Begattungswerkzeuge kommen bei allen Kriechthieren vor und sind sogar sehr ausgebildet. Alle Schlangen und Eidechsen haben zwei paarige, mit zottigen Stacheln und Haken besetzte Ruthen, welche bei der Begattung derart umgestülpt werden, daß ihre innere Fläche zur äußeren wird; die Schildkröten und Krokodile hingegen haben nur einfache, an der Vorderwand der Kloake befestigte, undurchbohrte Ruthen, auf deren äußeren Fläche sich eine Längsrinne zur Fortleitung der Samen- flüssigkeit befindet. Die Eiersäcke bilden bald Schläuche, bald Platten und sind immer von den Eileitern geschieden.
Das Gehirn der Kriechthiere ist weit unvollkommner als das der Säugethiere und Vögel, aber auch wiederum viel ausgebildeter als das der Lurche und Fische. Es besteht aus drei hinter einander liegenden Markmassen, dem Vorder-, Mittel- und Hinterhirn. Letzteres ist bei den Krokodilen besonders entwickelt, bei Schildkröten und Schlangen mehr oder weniger verkümmert. Aehnlich ver- hält es sich mit dem Vorderhirn. Rückenmark und Nerven sind im Verhältniß zum Gehirn sehr groß, der Einfluß desselben auf die Nerventhätigkeit deshalb gering. Unter den Sinneswerkzeugen steht ausnahmslos das Auge obenan, obgleich es gewöhnlich sehr klein, zuweilen sogar gänzlich unter der Haut verborgen ist. Bezeichnend für verschiedene Familien und Gruppen ist die Bildung des Augenlides. "Am einfachsten ist diese Bildung bei den Schlangen, wo alle Augenlider fehlen, und die Schichten der Haut da, wo sie über den Augapfel weggehen, durchsichtig werden, sich wölben und eine Kapsel bilden, welche wie ein Uhrglas in den umgebenden Falz der Haut eingelassen ist und so den beweglichen Apfel von vorn schützt. Die Thränenflüssigkeit füllt den Raum zwischen dieser Kapsel und dem Augapfel aus und fließt durch einen weiten Kanal an dem inneren Augenwinkel in die Nasenhöhle aus. Das obere Augenlid ist fast bei allen übrigen Kriechthieren wenig ausgebildet und besteht gewöhnlich nur in einer steifen, halbknorpeligen Hautfalte, während das untere, weit größere und beweglichere, den ganzen Augapfel überziehen kann, oft von einem besonderen Knochenplättchen gestützt wird und in anderen Fällen dem Sehloche gegenüber eine durchsichtig geschliffene Stelle besitzt. Bei den meisten Eidechsen, den Schildkröten und Krokodilen tritt hierzu noch die Nickhaut, die eben- falls eine Knochenplatte enthält und von dem inneren Augwinkel her mehr oder minder weit über das Auge herübergezogen werden kann. Vollkommen vereinzelt stehen die Chamäleons, welche ein kreisförmiges, an dem vorgequollenen Augapfel eng anliegendes Augenlid haben, das nur eine schmale Spalte offen läßt. Die inneren Theile des Auges unterscheiden sich wenig von denen der höheren Thiere." Bei vielen Kriechthieren sind die Augen nur wenig beweglich; es kommt jedoch auch das Umgekehrte vor, und zwar in einem Maße wie bei keinem sonst bekannten Thiere weiter: das Chamä- leon ist im Stande, seine Augen unabhängig von einander in verschiedener Richtung zu bewegen. Die Regenbogenhaut hat meist eine lebhafte Färbung; der Stern ist bei einzelnen rund, bei anderen länglich, wie bei Katzen oder Eulen, dann auch einer großen Ausdehnung fähig und geeignet, ein Nachtleben zu ermöglichen. Das Gehör steht dem der höheren Thiere entschieden