weißlich, schwarz gebändert. Dem Weibchen fehlt das Noth am Kopfe; die Jungen ähneln ihm, ihre Farben sind aber noch düsterer. Das Auge ist gelbrothbraun oder feuerroth, bei jungen Vögeln hell- braun, der Schnabel bleigrau, auf der Firste des Oberschnabels und an der Spitze schwarz, der Fuß bleigrau. Die Länge beträgt 6, die Breite 11 bis 111/2, die Fittiglänge 23/4, die Schwanzlänge 21/4 Zoll.
Die Heimat des Kleinspechts dehnt sich über ganz Europa und über Mittelasien aus: Radde hat ihn noch auf den Jnseln des Onon beobachtet. Nach Süden hin reicht er bis Griechenland und Spanien; möglicherweise streifen einzelne vonhieraus auch nach Nordwestafrika hinüber. Jn Deutschland ist er in ebenen Gegenden, welche reich an Obstpflanzungen sind, durchaus nicht selten, in allen Gebirgen aber eine vereinzelte Erscheinung. Auch er ist mehr Stand- als Strichvogel. Da, wo er überhaupt brütend gefunden wird, trifft man ihn während des ganzen Jahres an; aber es kommt doch vor, daß er von seinen Ebenen aus den Fuß der Mittelgebirge zeitweilig besucht, also streicht. Dies geschieht regelmäßig in den Herbst- und Frühlingsmonaten, vom September und Oktober an bis zum April. Den reinen Nadelwald meidet er gänzlich; auch bei seinen Streifereien sucht er immer die Laubbäume auf. Er erwirbt sich ein bestimmtes Gebiet und durchstreift dasselbe täglich mehrere Mal; dies wird namentlich im Winter bemerklich, wenn das Laub ihn weniger versteckt, als sonst. Der Mittelpunkt seines Gebiets wird durch eine passende Höhlung bestimmt, weil auch er in einer solchen die Nacht zubringt. Deshalb meidet er auf seinem Zuge gänzlich die- jenigen Gegenden, denen es an passenden Schlupfwinkeln fehlt. Nach Naumann sieht er sich oft genöthigt, Meisen und Feldsperlinge, welche derartige Nachtherbergen ebenso bequem finden, als er, mit Gewalt aus dem Kämmerchen zu vertreiben; denn da er später zu Bett geht, als jene, findet er das Schlafkämmerchen oft schon besetzt und erringt sich dann niemals ohne Kampf den Einlaß. Es scheint, daß er, des heftigen Streits um die Höhlen wegen, zuweilen sogar genöthigt ist, den Besitz derselben aufzugeben und sich neue anzulegen.
Dieser niedliche Specht ist, laut Naumann, einer der muntersten und gewandtesten seiner Gattung. Mit großer Leichtigkeit hüpft er an den Baumschäften hinan, umkreist sie, klettert auch kleine Strecken rückwärts, doch den Kopf stets nach oben und läuft selbst bis auf die fingerstarke Spitze der Zweige hinaus oder sogar auf der untern Seite fast wagrechter Zacken entlang. Er pickt und hämmert viel an den Bäumen und ist im Zimmern der Löcher zu Schlafstellen oder Nisten ebenso geschickt, wie die größeren Arten, sucht sich dazu jedoch immer weiche Stellen aus. Auf alten Eichen legt er solche nicht selten auf der untern Seite sehr schiefer oder beinahe wagrechter Hornzacken an. Zuweilen setzt er sich auf dünne Zweige in die Quere, wie andere Vögel; er hält sich dann aber nicht so aufrecht und zieht dabei die Füße an den Leib. Gegen Seinesgleichen ist er ebenso futterneidisch und zänkisch, wie die andern Spechte, weshalb man ihn außer der Fortpflanzungszeit auch immer nur einzeln antrifft. Jn seinem Gefolge sind ebenfalls sehr oft Kleiber, Meisen, Baumläufer und Gold- hähnchen, welche mit ihm herumziehen, aber nicht weiter von ihm beachtet werden. Gegen den Menschen zeigt er sich zutraulich; er läßt diesen nahe an sich herankommen, bevor er weiter hüpft oder wegfliegt. Seine Stimme läßt sich durch die Silbe "Kik" oder "kgiik" ausdrücken; der Ton ist hoch, schwach und fein und wird lang gezogen. Zuweilen wiederholt er den einen Laut mehrmals nach einander; namentlich geschieht Dies beim Anhängen an einen Baum, nachdem er eine Strecke fliegend zurückgelegt hat. Er schreit viel, besonders bei heiterem Wetter, am meisten natürlich im Frühlinge während der Paarungszeit. Das Männchen schnurrt auch, wie andere Spechte; aber das Schnurren ist viel schwächer und klingt höher als bei diesen.
