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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Seeflieger. Seeschwalben.
sonderliche Mühe. Naumann sah einige Male, daß Flußschwalben von Baumfalken verfolgt
wurden. "Das gewöhnliche Rettungsmittel der Schwimmvögel und mancher anderen, sich sogleich
ins Wasser zu stürzen", sagt er, "sahen wir die Verfolgten hier nicht ergreifen, dagegen aber die
Flußschwalbe den Stößen des Falken mit einer bewunderungswürdigen Gewandtheit ausweichen, sie
nach jedem Stoße höher steigen, bei manchen auch senkrecht ein Stück herabfallen oder eine kühne
Seitenwendung ausführen, dabei aber immer noch mehr und mehr den Wolken nähern, bis endlich
des Falken Kraft erschöpft wurde und er unverrichteter Sache abziehen mußte. Junge fängt er
indessen mit größerer Leichtigkeit; doch kann ihm eine völlig erwachsene auch schon sehr viel zu schaffen
machen. Er scheint ein Hauptfeind der Flußschwalben zu sein und ihnen die eben flugbaren Jungen
nicht selten wegzukapern." Die Brut wird von den Raben im weitesten Sinne und am Meere auch
von den größeren Verwandten gefährdet, obwohl die Alten mit Heldenmuth für sie einstehen. Der
verständige Mensch verfolgt sie nicht; höchstens ein nichtsnutziger Sonntagsjäger schießt einen oder
den anderen der niedlichen Vögel zu seinem sogenannten Bergnügen aus der Luft herab. Gefangene
sieht man hier und da in den Thiergärten oder bei Liebhabern, schwerlich aber auf längere Zeit, weil
man nicht im Stande ist, ihre Lebensanforderungen zu befriedigen.



Die Zwergseeschwalbe (Sternula minuta) hat man ebenfalls zum Vertreter einer besonderen
Sippe erhoben, obgleich sie sich nur durch verhältnißmäßig starken und etwas kurzen Schnabel, die
tief ausgeschnittenen Schwimmhäute und den seicht gegabelten Schwanz von anderen Arten der
Familie unterscheidet. Die Stirn und die Unterseite sind weiß, Oberkopf und Nacken schwarz, die
Mantel- und Flügelfedern aschgrau. Das Auge ist braun, der Schnabel wachsgelb, an der Spitze
schwarz, der Fuß lehmgelb. Die Länge beträgt 81/2, die Breite 19 bis 20, die Fittiglänge 7, die
Schwanzlänge 3 Zoll. Das Junge ist ähnlich gefleckt wie das der verwandten Arten.

Ueber vier Erdtheile, Asien, Europa, Afrika und Amerika, dehnt sich der Verbreitungskreis
dieser kleinsten Art der Familie, nach Norden hin wird er ungefähr bis zum 58., nach Süden hin
etwa bis zum 24. Grade der Breite reichen. Jn Brasilien wird sie durch eine ähnliche, etwas
größere Art vertreten. Auch sie bewohnt hauptsächlich süße Gewässer, insbesondere größere Ströme,
ohne jedoch die Meeresküste gänzlich zu meiden. Flache Kiesbänke in den Strömen sind die erste
Bedingung, welche sie an ihren Wohnplatz stellt; wo diese fehlen, siedelt sie sich niemals an. Jn
Deutschland erscheint sie erst im Mai, zuweilen nicht vor der Mitte dieses Monats, brütet und begibt
sich bereits im Juli oder spätestens August auf die Wanderschaft. Aber sie reist langsam, hält sich
überall noch ein wenig auf, wird deshalb schon im Süden Deutschlands noch viel später bemerkt als
im Norden und geht in der Regel auch nicht weit, nämlich nur bis an die Ströme und Strandseen
Nordafrikas hinüber. Jn ähnlicher Weise wandert sie vom Norden Asiens und vom nördlichen
Amerika aus.

