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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Späher. Klettervögel. Buntspechte. Grünspechte.
Jhr Bau mag den kleinen schwachen Geschöpfen viel Mühe machen, und deshalb wählen sie vorzugs-
weise Stellen, wo ein alter Ast ausgebrochen und inwendig das Holz morsch ist. Der Eingang ist
"zirkelrund, wie mit einem Bohrer gemacht, nicht über 13/4 Zoll im Durchmesser. Die
innen erweiterte Höhle ist ungefähr 6 Zoll tief". Auch die Kleinspechte fangen viele Nistlöcher an,
ohne sie zu vollenden, und erschweren dadurch das Ausfindigmachen derjenigen, welche wirklich zum
Brüten benutzt werden. Um diese kennen zu lernen, muß man, nach Päßler's Erfahrungen,
beobachten, wohin das sorgsame Männchen fliegt, um sein brütendes Weibchen zu füttern. Das
Gelege besteht aus fünf bis sieben kleinen, glänzend weißen, zuweilen auch mit äußerst seinen, rothen
Pünktchen sparsam bezeichneten Eiern. Beide Gatten brüten wechselsweise, zeitigen die Eier innerhalb
vierzehn Tagen und übernehmen gemeinschaftlich die Aufzucht der Jungen, führen und ernähren sie
auch nach dem Ausfliegen noch lange Zeit.

Die Nahrung des Kleinspechtes scheint blos aus Kerbthieren zu bestehen; denn man findet auch
im Herbst und Winter nichts Anderes in seinem Magen. Er vertilgt eine unzählige Menge von
Ameisen und Spinnen, Käferchen und namentlich auch Kerbthiereiern, stiftet also nur Nutzen und
verdient somit des nachdrücklichsten Schutzes. "Nicht allein den Waldbäumen", sagt Naumann,
"sondern auch den Obstpflanzungen wird seine Anwesenheit zur wahren Wohlthat. Man sieht ihn
beständig an den Bäumen und ihren Aesten picken und beinahe immer fressen, und bei nachheriger
Untersuchung findet man den Magen so vollgestopft von allerlei oft winzig kleinen Baumverderbern,
daß man darüber erstaunen muß."

Glücklicherweise ist er der Verfolgungswuth weit weniger ausgesetzt, als andere Spechte, weil er
sich dem rohen Menschen nicht so bemerklich macht und Den, welcher ihn kennt, ohnehin zum Freunde
hat. Andererseits freilich setzt ihn seine Zutraulichkeit mancher Gefahr aus. Auch er läßt sich durch
nachgemachtes Pochen oder Klopfen herbeilocken; doch muß man seine Weise, zu hämmern, verstehen,
wenn man auf Erfolg rechnen will: denn nur, wenn man sein Klopfen täuschend nachahmt, kommt
er herbei.

Jn der Gefangenschaft scheint das niedliche Vögelchen noch von Niemand gehalten worden zu
sein; wenigstens kenne ich keine Angabe hierüber. Es unterliegt nach meinen Erfahrungen kaum
einem Zweifel, daß auch dieser Specht bei geeigneter Pflege an ein passendes Stubenfutter gewöhnt
werden kann, und soviel ist wohl gewiß, daß er alle auf ihn verwendete Mühe durch sein anmuthiges
Betragen reichlich vergelten würde.