Während der Begattungszeit, welche Anfangs Mai beginnt, macht sich der Kleinspecht durch seine Unruhe, sein beständiges Rufen und Schnurren sehr bemerklich, und da, wo er häufig ist, gibt es auch lebhaften Streit zwischen Nebenbuhlern, welche um die Gunst eines Weibchen werben, oder zwischen zwei Paaren, welche um die Nisthöhle kämpfen. Diese wird regelmäßig in einer bedeutenden Höhe über dem Boden angelegt, am liebsten in alten, hohen Eichen, sonst auch in Garten- und Obstbäumen.
Buntſpecht. Kleinſpecht.
weißlich, ſchwarz gebändert. Dem Weibchen fehlt das Noth am Kopfe; die Jungen ähneln ihm, ihre Farben ſind aber noch düſterer. Das Auge iſt gelbrothbraun oder feuerroth, bei jungen Vögeln hell- braun, der Schnabel bleigrau, auf der Firſte des Oberſchnabels und an der Spitze ſchwarz, der Fuß bleigrau. Die Länge beträgt 6, die Breite 11 bis 11½, die Fittiglänge 2¾, die Schwanzlänge 2¼ Zoll.
Die Heimat des Kleinſpechts dehnt ſich über ganz Europa und über Mittelaſien aus: Radde hat ihn noch auf den Jnſeln des Onon beobachtet. Nach Süden hin reicht er bis Griechenland und Spanien; möglicherweiſe ſtreifen einzelne vonhieraus auch nach Nordweſtafrika hinüber. Jn Deutſchland iſt er in ebenen Gegenden, welche reich an Obſtpflanzungen ſind, durchaus nicht ſelten, in allen Gebirgen aber eine vereinzelte Erſcheinung. Auch er iſt mehr Stand- als Strichvogel. Da, wo er überhaupt brütend gefunden wird, trifft man ihn während des ganzen Jahres an; aber es kommt doch vor, daß er von ſeinen Ebenen aus den Fuß der Mittelgebirge zeitweilig beſucht, alſo ſtreicht. Dies geſchieht regelmäßig in den Herbſt- und Frühlingsmonaten, vom September und Oktober an bis zum April. Den reinen Nadelwald meidet er gänzlich; auch bei ſeinen Streifereien ſucht er immer die Laubbäume auf. Er erwirbt ſich ein beſtimmtes Gebiet und durchſtreift daſſelbe täglich mehrere Mal; dies wird namentlich im Winter bemerklich, wenn das Laub ihn weniger verſteckt, als ſonſt. Der Mittelpunkt ſeines Gebiets wird durch eine paſſende Höhlung beſtimmt, weil auch er in einer ſolchen die Nacht zubringt. Deshalb meidet er auf ſeinem Zuge gänzlich die- jenigen Gegenden, denen es an paſſenden Schlupfwinkeln fehlt. Nach Naumann ſieht er ſich oft genöthigt, Meiſen und Feldſperlinge, welche derartige Nachtherbergen ebenſo bequem finden, als er, mit Gewalt aus dem Kämmerchen zu vertreiben; denn da er ſpäter zu Bett geht, als jene, findet er das Schlafkämmerchen oft ſchon beſetzt und erringt ſich dann niemals ohne Kampf den Einlaß. Es ſcheint, daß er, des heftigen Streits um die Höhlen wegen, zuweilen ſogar genöthigt iſt, den Beſitz derſelben aufzugeben und ſich neue anzulegen.