nach: dem Ohre mangelt die Muschel, und das Jnnere der Höhle ist weit einfacher als bei den warm- blütigen Wirbelthieren. Doch besitzen die Kriechthiere noch die Schnecke, welche bald einen rundlichen, häutigen Sack, bald einen kurzen Kanal mit einer unvollständigen, schraubig gewundenen Scheidewand und einen flaschenförmigen Anhang darstellt. "Das innere Ohr ist hiermit in seinen wesentlichsten Theilen vorhanden und seine weitere Ausbildung bei Vögeln und Säugethieren gibt sich nicht mehr durch Vermehrung der Theile, sondern nur durch größere Ausarbeitung derselben kund." Das mittlere Ohr und die Paukenhöhle sind vielfach verschieden. Bei den Schlangen fehlt letztere durch- aus und ist auch kein Trommelfell und keine eustachische Trompete vorhanden; bei den übrigen Ordnungen wird die Paukenhöhle nach außen hin durch das mehr oder weniger freiliegende Trommel- fell geschlossen, und mündet nach innen hin durch eine kurze und weite Trompete in den Rachen. Zwischen dem Trommelfelle und dem ovalen Fenster ist die Verbindung durch das oft sehr lange Säulchen hergestellt, an welches sich bei einzelnen noch andere Knöchelchen anschließen. Auf den Sinn des Gehörs dürfte bezüglich des Grades der Entwicklung der Gefühlssinn folgen, obgleich sich
Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
Begattungswerkzeuge kommen bei allen Kriechthieren vor und ſind ſogar ſehr ausgebildet. Alle Schlangen und Eidechſen haben zwei paarige, mit zottigen Stacheln und Haken beſetzte Ruthen, welche bei der Begattung derart umgeſtülpt werden, daß ihre innere Fläche zur äußeren wird; die Schildkröten und Krokodile hingegen haben nur einfache, an der Vorderwand der Kloake befeſtigte, undurchbohrte Ruthen, auf deren äußeren Fläche ſich eine Längsrinne zur Fortleitung der Samen- flüſſigkeit befindet. Die Eierſäcke bilden bald Schläuche, bald Platten und ſind immer von den Eileitern geſchieden.
Das Gehirn der Kriechthiere iſt weit unvollkommner als das der Säugethiere und Vögel, aber auch wiederum viel ausgebildeter als das der Lurche und Fiſche. Es beſteht aus drei hinter einander liegenden Markmaſſen, dem Vorder-, Mittel- und Hinterhirn. Letzteres iſt bei den Krokodilen beſonders entwickelt, bei Schildkröten und Schlangen mehr oder weniger verkümmert. Aehnlich ver- hält es ſich mit dem Vorderhirn. Rückenmark und Nerven ſind im Verhältniß zum Gehirn ſehr groß, der Einfluß deſſelben auf die Nerventhätigkeit deshalb gering. Unter den Sinneswerkzeugen ſteht ausnahmslos das Auge obenan, obgleich es gewöhnlich ſehr klein, zuweilen ſogar gänzlich unter der Haut verborgen iſt. Bezeichnend für verſchiedene Familien und Gruppen iſt die Bildung des Augenlides. „Am einfachſten iſt dieſe Bildung bei den Schlangen, wo alle Augenlider fehlen, und die Schichten der Haut da, wo ſie über den Augapfel weggehen, durchſichtig werden, ſich wölben und eine Kapſel bilden, welche wie ein Uhrglas in den umgebenden Falz der Haut eingelaſſen iſt und ſo den beweglichen Apfel von vorn ſchützt. Die Thränenflüſſigkeit füllt den Raum zwiſchen dieſer Kapſel und dem Augapfel aus und fließt durch einen weiten Kanal an dem inneren Augenwinkel in die Naſenhöhle aus. Das obere Augenlid iſt faſt bei allen übrigen Kriechthieren wenig ausgebildet und beſteht gewöhnlich nur in einer