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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Panzerechsen. Krokodile. Alligatoren.
Zeit austrocknen, sind sie genöthigt, sich in den Schlamm einzugraben und bis zu Beginn der nächsten
Jahreszeit ein Traumleben zu führen, während sie am oberen Amazonenstrome, wo die trockene
Jahreszeit rascher vorübergeht, sich jahraus, jahrein in Bewegung und Thätigkeit zeigen. Die Ein-
gebornen fürchten nur sie, nicht aber die kleineren Verwandten. Letztere fangen sie, wie Bates aus-
führlich mittheilt, unter Umständen sogar mit den Händen; die Mohrenkaimaus hingegen haben sich
überall Achtung zu verschaffen gewußt, weil sie nicht blos im Wasser angreifen, sondern nachts sogar
auf dem Lande lästig werden, beispielsweise Hunde, welche in der Nähe der Lagerfeuer umherlaufen,
wegzukapern suchen. Bates wurde von einem verwegenen alten Männchen mehrere Nächte nach
einander im Schlafe gestört, da dasselbe die Dreistigkeit besaß, die Hütte zu besuchen, in denen unser
Forscher und seine Begleiter schliefen; in einer Nacht wurde das Unthier erst dann vertrieben, nach-
dem die Jndianer ihm mehrere Feuerbrände auf den Panzer geschleudert hatten. Auch Schomburgk
versichert, daß die Mohrenkaimans die raubgierigsten und gefräßigsten Thiere seien, welche man sich
denken könne, und sogar Steine und Holzstückchen, welche sie in ihrer Gier für genießbar halten, ver-
schlucken. Einige, welche er längere Zeit beobachtete, lungerten fortwährend in den stilleren Buchten
des Stromes umher, lauerten auf Hunde und ergriffen eines Abends einen zahmen Riesenstorch,
welcher in der Nähe des Ufers schlief. Die Hunde, welche ebenfalls oft in das Wasser gezogen
werden, kennen die ihnen drohende Gefahr so gut, daß sie in ein heftiges Bellen ausbrechen, sobald
sie den lauernden Feind bemerken, und setzen Dies solange fort, bis der Kaiman seinen Standort
verläßt.

"Um zu sehen", sagt Schomburgk, "wie sie ihre Beute ergriffen, band ich oft Vögel oder
größere Fische auf ein Stück Holz und ließ dieses dann schwimmen. Kaum war der Köder von
einem der Kaimans bemerkt worden, als dieser auch langsam, ohne daß sich die Oberfläche des Wassers
bewegte, auf die Beute zuschwamm. Hatte er sich derseben ziemlich genähert, so beugte er seinen
Körper zu einer halbzirkelförmigen Krümmung und schleuderte nun mit seinem Schwanze, dessen
Spitze er bis zum Rachen biegen kann, alle innerhalb des Halbkreises sich befindenden Gegenstände
dem geöffneten Rachen zu, worauf er diesen schloß und mit der Beute unter der Oberfläche des
Wassers verschwand, um damit nach einigen Minuten in der Nähe des Ufers oder einer Sandbank
wieder zum Vorschein zu kommen und den Raub hier zu verzehren. War dieser nicht allzugroß, so
erhob er sich nur bis an die Schulter über das Wasser und würgte ihn in dieser Stellung hinab.
Fische sind die gewöhnliche Nahrung der Kaimans; sie tödten dieselben mit dem Schlage des
Schwanzes und schleudern sie meist über das Wasser, um sie mit dem Rachen aufzufangen. Das
Zusammenklappen der Kinnladen und der Schlag des Schwanzes ruft ein lautes Geräusch her-
vor, welches man namentlich in der stillen Nacht weithin hören kann.... An einem Nachmittage
sollten wir Zeugen eines höchst interessanten Kampfes werden. Der Fluß lag in tiefer und ebener
Fläche vor uns, da sahen wir in geringer Entfernung eine ungewöhnliche Bewegung im Wasser:
ein ungeheurer Kaiman hatte einen Kaikutschi (kleiner Alligator, Champsa vallifrons) in der Mitte
des Leibes gepackt, sodaß Kopf und Schwanz an beiden Seiten seines fürchterlichen Rachens hervor-
ragten. Der Kampf war hart; aber alle Anstrengungen des Schwächeren blieben gegen die Wuth
und Gier des Mächtigeren fruchtlos. Jetzt verschwanden beide unter der Oberfläche, und nur die
aufgeregten Wellen des sonst glatten und ruhigen Flußspiegels verkündeten, daß in der Tiefe ein
Kampf auf Leben und Tod gekämpft wurde; nach einigen Minuten tauchten sie wieder auf und
peitschten mit den Schwänzen die Wasserfläche, die sich in Wellen nach allen Seiten hin zer-
theilte. Bald aber war der Erfolg nicht mehr zweifelhaft; die Kräfte und Anstrengungen des
Kaikutschi ließen nach. Wir ruderten näher. Sowie uns der Kaiman bemerkte, tauchte er unter,
kehrte aber, da er die Beute unter dem Wasser nicht verschlingen konnte, wieder zurück und schwamm
nach einer kleinen Sandbank, wo er sein Mahl augenblicklich begann....