Dieſer niedliche Specht iſt, laut Naumann, einer der munterſten und gewandteſten ſeiner Gattung. Mit großer Leichtigkeit hüpft er an den Baumſchäften hinan, umkreiſt ſie, klettert auch kleine Strecken rückwärts, doch den Kopf ſtets nach oben und läuft ſelbſt bis auf die fingerſtarke Spitze der Zweige hinaus oder ſogar auf der untern Seite faſt wagrechter Zacken entlang. Er pickt und hämmert viel an den Bäumen und iſt im Zimmern der Löcher zu Schlafſtellen oder Niſten ebenſo geſchickt, wie die größeren Arten, ſucht ſich dazu jedoch immer weiche Stellen aus. Auf alten Eichen legt er ſolche nicht ſelten auf der untern Seite ſehr ſchiefer oder beinahe wagrechter Hornzacken an. Zuweilen ſetzt er ſich auf dünne Zweige in die Quere, wie andere Vögel; er hält ſich dann aber nicht ſo aufrecht und zieht dabei die Füße an den Leib. Gegen Seinesgleichen iſt er ebenſo futterneidiſch und zänkiſch, wie die andern Spechte, weshalb man ihn außer der Fortpflanzungszeit auch immer nur einzeln antrifft. Jn ſeinem Gefolge ſind ebenfalls ſehr oft Kleiber, Meiſen, Baumläufer und Gold- hähnchen, welche mit ihm herumziehen, aber nicht weiter von ihm beachtet werden. Gegen den Menſchen zeigt er ſich zutraulich; er läßt dieſen nahe an ſich herankommen, bevor er weiter hüpft oder wegfliegt. Seine Stimme läßt ſich durch die Silbe „Kik“ oder „kgiik“ ausdrücken; der Ton iſt hoch, ſchwach und fein und wird lang gezogen. Zuweilen wiederholt er den einen Laut mehrmals nach einander; namentlich geſchieht Dies beim Anhängen an einen Baum, nachdem er eine Strecke fliegend zurückgelegt hat. Er ſchreit viel, beſonders bei heiterem Wetter, am meiſten natürlich im Frühlinge während der Paarungszeit. Das Männchen ſchnurrt auch, wie andere Spechte; aber das Schnurren iſt viel ſchwächer und klingt höher als bei dieſen.
Während der Begattungszeit, welche Anfangs Mai beginnt, macht ſich der Kleinſpecht durch ſeine Unruhe, ſein beſtändiges Rufen und Schnurren ſehr bemerklich, und da, wo er häufig iſt, gibt es auch lebhaften Streit zwiſchen Nebenbuhlern, welche um die Gunſt eines Weibchen werben, oder zwiſchen zwei Paaren, welche um die Niſthöhle kämpfen. Dieſe wird regelmäßig in einer bedeutenden Höhe über dem Boden angelegt, am liebſten in alten, hohen Eichen, ſonſt auch in Garten- und Obſtbäumen.
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[75/0089]
Buntſpecht. Kleinſpecht.
weißlich, ſchwarz gebändert. Dem Weibchen fehlt das Noth am Kopfe; die Jungen ähneln ihm, ihre
Farben ſind aber noch düſterer. Das Auge iſt gelbrothbraun oder feuerroth, bei jungen Vögeln hell-
braun, der Schnabel bleigrau, auf der Firſte des Oberſchnabels und an der Spitze ſchwarz, der Fuß
bleigrau. Die Länge beträgt 6, die Breite 11 bis 11½, die Fittiglänge 2¾, die Schwanzlänge
2¼ Zoll.
Die Heimat des Kleinſpechts dehnt ſich über ganz Europa und über Mittelaſien aus: Radde
hat ihn noch auf den Jnſeln des Onon beobachtet. Nach Süden hin reicht er bis Griechenland und
Spanien; möglicherweiſe ſtreifen einzelne vonhieraus auch nach Nordweſtafrika hinüber. Jn
Deutſchland iſt er in ebenen Gegenden, welche reich an Obſtpflanzungen ſind, durchaus nicht ſelten,
in allen Gebirgen aber eine vereinzelte Erſcheinung. Auch er iſt mehr Stand- als Strichvogel.
