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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schuppenechsen. Haftzeher.
ist so giftig, daß er in wenigen Stunden den Tod nach sich zieht, wenn der gebissene Theil nicht
sogleich abgehauen oder gebrannt wird. Das habe ich selbst bei einem Matrosen erfahren, welcher
zu Batavia im Krankenhause lag. Er bekam blos dadurch, daß ihm eine solche Eidechse über die
Brust lief, eine Blase wie von siedendem Wasser. Bei der Eröffnung derselben floß gelbe, stinkende
Jauche aus. Das Fleisch darunter war nußfarbig, ging auch zwei Finger dick in Brand über und
fiel ab zu unserm großen Verwundern und Entsetzen. Diese Eidechse hat so scharfe Zähne, daß sie
Eindrücke in den Stahl macht. Jhr Rachen ist roth wie ein glühender Ofen. Zum Schrecken der
Einwohner treibt sie sich oft in den Schlafzimmern umher, sodaß die Leute genöthigt sind, ihre Hütte
ganz abzubrechen, damit die Thiere weiter wandern müssen. Die Javaner vergiften mit ihrem Blute
und Geifer ihre Waffen; ruchlose Giftmischer, deren es hier zu Lande viele gibt, hängen sie mit dem
Schwanze auf und fangen den klebrigen und gelben Geifer, den sie aus Zorn immer ausfließen
lassen, in einem irdenen Geschirre auf und lassen ihn dann an der Sonne eintrocknen, ernähren daher
auch beständig solche scheußliche Thiere. Selbst ihr Harn zieht Blasen." Hasselquist behauptet,
daß der in Egypten lebende Haftzeher Gift aus den Furchen der Zehenscheiben ausschwitzt, versichert
auch, zwei Weiber und ein Mädchen gesehen zu haben, welche den von einer solchen Schuppenechse
vergisteten Käse gegessen hatten und dem Tode nah waren. Ein Geistlicher, welcher das böse Thier
fangen wollte, bekam beim Berühren Blasen, welche brannten, als ob er Nesseln berührt hätte. Wer
von der Speise ißt, über welche ein solches Thier gelaufen, wird aussätzig u. s. w. Aehnliche
Märchen läßt sich Pöppig in Peru aufbinden. Ein dort vorkommender Geko soll ebenfalls so sehr
giftig sein, daß schon seine Berührung gefährlich ist. Das Gift sitzt auf den Zehenflächen, und seine
Wirkung ist zwar nicht so schnell, allein unfehlbar ebenso tödtlich wie die des Schlangengiftes. Die
Jndianer wissen Dies so wohl, daß sie nach dem Abhauen der Füße die Thiere furchtlos in die Hand
nehmen. Dieser Haftzeher sucht glücklicherweise den Menschen nicht auf, und die Gefahr besteht nur
darin, daß er, wenn er herabfällt oder unerwartet beim Aufheben von Gegenständen in dunkelen
Winkeln ergriffen wird, vergiftet. Da genannter Forscher bei Vergrößerung mit einer guten Lupe
am todten Thiere die Schuppen trocken sah und bei Zergliederung der darunter liegenden Theile, soviel
deren Gefährlichkeit sie zuließ,
weder Drüsen, noch Giftblasen bemerken konnte, hält er es für
wahrscheinlich, daß das Gift nach Willkür ausfließt. Heiße Oelreibungen und Aezen, faselt er, dürfen
wohl das passendste Mittel sein, der Wirkung zu begegnen; denn diese kann, wie stark das Gift
auch sein möge, der des Schlangengiftes, welches durch Verwundung ins Blut gebracht wird,
unmöglich gleich sein. Schinz meint vorstehende Angabe eines so ausgezeichneten Reisenden und
Naturforschers, wie Pöppig ist, aufnehmen zu müssen, ohne jedoch dafür eintreten zu wollen. Jch
billige diese Zurückhaltung; denn ich fürchte, daß es mit der Zergliederung sich ebenso verhält wie mit
den von Pöppig ausgeführten Messungen des Kondors (Band III, Seite 557). Aehnliche Schauer-
geschichten kann man in anderen Theilen Amerikas, in Afrika, Jndien und selbst in Südeuropa ver-
nehmen. "Wenn ein Geko", so erzählten Jndianer und Farbige den Gebrüdern Schomburgk, "von
der Decke oder den Balken des Daches auf die bloße Haut eines Menschen fällt, so lösen sich die
Zehenscheiben, welche das Gift enthalten, und dringen in das Fleisch ein, wodurch eine Geschwulst
hervorgerufen wird, welche schnellen Tod im Gefolge hat." Daher scheuen denn auch jene Leute die
Haftzeher ebenso wie die giftigsten Schlangen. Jn Südeuropa schwört der Unkundige auf die
Giftigkeit der Haftzeher mit derselben Ueberzeugung wie auf die Wunderkraft der Schädel, Knochen,
Kleiderfetzen und Holzsplitter, welche die verehrungswürdigen Heiligen zum Segen der leidenden
Menschheit zu hinterlassen die Güte gehabt haben. "Es will wenig sagen", bemerkt Lucian
Bonaparte,
"daß man sie beschuldigt, die Speisen mit ihren Füßen zu verderben: man lügt ihnen
auch nach, daß sie das Blut von Dem, über dessen Brust sie laufen, augenblicklich gerinnen machen.