"Auffallend war es mir, daß die Weibchen noch eine lange Zeit die regste Liebe gegen ihre
Jungen hegen, sie fortwährend bewachen und mit der größten Wuth vertheidigen, was ich aus eigener

Die Panzerechſen. Krokodile. Alligatoren.
Zeit austrocknen, ſind ſie genöthigt, ſich in den Schlamm einzugraben und bis zu Beginn der nächſten
Jahreszeit ein Traumleben zu führen, während ſie am oberen Amazonenſtrome, wo die trockene
Jahreszeit raſcher vorübergeht, ſich jahraus, jahrein in Bewegung und Thätigkeit zeigen. Die Ein-
gebornen fürchten nur ſie, nicht aber die kleineren Verwandten. Letztere fangen ſie, wie Bates aus-
führlich mittheilt, unter Umſtänden ſogar mit den Händen; die Mohrenkaimaus hingegen haben ſich
überall Achtung zu verſchaffen gewußt, weil ſie nicht blos im Waſſer angreifen, ſondern nachts ſogar
auf dem Lande läſtig werden, beiſpielsweiſe Hunde, welche in der Nähe der Lagerfeuer umherlaufen,
wegzukapern ſuchen. Bates wurde von einem verwegenen alten Männchen mehrere Nächte nach
einander im Schlafe geſtört, da daſſelbe die Dreiſtigkeit beſaß, die Hütte zu beſuchen, in denen unſer
Forſcher und ſeine Begleiter ſchliefen; in einer Nacht wurde das Unthier erſt dann vertrieben, nach-
dem die Jndianer ihm mehrere Feuerbrände auf den Panzer geſchleudert hatten. Auch Schomburgk
verſichert, daß die Mohrenkaimans die raubgierigſten und gefräßigſten Thiere ſeien, welche man ſich
denken könne, und ſogar Steine und Holzſtückchen, welche ſie in ihrer Gier für genießbar halten, ver-
ſchlucken. Einige, welche er längere Zeit beobachtete, lungerten fortwährend in den ſtilleren Buchten
des Stromes umher, lauerten auf Hunde und ergriffen eines Abends einen zahmen Rieſenſtorch,
welcher in der Nähe des Ufers ſchlief. Die Hunde, welche ebenfalls oft in das Waſſer gezogen
werden, kennen die ihnen drohende Gefahr ſo gut, daß ſie in ein heftiges Bellen ausbrechen, ſobald
ſie den lauernden Feind bemerken, und ſetzen Dies ſolange fort, bis der Kaiman ſeinen Standort
verläßt.

