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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Brandente.
sieht. Würde er sich an den bemerkten Platz begeben, so würde er wahrnehmen, daß unser glänzender
Wasservogel in den Schoß der Erde hinabgestiegen ist, nicht etwa deshalb, um sich über die Beschaffen-
heit der dort befindlichen Fuchs-, Dachs- und Kaninchenbaue zu vergewissern, um, wenn jene Vier-
füßler etwa ausgezogen sind, sich deren Wohnung anzueignen, nein, um neben ihnen seine Häuslichkeit
einzurichten. Unleugbare, durch die erprobtesten Schriftsteller beobachtete und nachgewiesene That-
sache ist es, daß Fuchs und Bergente denselben Bau bewohnen, daß der erstere, welcher sonst kein
Geflügel verschont, sich an letzterer nicht vergreift. So ganz sicher ist Dies freilich nach meiner
Beobachtung nicht; denn ich selbst habe neben einem bewohnten Fuchsbaue Flügel und Federn einer
Bergente gefunden, wenn gleich damit nicht bewiesen ist, daß der Fuchs der Mörder gewesen sei, da
der Bau in einem von Habichten bewohnten Walde sich befand, also einer der letzteren die Ente an
diesem verdächtigen Platze verspeist haben konnte. Fragt man, warum der mörderische Fuchs, welcher
fast kein Thier verschont, welches er überwältigen kann, bei unserer Ente eine Ausnahme macht, so
glaube ich antworten zu können, daß der außerordentliche Muth, welchen diese besitzt, ihm Achtung
einflößt. Nicht nur alte Vögel besitzen diesen Muth in hohem Grade, sondern auch die Jungen.
Erst vor wenig Tagen dem Ei entschlüpfte Brandenten sah ich größerem Geflügel und anderen
Thieren, wie kleinen Hunden, Kaninchen etc. die Spitze bieten. Anstatt vor ihnen zu fliehen, bleiben
sie muthig stehen und wiegen den wagerecht ausgestreckten Hals hin und her, zornig den Gegenstand
ihres Unwillens anblickend und erst zurückweichend, wenn sie sich vor einem Angriffe sicher wähnen.
Bei alten Vögeln, welche paarweise zusammenhalten, tritt vorzugsweise das Männchen kräftig auf,
stets in der genannten Stellung vor dem Gegner einen eigenthümlich zischenden Ton ausstoßend, und
greift jene, welche es durch kühne und zornige Blicke unsicher gemacht, tapfer an. Gelingt es, den
Feind in die Flucht zu schlagen, so kehrt es zum Weibchen zurück, welches der Gefahr gleichfalls
muthig trotzt und dem Männchen hilfreich zur Seite steht, wenngleich es nicht so angreifend verfährt --
und unter vielen Verbeugungen vor einander und lautem Schreien freuen sie sich des errungenen
Sieges". Förster Grömelbein hat die Brandenten bei ihrem Brutgeschäfte beobachtet und unserem
Naumann darüber Mittheilung gemacht. Er bemerkte, als er sich Anfangs Mai in bedeutender
Entfernung von der Küste im Walde beschäftigte, ein Brandentenpaar, welches ihn und die Arbeiter
wiederholt umkreiste und sich öfters nicht fern auf einer höheren Stelle des Sandfeldes niederließ.
Das Männchen blieb als Wache außen stehen, während sich das Weibchen einer Vertiefung des Hügels
zuwandte, in dieselbe gemächlich hinabstieg und nun wohl eine Viertelstunde hier verweilte. Als es
wieder zum Vorscheine gekommen, sich der Gattin genähert und anscheinend mit ihr unterhalten
hatte, erhoben sich beide zu einigen Kreisflügen und ließen sich dann in den nächsten Umgebungen an
den verschiedensten Stellen nieder, augenscheinlich in der Absicht, den Beobachter irre zu führen.
