die Nähe des Schiffes zurück, um Das aufzufangen, was man über Bord wirft." Tschudi ließ einen am Bord seines Schiffes gefangenen Albatros Kopf, Hals und Brust mit Theer bestreichen und ihm darauf die Freiheit wiedergeben. "Das Thier entfernte sich augenblicklich vom Schiffe, erschien aber nach drei Viertelstunden wieder unter einem Schwarm von Sippschaftsgenossen und Sturmvögeln, welche dem Fahrzeuge beständig folgten. Jch schenkte ihm meine volle Aufmerksamkeit, und auf meine Aufforderung achtete auch jedesmal der Wache habende Offizier genauer auf ihn. Unseren vereinten Beobachtungen gelang es, festzustellen, daß der bezeichnete Vogel während sechs voller Tage dem Schiffe folgte und in dieser Zeit sich nur viermal außerhalb unserer Sehweite verlor, jedoch nie länger als höchstens eine Stunde. Am siebenten Tage in der Frühe strich er seewärts und wurde später nicht mehr wieder gesehen. Daß er dem Schiffe auch während der Nacht folgte, konnte insofern mit Bestimmtheit angenommen werden, als wir ihn bei einbrechender Dunkelheit, solange es noch möglich war, ihn überhaupt zu unterscheiden, beobachteten, und ihn der Offizier der ersten Morgen- wache immer wieder unermüdlich fliegen sah. Es ist dabei wohl zu berücksichtigen, daß das Schiff oft mehrere Wochen nach einander sieben bis neun Knoten in der Stunde zurücklegte, wenn auch in dem sechstägigen Durchschnitte nur 41/2 Knoten."
Der Grund, welcher den Albatros bewegt, so ausgedehnte Strecken zu durchfliegen und weitaus den größten Theil seines Lebens in der Luft zu verbringen, ist sein unersättlicher Heißhunger. Man darf von ihm, wie Schinz mit vollem Recht hervorhebt, sagen, daß er nur zu leben scheine, um zu fressen. Seine Verdauung ist ungemein schnell, er deshalb auch genöthigt, beständig nach Beute zu suchen; und wenn er wirklich einmal so glücklich war, durch reichlichen Genuß sich zu feisten, ver- urtheilt ihn ein länger währender Sturm zum Fasten und nimmt ihm das Fett wieder, welches er sich ansammelte: dann wird die Gier, mit welcher er sich auf alles Genießbare stürzt und selbst die augenscheinlichste Gefahr verachtet, sehr erklärlich. Es ist ein noch heutigentages allgemeiner Jrrthum, daß Stürme den Seefliegern günstig wären, weil sie, wie man meint, Weichthiere und Fische auf- rühren sollen; im Gegentheile: das stürmische Meer hindert sie, ihre gewohnte Nahrung zu finden, und gerade deshalb nähern sie sich dann den Schiffen mehr als sonst, in der Hoffnung, ihren bellenden Magen dort befriedigen zu können. Bei ruhigem Wetter fressen die Albatrosse wahrscheinlich nur verschiedene Kopffüßler und andere Weichthiere, welche sie von der Oberfläche des Wassers aufnehmen. Sie sind, laut Hutton, nicht im Stande, lebende Fische zu fangen; man sieht sie auch nicht sich nach Art der Stoßtaucher plötzlich auf das Wasser herabstürzen, sondern wenn etwas auf den Wellen treibt, sich festsetzen, es mit dem Schnabel aufnehmen und schwimmend verschlingen. "Deshalb", fügt Hutton Dem hinzu, "kann man sie blos dann fangen, wenn das Schiff langsam geht, d. h. vier bis fünf Knoten in der Stunde zurücklegt; aber man muß selbst dann eine genügend lange Leine auswerfen und dem Vogel Gelegenheit geben, sich den Bissen ordentlich ansehen zu können." Außer den ver- schiedenen Weichthieren nehmen die Albatrosse allerdings auch Aas größerer Thiere zu sich und zeigen sich in dieser Hinsicht so recht eigentlich als die Geier des Meeres. Marion de Proce traf einmal eine größere Anzahl von Albatrossen an, welche sich um das stinkende Aas eines Walfisches stritten und sich um das ansegelnde Schiff wenig kümmerten, weil sie eifrig beschäftigt waren, Stücke von dem Leichnam abzureißen. Man machte ein Boot fertig und näherte sich ihnen; sie ließen es ruhig geschehen, denn ihre Freßgier war so groß, daß sie für gar nichts Anderes Sinn zu haben schienen, daß man sie mit der Hand hätte fangen können, hätte man sich vor ihren Bissen nicht gefürchtet. Gould findet die entsetzliche Geschichte wahrscheinlich, daß die Albatrosse ertrunkene Menschen angehen und, "wie die Raben am Bache", ihnen die Augen aushacken; für mich unterliegt es keinem Zweifel, daß sie Dies thun, und ich sehe auch gar nicht ein, warum sie zwischen dem Aase eines Menschen oder dem eines Walfisches einen Unterschied machen sollen: -- fressen sie doch die Leichname ihrer Artgenossen ohne Bedenken an.