Zu der Buntspechtfamilie gehört der auffallendste aller Spechte Europas, der Dreizehen-
specht
(Apternus tridactylus). Die Sippe, welche er vertritt, kennzeichnet sich durch geraden, fast
kopflangen Schnabel, welcher breiter als hoch und seitlich durch gerade Ränder begrenzt, auf der Firste
kielförmig erhoben und an den Seiten gegen die Spitze hin hohlkehlig ausgebuchtet ist. Der Fuß ist
dreizehig; die beiden Vorderzehen sind fast gleich lang, die hintere ist ein wenig länger, als sie; alle
sind kürzer, als der Lauf. Jm Fittig ist die vierte Schwinge die längste. Der Schwanz ist keilförmig,
die Mittelfedern sind sehr steifschaftig und schmal gespitzt. Das Gefieder ähnelt dem anderer Bunt-
spechte; die hervorstechende Kopffärbung ist aber nicht roth, sondern gelb. Der Dreizehenspecht ist.
auf der Oberseite schwarz, auf der Unterseite schmuzigweiß; die Stirnbinde ist auf schwarzem Grunde
weiß gefleckt, die Mitte des Oberkopfs blaßgoldgelb; ein Streifen, welcher jederseits über dem Auge
beginnt, am Hinterkopf sich mit dem der entgegengesetzten Seite vereinigt und über die Mitte des
Rückens herabzieht, ist weiß, mehr oder weniger schwarz gefleckt; der Zügel und ein zweiter Streifen,
welcher von der Schnabelwurzel entspringt und, mit dem Zügel gleichlaufend, sich seitlich am Halse
herabzieht, sind schwarz; die Seitenfedern der Unterseite sind durch Längs- und Querflecken gezeichnet;
die Schwingen und äußersten Steuerfedern sind schwarz, weiß gebändert, die mittelsten Steuerfedern ein-

Die Späher. Klettervögel. Buntſpechte. Grünſpechte.
Jhr Bau mag den kleinen ſchwachen Geſchöpfen viel Mühe machen, und deshalb wählen ſie vorzugs-
weiſe Stellen, wo ein alter Aſt ausgebrochen und inwendig das Holz morſch iſt. Der Eingang iſt
„zirkelrund, wie mit einem Bohrer gemacht, nicht über 1¾ Zoll im Durchmeſſer. Die
innen erweiterte Höhle iſt ungefähr 6 Zoll tief“. Auch die Kleinſpechte fangen viele Niſtlöcher an,
ohne ſie zu vollenden, und erſchweren dadurch das Ausfindigmachen derjenigen, welche wirklich zum
Brüten benutzt werden. Um dieſe kennen zu lernen, muß man, nach Päßler’s Erfahrungen,
beobachten, wohin das ſorgſame Männchen fliegt, um ſein brütendes Weibchen zu füttern. Das
Gelege beſteht aus fünf bis ſieben kleinen, glänzend weißen, zuweilen auch mit äußerſt ſeinen, rothen
Pünktchen ſparſam bezeichneten Eiern. Beide Gatten brüten wechſelsweiſe, zeitigen die Eier innerhalb
vierzehn Tagen und übernehmen gemeinſchaftlich die Aufzucht der Jungen, führen und ernähren ſie
auch nach dem Ausfliegen noch lange Zeit.

Die Nahrung des Kleinſpechtes ſcheint blos aus Kerbthieren zu beſtehen; denn man findet auch
im Herbſt und Winter nichts Anderes in ſeinem Magen. Er vertilgt eine unzählige Menge von
Ameiſen und Spinnen, Käferchen und namentlich auch Kerbthiereiern, ſtiftet alſo nur Nutzen und
verdient ſomit des nachdrücklichſten Schutzes. „Nicht allein den Waldbäumen“, ſagt Naumann,
„ſondern auch den Obſtpflanzungen wird ſeine Anweſenheit zur wahren Wohlthat. Man ſieht ihn
beſtändig an den Bäumen und ihren Aeſten picken und beinahe immer freſſen, und bei nachheriger
Unterſuchung findet man den Magen ſo vollgeſtopft von allerlei oft winzig kleinen Baumverderbern,
daß man darüber erſtaunen muß.“

Glücklicherweiſe iſt er der Verfolgungswuth weit weniger ausgeſetzt, als andere Spechte, weil er
ſich dem rohen Menſchen nicht ſo bemerklich macht und Den, welcher ihn kennt, ohnehin zum Freunde
hat. Andererſeits freilich ſetzt ihn ſeine Zutraulichkeit mancher Gefahr aus. Auch er läßt ſich durch
nachgemachtes Pochen oder Klopfen herbeilocken; doch muß man ſeine Weiſe, zu hämmern, verſtehen,
wenn man auf Erfolg rechnen will: denn nur, wenn man ſein Klopfen täuſchend nachahmt, kommt
er herbei.

