Während ich Vorstehendes bearbeitete, empfing ich von meinem Bruder Reinhold die Nachricht, daß er einen Geko in Gefangenschaft halte, und da ich wußte, daß dieser Forscher, minder ängstlich als Pöppig, sich vor der "Gefährlichkeit einer Untersuchung" nicht scheuen würde, bat ich ihn, die Art und Weise des Kletterns doch nochmals genau beobachten und mir hierüber Mittheilung machen zu wollen. Hier die Antwort:
"Du hast sehr recht, wenn Du die Behauptung gewisser Naturforscher, der Geko schwitze zwischen den Hautblättern seiner Fußscheiben eine klebrige Flüssigkeit aus, auf das Entschiedenste in Abrede stellst. Diese klebrige Flüssigkeit soll nach Ansicht jener scharfsinnigen Beobachter wohl dazu dienen, das Thier an Mauern, Wänden und dergleichen anzuleimen? Welcher Unsinn! Der Geko würde, wäre Dies der Fall, im Klettern arg behindert werden; es würde ihm unmöglich sein, wenn er sich erst anleimen müßte, rasch an senkrechten und glatten Wänden hinzulaufen; er würde, um sich loszulösen, doch eines gewissen Kraftaufwandes bedürfen: es würde Kraft vergeudet werden. Nein, so unzweckmäßig wie diese gelehrten Herren meinen, sind die Einrichtungen der Mutter Natur denn doch nicht!
"Jch habe auf Deinen Wunsch die Füße des Geko zu wiederholten Malen untersucht, aber auch keine Spur von einer klebrigen Flüssigkeit gefunden, die Bildung der Finger des niedlichen Thierchens ist vielmehr derart, daß es gar keiner klebrigen Flüssigkeit bedarf, um sich an den Wänden ohne Schwierigkeit halten und bewegen zu können. Alle Finger, welche an Vorder- und Hinterfüßen nur darin von einander abweichen, daß der fünfte Finger des Hinterfußes länger als der gleiche des Vorderfußes und überhaupt am längsten von allen Fingern ist, sind wahre Wende- finger. Der Geko kann den ersten und fünften zum zweiten und vierten nicht nur in einen rechten, sondern sogar in einen sehr stumpfen Winkel stellen und auch der zweite Finger einer jeden Hand ist so beweglich, daß mit ihm noch ein ziemlich großer Kreisabschnitt beschrieben werden kann, während der dritte und vierte sich wenig von einander entsernen lassen. Sie, die letzteren, müssen als die Haltefinger beim Klettern gelten, während ich die drei übrigen die Klebefinger nennen möchte. Jst nun schon diese außerordentliche Freiheit der seitlichen Bewegung der Finger von erheblichem Nutzen, so wird derselbe noch erhöht durch den Umstand, daß auch die Beugung der zwei ersten und der fünften Finger im zweiten und dritten Gelenk eine ganz besondere ist, sodaß diese Glieder zu einander im rechten Winkel gestellt werden können. Die genugsam bekannten Hautblätter auf den Zehen- scheiben legen sich zur Zeit der Ruhe fächerartig über einander, sodaß die Einschnitte fast gänzlich verschwinden, während sie deutlich sichtbar sind, wenn das Thierchen seine Klebfertigkeit an den Wänden in Anwendung bringen will. Sie fühlen sich an wie Sammt. Gleichwie nun dieser an einer ziemlich glatten Fläche bei mäßigem Drucke haften bleibt, ebenso klebt sich der Geko mit seinen Sammthautblättchen an rauhen Wänden an. Durch den hakenförmig gekrümmten, scharfen Nagel des dritten und vierten Fingers wird ihm Dies sehr erleichtert. Während der Ruhe ist der Nagel wie eine Katzenkralle theilweise zurückgezogen, kommt jedoch sogleich zum Vorschein, wenn das Thier klettern will. Uebrigens bemerke ich, daß der Geko sich nur an rauhen Flächen anheften kann, nicht aber im Stande ist, an sehr glatten, beispielsweise an Glasscheiben emporzulaufen, sondern von diesen abfällt. Trotzdem hast Du vollkommen recht, wenn Du sagst, daß er an senkrechten Flächen fest- gehalten wird durch den Luftdruck, welcher zur Geltung kommt, wenn er die vorher schief zur unteren Zehenfläche geneigten Blättchen senkrecht stellt und dadurch Hohlräume zwischen den einzelnen Blättern entstehen läßt!