„Um zu ſehen“, ſagt Schomburgk, „wie ſie ihre Beute ergriffen, band ich oft Vögel oder
größere Fiſche auf ein Stück Holz und ließ dieſes dann ſchwimmen. Kaum war der Köder von
einem der Kaimans bemerkt worden, als dieſer auch langſam, ohne daß ſich die Oberfläche des Waſſers
bewegte, auf die Beute zuſchwamm. Hatte er ſich derſeben ziemlich genähert, ſo beugte er ſeinen
Körper zu einer halbzirkelförmigen Krümmung und ſchleuderte nun mit ſeinem Schwanze, deſſen
Spitze er bis zum Rachen biegen kann, alle innerhalb des Halbkreiſes ſich befindenden Gegenſtände
dem geöffneten Rachen zu, worauf er dieſen ſchloß und mit der Beute unter der Oberfläche des
Waſſers verſchwand, um damit nach einigen Minuten in der Nähe des Ufers oder einer Sandbank
wieder zum Vorſchein zu kommen und den Raub hier zu verzehren. War dieſer nicht allzugroß, ſo
erhob er ſich nur bis an die Schulter über das Waſſer und würgte ihn in dieſer Stellung hinab.
Fiſche ſind die gewöhnliche Nahrung der Kaimans; ſie tödten dieſelben mit dem Schlage des
Schwanzes und ſchleudern ſie meiſt über das Waſſer, um ſie mit dem Rachen aufzufangen. Das
Zuſammenklappen der Kinnladen und der Schlag des Schwanzes ruft ein lautes Geräuſch her-
vor, welches man namentlich in der ſtillen Nacht weithin hören kann.... An einem Nachmittage
ſollten wir Zeugen eines höchſt intereſſanten Kampfes werden. Der Fluß lag in tiefer und ebener
Fläche vor uns, da ſahen wir in geringer Entfernung eine ungewöhnliche Bewegung im Waſſer:
ein ungeheurer Kaiman hatte einen Kaikutſchi (kleiner Alligator, Champsa vallifrons) in der Mitte
des Leibes gepackt, ſodaß Kopf und Schwanz an beiden Seiten ſeines fürchterlichen Rachens hervor-
ragten. Der Kampf war hart; aber alle Anſtrengungen des Schwächeren blieben gegen die Wuth
und Gier des Mächtigeren fruchtlos. Jetzt verſchwanden beide unter der Oberfläche, und nur die
aufgeregten Wellen des ſonſt glatten und ruhigen Flußſpiegels verkündeten, daß in der Tiefe ein
Kampf auf Leben und Tod gekämpft wurde; nach einigen Minuten tauchten ſie wieder auf und
peitſchten mit den Schwänzen die Waſſerfläche, die ſich in Wellen nach allen Seiten hin zer-
theilte. Bald aber war der Erfolg nicht mehr zweifelhaft; die Kräfte und Anſtrengungen des
Kaikutſchi ließen nach. Wir ruderten näher. Sowie uns der Kaiman bemerkte, tauchte er unter,
kehrte aber, da er die Beute unter dem Waſſer nicht verſchlingen konnte, wieder zurück und ſchwamm
nach einer kleinen Sandbank, wo er ſein Mahl augenblicklich begann....

„Auffallend war es mir, daß die Weibchen noch eine lange Zeit die regſte Liebe gegen ihre
Jungen hegen, ſie fortwährend bewachen und mit der größten Wuth vertheidigen, was ich aus eigener

