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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Lebensweise der Haftzeher.
senkrechten, glatten Wänden emporklettert, plötzlich diese verläßt und nunmehr an der Decke umher-
läuft, als wäre sie der Fußboden, wie er minutenlang an einer und derselben Stelle klebt und dann
wieder hastig fortschießt, den dicken Schwanz anscheinend unbehilflich hin- und herschleudernd und
sich selbst durch schlängelnde Bewegungen forthelfend, wie er Alles beobachtet, was ringsum vorgeht
und mit den großen, jetzt leuchtenden Augen umherschaut, in der Absicht, irgend eine Beute zu
erspähen; kein Wunder, daß das unscheinbare Thier, welches der Reisende überall verleumden hört,
anfänglich nicht gefallen will, ja selbst mit Ekel erfüllen kann: einen widerwärtigen Eindruck aber
macht der Geko nur auf Den, welcher sich nicht die Mühe gibt, sein Treiben zu beachten. Jch meiner-
seits vermag es nicht zu begreifen, wie Schomburgk, ein sonst so ruhiger Beobachter, sich verleiten
lassen kann, in ungünstiger Weise von den harmlosen Thieren zu reden. "Noch ekelhafter als die
Giftschlangen", sagt er, "war uns der zahlreiche Besuch der Gekonen oder Waldsklaven der Ansiedler,
welche sich seit Beginn der Regenzeit in wahrer Unzahl an den Wänden, Dachsparren und im Dache
selbst anhäuften. Die schauerlichen Erzählungen der Jndianer hatten auch uns das wahrscheinlich
unschädliche Thier verhaßt gemacht, und fiel dann und wann bei unseren Abendversammlungen ein
solcher Gast mitten unter uns auf den Tisch herab (was bei ihrem unverträglichen Wesen nicht selten
geschah, indem sie sich fortwährend bissen und jagten), so gab es gewöhnlich eine augenblickliche
Sprengung der Gesellschaft. Ja, der Ekel, welchen Alle vor dem häßlichen Thiere hatten, ließ uns
nie ausgekleidet in die Hängematte legen." Nun, auch ich habe Wochen und Monate lang in Häusern
gewohnt, in denen sich Gekos massenhaft aufhielten, und auch ich bin durch die ersten Stücke, welche
ich sah, in Verwunderung gesetzt worden: ich habe aber die eigenthümlichen und harmlosen Geschöpfe
sehr bald gern gesehen und mir manche Stunde durch sie verkürzen lassen. Hausthiere sind sie im
vollsten Sinne des Wortes, treuere noch als die Mäuse und jedenfalls nützlichere. Bei Tage haben
ihre Bewegungen allerdings etwas Täppisches, namentlich dann, wenn man sie bedroht und sie sich
so eilig als möglich ihrem Schlupfwinkel zuflüchten, und ebenso nimmt es nicht gerade für sie ein,
wenn man sieht, daß sie in der Angst sich plötzlich, wie Dies manche Käfer thun, zu Boden herab-
stürzen lassen und dabei gewöhnlich den Schwanz verlieren: wenn aber ihre Zeit gekommen, d. h. die
Dunkelheit eingetreten ist, dann müssen sie, meine ich, jeden Beobachter und Forscher, wenn auch nicht
entzücken, sodoch fesseln. Selbst Schomburgk muß zugestehen, daß die Fertigkeit und Gewandtheit,
mit welcher sie an Wänden, an anderen glatten Flächen oder Dachsparren hinlaufen, an das Fabelhafte
grenzt, daß ihre nickenden Kopfbewegungen, welche man besonders während des Stillsitzens bemerkt,
höchst eigenthümlich sind, und wenn er sich nicht daran so ergötzt hat, wie ich, so trägt er gewiß allein
die Schuld. Uns verursachten sie stets ein großes Vergnügen, wenn wir nachts in unserem Wohn-
hause zu Kairo, Dongola, Charthum oder sonstwo in Nordafrika, in dem dunkeln Lehmgebäude eben-
sowohl wie in der aus Stroh errichteten Hütte, den ersten Ruf der Gekos hörten und dann ihr wirklich
geisterhaftes Treiben belauschen, ihrer mit größtem Eifer betriebenen Jagd zusehen, sie überhaupt bei
allen ihren Handlungen verfolgen konnten.