"Merkwürdig ist das große, gewölbte, hellbroncefarbige Auge des Geko. Die Regenbogenhaut sieht aus, als wäre sie auf galvanischem Wege broncirt; der Stern ist länglich, bei hellem Lichte bis auf einen feinen, schwarzen, senkrecht gestellten Strich zusammengezogen, welcher den Augapfel in zwei gleiche Hälften theilt. Beschattet man das Auge, so erweitert sich der Stern sehr rasch, wird erst länglich, dann fast kreisrund und nimmt zuletzt beinah den ganzen Raum des Augapfels ein,
Die Schuppenechſen. Haftzeher.
Während ich Vorſtehendes bearbeitete, empfing ich von meinem Bruder Reinhold die Nachricht, daß er einen Geko in Gefangenſchaft halte, und da ich wußte, daß dieſer Forſcher, minder ängſtlich als Pöppig, ſich vor der „Gefährlichkeit einer Unterſuchung“ nicht ſcheuen würde, bat ich ihn, die Art und Weiſe des Kletterns doch nochmals genau beobachten und mir hierüber Mittheilung machen zu wollen. Hier die Antwort:
„Du haſt ſehr recht, wenn Du die Behauptung gewiſſer Naturforſcher, der Geko ſchwitze zwiſchen den Hautblättern ſeiner Fußſcheiben eine klebrige Flüſſigkeit aus, auf das Entſchiedenſte in Abrede ſtellſt. Dieſe klebrige Flüſſigkeit ſoll nach Anſicht jener ſcharfſinnigen Beobachter wohl dazu dienen, das Thier an Mauern, Wänden und dergleichen anzuleimen? Welcher Unſinn! Der Geko würde, wäre Dies der Fall, im Klettern arg behindert werden; es würde ihm unmöglich ſein, wenn er ſich erſt anleimen müßte, raſch an ſenkrechten und glatten Wänden hinzulaufen; er würde, um ſich loszulöſen, doch eines gewiſſen Kraftaufwandes bedürfen: es würde Kraft vergeudet werden. Nein, ſo unzweckmäßig wie dieſe gelehrten Herren meinen, ſind die Einrichtungen der Mutter Natur denn doch nicht!
„Jch habe auf Deinen Wunſch die Füße des Geko zu wiederholten Malen unterſucht, aber auch keine Spur von einer klebrigen Flüſſigkeit gefunden, die Bildung der Finger des niedlichen Thierchens iſt vielmehr derart, daß es gar keiner klebrigen Flüſſigkeit bedarf, um ſich an den Wänden ohne Schwierigkeit halten und bewegen zu können. Alle Finger, welche an Vorder- und Hinterfüßen nur darin von einander abweichen, daß der fünfte Finger des Hinterfußes länger als der gleiche des Vorderfußes und überhaupt am längſten von allen Fingern iſt, ſind wahre Wende- finger. Der Geko kann den erſten und fünften zum zweiten und vierten nicht nur in einen rechten, ſondern ſogar in einen ſehr ſtumpfen Winkel ſtellen und auch der zweite Finger einer jeden Hand iſt ſo beweglich, daß mit ihm noch ein ziemlich großer Kreisabſchnitt beſchrieben werden kann, während der dritte und vierte ſich wenig von einander entſernen laſſen. Sie, die letzteren, müſſen als die Haltefinger beim Klettern gelten, während ich die drei übrigen die Klebefinger nennen möchte. Jſt nun ſchon dieſe außerordentliche Freiheit der ſeitlichen Bewegung der Finger von erheblichem Nutzen, ſo wird derſelbe noch erhöht durch den Umſtand, daß auch die Beugung der zwei erſten und der fünften Finger im zweiten und dritten Gelenk eine ganz beſondere iſt, ſodaß dieſe Glieder zu