Neckereien abgerechnet, im tiefsten Frieden unter einander. Das Geschick, welches ein Glied einer solchen Genossenschaft erleidet, wird von allen übrigen tief empfunden: um die aus der Luft herab- geschossene Wasserschwalbe versammeln sich augenblicklich die übrigen und nicht aus Reid, wie man aus dem Vorhergegangenen wohl glauben könnte, sondern aus wirklichem Mitgefühl, in der Absicht, zu belfen oder doch wenigstens zu klagen. Bei diesem Ausdrucke ihres Gefühls bleibt es übrigens; denn sie sind muthlos und feige und wagen nur solche Gegner anzugreifen oder doch zu bedrohen, denen sie im Fluge weit überlegen sind, während sie vor allen wirklich gefährlichen ängstlich flüchten.
Zum Nistplatze wählen sich die Wasserschwalben eine geeignete Stelle inmitten des Sumpfes oder Morastes. Auf ihr werden die Nester ziemlich nah neben einander angelegt, entweder auf kleinen Schlammhügelchen, welche eben über das Wasser empor ragen, oder auf Gras- und Seggenbüschen, auf schwimmenden Jnselchen von Rohr, Schilf und anderem Wuste, auch wohl auf den Blättern der Wasserrose, fast stets so, daß die Nester, obwohl sie mehr oder weniger schwimmen, durch jede Ver- änderung des Wasserstandes gefährdet erscheinen. Ausnahmsweise kommt es allerdings vor, daß sie dieselben zwischen den Blättern der Schilfbüschel in dichtstehendem hohen Rohre oder sogar auf Strauchwerk anlegen; in der Regel aber bevorzugen sie die Tiefe. Das Nest selbst ist, dem Stand- orte entsprechend, verschieden, hat jedoch nie mit dem der bisher genannten Seeschwalben Aehnlichkeit. Zur Unterlage werden immer Pflanzenstoffe herbeigeschleppt, zuweilen von ihnen förmliche Haufen aufgethürmt und die Oberfläche derselben seicht ausgemuldet. Trockene Rohr- und Schilfblätter, Grashälmchen, Rispen, Würzelchen etc. bilden das ganze Nest, und von einer künstlerischen Anordnung ist nicht zu reden. Anfangs Juni findet man hier drei, seltener zwei oder vier kurze, starkbauchige, zartschalige, feinkörnige, glanzlose Eier, welche auf blaßölbraunem, mehr oder weniger gilblichen und grünlichen Grunde mit vielen grauen, dunkelrothbraunen und braunschwarzen Flecken, Tüpfeln und Punkten bestreut sind. Nach vierzehn bis sechszehn Tagen entschlüpfen die Jungen; zwei Wochen später, wenn sie etwas flattern gelernt haben, verlassen sie das Nest. Jhre Eltern widmen ihnen die größte Sorgfalt und zeigen angesichts einer ihnen drohenden Gefahr einen Muth, welcher mit ihrer sonst bemerklichen Aengstlichkeit im grellsten Gegensatze steht. Nachdem die Jungen flugfähig geworden sind, folgen sie den Alten noch längere Zeit auf allen Ausflügen, unter unablässigem Gewimmer Futter erbettelnd und ihre Ernährer oft auch noch während des Wegzuges in dieser Weise belästigend.
Jn Jtalien stellt man auch diesen Seeschwalben nach und verwendet sie in einer Weise, welche der grausamen Vernichtungswuth und Freßsucht der Welschen würdig ist. Jn Sümpfen, die erfahrungsmäßig von ziehenden Wasserschwalben besucht werden, richtet man einen eigenen Herd her, lockt durch Aufwerfen eines weißen Lappens die Wasserschwalben herbei, fängt sie und verkauft sie nun entweder lebend an nichtswürdige Buben, welche ihnen einen langen, dünnen Faden ans Bein binden und sich auf öffentlichen Plätzen damit belustigen, sie fliegen zu lassen, oder tödtet und rupft sie, hackt ihnen die Flügel ab und bringt sie als Wildpret auf den Markt.