Die Zwergseeschwalbe gibt, wie Naumann sagt, "an Schönheit keiner anderen Art ihrer
Familie Etwas nach, und daß man hier Alles im verjüngten Maßstabe sieht, erhöht den Reiz für den
Beschauer". Sie unterscheidet sich auch im Betragen nicht wesentlich von den Verwandten, geht und
schwimmt wie diese, fliegt in ähnlicher Weise, vielleicht noch etwas schneller und leichter, aber mit
denselben kühnen Windungen und in ebenso manchfach wechselnder Art, in der Regel eine anmuthige
Behendigkeit entwickelnd; denn sie scheint beständig Eile zu haben und ist unbedingt eine der
lebhaftesten und flinkesten ihrer Gattung. "Begegnen sich zwei dieser munteren Vögel", fährt
Naumann fort, "so drücken sie ihre Freude durch lautes Schreien aus. Bald kommt eine dritte,
eine-vierte hinzu; das Geschrei vervielfältigt sich; die Töne folgen hastiger, und es beginnt ein gegen-
seitiges Necken, wobei die herrlichsten Schwenkungen ausgeführt werden. Solche Scenen des
Frohsinns und Uebermuths wiederholen sich an gut besetzten Wohnplätzen täglich mehrere Male. Sie

Die Schwimmer. Seeflieger. Seeſchwalben.
ſonderliche Mühe. Naumann ſah einige Male, daß Flußſchwalben von Baumfalken verfolgt
wurden. „Das gewöhnliche Rettungsmittel der Schwimmvögel und mancher anderen, ſich ſogleich
ins Waſſer zu ſtürzen“, ſagt er, „ſahen wir die Verfolgten hier nicht ergreifen, dagegen aber die
Flußſchwalbe den Stößen des Falken mit einer bewunderungswürdigen Gewandtheit ausweichen, ſie
nach jedem Stoße höher ſteigen, bei manchen auch ſenkrecht ein Stück herabfallen oder eine kühne
Seitenwendung ausführen, dabei aber immer noch mehr und mehr den Wolken nähern, bis endlich
des Falken Kraft erſchöpft wurde und er unverrichteter Sache abziehen mußte. Junge fängt er
indeſſen mit größerer Leichtigkeit; doch kann ihm eine völlig erwachſene auch ſchon ſehr viel zu ſchaffen
machen. Er ſcheint ein Hauptfeind der Flußſchwalben zu ſein und ihnen die eben flugbaren Jungen
nicht ſelten wegzukapern.“ Die Brut wird von den Raben im weiteſten Sinne und am Meere auch
von den größeren Verwandten gefährdet, obwohl die Alten mit Heldenmuth für ſie einſtehen. Der
verſtändige Menſch verfolgt ſie nicht; höchſtens ein nichtsnutziger Sonntagsjäger ſchießt einen oder
den anderen der niedlichen Vögel zu ſeinem ſogenannten Bergnügen aus der Luft herab. Gefangene
ſieht man hier und da in den Thiergärten oder bei Liebhabern, ſchwerlich aber auf längere Zeit, weil
man nicht im Stande iſt, ihre Lebensanforderungen zu befriedigen.



Die Zwergſeeſchwalbe (Sternula minuta) hat man ebenfalls zum Vertreter einer beſonderen
Sippe erhoben, obgleich ſie ſich nur durch verhältnißmäßig ſtarken und etwas kurzen Schnabel, die
tief ausgeſchnittenen Schwimmhäute und den ſeicht gegabelten Schwanz von anderen Arten der
Familie unterſcheidet. Die Stirn und die Unterſeite ſind weiß, Oberkopf und Nacken ſchwarz, die
Mantel- und Flügelfedern aſchgrau. Das Auge iſt braun, der Schnabel wachsgelb, an der Spitze
ſchwarz, der Fuß lehmgelb. Die Länge beträgt 8½, die Breite 19 bis 20, die Fittiglänge 7, die
Schwanzlänge 3 Zoll. Das Junge iſt ähnlich gefleckt wie das der verwandten Arten.