Unzählige Male haben wir Gekos gefangen, sie in der Hand gehabt und sie und ihre Blätterscheiben
betrachtet, niemals aber auch nur den geringsten Nachtheil von der Berührung und Handhabung der
als so giftig verschrieenen Geschöpfe verspürt, einen Nachtheil aber auch nicht verspüren können, da
eine "klebrige Feuchtigkeit" gar nicht vorhanden ist. Schon Home, welcher die Zehenblätter wirklich
untersuchte, spricht sich dahin aus, daß der Geko einen lustleeren Raum hervorbringt und dadurch sich
festhält, und -- Home hat vollständig Recht. Verührung der Blätterscheiben verursacht allerdings
das Gefühl der Klebrigkeit; einen leimartigen Stoff aber, welcher vergiften könnte, hat sicherlich noch
kein Forscher, welcher untersuchte, wahrgenommen. Und keiner von Denen, welche von diesem Leim
geschwatzt, hat bedacht, daß der Geko seine Füße bald gar nicht mehr würde gebrauchen können, wäre
ein solcher Leim vorhanden, weil sich vermittelst desselben eher Schmuz und Staub an die Blätter-
scheiben als diese selbst an die Wand heften würden. Das Thier klebt nur in Folge des Luftdruckes
an dem Gegenstande, welchen es beklettert.

Lebensweiſe der Haftzeher.
ſenkrechten, glatten Wänden emporklettert, plötzlich dieſe verläßt und nunmehr an der Decke umher-
läuft, als wäre ſie der Fußboden, wie er minutenlang an einer und derſelben Stelle klebt und dann
wieder haſtig fortſchießt, den dicken Schwanz anſcheinend unbehilflich hin- und herſchleudernd und
ſich ſelbſt durch ſchlängelnde Bewegungen forthelfend, wie er Alles beobachtet, was ringsum vorgeht
und mit den großen, jetzt leuchtenden Augen umherſchaut, in der Abſicht, irgend eine Beute zu
erſpähen; kein Wunder, daß das unſcheinbare Thier, welches der Reiſende überall verleumden hört,
anfänglich nicht gefallen will, ja ſelbſt mit Ekel erfüllen kann: einen widerwärtigen Eindruck aber
macht der Geko nur auf Den, welcher ſich nicht die Mühe gibt, ſein Treiben zu beachten. Jch meiner-
ſeits vermag es nicht zu begreifen, wie Schomburgk, ein ſonſt ſo ruhiger Beobachter, ſich verleiten
laſſen kann, in ungünſtiger Weiſe von den harmloſen Thieren zu reden. „Noch ekelhafter als die
Giftſchlangen“, ſagt er, „war uns der zahlreiche Beſuch der Gekonen oder Waldſklaven der Anſiedler,
welche ſich ſeit Beginn der Regenzeit in wahrer Unzahl an den Wänden, Dachſparren und im Dache
ſelbſt anhäuften. Die ſchauerlichen Erzählungen der Jndianer hatten auch uns das wahrſcheinlich
unſchädliche Thier verhaßt gemacht, und fiel dann und wann bei unſeren Abendverſammlungen ein
ſolcher Gaſt mitten unter uns auf den Tiſch herab (was bei ihrem unverträglichen Weſen nicht ſelten
geſchah, indem ſie ſich fortwährend biſſen und jagten), ſo gab es gewöhnlich eine augenblickliche
Sprengung der Geſellſchaft. Ja, der Ekel, welchen Alle vor dem häßlichen Thiere hatten, ließ uns
nie ausgekleidet in die Hängematte legen.“ Nun, auch ich habe Wochen und Monate lang in Häuſern
gewohnt, in denen ſich Gekos maſſenhaft aufhielten, und auch ich bin durch die erſten Stücke, welche
ich ſah, in Verwunderung geſetzt worden: ich habe aber die eigenthümlichen und harmloſen Geſchöpfe
ſehr bald gern geſehen und mir manche Stunde durch ſie verkürzen laſſen. Hausthiere ſind ſie im
vollſten Sinne des Wortes, treuere noch als die Mäuſe und jedenfalls nützlichere. Bei Tage haben
ihre Bewegungen allerdings etwas Täppiſches, namentlich dann, wenn man ſie bedroht und ſie ſich
ſo eilig als möglich ihrem Schlupfwinkel zuflüchten, und ebenſo nimmt es nicht gerade für ſie ein,