Jn der Gefangenſchaft ſcheint das niedliche Vögelchen noch von Niemand gehalten worden zu
ſein; wenigſtens kenne ich keine Angabe hierüber. Es unterliegt nach meinen Erfahrungen kaum
einem Zweifel, daß auch dieſer Specht bei geeigneter Pflege an ein paſſendes Stubenfutter gewöhnt
werden kann, und ſoviel iſt wohl gewiß, daß er alle auf ihn verwendete Mühe durch ſein anmuthiges
Betragen reichlich vergelten würde.



Zu der Buntſpechtfamilie gehört der auffallendſte aller Spechte Europas, der Dreizehen-
ſpecht
(Apternus tridactylus). Die Sippe, welche er vertritt, kennzeichnet ſich durch geraden, faſt
kopflangen Schnabel, welcher breiter als hoch und ſeitlich durch gerade Ränder begrenzt, auf der Firſte
kielförmig erhoben und an den Seiten gegen die Spitze hin hohlkehlig ausgebuchtet iſt. Der Fuß iſt
dreizehig; die beiden Vorderzehen ſind faſt gleich lang, die hintere iſt ein wenig länger, als ſie; alle
ſind kürzer, als der Lauf. Jm Fittig iſt die vierte Schwinge die längſte. Der Schwanz iſt keilförmig,
die Mittelfedern ſind ſehr ſteifſchaftig und ſchmal geſpitzt. Das Gefieder ähnelt dem anderer Bunt-
ſpechte; die hervorſtechende Kopffärbung iſt aber nicht roth, ſondern gelb. Der Dreizehenſpecht iſt.
auf der Oberſeite ſchwarz, auf der Unterſeite ſchmuzigweiß; die Stirnbinde iſt auf ſchwarzem Grunde
weiß gefleckt, die Mitte des Oberkopfs blaßgoldgelb; ein Streifen, welcher jederſeits über dem Auge
beginnt, am Hinterkopf ſich mit dem der entgegengeſetzten Seite vereinigt und über die Mitte des
Rückens herabzieht, iſt weiß, mehr oder weniger ſchwarz gefleckt; der Zügel und ein zweiter Streifen,
welcher von der Schnabelwurzel entſpringt und, mit dem Zügel gleichlaufend, ſich ſeitlich am Halſe
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[76/0090] Die Späher. Klettervögel. Buntſpechte. Grünſpechte. Jhr Bau mag den kleinen ſchwachen Geſchöpfen viel Mühe machen, und deshalb wählen ſie vorzugs- weiſe Stellen, wo ein alter Aſt ausgebrochen und inwendig das Holz morſch iſt. Der Eingang iſt „zirkelrund, wie mit einem Bohrer gemacht, nicht über 1¾ Zoll im Durchmeſſer. Die innen erweiterte Höhle iſt ungefähr 6 Zoll tief“. Auch die Kleinſpechte fangen viele Niſtlöcher an, ohne ſie zu vollenden, und erſchweren dadurch das Ausfindigmachen derjenigen, welche wirklich zum Brüten benutzt werden. Um dieſe kennen zu lernen, muß man, nach Päßler’s Erfahrungen, beobachten, wohin das ſorgſame Männchen fliegt, um ſein brütendes Weibchen zu füttern. Das Gelege beſteht aus fünf bis ſieben kleinen, glänzend weißen, zuweilen auch mit äußerſt ſeinen, rothen Pünktchen ſparſam bezeichneten Eiern. Beide Gatten brüten wechſelsweiſe, zeitigen die Eier innerhalb vierzehn Tagen und übernehmen gemeinſchaftlich die Aufzucht der Jungen, führen und ernähren ſie auch nach dem Ausfliegen noch lange Zeit. Die Nahrung des Kleinſpechtes ſcheint blos aus Kerbthieren zu beſtehen; denn man findet auch im Herbſt und Winter nichts Anderes in ſeinem Magen. Er vertilgt eine unzählige Menge von