Ueber die Fortpflanzung und insbesondere über die Entwickelung der Jungen sind wir noch immer nicht im Reinen, obgleich schon mehrere Forscher oder doch wenigstens Beobachter einzelne
Die Schwimmer. Seeflieger. Albatroſſe.
die Nähe des Schiffes zurück, um Das aufzufangen, was man über Bord wirft.“ Tſchudi ließ einen am Bord ſeines Schiffes gefangenen Albatros Kopf, Hals und Bruſt mit Theer beſtreichen und ihm darauf die Freiheit wiedergeben. „Das Thier entfernte ſich augenblicklich vom Schiffe, erſchien aber nach drei Viertelſtunden wieder unter einem Schwarm von Sippſchaftsgenoſſen und Sturmvögeln, welche dem Fahrzeuge beſtändig folgten. Jch ſchenkte ihm meine volle Aufmerkſamkeit, und auf meine Aufforderung achtete auch jedesmal der Wache habende Offizier genauer auf ihn. Unſeren vereinten Beobachtungen gelang es, feſtzuſtellen, daß der bezeichnete Vogel während ſechs voller Tage dem Schiffe folgte und in dieſer Zeit ſich nur viermal außerhalb unſerer Sehweite verlor, jedoch nie länger als höchſtens eine Stunde. Am ſiebenten Tage in der Frühe ſtrich er ſeewärts und wurde ſpäter nicht mehr wieder geſehen. Daß er dem Schiffe auch während der Nacht folgte, konnte inſofern mit Beſtimmtheit angenommen werden, als wir ihn bei einbrechender Dunkelheit, ſolange es noch möglich war, ihn überhaupt zu unterſcheiden, beobachteten, und ihn der Offizier der erſten Morgen- wache immer wieder unermüdlich fliegen ſah. Es iſt dabei wohl zu berückſichtigen, daß das Schiff oft mehrere Wochen nach einander ſieben bis neun Knoten in der Stunde zurücklegte, wenn auch in dem ſechstägigen Durchſchnitte nur 4½ Knoten.“
Der Grund, welcher den Albatros bewegt, ſo ausgedehnte Strecken zu durchfliegen und weitaus den größten Theil ſeines Lebens in der Luft zu verbringen, iſt ſein unerſättlicher Heißhunger. Man darf von ihm, wie Schinz mit vollem Recht hervorhebt, ſagen, daß er nur zu leben ſcheine, um zu freſſen. Seine Verdauung iſt ungemein ſchnell, er deshalb auch genöthigt, beſtändig nach Beute zu ſuchen; und wenn er wirklich einmal ſo glücklich war, durch reichlichen Genuß ſich zu feiſten, ver- urtheilt ihn ein länger währender Sturm zum Faſten und nimmt ihm das Fett wieder, welches er ſich anſammelte: dann wird die Gier, mit welcher er ſich auf alles Genießbare ſtürzt und ſelbſt die augenſcheinlichſte Gefahr verachtet, ſehr erklärlich. Es iſt ein noch heutigentages allgemeiner Jrrthum, daß Stürme den Seefliegern günſtig wären, weil ſie, wie man meint, Weichthiere und Fiſche auf- rühren ſollen; im Gegentheile: das ſtürmiſche Meer hindert ſie, ihre gewohnte Nahrung zu finden, und gerade deshalb nähern ſie ſich dann den Schiffen mehr als ſonſt, in der Hoffnung, ihren bellenden Magen dort befriedigen zu können. Bei ruhigem Wetter freſſen die Albatroſſe wahrſcheinlich nur verſchiedene Kopffüßler und andere Weichthiere, welche ſie von der Oberfläche des Waſſers aufnehmen. Sie ſind, laut Hutton, nicht im Stande, lebende Fiſche zu fangen; man ſieht ſie auch nicht ſich nach Art der Stoßtaucher plötzlich auf das Waſſer herabſtürzen, ſondern wenn etwas auf den Wellen treibt, ſich feſtſetzen, es mit dem Schnabel aufnehmen und ſchwimmend verſchlingen. „Deshalb“, fügt Hutton Dem hinzu, „kann man ſie blos dann fangen, wenn das Schiff langſam geht, d. h. vier bis fünf Knoten in der Stunde zurücklegt; aber man muß ſelbſt dann eine genügend lange Leine auswerfen und dem Vogel Gelegenheit geben, ſich den Biſſen ordentlich anſehen zu können.