Mehrere ausländische Seeschwalben unterscheiden sich durch ihre Lebensweise von den bisher genannten. Unter ihnen verdient die Feen- oder Seidenschwalbe (Gygis candida) zunächst erwähnt zu werden. Sie ist schlank gebaut, ihr Schnabel lang, etwas schwach und deutlich nach aufwärts gebogen, der Fittig lang, der Schwanz tief ausgeschnitten, der Fuß kurz, mit kleinen Schwimmhäuten, das Gefieder seidenweich und schneeweiß von Farbe, das Auge schwarz, der Schnabel am Grunde dunkelblau, an der Spitze schwarz, der Fuß saffrangelb.
Diese auch durch ihre Schönheit ausgezeichnete Schwalbe gehört dem stillen Meere an und findet sich unter anderem an der ganzen Südostküste Australiens von der Moretonbay bis zum Kap
Deutſche Waſſerſchwalben.
Neckereien abgerechnet, im tiefſten Frieden unter einander. Das Geſchick, welches ein Glied einer ſolchen Genoſſenſchaft erleidet, wird von allen übrigen tief empfunden: um die aus der Luft herab- geſchoſſene Waſſerſchwalbe verſammeln ſich augenblicklich die übrigen und nicht aus Reid, wie man aus dem Vorhergegangenen wohl glauben könnte, ſondern aus wirklichem Mitgefühl, in der Abſicht, zu belfen oder doch wenigſtens zu klagen. Bei dieſem Ausdrucke ihres Gefühls bleibt es übrigens; denn ſie ſind muthlos und feige und wagen nur ſolche Gegner anzugreifen oder doch zu bedrohen, denen ſie im Fluge weit überlegen ſind, während ſie vor allen wirklich gefährlichen ängſtlich flüchten.
Zum Niſtplatze wählen ſich die Waſſerſchwalben eine geeignete Stelle inmitten des Sumpfes oder Moraſtes. Auf ihr werden die Neſter ziemlich nah neben einander angelegt, entweder auf kleinen Schlammhügelchen, welche eben über das Waſſer empor ragen, oder auf Gras- und Seggenbüſchen, auf ſchwimmenden Jnſelchen von Rohr, Schilf und anderem Wuſte, auch wohl auf den Blättern der Waſſerroſe, faſt ſtets ſo, daß die Neſter, obwohl ſie mehr oder weniger ſchwimmen, durch jede Ver- änderung des Waſſerſtandes gefährdet erſcheinen. Ausnahmsweiſe kommt es allerdings vor, daß ſie dieſelben zwiſchen den Blättern der Schilfbüſchel in dichtſtehendem hohen Rohre oder ſogar auf Strauchwerk anlegen; in der Regel aber bevorzugen ſie die Tiefe. Das Neſt ſelbſt iſt, dem Stand- orte entſprechend, verſchieden, hat jedoch nie mit dem der bisher genannten Seeſchwalben Aehnlichkeit. Zur Unterlage werden immer Pflanzenſtoffe herbeigeſchleppt, zuweilen von ihnen förmliche Haufen aufgethürmt und die Oberfläche derſelben ſeicht ausgemuldet. Trockene Rohr- und Schilfblätter, Grashälmchen, Rispen, Würzelchen ꝛc. bilden das ganze Neſt, und von einer künſtleriſchen Anordnung iſt nicht zu reden. Anfangs Juni findet man hier drei, ſeltener zwei oder vier kurze, ſtarkbauchige, zartſchalige, feinkörnige, glanzloſe Eier, welche auf blaßölbraunem, mehr oder weniger gilblichen und grünlichen Grunde mit vielen grauen, dunkelrothbraunen und braunſchwarzen Flecken, Tüpfeln und Punkten beſtreut ſind. Nach vierzehn bis ſechszehn Tagen entſchlüpfen die Jungen; zwei Wochen ſpäter, wenn ſie etwas flattern gelernt haben, verlaſſen ſie das Neſt. Jhre Eltern widmen ihnen die größte Sorgfalt und zeigen angeſichts einer ihnen drohenden Gefahr einen Muth, welcher mit ihrer ſonſt bemerklichen Aengſtlichkeit im grellſten Gegenſatze ſteht. Nachdem die Jungen flugfähig geworden ſind, folgen ſie den Alten noch längere Zeit auf allen Ausflügen, unter unabläſſigem Gewimmer Futter erbettelnd und ihre Ernährer oft auch noch während des Wegzuges in dieſer Weiſe beläſtigend.