ſteifen, halbknorpeligen Hautfalte, während das untere, weit größere und beweglichere, den ganzen Augapfel überziehen kann, oft von einem beſonderen Knochenplättchen geſtützt wird und in anderen Fällen dem Sehloche gegenüber eine durchſichtig geſchliffene Stelle beſitzt. Bei den meiſten Eidechſen, den Schildkröten und Krokodilen tritt hierzu noch die Nickhaut, die eben- falls eine Knochenplatte enthält und von dem inneren Augwinkel her mehr oder minder weit über das Auge herübergezogen werden kann. Vollkommen vereinzelt ſtehen die Chamäleons, welche ein kreisförmiges, an dem vorgequollenen Augapfel eng anliegendes Augenlid haben, das nur eine ſchmale Spalte offen läßt. Die inneren Theile des Auges unterſcheiden ſich wenig von denen der höheren Thiere.“ Bei vielen Kriechthieren ſind die Augen nur wenig beweglich; es kommt jedoch auch das Umgekehrte vor, und zwar in einem Maße wie bei keinem ſonſt bekannten Thiere weiter: das Chamä- leon iſt im Stande, ſeine Augen unabhängig von einander in verſchiedener Richtung zu bewegen. Die Regenbogenhaut hat meiſt eine lebhafte Färbung; der Stern iſt bei einzelnen rund, bei anderen länglich, wie bei Katzen oder Eulen, dann auch einer großen Ausdehnung fähig und geeignet, ein Nachtleben zu ermöglichen. Das Gehör ſteht dem der höheren Thiere entſchieden nach: dem Ohre mangelt die Muſchel, und das Jnnere der Höhle iſt weit einfacher als bei den warm- blütigen Wirbelthieren. Doch beſitzen die Kriechthiere noch die Schnecke, welche bald einen rundlichen, häutigen Sack, bald einen kurzen Kanal mit einer unvollſtändigen, ſchraubig gewundenen Scheidewand und einen flaſchenförmigen Anhang darſtellt. „Das innere Ohr iſt hiermit in ſeinen weſentlichſten Theilen vorhanden und ſeine weitere Ausbildung bei Vögeln und Säugethieren gibt ſich nicht mehr durch Vermehrung der Theile, ſondern nur durch größere Ausarbeitung derſelben kund.“ Das mittlere Ohr und die Paukenhöhle ſind vielfach verſchieden. Bei den Schlangen fehlt letztere durch- aus und iſt auch kein Trommelfell und keine euſtachiſche Trompete vorhanden; bei den übrigen Ordnungen wird die Paukenhöhle nach außen hin durch das mehr oder weniger freiliegende Trommel- fell geſchloſſen, und mündet nach innen hin durch eine kurze und weite Trompete in den Rachen. Zwiſchen dem Trommelfelle und dem ovalen Fenſter iſt die Verbindung durch das oft ſehr lange Säulchen hergeſtellt, an welches ſich bei einzelnen noch andere Knöchelchen anſchließen. Auf den Sinn des Gehörs dürfte bezüglich des Grades der Entwicklung der Gefühlsſinn folgen, obgleich ſich
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[4/0016]
Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
Begattungswerkzeuge kommen bei allen Kriechthieren vor und ſind ſogar ſehr ausgebildet. Alle
Schlangen und Eidechſen haben zwei paarige, mit zottigen Stacheln und Haken beſetzte Ruthen,
welche bei der Begattung derart umgeſtülpt werden, daß ihre innere Fläche zur äußeren wird; die
Schildkröten und Krokodile hingegen haben nur einfache, an der Vorderwand der Kloake befeſtigte,
undurchbohrte Ruthen, auf deren äußeren Fläche ſich eine Längsrinne zur Fortleitung der Samen-
flüſſigkeit befindet. Die Eierſäcke bilden bald Schläuche, bald Platten und ſind immer von den
Eileitern geſchieden.
