Mit dem Namen "Chalcis" bezeichneten die griechischen, mit dem Namen "Seps" die späteren römischen Forscher eine höchst zierliche Glanzschleiche, welche sie leicht beobachten konnten, demungeachtet aber als ein überaus fürchterliches Thier schilderten. Jhr Biß soll sofort Fäulniß und Brand hervorrufen, und der Leidende in wenigen Tagen sterben, ja, schon eine einfache Berührung ihres Leibes große Gefahr hervorrusen. Das gemeine Volk Jtaliens glaubt noch heutigentages an diese Gistigkeit, obgleich wälsche Forscher, insbesondere Sauvage und Cetti das Thier als ein ganz unschuldiges, harmloses und anmuthiges Geschöpf geschildert haben.
Jn Größe und Stärke kommt die Erzschleiche(Seps chalcidiea), Vertreterin der gleichnamigen Sippe, unserer Blindschleiche ungefähr gleich, sieht dieser auch in einer gewissen Entfernung ziemlich ähnlich, unterscheidet sich aber von ihr durch ihre vier stummelhaften Füßchen und erscheint uns demnach als ein Bindeglied zwischen den Skinken und den fußlosen Glanzschleichen. Der Kopf ist zugespitzt, der Leib rundlich und sehr gestreckt, der Schwanz bis zu seinem sehr spitzigen Ende
[Abbildung]
Die Erzschleiche(Seps chaleidica). 2/3 der nat. Größe.
gleichmäßig verdünnt; an jedem der vier stummelhaften Beine nimmt man drei verkümmerte, mit kaum bemerkbaren Krallen bewehrte Zehen wahr; der Gaumen ist zahnlos, die Kiefern tragen einfache, kegelige Zähne; die platte, pfeilförmige Zunge zeigt ebenfalls schuppige Warzen. Das Kleid besteht aus sehr kleinen, dicht anliegenden, schön geformten, glänzenden Schuppen, welche auf dem Kopfe zu größeren Schildern sich umwandeln und hier ein ziemlich großes Mittelschild umschließen. Ein glänzendes Broncebraun oder Silbergrau, welches der Länge nach mit eng an einanderstehenden, aber etwas geschlossenen Streifen gezeichnet ist, ziert die Oberseite, während die unteren Theile weißlich aussehen und perlmutterartig glänzen. Man zählt etwa ein Dutzend Rückenstreifen; doch ändert die Zahl derselben ebenso ab wie die Färbung. Erwachsene Stücke können eine Länge von 12 Zoll erreichen, wovon etwa die eine Hälfte auf den Leib, die andere auf den Schwanz kommt; die Beinchen sind kaum mehr als drei Linien lang.
Alle Küstenländer des Mittelmeeres beherbergen die Erzschleiche. Hier und da kommt sie in sehr großer Anzahl vor, in Sardinien, wie Cetti sich ausdrückt, in so großer Menge, daß man sagen
Die Schuppenechſen. Glanzſchleichen.
Mit dem Namen „Chalcis“ bezeichneten die griechiſchen, mit dem Namen „Seps“ die ſpäteren römiſchen Forſcher eine höchſt zierliche Glanzſchleiche, welche ſie leicht beobachten konnten, demungeachtet aber als ein überaus fürchterliches Thier ſchilderten. Jhr Biß ſoll ſofort Fäulniß und Brand hervorrufen, und der Leidende in wenigen Tagen ſterben, ja, ſchon eine einfache Berührung ihres Leibes große Gefahr hervorruſen. Das gemeine Volk Jtaliens glaubt noch heutigentages an dieſe Giſtigkeit, obgleich wälſche Forſcher, insbeſondere Sauvage und Cetti das Thier als ein ganz unſchuldiges, harmloſes und anmuthiges Geſchöpf geſchildert haben.
Jn Größe und Stärke kommt die Erzſchleiche(Seps chalcidiea), Vertreterin der gleichnamigen Sippe, unſerer Blindſchleiche ungefähr gleich, ſieht dieſer auch in einer gewiſſen Entfernung ziemlich ähnlich, unterſcheidet ſich aber von ihr durch ihre vier ſtummelhaften Füßchen und erſcheint uns demnach als ein Bindeglied zwiſchen den Skinken und den fußloſen Glanzſchleichen. Der Kopf iſt zugeſpitzt, der Leib rundlich und ſehr geſtreckt, der Schwanz bis zu ſeinem ſehr ſpitzigen Ende
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Die Erzſchleiche(Seps chaleidica). ⅔ der nat. Größe.