Ueber vier Erdtheile, Aſien, Europa, Afrika und Amerika, dehnt ſich der Verbreitungskreis
dieſer kleinſten Art der Familie, nach Norden hin wird er ungefähr bis zum 58., nach Süden hin
etwa bis zum 24. Grade der Breite reichen. Jn Braſilien wird ſie durch eine ähnliche, etwas
größere Art vertreten. Auch ſie bewohnt hauptſächlich ſüße Gewäſſer, insbeſondere größere Ströme,
ohne jedoch die Meeresküſte gänzlich zu meiden. Flache Kiesbänke in den Strömen ſind die erſte
Bedingung, welche ſie an ihren Wohnplatz ſtellt; wo dieſe fehlen, ſiedelt ſie ſich niemals an. Jn
Deutſchland erſcheint ſie erſt im Mai, zuweilen nicht vor der Mitte dieſes Monats, brütet und begibt
ſich bereits im Juli oder ſpäteſtens Auguſt auf die Wanderſchaft. Aber ſie reiſt langſam, hält ſich
überall noch ein wenig auf, wird deshalb ſchon im Süden Deutſchlands noch viel ſpäter bemerkt als
im Norden und geht in der Regel auch nicht weit, nämlich nur bis an die Ströme und Strandſeen
Nordafrikas hinüber. Jn ähnlicher Weiſe wandert ſie vom Norden Aſiens und vom nördlichen
Amerika aus.

Die Zwergſeeſchwalbe gibt, wie Naumann ſagt, „an Schönheit keiner anderen Art ihrer
Familie Etwas nach, und daß man hier Alles im verjüngten Maßſtabe ſieht, erhöht den Reiz für den
Beſchauer“. Sie unterſcheidet ſich auch im Betragen nicht weſentlich von den Verwandten, geht und
ſchwimmt wie dieſe, fliegt in ähnlicher Weiſe, vielleicht noch etwas ſchneller und leichter, aber mit
denſelben kühnen Windungen und in ebenſo manchfach wechſelnder Art, in der Regel eine anmuthige
Behendigkeit entwickelnd; denn ſie ſcheint beſtändig Eile zu haben und iſt unbedingt eine der
lebhafteſten und flinkeſten ihrer Gattung. „Begegnen ſich zwei dieſer munteren Vögel“, fährt
Naumann fort, „ſo drücken ſie ihre Freude durch lautes Schreien aus. Bald kommt eine dritte,
eine-vierte hinzu; das Geſchrei vervielfältigt ſich; die Töne folgen haſtiger, und es beginnt ein gegen-
ſeitiges Necken, wobei die herrlichſten Schwenkungen ausgeführt werden. Solche Scenen des
Frohſinns und Uebermuths wiederholen ſich an gut beſetzten Wohnplätzen täglich mehrere Male. Sie