Jn Jtalien ſtellt man auch dieſen Seeſchwalben nach und verwendet ſie in einer Weiſe, welche der grauſamen Vernichtungswuth und Freßſucht der Welſchen würdig iſt. Jn Sümpfen, die erfahrungsmäßig von ziehenden Waſſerſchwalben beſucht werden, richtet man einen eigenen Herd her, lockt durch Aufwerfen eines weißen Lappens die Waſſerſchwalben herbei, fängt ſie und verkauft ſie nun entweder lebend an nichtswürdige Buben, welche ihnen einen langen, dünnen Faden ans Bein binden und ſich auf öffentlichen Plätzen damit beluſtigen, ſie fliegen zu laſſen, oder tödtet und rupft ſie, hackt ihnen die Flügel ab und bringt ſie als Wildpret auf den Markt.
Mehrere ausländiſche Seeſchwalben unterſcheiden ſich durch ihre Lebensweiſe von den bisher genannten. Unter ihnen verdient die Feen- oder Seidenſchwalbe (Gygis candida) zunächſt erwähnt zu werden. Sie iſt ſchlank gebaut, ihr Schnabel lang, etwas ſchwach und deutlich nach aufwärts gebogen, der Fittig lang, der Schwanz tief ausgeſchnitten, der Fuß kurz, mit kleinen Schwimmhäuten, das Gefieder ſeidenweich und ſchneeweiß von Farbe, das Auge ſchwarz, der Schnabel am Grunde dunkelblau, an der Spitze ſchwarz, der Fuß ſaffrangelb.
Dieſe auch durch ihre Schönheit ausgezeichnete Schwalbe gehört dem ſtillen Meere an und findet ſich unter anderem an der ganzen Südoſtküſte Auſtraliens von der Moretonbay bis zum Kap
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[863/0913]
Deutſche Waſſerſchwalben.
Neckereien abgerechnet, im tiefſten Frieden unter einander. Das Geſchick, welches ein Glied einer
ſolchen Genoſſenſchaft erleidet, wird von allen übrigen tief empfunden: um die aus der Luft herab-
geſchoſſene Waſſerſchwalbe verſammeln ſich augenblicklich die übrigen und nicht aus Reid, wie man
aus dem Vorhergegangenen wohl glauben könnte, ſondern aus wirklichem Mitgefühl, in der Abſicht,
zu belfen oder doch wenigſtens zu klagen. Bei dieſem Ausdrucke ihres Gefühls bleibt es übrigens;
denn ſie ſind muthlos und feige und wagen nur ſolche Gegner anzugreifen oder doch zu bedrohen,
denen ſie im Fluge weit überlegen ſind, während ſie vor allen wirklich gefährlichen ängſtlich flüchten.
Zum Niſtplatze wählen ſich die Waſſerſchwalben eine geeignete Stelle inmitten des Sumpfes
oder Moraſtes. Auf ihr werden die Neſter ziemlich nah neben einander angelegt, entweder auf kleinen
Schlammhügelchen, welche eben über das Waſſer empor ragen, oder auf Gras- und Seggenbüſchen,
auf ſchwimmenden Jnſelchen von Rohr, Schilf und anderem Wuſte, auch wohl auf den Blättern der
Waſſerroſe, faſt ſtets ſo, daß die Neſter, obwohl ſie mehr oder weniger ſchwimmen, durch jede Ver-
änderung des Waſſerſtandes gefährdet erſcheinen. Ausnahmsweiſe kommt es allerdings vor, daß ſie
dieſelben zwiſchen den Blättern der Schilfbüſchel in dichtſtehendem hohen Rohre oder ſogar auf
Strauchwerk anlegen; in der Regel aber bevorzugen ſie die Tiefe. Das Neſt ſelbſt iſt, dem Stand-
orte entſprechend, verſchieden, hat jedoch nie mit dem der bisher genannten Seeſchwalben Aehnlichkeit.