einander im rechten Winkel geſtellt werden können. Die genugſam bekannten Hautblätter auf den Zehen- ſcheiben legen ſich zur Zeit der Ruhe fächerartig über einander, ſodaß die Einſchnitte faſt gänzlich verſchwinden, während ſie deutlich ſichtbar ſind, wenn das Thierchen ſeine Klebfertigkeit an den Wänden in Anwendung bringen will. Sie fühlen ſich an wie Sammt. Gleichwie nun dieſer an einer ziemlich glatten Fläche bei mäßigem Drucke haften bleibt, ebenſo klebt ſich der Geko mit ſeinen Sammthautblättchen an rauhen Wänden an. Durch den hakenförmig gekrümmten, ſcharfen Nagel des dritten und vierten Fingers wird ihm Dies ſehr erleichtert. Während der Ruhe iſt der Nagel wie eine Katzenkralle theilweiſe zurückgezogen, kommt jedoch ſogleich zum Vorſchein, wenn das Thier klettern will. Uebrigens bemerke ich, daß der Geko ſich nur an rauhen Flächen anheften kann, nicht aber im Stande iſt, an ſehr glatten, beiſpielsweiſe an Glasſcheiben emporzulaufen, ſondern von dieſen abfällt. Trotzdem haſt Du vollkommen recht, wenn Du ſagſt, daß er an ſenkrechten Flächen feſt- gehalten wird durch den Luftdruck, welcher zur Geltung kommt, wenn er die vorher ſchief zur unteren Zehenfläche geneigten Blättchen ſenkrecht ſtellt und dadurch Hohlräume zwiſchen den einzelnen Blättern entſtehen läßt!
„Merkwürdig iſt das große, gewölbte, hellbroncefarbige Auge des Geko. Die Regenbogenhaut ſieht aus, als wäre ſie auf galvaniſchem Wege broncirt; der Stern iſt länglich, bei hellem Lichte bis auf einen feinen, ſchwarzen, ſenkrecht geſtellten Strich zuſammengezogen, welcher den Augapfel in zwei gleiche Hälften theilt. Beſchattet man das Auge, ſo erweitert ſich der Stern ſehr raſch, wird erſt länglich, dann faſt kreisrund und nimmt zuletzt beinah den ganzen Raum des Augapfels ein,
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Die Schuppenechſen. Haftzeher.
Während ich Vorſtehendes bearbeitete, empfing ich von meinem Bruder Reinhold die
Nachricht, daß er einen Geko in Gefangenſchaft halte, und da ich wußte, daß dieſer Forſcher, minder
ängſtlich als Pöppig, ſich vor der „Gefährlichkeit einer Unterſuchung“ nicht ſcheuen würde, bat ich
ihn, die Art und Weiſe des Kletterns doch nochmals genau beobachten und mir hierüber Mittheilung
machen zu wollen. Hier die Antwort:
„Du haſt ſehr recht, wenn Du die Behauptung gewiſſer Naturforſcher, der Geko ſchwitze zwiſchen
den Hautblättern ſeiner Fußſcheiben eine klebrige Flüſſigkeit aus, auf das Entſchiedenſte in Abrede
ſtellſt. Dieſe klebrige Flüſſigkeit ſoll nach Anſicht jener ſcharfſinnigen Beobachter wohl dazu dienen,
das Thier an Mauern, Wänden und dergleichen anzuleimen? Welcher Unſinn! Der Geko würde,
wäre Dies der Fall, im Klettern arg behindert werden; es würde ihm unmöglich ſein, wenn er ſich
erſt anleimen müßte, raſch an ſenkrechten und glatten Wänden hinzulaufen; er würde, um ſich
loszulöſen, doch eines gewiſſen Kraftaufwandes bedürfen: es würde Kraft vergeudet werden.
Nein, ſo unzweckmäßig wie dieſe gelehrten Herren meinen, ſind die Einrichtungen der Mutter Natur
denn doch nicht!