Da, wo er überhaupt brütend gefunden wird, trifft man ihn während des ganzen Jahres an; aber es
kommt doch vor, daß er von ſeinen Ebenen aus den Fuß der Mittelgebirge zeitweilig beſucht, alſo
ſtreicht. Dies geſchieht regelmäßig in den Herbſt- und Frühlingsmonaten, vom September und
Oktober an bis zum April. Den reinen Nadelwald meidet er gänzlich; auch bei ſeinen Streifereien
ſucht er immer die Laubbäume auf. Er erwirbt ſich ein beſtimmtes Gebiet und durchſtreift
daſſelbe täglich mehrere Mal; dies wird namentlich im Winter bemerklich, wenn das Laub ihn
weniger verſteckt, als ſonſt. Der Mittelpunkt ſeines Gebiets wird durch eine paſſende Höhlung beſtimmt,
weil auch er in einer ſolchen die Nacht zubringt. Deshalb meidet er auf ſeinem Zuge gänzlich die-
jenigen Gegenden, denen es an paſſenden Schlupfwinkeln fehlt. Nach Naumann ſieht er ſich oft
genöthigt, Meiſen und Feldſperlinge, welche derartige Nachtherbergen ebenſo bequem finden, als er,
mit Gewalt aus dem Kämmerchen zu vertreiben; denn da er ſpäter zu Bett geht, als jene, findet er
das Schlafkämmerchen oft ſchon beſetzt und erringt ſich dann niemals ohne Kampf den Einlaß. Es
ſcheint, daß er, des heftigen Streits um die Höhlen wegen, zuweilen ſogar genöthigt iſt, den Beſitz
derſelben aufzugeben und ſich neue anzulegen.
Dieſer niedliche Specht iſt, laut Naumann, einer der munterſten und gewandteſten ſeiner
Gattung. Mit großer Leichtigkeit hüpft er an den Baumſchäften hinan, umkreiſt ſie, klettert auch
kleine Strecken rückwärts, doch den Kopf ſtets nach oben und läuft ſelbſt bis auf die fingerſtarke Spitze
der Zweige hinaus oder ſogar auf der untern Seite faſt wagrechter Zacken entlang. Er pickt und
hämmert viel an den Bäumen und iſt im Zimmern der Löcher zu Schlafſtellen oder Niſten ebenſo
geſchickt, wie die größeren Arten, ſucht ſich dazu jedoch immer weiche Stellen aus. Auf alten Eichen
legt er ſolche nicht ſelten auf der untern Seite ſehr ſchiefer oder beinahe wagrechter Hornzacken an.
Zuweilen ſetzt er ſich auf dünne Zweige in die Quere, wie andere Vögel; er hält ſich dann aber nicht ſo
aufrecht und zieht dabei die Füße an den Leib. Gegen Seinesgleichen iſt er ebenſo futterneidiſch und
zänkiſch, wie die andern Spechte, weshalb man ihn außer der Fortpflanzungszeit auch immer nur
einzeln antrifft. Jn ſeinem Gefolge ſind ebenfalls ſehr oft Kleiber, Meiſen, Baumläufer und Gold-
hähnchen, welche mit ihm herumziehen, aber nicht weiter von ihm beachtet werden. Gegen den
Menſchen zeigt er ſich zutraulich; er läßt dieſen nahe an ſich herankommen, bevor er weiter hüpft oder
wegfliegt. Seine Stimme läßt ſich durch die Silbe „Kik“ oder „kgiik“ ausdrücken; der Ton iſt
hoch, ſchwach und fein und wird lang gezogen. Zuweilen wiederholt er den einen Laut mehrmals
nach einander; namentlich geſchieht Dies beim Anhängen an einen Baum, nachdem er eine Strecke
fliegend zurückgelegt hat. Er ſchreit viel, beſonders bei heiterem Wetter, am meiſten natürlich im
Frühlinge während der Paarungszeit. Das Männchen ſchnurrt auch, wie andere Spechte; aber das
Schnurren iſt viel ſchwächer und klingt höher als bei dieſen.
Während der Begattungszeit, welche Anfangs Mai beginnt, macht ſich der Kleinſpecht durch ſeine
Unruhe, ſein beſtändiges Rufen und Schnurren ſehr bemerklich, und da, wo er häufig iſt, gibt es auch
lebhaften Streit zwiſchen Nebenbuhlern, welche um die Gunſt eines Weibchen werben, oder zwiſchen
zwei Paaren, welche um die Niſthöhle kämpfen. Dieſe wird regelmäßig in einer bedeutenden Höhe
über dem Boden angelegt, am liebſten in alten, hohen Eichen, ſonſt auch in Garten- und Obſtbäumen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/89>, abgerufen am 24.11.2024.
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