Dieser eilte zu dem Hügel, sah hier die ihm wohlbekannte Fuchsröhre und fand dieselbe mit den frischen
Fährten der Enten und des Fuchses, ebenso auch mit der Loosung beider bezeichnet. Nach mehrtägiger
Beobachtung zeigte es sich, daß die Enten, wahrscheinlich um die arbeitenden Leute zu täuschen, nur
zum Scheine in diesen Bau gekrochen waren, eigentlich aber einen viel größeren, von Füchsen und
Dachsen bewohnten Bau, aus welchem erst im vorhergegangenen Herbste ein Dachs gefangen worden
war und welcher noch gegenwärtig von einem anderen Raubthiere derselben Art und einer Füchsin
bewohnt wurde, im Sinne gehabt hatten. Genauere Besichtigung ergab, daß der Dachs regelmäßig
aus- und einwanderte und sich um die Besucher seiner bis zur Tiefe von zehn Fuß niederführenden
Röhre nicht zu kümmern schien; denn die Fährten und Spuren beider zeigten sich ganz frisch und
waren bis in die Tiefe von sieben Fuß hinab deutlich zu erkennen. Vor anderen Röhren desselben
Baues, durch welche Füchse aus- und einzugehen pflegten, war der Boden glatt- und festgetreten von
den Enten, und wie in Wachs abgedrückt, stand die zierliche kleine Fährte der Füchsin zwischen denen
der Enten. Unser Beobachter legte sich jetzt hinter einem Walle auf die Lauer, dem Baue nah genug,
um Alles, was dabei vorging, genau gewahren zu können. Die schlauen Enten ließen nicht lange
auf sich warten, versuchten erst die Arbeiter an der oben erwähnten Stelle zu täuschen, kamen dann

Brehm, Thierleben. IV. 52

Brandente.
ſieht. Würde er ſich an den bemerkten Platz begeben, ſo würde er wahrnehmen, daß unſer glänzender
Waſſervogel in den Schoß der Erde hinabgeſtiegen iſt, nicht etwa deshalb, um ſich über die Beſchaffen-
heit der dort befindlichen Fuchs-, Dachs- und Kaninchenbaue zu vergewiſſern, um, wenn jene Vier-
füßler etwa ausgezogen ſind, ſich deren Wohnung anzueignen, nein, um neben ihnen ſeine Häuslichkeit
einzurichten. Unleugbare, durch die erprobteſten Schriftſteller beobachtete und nachgewieſene That-
ſache iſt es, daß Fuchs und Bergente denſelben Bau bewohnen, daß der erſtere, welcher ſonſt kein
Geflügel verſchont, ſich an letzterer nicht vergreift. So ganz ſicher iſt Dies freilich nach meiner
Beobachtung nicht; denn ich ſelbſt habe neben einem bewohnten Fuchsbaue Flügel und Federn einer
Bergente gefunden, wenn gleich damit nicht bewieſen iſt, daß der Fuchs der Mörder geweſen ſei, da
der Bau in einem von Habichten bewohnten Walde ſich befand, alſo einer der letzteren die Ente an
dieſem verdächtigen Platze verſpeiſt haben konnte. Fragt man, warum der mörderiſche Fuchs, welcher
faſt kein Thier verſchont, welches er überwältigen kann, bei unſerer Ente eine Ausnahme macht, ſo
glaube ich antworten zu können, daß der außerordentliche Muth, welchen dieſe beſitzt, ihm Achtung
einflößt. Nicht nur alte Vögel beſitzen dieſen Muth in hohem Grade, ſondern auch die Jungen.
Erſt vor wenig Tagen dem Ei entſchlüpfte Brandenten ſah ich größerem Geflügel und anderen
Thieren, wie kleinen Hunden, Kaninchen ꝛc. die Spitze bieten. Anſtatt vor ihnen zu fliehen, bleiben
ſie muthig ſtehen und wiegen den wagerecht ausgeſtreckten Hals hin und her, zornig den Gegenſtand
ihres Unwillens anblickend und erſt zurückweichend, wenn ſie ſich vor einem Angriffe ſicher wähnen.
Bei alten Vögeln, welche paarweiſe zuſammenhalten, tritt vorzugsweiſe das Männchen kräftig auf,
ſtets in der genannten Stellung vor dem Gegner einen eigenthümlich ziſchenden Ton ausſtoßend, und
greift jene, welche es durch kühne und zornige Blicke unſicher gemacht, tapfer an. Gelingt es, den
Feind in die Flucht zu ſchlagen, ſo kehrt es zum Weibchen zurück, welches der Gefahr gleichfalls
muthig trotzt und dem Männchen hilfreich zur Seite ſteht, wenngleich es nicht ſo angreifend verfährt —
und unter vielen Verbeugungen vor einander und lautem Schreien freuen ſie ſich des errungenen
Sieges“. Förſter Grömelbein hat die Brandenten bei ihrem Brutgeſchäfte beobachtet und unſerem
Naumann darüber Mittheilung gemacht. Er bemerkte, als er ſich Anfangs Mai in bedeutender
Entfernung von der Küſte im Walde beſchäftigte, ein Brandentenpaar, welches ihn und die Arbeiter
wiederholt umkreiſte und ſich öfters nicht fern auf einer höheren Stelle des Sandfeldes niederließ.