Das Gehirn der Kriechthiere iſt weit unvollkommner als das der Säugethiere und Vögel, aber
auch wiederum viel ausgebildeter als das der Lurche und Fiſche. Es beſteht aus drei hinter einander
liegenden Markmaſſen, dem Vorder-, Mittel- und Hinterhirn. Letzteres iſt bei den Krokodilen
beſonders entwickelt, bei Schildkröten und Schlangen mehr oder weniger verkümmert. Aehnlich ver-
hält es ſich mit dem Vorderhirn. Rückenmark und Nerven ſind im Verhältniß zum Gehirn ſehr
groß, der Einfluß deſſelben auf die Nerventhätigkeit deshalb gering. Unter den Sinneswerkzeugen
ſteht ausnahmslos das Auge obenan, obgleich es gewöhnlich ſehr klein, zuweilen ſogar gänzlich unter
der Haut verborgen iſt. Bezeichnend für verſchiedene Familien und Gruppen iſt die Bildung des
Augenlides. „Am einfachſten iſt dieſe Bildung bei den Schlangen, wo alle Augenlider fehlen, und
die Schichten der Haut da, wo ſie über den Augapfel weggehen, durchſichtig werden, ſich wölben und
eine Kapſel bilden, welche wie ein Uhrglas in den umgebenden Falz der Haut eingelaſſen iſt und ſo
den beweglichen Apfel von vorn ſchützt. Die Thränenflüſſigkeit füllt den Raum zwiſchen dieſer Kapſel
und dem Augapfel aus und fließt durch einen weiten Kanal an dem inneren Augenwinkel in die
Naſenhöhle aus. Das obere Augenlid iſt faſt bei allen übrigen Kriechthieren wenig ausgebildet und
beſteht gewöhnlich nur in einer ſteifen, halbknorpeligen Hautfalte, während das untere, weit größere
und beweglichere, den ganzen Augapfel überziehen kann, oft von einem beſonderen Knochenplättchen
geſtützt wird und in anderen Fällen dem Sehloche gegenüber eine durchſichtig geſchliffene Stelle beſitzt.
Bei den meiſten Eidechſen, den Schildkröten und Krokodilen tritt hierzu noch die Nickhaut, die eben-
falls eine Knochenplatte enthält und von dem inneren Augwinkel her mehr oder minder weit über
das Auge herübergezogen werden kann. Vollkommen vereinzelt ſtehen die Chamäleons, welche ein
kreisförmiges, an dem vorgequollenen Augapfel eng anliegendes Augenlid haben, das nur eine ſchmale
Spalte offen läßt. Die inneren Theile des Auges unterſcheiden ſich wenig von denen der höheren
Thiere.“ Bei vielen Kriechthieren ſind die Augen nur wenig beweglich; es kommt jedoch auch das
Umgekehrte vor, und zwar in einem Maße wie bei keinem ſonſt bekannten Thiere weiter: das Chamä-
leon iſt im Stande, ſeine Augen unabhängig von einander in verſchiedener Richtung zu bewegen.
Die Regenbogenhaut hat meiſt eine lebhafte Färbung; der Stern iſt bei einzelnen rund, bei anderen
länglich, wie bei Katzen oder Eulen, dann auch einer großen Ausdehnung fähig und geeignet,
ein Nachtleben zu ermöglichen. Das Gehör ſteht dem der höheren Thiere entſchieden nach: dem
Ohre mangelt die Muſchel, und das Jnnere der Höhle iſt weit einfacher als bei den warm-
blütigen Wirbelthieren. Doch beſitzen die Kriechthiere noch die Schnecke, welche bald einen rundlichen,
häutigen Sack, bald einen kurzen Kanal mit einer unvollſtändigen, ſchraubig gewundenen Scheidewand
und einen flaſchenförmigen Anhang darſtellt. „Das innere Ohr iſt hiermit in ſeinen weſentlichſten
Theilen vorhanden und ſeine weitere Ausbildung bei Vögeln und Säugethieren gibt ſich nicht mehr
durch Vermehrung der Theile, ſondern nur durch größere Ausarbeitung derſelben kund.“ Das
mittlere Ohr und die Paukenhöhle ſind vielfach verſchieden. Bei den Schlangen fehlt letztere durch-
aus und iſt auch kein Trommelfell und keine euſtachiſche Trompete vorhanden; bei den übrigen
Ordnungen wird die Paukenhöhle nach außen hin durch das mehr oder weniger freiliegende Trommel-
fell geſchloſſen, und mündet nach innen hin durch eine kurze und weite Trompete in den Rachen.
Zwiſchen dem Trommelfelle und dem ovalen Fenſter iſt die Verbindung durch das oft ſehr lange
Säulchen hergeſtellt, an welches ſich bei einzelnen noch andere Knöchelchen anſchließen. Auf den Sinn
des Gehörs dürfte bezüglich des Grades der Entwicklung der Gefühlsſinn folgen, obgleich ſich
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/16>, abgerufen am 21.12.2024.
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