Zur Unterlage werden immer Pflanzenſtoffe herbeigeſchleppt, zuweilen von ihnen förmliche Haufen
aufgethürmt und die Oberfläche derſelben ſeicht ausgemuldet. Trockene Rohr- und Schilfblätter,
Grashälmchen, Rispen, Würzelchen ꝛc. bilden das ganze Neſt, und von einer künſtleriſchen Anordnung
iſt nicht zu reden. Anfangs Juni findet man hier drei, ſeltener zwei oder vier kurze, ſtarkbauchige,
zartſchalige, feinkörnige, glanzloſe Eier, welche auf blaßölbraunem, mehr oder weniger gilblichen und
grünlichen Grunde mit vielen grauen, dunkelrothbraunen und braunſchwarzen Flecken, Tüpfeln und
Punkten beſtreut ſind. Nach vierzehn bis ſechszehn Tagen entſchlüpfen die Jungen; zwei Wochen
ſpäter, wenn ſie etwas flattern gelernt haben, verlaſſen ſie das Neſt. Jhre Eltern widmen ihnen die
größte Sorgfalt und zeigen angeſichts einer ihnen drohenden Gefahr einen Muth, welcher mit ihrer
ſonſt bemerklichen Aengſtlichkeit im grellſten Gegenſatze ſteht. Nachdem die Jungen flugfähig
geworden ſind, folgen ſie den Alten noch längere Zeit auf allen Ausflügen, unter unabläſſigem
Gewimmer Futter erbettelnd und ihre Ernährer oft auch noch während des Wegzuges in dieſer Weiſe
beläſtigend.
Jn Jtalien ſtellt man auch dieſen Seeſchwalben nach und verwendet ſie in einer Weiſe, welche
der grauſamen Vernichtungswuth und Freßſucht der Welſchen würdig iſt. Jn Sümpfen, die
erfahrungsmäßig von ziehenden Waſſerſchwalben beſucht werden, richtet man einen eigenen Herd her,
lockt durch Aufwerfen eines weißen Lappens die Waſſerſchwalben herbei, fängt ſie und verkauft ſie nun
entweder lebend an nichtswürdige Buben, welche ihnen einen langen, dünnen Faden ans Bein binden
und ſich auf öffentlichen Plätzen damit beluſtigen, ſie fliegen zu laſſen, oder tödtet und rupft ſie, hackt
ihnen die Flügel ab und bringt ſie als Wildpret auf den Markt.
Mehrere ausländiſche Seeſchwalben unterſcheiden ſich durch ihre Lebensweiſe von den bisher
genannten. Unter ihnen verdient die Feen- oder Seidenſchwalbe (Gygis candida) zunächſt
erwähnt zu werden. Sie iſt ſchlank gebaut, ihr Schnabel lang, etwas ſchwach und deutlich nach
aufwärts gebogen, der Fittig lang, der Schwanz tief ausgeſchnitten, der Fuß kurz, mit kleinen
Schwimmhäuten, das Gefieder ſeidenweich und ſchneeweiß von Farbe, das Auge ſchwarz, der Schnabel
am Grunde dunkelblau, an der Spitze ſchwarz, der Fuß ſaffrangelb.
Dieſe auch durch ihre Schönheit ausgezeichnete Schwalbe gehört dem ſtillen Meere an und findet
ſich unter anderem an der ganzen Südoſtküſte Auſtraliens von der Moretonbay bis zum Kap
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 863. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/913>, abgerufen am 22.11.2024.
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