“ Außer den ver- ſchiedenen Weichthieren nehmen die Albatroſſe allerdings auch Aas größerer Thiere zu ſich und zeigen ſich in dieſer Hinſicht ſo recht eigentlich als die Geier des Meeres. Marion de Proce traf einmal eine größere Anzahl von Albatroſſen an, welche ſich um das ſtinkende Aas eines Walfiſches ſtritten und ſich um das anſegelnde Schiff wenig kümmerten, weil ſie eifrig beſchäftigt waren, Stücke von dem Leichnam abzureißen. Man machte ein Boot fertig und näherte ſich ihnen; ſie ließen es ruhig geſchehen, denn ihre Freßgier war ſo groß, daß ſie für gar nichts Anderes Sinn zu haben ſchienen, daß man ſie mit der Hand hätte fangen können, hätte man ſich vor ihren Biſſen nicht gefürchtet. Gould findet die entſetzliche Geſchichte wahrſcheinlich, daß die Albatroſſe ertrunkene Menſchen angehen und, „wie die Raben am Bache“, ihnen die Augen aushacken; für mich unterliegt es keinem Zweifel, daß ſie Dies thun, und ich ſehe auch gar nicht ein, warum ſie zwiſchen dem Aaſe eines Menſchen oder dem eines Walfiſches einen Unterſchied machen ſollen: — freſſen ſie doch die Leichname ihrer Artgenoſſen ohne Bedenken an.
Ueber die Fortpflanzung und insbeſondere über die Entwickelung der Jungen ſind wir noch immer nicht im Reinen, obgleich ſchon mehrere Forſcher oder doch wenigſtens Beobachter einzelne
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[890/0942]
Die Schwimmer. Seeflieger. Albatroſſe.
die Nähe des Schiffes zurück, um Das aufzufangen, was man über Bord wirft.“ Tſchudi ließ
einen am Bord ſeines Schiffes gefangenen Albatros Kopf, Hals und Bruſt mit Theer beſtreichen und
ihm darauf die Freiheit wiedergeben. „Das Thier entfernte ſich augenblicklich vom Schiffe, erſchien
aber nach drei Viertelſtunden wieder unter einem Schwarm von Sippſchaftsgenoſſen und Sturmvögeln,
welche dem Fahrzeuge beſtändig folgten. Jch ſchenkte ihm meine volle Aufmerkſamkeit, und auf
meine Aufforderung achtete auch jedesmal der Wache habende Offizier genauer auf ihn. Unſeren
vereinten Beobachtungen gelang es, feſtzuſtellen, daß der bezeichnete Vogel während ſechs voller Tage
dem Schiffe folgte und in dieſer Zeit ſich nur viermal außerhalb unſerer Sehweite verlor, jedoch nie
länger als höchſtens eine Stunde. Am ſiebenten Tage in der Frühe ſtrich er ſeewärts und wurde
ſpäter nicht mehr wieder geſehen. Daß er dem Schiffe auch während der Nacht folgte, konnte inſofern
mit Beſtimmtheit angenommen werden, als wir ihn bei einbrechender Dunkelheit, ſolange es noch
möglich war, ihn überhaupt zu unterſcheiden, beobachteten, und ihn der Offizier der erſten Morgen-
wache immer wieder unermüdlich fliegen ſah. Es iſt dabei wohl zu berückſichtigen, daß das Schiff oft
mehrere Wochen nach einander ſieben bis neun Knoten in der Stunde zurücklegte, wenn auch in dem
ſechstägigen Durchſchnitte nur 4½ Knoten.“
Der Grund, welcher den Albatros bewegt, ſo ausgedehnte Strecken zu durchfliegen und weitaus