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[860/0910] Die Schwimmer. Seeflieger. Seeſchwalben. ſonderliche Mühe. Naumann ſah einige Male, daß Flußſchwalben von Baumfalken verfolgt wurden. „Das gewöhnliche Rettungsmittel der Schwimmvögel und mancher anderen, ſich ſogleich ins Waſſer zu ſtürzen“, ſagt er, „ſahen wir die Verfolgten hier nicht ergreifen, dagegen aber die Flußſchwalbe den Stößen des Falken mit einer bewunderungswürdigen Gewandtheit ausweichen, ſie nach jedem Stoße höher ſteigen, bei manchen auch ſenkrecht ein Stück herabfallen oder eine kühne Seitenwendung ausführen, dabei aber immer noch mehr und mehr den Wolken nähern, bis endlich des Falken Kraft erſchöpft wurde und er unverrichteter Sache abziehen mußte. Junge fängt er indeſſen mit größerer Leichtigkeit; doch kann ihm eine völlig erwachſene auch ſchon ſehr viel zu ſchaffen machen. Er ſcheint ein Hauptfeind der Flußſchwalben zu ſein und ihnen die eben flugbaren Jungen nicht ſelten wegzukapern.“ Die Brut wird von den Raben im weiteſten Sinne und am Meere auch von den größeren Verwandten gefährdet, obwohl die Alten mit Heldenmuth für ſie einſtehen. Der verſtändige Menſch verfolgt ſie nicht; höchſtens ein nichtsnutziger Sonntagsjäger ſchießt einen oder den anderen der niedlichen Vögel zu ſeinem ſogenannten Bergnügen aus der Luft herab. Gefangene ſieht man hier und da in den Thiergärten oder bei Liebhabern, ſchwerlich aber auf längere Zeit, weil man nicht im Stande iſt, ihre Lebensanforderungen zu befriedigen. Die Zwergſeeſchwalbe (Sternula minuta) hat man ebenfalls zum Vertreter einer beſonderen Sippe erhoben, obgleich ſie ſich nur durch verhältnißmäßig ſtarken und etwas kurzen Schnabel, die tief ausgeſchnittenen Schwimmhäute und den ſeicht gegabelten Schwanz von anderen Arten der Familie unterſcheidet. Die Stirn und die Unterſeite ſind weiß, Oberkopf und Nacken ſchwarz, die Mantel- und Flügelfedern aſchgrau. Das Auge iſt braun, der Schnabel wachsgelb, an der Spitze ſchwarz, der Fuß lehmgelb. Die Länge beträgt 8½, die Breite 19 bis 20, die Fittiglänge 7, die Schwanzlänge 3 Zoll. Das Junge iſt ähnlich gefleckt wie das der verwandten Arten. Ueber vier Erdtheile, Aſien, Europa, Afrika und Amerika, dehnt ſich der Verbreitungskreis dieſer kleinſten Art der Familie, nach Norden hin wird er ungefähr bis zum 58., nach Süden hin etwa bis zum 24. Grade der Breite reichen. Jn Braſilien wird ſie durch eine ähnliche, etwas größere Art vertreten. Auch ſie bewohnt hauptſächlich ſüße Gewäſſer, insbeſondere größere Ströme, ohne jedoch die Meeresküſte gänzlich zu meiden. Flache Kiesbänke in den Strömen ſind die erſte Bedingung, welche ſie an ihren Wohnplatz ſtellt; wo dieſe fehlen, ſiedelt ſie ſich niemals an. Jn Deutſchland erſcheint ſie erſt im Mai, zuweilen nicht vor der Mitte dieſes Monats, brütet und begibt ſich bereits im Juli oder ſpäteſtens Auguſt auf die Wanderſchaft. Aber ſie reiſt langſam, hält ſich überall noch ein wenig auf, wird deshalb ſchon im Süden Deutſchlands noch viel ſpäter bemerkt als im Norden und geht in der Regel auch nicht weit, nämlich nur bis an die Ströme und Strandſeen Nordafrikas hinüber. Jn ähnlicher Weiſe wandert ſie vom Norden Aſiens und vom nördlichen Amerika aus. Die Zwergſeeſchwalbe gibt, wie Naumann ſagt, „an Schönheit keiner anderen Art ihrer Familie Etwas nach, und daß man hier Alles im verjüngten Maßſtabe ſieht, erhöht den Reiz für den Beſchauer“. Sie unterſcheidet ſich auch im Betragen nicht weſentlich von den Verwandten, geht und ſchwimmt wie dieſe, fliegt in ähnlicher Weiſe, vielleicht noch etwas ſchneller und leichter, aber mit denſelben kühnen Windungen und in ebenſo manchfach wechſelnder Art, in der Regel eine anmuthige Behendigkeit entwickelnd; denn ſie ſcheint beſtändig Eile zu haben und iſt unbedingt eine der lebhafteſten und flinkeſten ihrer Gattung. „Begegnen ſich zwei dieſer munteren Vögel“, fährt Naumann fort, „ſo drücken ſie ihre Freude durch lautes Schreien aus. Bald kommt eine dritte, eine-vierte hinzu; das Geſchrei vervielfältigt ſich; die Töne folgen haſtiger, und es beginnt ein gegen- ſeitiges Necken, wobei die herrlichſten Schwenkungen ausgeführt werden. Solche Scenen des Frohſinns und Uebermuths wiederholen ſich an gut beſetzten Wohnplätzen täglich mehrere Male. Sie

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 860. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/910>, abgerufen am 22.11.2024.