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[90/0106] Die Panzerechſen. Krokodile. Alligatoren. Zeit austrocknen, ſind ſie genöthigt, ſich in den Schlamm einzugraben und bis zu Beginn der nächſten Jahreszeit ein Traumleben zu führen, während ſie am oberen Amazonenſtrome, wo die trockene Jahreszeit raſcher vorübergeht, ſich jahraus, jahrein in Bewegung und Thätigkeit zeigen. Die Ein- gebornen fürchten nur ſie, nicht aber die kleineren Verwandten. Letztere fangen ſie, wie Bates aus- führlich mittheilt, unter Umſtänden ſogar mit den Händen; die Mohrenkaimaus hingegen haben ſich überall Achtung zu verſchaffen gewußt, weil ſie nicht blos im Waſſer angreifen, ſondern nachts ſogar auf dem Lande läſtig werden, beiſpielsweiſe Hunde, welche in der Nähe der Lagerfeuer umherlaufen, wegzukapern ſuchen. Bates wurde von einem verwegenen alten Männchen mehrere Nächte nach einander im Schlafe geſtört, da daſſelbe die Dreiſtigkeit beſaß, die Hütte zu beſuchen, in denen unſer Forſcher und ſeine Begleiter ſchliefen; in einer Nacht wurde das Unthier erſt dann vertrieben, nach- dem die Jndianer ihm mehrere Feuerbrände auf den Panzer geſchleudert hatten. Auch Schomburgk verſichert, daß die Mohrenkaimans die raubgierigſten und gefräßigſten Thiere ſeien, welche man ſich denken könne, und ſogar Steine und Holzſtückchen, welche ſie in ihrer Gier für genießbar halten, ver- ſchlucken. Einige, welche er längere Zeit beobachtete, lungerten fortwährend in den ſtilleren Buchten des Stromes umher, lauerten auf Hunde und ergriffen eines Abends einen zahmen Rieſenſtorch, welcher in der Nähe des Ufers ſchlief. Die Hunde, welche ebenfalls oft in das Waſſer gezogen werden, kennen die ihnen drohende Gefahr ſo gut, daß ſie in ein heftiges Bellen ausbrechen, ſobald ſie den lauernden Feind bemerken, und ſetzen Dies ſolange fort, bis der Kaiman ſeinen Standort verläßt. „Um zu ſehen“, ſagt Schomburgk, „wie ſie ihre Beute ergriffen, band ich oft Vögel oder größere Fiſche auf ein Stück Holz und ließ dieſes dann ſchwimmen. Kaum war der Köder von einem der Kaimans bemerkt worden, als dieſer auch langſam, ohne daß ſich die Oberfläche des Waſſers bewegte, auf die Beute zuſchwamm. Hatte er ſich derſeben ziemlich genähert, ſo beugte er ſeinen Körper zu einer halbzirkelförmigen Krümmung und ſchleuderte nun mit ſeinem Schwanze, deſſen Spitze er bis zum Rachen biegen kann, alle innerhalb des Halbkreiſes ſich befindenden Gegenſtände dem geöffneten Rachen zu, worauf er dieſen ſchloß und mit der Beute unter der Oberfläche des Waſſers verſchwand, um damit nach einigen Minuten in der Nähe des Ufers oder einer Sandbank wieder zum Vorſchein zu kommen und den Raub hier zu verzehren. War dieſer nicht allzugroß, ſo erhob er ſich nur bis an die Schulter über das Waſſer und würgte ihn in dieſer Stellung hinab. Fiſche ſind die gewöhnliche Nahrung der Kaimans; ſie tödten dieſelben mit dem Schlage des Schwanzes und ſchleudern ſie meiſt über das Waſſer, um ſie mit dem Rachen aufzufangen. Das Zuſammenklappen der Kinnladen und der Schlag des Schwanzes ruft ein lautes Geräuſch her- vor, welches man namentlich in der ſtillen Nacht weithin hören kann.... An einem Nachmittage ſollten wir Zeugen eines höchſt intereſſanten Kampfes werden. Der Fluß lag in tiefer und ebener Fläche vor uns, da ſahen wir in geringer Entfernung eine ungewöhnliche Bewegung im Waſſer: ein ungeheurer Kaiman hatte einen Kaikutſchi (kleiner Alligator, Champsa vallifrons) in der Mitte des Leibes gepackt, ſodaß Kopf und Schwanz an beiden Seiten ſeines fürchterlichen Rachens hervor- ragten. Der Kampf war hart; aber alle Anſtrengungen des Schwächeren blieben gegen die Wuth und Gier des Mächtigeren fruchtlos. Jetzt verſchwanden beide unter der Oberfläche, und nur die aufgeregten Wellen des ſonſt glatten und ruhigen Flußſpiegels verkündeten, daß in der Tiefe ein Kampf auf Leben und Tod gekämpft wurde; nach einigen Minuten tauchten ſie wieder auf und peitſchten mit den Schwänzen die Waſſerfläche, die ſich in Wellen nach allen Seiten hin zer- theilte. Bald aber war der Erfolg nicht mehr zweifelhaft; die Kräfte und Anſtrengungen des Kaikutſchi ließen nach. Wir ruderten näher. Sowie uns der Kaiman bemerkte, tauchte er unter, kehrte aber, da er die Beute unter dem Waſſer nicht verſchlingen konnte, wieder zurück und ſchwamm nach einer kleinen Sandbank, wo er ſein Mahl augenblicklich begann.... „Auffallend war es mir, daß die Weibchen noch eine lange Zeit die regſte Liebe gegen ihre Jungen hegen, ſie fortwährend bewachen und mit der größten Wuth vertheidigen, was ich aus eigener

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/106>, abgerufen am 21.12.2024.