wenn man ſieht, daß ſie in der Angſt ſich plötzlich, wie Dies manche Käfer thun, zu Boden herab-
ſtürzen laſſen und dabei gewöhnlich den Schwanz verlieren: wenn aber ihre Zeit gekommen, d. h. die
Dunkelheit eingetreten iſt, dann müſſen ſie, meine ich, jeden Beobachter und Forſcher, wenn auch nicht
entzücken, ſodoch feſſeln. Selbſt Schomburgk muß zugeſtehen, daß die Fertigkeit und Gewandtheit,
mit welcher ſie an Wänden, an anderen glatten Flächen oder Dachſparren hinlaufen, an das Fabelhafte
grenzt, daß ihre nickenden Kopfbewegungen, welche man beſonders während des Stillſitzens bemerkt,
höchſt eigenthümlich ſind, und wenn er ſich nicht daran ſo ergötzt hat, wie ich, ſo trägt er gewiß allein
die Schuld. Uns verurſachten ſie ſtets ein großes Vergnügen, wenn wir nachts in unſerem Wohn-
hauſe zu Kairo, Dongola, Charthum oder ſonſtwo in Nordafrika, in dem dunkeln Lehmgebäude eben-
ſowohl wie in der aus Stroh errichteten Hütte, den erſten Ruf der Gekos hörten und dann ihr wirklich
geiſterhaftes Treiben belauſchen, ihrer mit größtem Eifer betriebenen Jagd zuſehen, ſie überhaupt bei
allen ihren Handlungen verfolgen konnten.

Unzählige Male haben wir Gekos gefangen, ſie in der Hand gehabt und ſie und ihre Blätterſcheiben
betrachtet, niemals aber auch nur den geringſten Nachtheil von der Berührung und Handhabung der
als ſo giftig verſchrieenen Geſchöpfe verſpürt, einen Nachtheil aber auch nicht verſpüren können, da
eine „klebrige Feuchtigkeit“ gar nicht vorhanden iſt. Schon Home, welcher die Zehenblätter wirklich
unterſuchte, ſpricht ſich dahin aus, daß der Geko einen luſtleeren Raum hervorbringt und dadurch ſich
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das Gefühl der Klebrigkeit; einen leimartigen Stoff aber, welcher vergiften könnte, hat ſicherlich noch
kein Forſcher, welcher unterſuchte, wahrgenommen. Und keiner von Denen, welche von dieſem Leim
geſchwatzt, hat bedacht, daß der Geko ſeine Füße bald gar nicht mehr würde gebrauchen können, wäre
ein ſolcher Leim vorhanden, weil ſich vermittelſt deſſelben eher Schmuz und Staub an die Blätter-
ſcheiben als dieſe ſelbſt an die Wand heften würden. Das Thier klebt nur in Folge des Luftdruckes
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[151/0171] Lebensweiſe der Haftzeher. ſenkrechten, glatten Wänden emporklettert, plötzlich dieſe verläßt und nunmehr an der Decke umher- läuft, als wäre ſie der Fußboden, wie er minutenlang an einer und derſelben Stelle klebt und dann wieder haſtig fortſchießt, den dicken Schwanz anſcheinend unbehilflich hin- und herſchleudernd und ſich ſelbſt durch ſchlängelnde Bewegungen forthelfend, wie er Alles beobachtet, was ringsum vorgeht und mit den großen, jetzt leuchtenden Augen umherſchaut, in der Abſicht, irgend eine Beute zu erſpähen; kein Wunder, daß das unſcheinbare Thier, welches der Reiſende überall verleumden hört, anfänglich nicht gefallen will, ja ſelbſt mit Ekel erfüllen kann: einen widerwärtigen Eindruck aber macht der Geko nur auf Den, welcher ſich nicht die Mühe gibt, ſein Treiben zu beachten. Jch meiner- ſeits vermag es nicht zu begreifen, wie Schomburgk, ein ſonſt ſo ruhiger Beobachter, ſich verleiten laſſen kann, in ungünſtiger Weiſe von den harmloſen Thieren zu reden. „Noch ekelhafter als die Giftſchlangen“, ſagt er, „war uns der zahlreiche Beſuch der Gekonen oder Waldſklaven der Anſiedler, welche ſich ſeit Beginn der Regenzeit in wahrer Unzahl an den Wänden, Dachſparren und im Dache ſelbſt anhäuften. Die ſchauerlichen Erzählungen der Jndianer hatten auch uns das wahrſcheinlich unſchädliche Thier verhaßt gemacht, und fiel dann und wann bei unſeren Abendverſammlungen ein ſolcher Gaſt mitten unter uns auf den Tiſch herab (was bei ihrem unverträglichen Weſen nicht ſelten geſchah, indem ſie ſich fortwährend biſſen und jagten), ſo gab es gewöhnlich eine augenblickliche Sprengung der Geſellſchaft. Ja, der Ekel, welchen Alle vor dem häßlichen Thiere hatten, ließ uns nie ausgekleidet in die Hängematte legen.