Mit dieser furchtbaren Lehre warnen die Mütter täglich ihre Kinder." Kurz, das Mißtrauen, der
Abscheu gegen die Haftzeher sind allgemein -- und doch gänzlich ungerechtfertigt! Wir werden sehen,
daß unsere Thiere vollkommen unschädliche und harmlose Schuppenechsen sind und einzig und allein

Die Schuppenechſen. Haftzeher.
iſt ſo giftig, daß er in wenigen Stunden den Tod nach ſich zieht, wenn der gebiſſene Theil nicht
ſogleich abgehauen oder gebrannt wird. Das habe ich ſelbſt bei einem Matroſen erfahren, welcher
zu Batavia im Krankenhauſe lag. Er bekam blos dadurch, daß ihm eine ſolche Eidechſe über die
Bruſt lief, eine Blaſe wie von ſiedendem Waſſer. Bei der Eröffnung derſelben floß gelbe, ſtinkende
Jauche aus. Das Fleiſch darunter war nußfarbig, ging auch zwei Finger dick in Brand über und
fiel ab zu unſerm großen Verwundern und Entſetzen. Dieſe Eidechſe hat ſo ſcharfe Zähne, daß ſie
Eindrücke in den Stahl macht. Jhr Rachen iſt roth wie ein glühender Ofen. Zum Schrecken der
Einwohner treibt ſie ſich oft in den Schlafzimmern umher, ſodaß die Leute genöthigt ſind, ihre Hütte
ganz abzubrechen, damit die Thiere weiter wandern müſſen. Die Javaner vergiften mit ihrem Blute
und Geifer ihre Waffen; ruchloſe Giftmiſcher, deren es hier zu Lande viele gibt, hängen ſie mit dem
Schwanze auf und fangen den klebrigen und gelben Geifer, den ſie aus Zorn immer ausfließen
laſſen, in einem irdenen Geſchirre auf und laſſen ihn dann an der Sonne eintrocknen, ernähren daher
auch beſtändig ſolche ſcheußliche Thiere. Selbſt ihr Harn zieht Blaſen.“ Haſſelquiſt behauptet,
daß der in Egypten lebende Haftzeher Gift aus den Furchen der Zehenſcheiben ausſchwitzt, verſichert
auch, zwei Weiber und ein Mädchen geſehen zu haben, welche den von einer ſolchen Schuppenechſe
vergiſteten Käſe gegeſſen hatten und dem Tode nah waren. Ein Geiſtlicher, welcher das böſe Thier
fangen wollte, bekam beim Berühren Blaſen, welche brannten, als ob er Neſſeln berührt hätte. Wer
von der Speiſe ißt, über welche ein ſolches Thier gelaufen, wird ausſätzig u. ſ. w. Aehnliche
Märchen läßt ſich Pöppig in Peru aufbinden. Ein dort vorkommender Geko ſoll ebenfalls ſo ſehr
giftig ſein, daß ſchon ſeine Berührung gefährlich iſt. Das Gift ſitzt auf den Zehenflächen, und ſeine
Wirkung iſt zwar nicht ſo ſchnell, allein unfehlbar ebenſo tödtlich wie die des Schlangengiftes. Die
Jndianer wiſſen Dies ſo wohl, daß ſie nach dem Abhauen der Füße die Thiere furchtlos in die Hand
nehmen. Dieſer Haftzeher ſucht glücklicherweiſe den Menſchen nicht auf, und die Gefahr beſteht nur
darin, daß er, wenn er herabfällt oder unerwartet beim Aufheben von Gegenſtänden in dunkelen
Winkeln ergriffen wird, vergiftet. Da genannter Forſcher bei Vergrößerung mit einer guten Lupe
am todten Thiere die Schuppen trocken ſah und bei Zergliederung der darunter liegenden Theile, ſoviel
deren Gefährlichkeit ſie zuließ,
weder Drüſen, noch Giftblaſen bemerken konnte, hält er es für
wahrſcheinlich, daß das Gift nach Willkür ausfließt. Heiße Oelreibungen und Aezen, faſelt er, dürfen
wohl das paſſendſte Mittel ſein, der Wirkung zu begegnen; denn dieſe kann, wie ſtark das Gift
auch ſein möge, der des Schlangengiftes, welches durch Verwundung ins Blut gebracht wird,