Ameiſen und Spinnen, Käferchen und namentlich auch Kerbthiereiern, ſtiftet alſo nur Nutzen und verdient ſomit des nachdrücklichſten Schutzes. „Nicht allein den Waldbäumen“, ſagt Naumann, „ſondern auch den Obſtpflanzungen wird ſeine Anweſenheit zur wahren Wohlthat. Man ſieht ihn beſtändig an den Bäumen und ihren Aeſten picken und beinahe immer freſſen, und bei nachheriger Unterſuchung findet man den Magen ſo vollgeſtopft von allerlei oft winzig kleinen Baumverderbern, daß man darüber erſtaunen muß.“ Glücklicherweiſe iſt er der Verfolgungswuth weit weniger ausgeſetzt, als andere Spechte, weil er ſich dem rohen Menſchen nicht ſo bemerklich macht und Den, welcher ihn kennt, ohnehin zum Freunde hat. Andererſeits freilich ſetzt ihn ſeine Zutraulichkeit mancher Gefahr aus. Auch er läßt ſich durch nachgemachtes Pochen oder Klopfen herbeilocken; doch muß man ſeine Weiſe, zu hämmern, verſtehen, wenn man auf Erfolg rechnen will: denn nur, wenn man ſein Klopfen täuſchend nachahmt, kommt er herbei. Jn der Gefangenſchaft ſcheint das niedliche Vögelchen noch von Niemand gehalten worden zu ſein; wenigſtens kenne ich keine Angabe hierüber. Es unterliegt nach meinen Erfahrungen kaum einem Zweifel, daß auch dieſer Specht bei geeigneter Pflege an ein paſſendes Stubenfutter gewöhnt werden kann, und ſoviel iſt wohl gewiß, daß er alle auf ihn verwendete Mühe durch ſein anmuthiges Betragen reichlich vergelten würde. Zu der Buntſpechtfamilie gehört der auffallendſte aller Spechte Europas, der Dreizehen- ſpecht (Apternus tridactylus). Die Sippe, welche er vertritt, kennzeichnet ſich durch geraden, faſt kopflangen Schnabel, welcher breiter als hoch und ſeitlich durch gerade Ränder begrenzt, auf der Firſte kielförmig erhoben und an den Seiten gegen die Spitze hin hohlkehlig ausgebuchtet iſt. Der Fuß iſt dreizehig; die beiden Vorderzehen ſind faſt gleich lang, die hintere iſt ein wenig länger, als ſie; alle ſind kürzer, als der Lauf. Jm Fittig iſt die vierte Schwinge die längſte. Der Schwanz iſt keilförmig, die Mittelfedern ſind ſehr ſteifſchaftig und ſchmal geſpitzt. Das Gefieder ähnelt dem anderer Bunt- ſpechte; die hervorſtechende Kopffärbung iſt aber nicht roth, ſondern gelb. Der Dreizehenſpecht iſt. auf der Oberſeite ſchwarz, auf der Unterſeite ſchmuzigweiß; die Stirnbinde iſt auf ſchwarzem Grunde weiß gefleckt, die Mitte des Oberkopfs blaßgoldgelb; ein Streifen, welcher jederſeits über dem Auge beginnt, am Hinterkopf ſich mit dem der entgegengeſetzten Seite vereinigt und über die Mitte des Rückens herabzieht, iſt weiß, mehr oder weniger ſchwarz gefleckt; der Zügel und ein zweiter Streifen, welcher von der Schnabelwurzel entſpringt und, mit dem Zügel gleichlaufend, ſich ſeitlich am Halſe herabzieht, ſind ſchwarz; die Seitenfedern der Unterſeite ſind durch Längs- und Querflecken gezeichnet; die Schwingen und äußerſten Steuerfedern ſind ſchwarz, weiß gebändert, die mittelſten Steuerfedern ein-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/90>, abgerufen am 24.11.2024.