den größten Theil ſeines Lebens in der Luft zu verbringen, iſt ſein unerſättlicher Heißhunger. Man
darf von ihm, wie Schinz mit vollem Recht hervorhebt, ſagen, daß er nur zu leben ſcheine, um zu
freſſen. Seine Verdauung iſt ungemein ſchnell, er deshalb auch genöthigt, beſtändig nach Beute zu
ſuchen; und wenn er wirklich einmal ſo glücklich war, durch reichlichen Genuß ſich zu feiſten, ver-
urtheilt ihn ein länger währender Sturm zum Faſten und nimmt ihm das Fett wieder, welches er ſich
anſammelte: dann wird die Gier, mit welcher er ſich auf alles Genießbare ſtürzt und ſelbſt die
augenſcheinlichſte Gefahr verachtet, ſehr erklärlich. Es iſt ein noch heutigentages allgemeiner Jrrthum,
daß Stürme den Seefliegern günſtig wären, weil ſie, wie man meint, Weichthiere und Fiſche auf-
rühren ſollen; im Gegentheile: das ſtürmiſche Meer hindert ſie, ihre gewohnte Nahrung zu finden,
und gerade deshalb nähern ſie ſich dann den Schiffen mehr als ſonſt, in der Hoffnung, ihren bellenden
Magen dort befriedigen zu können. Bei ruhigem Wetter freſſen die Albatroſſe wahrſcheinlich nur
verſchiedene Kopffüßler und andere Weichthiere, welche ſie von der Oberfläche des Waſſers aufnehmen.
Sie ſind, laut Hutton, nicht im Stande, lebende Fiſche zu fangen; man ſieht ſie auch nicht ſich nach
Art der Stoßtaucher plötzlich auf das Waſſer herabſtürzen, ſondern wenn etwas auf den Wellen treibt,
ſich feſtſetzen, es mit dem Schnabel aufnehmen und ſchwimmend verſchlingen. „Deshalb“, fügt
Hutton Dem hinzu, „kann man ſie blos dann fangen, wenn das Schiff langſam geht, d. h. vier bis
fünf Knoten in der Stunde zurücklegt; aber man muß ſelbſt dann eine genügend lange Leine auswerfen
und dem Vogel Gelegenheit geben, ſich den Biſſen ordentlich anſehen zu können.“ Außer den ver-
ſchiedenen Weichthieren nehmen die Albatroſſe allerdings auch Aas größerer Thiere zu ſich und zeigen
ſich in dieſer Hinſicht ſo recht eigentlich als die Geier des Meeres. Marion de Proce traf einmal
eine größere Anzahl von Albatroſſen an, welche ſich um das ſtinkende Aas eines Walfiſches ſtritten
und ſich um das anſegelnde Schiff wenig kümmerten, weil ſie eifrig beſchäftigt waren, Stücke von
dem Leichnam abzureißen. Man machte ein Boot fertig und näherte ſich ihnen; ſie ließen es
ruhig geſchehen, denn ihre Freßgier war ſo groß, daß ſie für gar nichts Anderes Sinn zu haben
ſchienen, daß man ſie mit der Hand hätte fangen können, hätte man ſich vor ihren Biſſen nicht
gefürchtet. Gould findet die entſetzliche Geſchichte wahrſcheinlich, daß die Albatroſſe ertrunkene
Menſchen angehen und, „wie die Raben am Bache“, ihnen die Augen aushacken; für mich unterliegt
es keinem Zweifel, daß ſie Dies thun, und ich ſehe auch gar nicht ein, warum ſie zwiſchen dem Aaſe
eines Menſchen oder dem eines Walfiſches einen Unterſchied machen ſollen: — freſſen ſie doch die
Leichname ihrer Artgenoſſen ohne Bedenken an.
Ueber die Fortpflanzung und insbeſondere über die Entwickelung der Jungen ſind wir noch
immer nicht im Reinen, obgleich ſchon mehrere Forſcher oder doch wenigſtens Beobachter einzelne
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 890. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/942>, abgerufen am 22.11.2024.
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