“ Nun, auch ich habe Wochen und Monate lang in Häuſern gewohnt, in denen ſich Gekos maſſenhaft aufhielten, und auch ich bin durch die erſten Stücke, welche ich ſah, in Verwunderung geſetzt worden: ich habe aber die eigenthümlichen und harmloſen Geſchöpfe ſehr bald gern geſehen und mir manche Stunde durch ſie verkürzen laſſen. Hausthiere ſind ſie im vollſten Sinne des Wortes, treuere noch als die Mäuſe und jedenfalls nützlichere. Bei Tage haben ihre Bewegungen allerdings etwas Täppiſches, namentlich dann, wenn man ſie bedroht und ſie ſich ſo eilig als möglich ihrem Schlupfwinkel zuflüchten, und ebenſo nimmt es nicht gerade für ſie ein, wenn man ſieht, daß ſie in der Angſt ſich plötzlich, wie Dies manche Käfer thun, zu Boden herab- ſtürzen laſſen und dabei gewöhnlich den Schwanz verlieren: wenn aber ihre Zeit gekommen, d. h. die Dunkelheit eingetreten iſt, dann müſſen ſie, meine ich, jeden Beobachter und Forſcher, wenn auch nicht entzücken, ſodoch feſſeln. Selbſt Schomburgk muß zugeſtehen, daß die Fertigkeit und Gewandtheit, mit welcher ſie an Wänden, an anderen glatten Flächen oder Dachſparren hinlaufen, an das Fabelhafte grenzt, daß ihre nickenden Kopfbewegungen, welche man beſonders während des Stillſitzens bemerkt, höchſt eigenthümlich ſind, und wenn er ſich nicht daran ſo ergötzt hat, wie ich, ſo trägt er gewiß allein die Schuld. Uns verurſachten ſie ſtets ein großes Vergnügen, wenn wir nachts in unſerem Wohn- hauſe zu Kairo, Dongola, Charthum oder ſonſtwo in Nordafrika, in dem dunkeln Lehmgebäude eben- ſowohl wie in der aus Stroh errichteten Hütte, den erſten Ruf der Gekos hörten und dann ihr wirklich geiſterhaftes Treiben belauſchen, ihrer mit größtem Eifer betriebenen Jagd zuſehen, ſie überhaupt bei allen ihren Handlungen verfolgen konnten. Unzählige Male haben wir Gekos gefangen, ſie in der Hand gehabt und ſie und ihre Blätterſcheiben betrachtet, niemals aber auch nur den geringſten Nachtheil von der Berührung und Handhabung der als ſo giftig verſchrieenen Geſchöpfe verſpürt, einen Nachtheil aber auch nicht verſpüren können, da eine „klebrige Feuchtigkeit“ gar nicht vorhanden iſt. Schon Home, welcher die Zehenblätter wirklich unterſuchte, ſpricht ſich dahin aus, daß der Geko einen luſtleeren Raum hervorbringt und dadurch ſich feſthält, und — Home hat vollſtändig Recht. Verührung der Blätterſcheiben verurſacht allerdings das Gefühl der Klebrigkeit; einen leimartigen Stoff aber, welcher vergiften könnte, hat ſicherlich noch kein Forſcher, welcher unterſuchte, wahrgenommen. Und keiner von Denen, welche von dieſem Leim geſchwatzt, hat bedacht, daß der Geko ſeine Füße bald gar nicht mehr würde gebrauchen können, wäre ein ſolcher Leim vorhanden, weil ſich vermittelſt deſſelben eher Schmuz und Staub an die Blätter- ſcheiben als dieſe ſelbſt an die Wand heften würden. Das Thier klebt nur in Folge des Luftdruckes an dem Gegenſtande, welchen es beklettert.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/171>, abgerufen am 22.12.2024.