Das Männchen blieb als Wache außen ſtehen, während ſich das Weibchen einer Vertiefung des Hügels
zuwandte, in dieſelbe gemächlich hinabſtieg und nun wohl eine Viertelſtunde hier verweilte. Als es
wieder zum Vorſcheine gekommen, ſich der Gattin genähert und anſcheinend mit ihr unterhalten
hatte, erhoben ſich beide zu einigen Kreisflügen und ließen ſich dann in den nächſten Umgebungen an
den verſchiedenſten Stellen nieder, augenſcheinlich in der Abſicht, den Beobachter irre zu führen.
Dieſer eilte zu dem Hügel, ſah hier die ihm wohlbekannte Fuchsröhre und fand dieſelbe mit den friſchen
Fährten der Enten und des Fuchſes, ebenſo auch mit der Looſung beider bezeichnet. Nach mehrtägiger
Beobachtung zeigte es ſich, daß die Enten, wahrſcheinlich um die arbeitenden Leute zu täuſchen, nur
zum Scheine in dieſen Bau gekrochen waren, eigentlich aber einen viel größeren, von Füchſen und
Dachſen bewohnten Bau, aus welchem erſt im vorhergegangenen Herbſte ein Dachs gefangen worden
war und welcher noch gegenwärtig von einem anderen Raubthiere derſelben Art und einer Füchſin
bewohnt wurde, im Sinne gehabt hatten. Genauere Beſichtigung ergab, daß der Dachs regelmäßig
aus- und einwanderte und ſich um die Beſucher ſeiner bis zur Tiefe von zehn Fuß niederführenden
Röhre nicht zu kümmern ſchien; denn die Fährten und Spuren beider zeigten ſich ganz friſch und
waren bis in die Tiefe von ſieben Fuß hinab deutlich zu erkennen. Vor anderen Röhren deſſelben
Baues, durch welche Füchſe aus- und einzugehen pflegten, war der Boden glatt- und feſtgetreten von
den Enten, und wie in Wachs abgedrückt, ſtand die zierliche kleine Fährte der Füchſin zwiſchen denen
der Enten. Unſer Beobachter legte ſich jetzt hinter einem Walle auf die Lauer, dem Baue nah genug,
um Alles, was dabei vorging, genau gewahren zu können. Die ſchlauen Enten ließen nicht lange
auf ſich warten, verſuchten erſt die Arbeiter an der oben erwähnten Stelle zu täuſchen, kamen dann

Brehm, Thierleben. IV. 52
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[817/0867] Brandente. ſieht. Würde er ſich an den bemerkten Platz begeben, ſo würde er wahrnehmen, daß unſer glänzender Waſſervogel in den Schoß der Erde hinabgeſtiegen iſt, nicht etwa deshalb, um ſich über die Beſchaffen- heit der dort befindlichen Fuchs-, Dachs- und Kaninchenbaue zu vergewiſſern, um, wenn jene Vier- füßler etwa ausgezogen ſind, ſich deren Wohnung anzueignen, nein, um neben ihnen ſeine Häuslichkeit einzurichten. Unleugbare, durch die erprobteſten Schriftſteller beobachtete und nachgewieſene That- ſache iſt es, daß Fuchs und Bergente denſelben Bau bewohnen, daß der erſtere, welcher ſonſt kein Geflügel verſchont, ſich an letzterer nicht vergreift. So ganz ſicher iſt Dies freilich nach meiner Beobachtung nicht; denn ich ſelbſt habe neben einem bewohnten Fuchsbaue Flügel und Federn einer Bergente gefunden, wenn gleich damit nicht bewieſen iſt, daß der Fuchs der Mörder geweſen ſei, da der Bau in einem von Habichten bewohnten Walde ſich befand, alſo einer der letzteren die Ente an dieſem verdächtigen Platze verſpeiſt haben konnte. Fragt man, warum der mörderiſche Fuchs, welcher faſt kein Thier verſchont, welches er überwältigen kann, bei unſerer Ente eine Ausnahme macht, ſo glaube ich antworten zu können, daß der außerordentliche Muth, welchen dieſe beſitzt, ihm Achtung einflößt. Nicht nur alte Vögel beſitzen dieſen Muth in hohem Grade, ſondern auch die Jungen. Erſt vor wenig Tagen dem