„Jch habe auf Deinen Wunſch die Füße des Geko zu wiederholten Malen unterſucht, aber auch
keine Spur von einer klebrigen Flüſſigkeit gefunden, die Bildung der Finger des niedlichen
Thierchens iſt vielmehr derart, daß es gar keiner klebrigen Flüſſigkeit bedarf, um ſich an den
Wänden ohne Schwierigkeit halten und bewegen zu können. Alle Finger, welche an Vorder- und
Hinterfüßen nur darin von einander abweichen, daß der fünfte Finger des Hinterfußes länger als
der gleiche des Vorderfußes und überhaupt am längſten von allen Fingern iſt, ſind wahre Wende-
finger. Der Geko kann den erſten und fünften zum zweiten und vierten nicht nur in einen rechten,
ſondern ſogar in einen ſehr ſtumpfen Winkel ſtellen und auch der zweite Finger einer jeden Hand iſt
ſo beweglich, daß mit ihm noch ein ziemlich großer Kreisabſchnitt beſchrieben werden kann, während
der dritte und vierte ſich wenig von einander entſernen laſſen. Sie, die letzteren, müſſen als die
Haltefinger beim Klettern gelten, während ich die drei übrigen die Klebefinger nennen möchte. Jſt
nun ſchon dieſe außerordentliche Freiheit der ſeitlichen Bewegung der Finger von erheblichem Nutzen,
ſo wird derſelbe noch erhöht durch den Umſtand, daß auch die Beugung der zwei erſten und der
fünften Finger im zweiten und dritten Gelenk eine ganz beſondere iſt, ſodaß dieſe Glieder zu einander
im rechten Winkel geſtellt werden können. Die genugſam bekannten Hautblätter auf den Zehen-
ſcheiben legen ſich zur Zeit der Ruhe fächerartig über einander, ſodaß die Einſchnitte faſt gänzlich
verſchwinden, während ſie deutlich ſichtbar ſind, wenn das Thierchen ſeine Klebfertigkeit an den
Wänden in Anwendung bringen will. Sie fühlen ſich an wie Sammt. Gleichwie nun dieſer an
einer ziemlich glatten Fläche bei mäßigem Drucke haften bleibt, ebenſo klebt ſich der Geko mit ſeinen
Sammthautblättchen an rauhen Wänden an. Durch den hakenförmig gekrümmten, ſcharfen Nagel
des dritten und vierten Fingers wird ihm Dies ſehr erleichtert. Während der Ruhe iſt der Nagel
wie eine Katzenkralle theilweiſe zurückgezogen, kommt jedoch ſogleich zum Vorſchein, wenn das Thier
klettern will. Uebrigens bemerke ich, daß der Geko ſich nur an rauhen Flächen anheften kann, nicht
aber im Stande iſt, an ſehr glatten, beiſpielsweiſe an Glasſcheiben emporzulaufen, ſondern von dieſen
abfällt. Trotzdem haſt Du vollkommen recht, wenn Du ſagſt, daß er an ſenkrechten Flächen feſt-
gehalten wird durch den Luftdruck, welcher zur Geltung kommt, wenn er die vorher ſchief zur unteren
Zehenfläche geneigten Blättchen ſenkrecht ſtellt und dadurch Hohlräume zwiſchen den einzelnen
Blättern entſtehen läßt!
„Merkwürdig iſt das große, gewölbte, hellbroncefarbige Auge des Geko. Die Regenbogenhaut
ſieht aus, als wäre ſie auf galvaniſchem Wege broncirt; der Stern iſt länglich, bei hellem Lichte bis
auf einen feinen, ſchwarzen, ſenkrecht geſtellten Strich zuſammengezogen, welcher den Augapfel in
zwei gleiche Hälften theilt. Beſchattet man das Auge, ſo erweitert ſich der Stern ſehr raſch, wird
erſt länglich, dann faſt kreisrund und nimmt zuletzt beinah den ganzen Raum des Augapfels ein,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/172>, abgerufen am 22.12.2024.
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