in<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0184] Die Schuppenechſen. Glanzſchleichen. welche vollkommen gleich gefärbt und gezeichnet geweſen wären. Sehr alte Stücke zeigen auf der Oberſeite oft größere oder kleinere, in Längsreihen geordnete, ſchöne, blaue Flecken und Punkte; junge Stücke ſehen oben gelblichweiß, auf dem Bauche ſchwarz aus und ſind auf dem Rücken durch einen tiefſchwarzen Streifen gezeichnet. Die Geſchlechter unterſcheiden ſich ebenfalls u. ſ. w. Erwachſene erreichen eine Länge von ungefähr 16 Zoll, wovon auf den Schwanz etwas mehr als die Hälfte kommt. Die Blindſchleiche bewohnt faſt ganz Europa von Südſchweden an bis Griechenland und Spanien, auch Kaukaſien und Georgien und vielleicht noch viele andere Theile Aſiens, fehlt jedoch, ſoviel bis jetzt bekannt, in Sibirien, lebt überall, in der Tiefe, wie in der Höhe, ſelbſt noch auf höheren Bergen und kommt auf den verſchiedenſten Oertlichkeiten vor, am meiſten da, wo dichtes Buſchwerk und hohes Gras den Boden bedeckt oder wenigſtens lockeres Geſtein hier aufliegt. Je nach des Orts Gelegenheit wählt ſie ſich ihre Behauſung an verſchiedenen Stellen. Jn dem lockeren Boden gräbt ſie ſich eine Höhle von mehr oder weniger Tiefe; an Stellen, welche mit Mos oder [Abbildung Die Blindſchleiche (Auguis fragilis).] Gras bedeckt ſind, verbirgt ſie ſich zwiſchen den Pflanzen, im Gebüſch, unter dem Gewurzel, auf ſteinigten Gehängen unter großen, flachliegenden Steinen, welche ſie überhaupt ſehr gern zu haben ſcheint. Da ſie die Ameiſen nicht ſcheut, lebt ſie oft mit dieſen zuſammen unter Steinen, ja ſelbſt in Ameiſenhaufen, und es ſcheint faſt, als ob ſich die unruhigen Kerbthiere, welche ſonſt doch über jedes Thier herfallen, nicht viel um ſie kümmern. Mitte oder Ende Oktobers, bei gutem Wetter auch wohl erſt Anfangs November, verkriecht ſich die Blindſchleiche in vorgefundene oder ſelbſt gegrabene Löcher unter der Erde, um in ihnen Winter- ſchlaf zu halten. Mitunter findet man ſie in ganz engen Löchern einen Viertel- bis einen Fuß tief unter der Erde, mitunter in einem gegen drei Fuß langen, gekrümmten Stollen, welcher von innen mit Gras und Erde verſtopft wurde, hier dann gewöhnlich auch zwanzig bis dreißig Stück bei einander, alle in tiefer Erſtarrung, theils zuſammengerollt, theils in einander verſchlungen, theils gerade geſtreckt. Zunächſt am Ausgange liegen die Jungen, auf ſie folgen immer größere Stücke und zu hinterſt haben ein altes Männchen und Weibchen ihr Winterbett aufgeſchlagen. Alle liegen bei kaltem Wetter regungslos, als ob ſie ſchlaftrunken wären, ermuntern ſich aber, wenn man ſie allmählich in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/184
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/184>, abgerufen am 22.12.2024.