Ei entſchlüpfte Brandenten ſah ich größerem Geflügel und anderen Thieren, wie kleinen Hunden, Kaninchen ꝛc. die Spitze bieten. Anſtatt vor ihnen zu fliehen, bleiben ſie muthig ſtehen und wiegen den wagerecht ausgeſtreckten Hals hin und her, zornig den Gegenſtand ihres Unwillens anblickend und erſt zurückweichend, wenn ſie ſich vor einem Angriffe ſicher wähnen. Bei alten Vögeln, welche paarweiſe zuſammenhalten, tritt vorzugsweiſe das Männchen kräftig auf, ſtets in der genannten Stellung vor dem Gegner einen eigenthümlich ziſchenden Ton ausſtoßend, und greift jene, welche es durch kühne und zornige Blicke unſicher gemacht, tapfer an. Gelingt es, den Feind in die Flucht zu ſchlagen, ſo kehrt es zum Weibchen zurück, welches der Gefahr gleichfalls muthig trotzt und dem Männchen hilfreich zur Seite ſteht, wenngleich es nicht ſo angreifend verfährt — und unter vielen Verbeugungen vor einander und lautem Schreien freuen ſie ſich des errungenen Sieges“. Förſter Grömelbein hat die Brandenten bei ihrem Brutgeſchäfte beobachtet und unſerem Naumann darüber Mittheilung gemacht. Er bemerkte, als er ſich Anfangs Mai in bedeutender Entfernung von der Küſte im Walde beſchäftigte, ein Brandentenpaar, welches ihn und die Arbeiter wiederholt umkreiſte und ſich öfters nicht fern auf einer höheren Stelle des Sandfeldes niederließ. Das Männchen blieb als Wache außen ſtehen, während ſich das Weibchen einer Vertiefung des Hügels zuwandte, in dieſelbe gemächlich hinabſtieg und nun wohl eine Viertelſtunde hier verweilte. Als es wieder zum Vorſcheine gekommen, ſich der Gattin genähert und anſcheinend mit ihr unterhalten hatte, erhoben ſich beide zu einigen Kreisflügen und ließen ſich dann in den nächſten Umgebungen an den verſchiedenſten Stellen nieder, augenſcheinlich in der Abſicht, den Beobachter irre zu führen. Dieſer eilte zu dem Hügel, ſah hier die ihm wohlbekannte Fuchsröhre und fand dieſelbe mit den friſchen Fährten der Enten und des Fuchſes, ebenſo auch mit der Looſung beider bezeichnet. Nach mehrtägiger Beobachtung zeigte es ſich, daß die Enten, wahrſcheinlich um die arbeitenden Leute zu täuſchen, nur zum Scheine in dieſen Bau gekrochen waren, eigentlich aber einen viel größeren, von Füchſen und Dachſen bewohnten Bau, aus welchem erſt im vorhergegangenen Herbſte ein Dachs gefangen worden war und welcher noch gegenwärtig von einem anderen Raubthiere derſelben Art und einer Füchſin bewohnt wurde, im Sinne gehabt hatten. Genauere Beſichtigung ergab, daß der Dachs regelmäßig aus- und einwanderte und ſich um die Beſucher ſeiner bis zur Tiefe von zehn Fuß niederführenden Röhre nicht zu kümmern ſchien; denn die Fährten und Spuren beider zeigten ſich ganz friſch und waren bis in die Tiefe von ſieben Fuß hinab deutlich zu erkennen. Vor anderen Röhren deſſelben Baues, durch welche Füchſe aus- und einzugehen pflegten, war der Boden glatt- und feſtgetreten von den Enten, und wie in Wachs abgedrückt, ſtand die zierliche kleine Fährte der Füchſin zwiſchen denen der Enten. Unſer Beobachter legte ſich jetzt hinter einem Walle auf die Lauer, dem Baue nah genug, um Alles, was dabei vorging, genau gewahren zu können. Die ſchlauen Enten ließen nicht lange auf ſich warten, verſuchten erſt die Arbeiter an der oben erwähnten Stelle zu täuſchen, kamen dann Brehm, Thierleben. IV. 52

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 817. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/867>, abgerufen am 22.11.2024.