unmöglich gleich ſein. Schinz meint vorſtehende Angabe eines ſo ausgezeichneten Reiſenden und
Naturforſchers, wie Pöppig iſt, aufnehmen zu müſſen, ohne jedoch dafür eintreten zu wollen. Jch
billige dieſe Zurückhaltung; denn ich fürchte, daß es mit der Zergliederung ſich ebenſo verhält wie mit
den von Pöppig ausgeführten Meſſungen des Kondors (Band III, Seite 557). Aehnliche Schauer-
geſchichten kann man in anderen Theilen Amerikas, in Afrika, Jndien und ſelbſt in Südeuropa ver-
nehmen. „Wenn ein Geko“, ſo erzählten Jndianer und Farbige den Gebrüdern Schomburgk, „von
der Decke oder den Balken des Daches auf die bloße Haut eines Menſchen fällt, ſo löſen ſich die
Zehenſcheiben, welche das Gift enthalten, und dringen in das Fleiſch ein, wodurch eine Geſchwulſt
hervorgerufen wird, welche ſchnellen Tod im Gefolge hat.“ Daher ſcheuen denn auch jene Leute die
Haftzeher ebenſo wie die giftigſten Schlangen. Jn Südeuropa ſchwört der Unkundige auf die
Giftigkeit der Haftzeher mit derſelben Ueberzeugung wie auf die Wunderkraft der Schädel, Knochen,
Kleiderfetzen und Holzſplitter, welche die verehrungswürdigen Heiligen zum Segen der leidenden
Menſchheit zu hinterlaſſen die Güte gehabt haben. „Es will wenig ſagen“, bemerkt Lucian
Bonaparte,
„daß man ſie beſchuldigt, die Speiſen mit ihren Füßen zu verderben: man lügt ihnen
auch nach, daß ſie das Blut von Dem, über deſſen Bruſt ſie laufen, augenblicklich gerinnen machen.
Mit dieſer furchtbaren Lehre warnen die Mütter täglich ihre Kinder.“ Kurz, das Mißtrauen, der
Abſcheu gegen die Haftzeher ſind allgemein — und doch gänzlich ungerechtfertigt! Wir werden ſehen,
daß unſere Thiere vollkommen unſchädliche und harmloſe Schuppenechſen ſind und einzig und allein

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[146/0166] Die Schuppenechſen. Haftzeher. iſt ſo giftig, daß er in wenigen Stunden den Tod nach ſich zieht, wenn der gebiſſene Theil nicht ſogleich abgehauen oder gebrannt wird. Das habe ich ſelbſt bei einem Matroſen erfahren, welcher zu Batavia im Krankenhauſe lag. Er bekam blos dadurch, daß ihm eine ſolche Eidechſe über die Bruſt lief, eine Blaſe wie von ſiedendem Waſſer. Bei der Eröffnung derſelben floß gelbe, ſtinkende Jauche aus. Das Fleiſch darunter war nußfarbig, ging auch zwei Finger dick in Brand über und fiel ab zu unſerm großen Verwundern und Entſetzen. Dieſe Eidechſe hat ſo ſcharfe Zähne, daß ſie Eindrücke in den Stahl macht. Jhr Rachen iſt roth wie ein glühender Ofen. Zum Schrecken der Einwohner treibt ſie ſich oft in den Schlafzimmern umher, ſodaß die Leute genöthigt ſind, ihre Hütte ganz abzubrechen, damit die Thiere weiter wandern müſſen. Die Javaner vergiften mit ihrem Blute und Geifer ihre Waffen; ruchloſe Giftmiſcher, deren es hier zu Lande viele gibt, hängen ſie mit dem Schwanze auf und fangen den klebrigen und gelben Geifer, den ſie aus Zorn immer ausfließen laſſen, in einem irdenen Geſchirre auf und laſſen ihn dann an der Sonne eintrocknen, ernähren daher auch beſtändig ſolche ſcheußliche Thiere. Selbſt ihr Harn zieht Blaſen.