gleichmäßig verdünnt; an jedem der vier ſtummelhaften Beine nimmt man drei verkümmerte, mit kaum bemerkbaren Krallen bewehrte Zehen wahr; der Gaumen iſt zahnlos, die Kiefern tragen einfache, kegelige Zähne; die platte, pfeilförmige Zunge zeigt ebenfalls ſchuppige Warzen. Das Kleid beſteht aus ſehr kleinen, dicht anliegenden, ſchön geformten, glänzenden Schuppen, welche auf dem Kopfe zu größeren Schildern ſich umwandeln und hier ein ziemlich großes Mittelſchild umſchließen. Ein glänzendes Broncebraun oder Silbergrau, welches der Länge nach mit eng an einanderſtehenden, aber etwas geſchloſſenen Streifen gezeichnet iſt, ziert die Oberſeite, während die unteren Theile weißlich ausſehen und perlmutterartig glänzen. Man zählt etwa ein Dutzend Rückenſtreifen; doch ändert die Zahl derſelben ebenſo ab wie die Färbung. Erwachſene Stücke können eine Länge von 12 Zoll erreichen, wovon etwa die eine Hälfte auf den Leib, die andere auf den Schwanz kommt; die Beinchen ſind kaum mehr als drei Linien lang.
Alle Küſtenländer des Mittelmeeres beherbergen die Erzſchleiche. Hier und da kommt ſie in ſehr großer Anzahl vor, in Sardinien, wie Cetti ſich ausdrückt, in ſo großer Menge, daß man ſagen
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Die Schuppenechſen. Glanzſchleichen.
Mit dem Namen „Chalcis“ bezeichneten die griechiſchen, mit dem Namen „Seps“ die
ſpäteren römiſchen Forſcher eine höchſt zierliche Glanzſchleiche, welche ſie leicht beobachten konnten,
demungeachtet aber als ein überaus fürchterliches Thier ſchilderten. Jhr Biß ſoll ſofort Fäulniß
und Brand hervorrufen, und der Leidende in wenigen Tagen ſterben, ja, ſchon eine einfache Berührung
ihres Leibes große Gefahr hervorruſen. Das gemeine Volk Jtaliens glaubt noch heutigentages an
dieſe Giſtigkeit, obgleich wälſche Forſcher, insbeſondere Sauvage und Cetti das Thier als ein
ganz unſchuldiges, harmloſes und anmuthiges Geſchöpf geſchildert haben.
Jn Größe und Stärke kommt die Erzſchleiche (Seps chalcidiea), Vertreterin der gleichnamigen
Sippe, unſerer Blindſchleiche ungefähr gleich, ſieht dieſer auch in einer gewiſſen Entfernung ziemlich
ähnlich, unterſcheidet ſich aber von ihr durch ihre vier ſtummelhaften Füßchen und erſcheint uns
demnach als ein Bindeglied zwiſchen den Skinken und den fußloſen Glanzſchleichen. Der Kopf iſt
zugeſpitzt, der Leib rundlich und ſehr geſtreckt, der Schwanz bis zu ſeinem ſehr ſpitzigen Ende
[Abbildung Die Erzſchleiche (Seps chaleidica). ⅔ der nat. Größe.]
gleichmäßig verdünnt; an jedem der vier ſtummelhaften Beine nimmt man drei verkümmerte, mit
kaum bemerkbaren Krallen bewehrte Zehen wahr; der Gaumen iſt zahnlos, die Kiefern tragen einfache,
kegelige Zähne; die platte, pfeilförmige Zunge zeigt ebenfalls ſchuppige Warzen. Das Kleid beſteht
aus ſehr kleinen, dicht anliegenden, ſchön geformten, glänzenden Schuppen, welche auf dem Kopfe zu
größeren Schildern ſich umwandeln und hier ein ziemlich großes Mittelſchild umſchließen. Ein
glänzendes Broncebraun oder Silbergrau, welches der Länge nach mit eng an einanderſtehenden, aber
etwas geſchloſſenen Streifen gezeichnet iſt, ziert die Oberſeite, während die unteren Theile weißlich
ausſehen und perlmutterartig glänzen. Man zählt etwa ein Dutzend Rückenſtreifen; doch ändert
die Zahl derſelben ebenſo ab wie die Färbung. Erwachſene Stücke können eine Länge von 12 Zoll
erreichen, wovon etwa die eine Hälfte auf den Leib, die andere auf den Schwanz kommt; die Beinchen
ſind kaum mehr als drei Linien lang.
Alle Küſtenländer des Mittelmeeres beherbergen die Erzſchleiche. Hier und da kommt ſie in
ſehr großer Anzahl vor, in Sardinien, wie Cetti ſich ausdrückt, in ſo großer Menge, daß man ſagen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/182>, abgerufen am 22.12.2024.
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