“ Haſſelquiſt behauptet, daß der in Egypten lebende Haftzeher Gift aus den Furchen der Zehenſcheiben ausſchwitzt, verſichert auch, zwei Weiber und ein Mädchen geſehen zu haben, welche den von einer ſolchen Schuppenechſe vergiſteten Käſe gegeſſen hatten und dem Tode nah waren. Ein Geiſtlicher, welcher das böſe Thier fangen wollte, bekam beim Berühren Blaſen, welche brannten, als ob er Neſſeln berührt hätte. Wer von der Speiſe ißt, über welche ein ſolches Thier gelaufen, wird ausſätzig u. ſ. w. Aehnliche Märchen läßt ſich Pöppig in Peru aufbinden. Ein dort vorkommender Geko ſoll ebenfalls ſo ſehr giftig ſein, daß ſchon ſeine Berührung gefährlich iſt. Das Gift ſitzt auf den Zehenflächen, und ſeine Wirkung iſt zwar nicht ſo ſchnell, allein unfehlbar ebenſo tödtlich wie die des Schlangengiftes. Die Jndianer wiſſen Dies ſo wohl, daß ſie nach dem Abhauen der Füße die Thiere furchtlos in die Hand nehmen. Dieſer Haftzeher ſucht glücklicherweiſe den Menſchen nicht auf, und die Gefahr beſteht nur darin, daß er, wenn er herabfällt oder unerwartet beim Aufheben von Gegenſtänden in dunkelen Winkeln ergriffen wird, vergiftet. Da genannter Forſcher bei Vergrößerung mit einer guten Lupe am todten Thiere die Schuppen trocken ſah und bei Zergliederung der darunter liegenden Theile, ſoviel deren Gefährlichkeit ſie zuließ, weder Drüſen, noch Giftblaſen bemerken konnte, hält er es für wahrſcheinlich, daß das Gift nach Willkür ausfließt. Heiße Oelreibungen und Aezen, faſelt er, dürfen wohl das paſſendſte Mittel ſein, der Wirkung zu begegnen; denn dieſe kann, wie ſtark das Gift auch ſein möge, der des Schlangengiftes, welches durch Verwundung ins Blut gebracht wird, unmöglich gleich ſein. Schinz meint vorſtehende Angabe eines ſo ausgezeichneten Reiſenden und Naturforſchers, wie Pöppig iſt, aufnehmen zu müſſen, ohne jedoch dafür eintreten zu wollen. Jch billige dieſe Zurückhaltung; denn ich fürchte, daß es mit der Zergliederung ſich ebenſo verhält wie mit den von Pöppig ausgeführten Meſſungen des Kondors (Band III, Seite 557). Aehnliche Schauer- geſchichten kann man in anderen Theilen Amerikas, in Afrika, Jndien und ſelbſt in Südeuropa ver- nehmen. „Wenn ein Geko“, ſo erzählten Jndianer und Farbige den Gebrüdern Schomburgk, „von der Decke oder den Balken des Daches auf die bloße Haut eines Menſchen fällt, ſo löſen ſich die Zehenſcheiben, welche das Gift enthalten, und dringen in das Fleiſch ein, wodurch eine Geſchwulſt hervorgerufen wird, welche ſchnellen Tod im Gefolge hat.“ Daher ſcheuen denn auch jene Leute die Haftzeher ebenſo wie die giftigſten Schlangen. Jn Südeuropa ſchwört der Unkundige auf die Giftigkeit der Haftzeher mit derſelben Ueberzeugung wie auf die Wunderkraft der Schädel, Knochen, Kleiderfetzen und Holzſplitter, welche die verehrungswürdigen Heiligen zum Segen der leidenden Menſchheit zu hinterlaſſen die Güte gehabt haben. „Es will wenig ſagen“, bemerkt Lucian Bonaparte, „daß man ſie beſchuldigt, die Speiſen mit ihren Füßen zu verderben: man lügt ihnen auch nach, daß ſie das Blut von Dem, über deſſen Bruſt ſie laufen, augenblicklich gerinnen machen. Mit dieſer furchtbaren Lehre warnen die Mütter täglich ihre Kinder.“ Kurz, das Mißtrauen, der Abſcheu gegen die Haftzeher ſind allgemein — und doch gänzlich ungerechtfertigt! Wir werden ſehen, daß unſere Thiere vollkommen unſchädliche und harmloſe Schuppenechſen ſind und einzig und allein

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/166>, abgerufen am 22.12.2024.