geziert. Die hierher gehörigen Arten bewohnen fast alle Verbreitungsgebiete der Spechte überhaupt, ausschließlich Mittel- und Südafrika.
Unser Bunt-, Band-, Roth- oder Schildspecht(Picus major) darf als das bekannteste Mitglied dieser Gruppe betrachtet werden. Er entspricht seinem Namen, denn sein Gefieder ist wirklich außerordentlich bunt. Die Oberseite ist schwarz, die Unterseite schmuziggelbgrau; ein Stirn- band ist gilblich, die Wangen, die Halsstreifen, große Flecke auf den Schultern und Querbänder auf den Flügeln sind weiß, der Hinterkopf und der Unterbauch prächtig karminroth; ein Streifen, welcher sich vom Schnabelgrunde an den Halsseiten herabzieht, ist schwarz. Dem Weibchen fehlt das Roth des Hinterkopfs. Bei den Jungen ist der Oberkopf karmiuroth. Das Auge ist braunroth, der Schnabel lichtbleifarben, der Fuß grünlichgrau.
Ganz Europa und Sibirien bis Kamtschatka sind die Heimat dieses allbekannten Vogels. Seine Lebensweise ist zuerst von meinem Vater und sodann von Naumann so ausführlich beschrieben worden, daß seither kaum noch Etwas hinzugefügt werden konnte.
Der Buntspecht liebt Vorhölzer und tiefe Waldungen, kommt aber auch in Feldhölzern vor und erscheint im Herbst und Winter in den Gärten. Er bevorzugt Kieferwaldungen allen übrigen. Während des Sommers bewohnt er ein nicht eben ausgedehntes Gebiet; im Herbst und Winter streicht er in einem größeren Bezirk umher und dann, wie schon bemerkt, gewöhnlich in Gesellschaft von Kleibern, Baumläufern, Meisen und Goldhähnchen. Jm Sommer duldet er inner- halb seines Gebiets keinen Seinesgleichen und kommt angenblicklich herbei, sobald er ein Klopfen ver- nimmt, aus dem er schließt, daß ein anderer Specht sich eingefunden habe. Bei seinen Streifereien folgt er den Bäumen; er meidet es, über das freie Feld zu fliegen. Freilich kennt er auch keine Umwege, da seine Streifereien eben nur den einen Zweck haben, sich reichlichere Nahrung zu suchen, als er sie an seinem eigentlichen Standorte findet und sich dabei zugleich ein wenig in der Welt umzusehen.
Der Buntspecht ist, wie Naumann sagt, ein kräftiger, munterer, gewandter, kecker und dabei schöner Vogel, dessen abstechende Farben in ihrer bunten Abwechslung auch in der Ferne und besonders wenn er fliegt, ihn sehr zieren. "Es sieht herrlich aus, wenn bei heiterem Wetter diese Buntspechte sich von Baum zu Baum jagen, im Sonnenschein schnell an den Aesten hinauflaufen oder auch an den oberen Spitzen hoher Bäume sich sonnen oder auf einem dürren Zacken, von der Sonne beschienen, ihr sonderbares Schnurren hervorbringen. Sie sind fast immer in Bewegung, dabei sehr hurtig und beleben den Wald, besonders die düsteren Nadelwaldungen, auf eine angenehme Weise." Der Flug geschieht ruckweise, ist ziemlich schnell und schnurrend, geht aber gewöhnlich nicht weit in einer Strecke fort. Auf dem Boden hüpft der Buntspecht noch ziemlich geschickt umher; er kommt aber selten zu ihm herab. Sehr gern setzt er sich auf die höchsten Wipfel der Bäume und läßt dabei sein "Pick pick" oder "Kik kik" wiederholt vernehmen. Nachtruhe hält er, wie die übrigen Spechte, in hohlen Bäumen; solche Schlupfwinkel sucht er auch auf, wenn er verwundet ist. Gegen Seines- gleichen zeigt er sich keineswegs liebenswürdig; man kann auch ihn, trotz seiner Streifereien mit dem erwähnten Kleingeflügel, nicht gesellig nennen. Gegen die Meisen, Goldhähnchen, Baumläufer und Kleiber zeigt er sich durchaus nicht freundschaftlich. Er scheint zwar ihr Anführer zu sein, bekümmert sich aber gar nicht um sie, sondern überläßt es dem Kleingesindel, ihm nachzuleben. Futterneidisch scheint er im höchsten Grade zu sein. Er ist einer von den Spechten, welche sich durch nachgeahmtes Pochen regelmäßig anlocken lassen. Jm Frühling verfehlt er gewiß nie, sich einzustellen, sobald er ein Klopfen nach Art seines Trommelns oder Hämmerns vernimmt: denn dann kommt noch die Eifersucht ins Spiel; aber auch im Sommer und Herbst erscheint er dicht vor dem Jäger, welcher ihn foppte und klettert auf allen Zweigen herum, um den vermeintlichen Nebenbuhler oder Beein- trächtiger zu erspähen. Und nicht blos das Männchen fliegt herbei, sondern auch das Weibchen: -- ein deutlicher Beweis, daß nicht allein die Eifersucht, sondern auch der Futterneid Ursache dieses Betragens ist.
Die Späher. Klettervögel. Buntſpechte
geziert. Die hierher gehörigen Arten bewohnen faſt alle Verbreitungsgebiete der Spechte überhaupt, ausſchließlich Mittel- und Südafrika.
Unſer Bunt-, Band-, Roth- oder Schildſpecht(Picus major) darf als das bekannteſte Mitglied dieſer Gruppe betrachtet werden. Er entſpricht ſeinem Namen, denn ſein Gefieder iſt wirklich außerordentlich bunt. Die Oberſeite iſt ſchwarz, die Unterſeite ſchmuziggelbgrau; ein Stirn- band iſt gilblich, die Wangen, die Halsſtreifen, große Flecke auf den Schultern und Querbänder auf den Flügeln ſind weiß, der Hinterkopf und der Unterbauch prächtig karminroth; ein Streifen, welcher ſich vom Schnabelgrunde an den Halsſeiten herabzieht, iſt ſchwarz. Dem Weibchen fehlt das Roth des Hinterkopfs. Bei den Jungen iſt der Oberkopf karmiuroth. Das Auge iſt braunroth, der Schnabel lichtbleifarben, der Fuß grünlichgrau.
Ganz Europa und Sibirien bis Kamtſchatka ſind die Heimat dieſes allbekannten Vogels. Seine Lebensweiſe iſt zuerſt von meinem Vater und ſodann von Naumann ſo ausführlich beſchrieben worden, daß ſeither kaum noch Etwas hinzugefügt werden konnte.
Der Buntſpecht liebt Vorhölzer und tiefe Waldungen, kommt aber auch in Feldhölzern vor und erſcheint im Herbſt und Winter in den Gärten. Er bevorzugt Kieferwaldungen allen übrigen. Während des Sommers bewohnt er ein nicht eben ausgedehntes Gebiet; im Herbſt und Winter ſtreicht er in einem größeren Bezirk umher und dann, wie ſchon bemerkt, gewöhnlich in Geſellſchaft von Kleibern, Baumläufern, Meiſen und Goldhähnchen. Jm Sommer duldet er inner- halb ſeines Gebiets keinen Seinesgleichen und kommt angenblicklich herbei, ſobald er ein Klopfen ver- nimmt, aus dem er ſchließt, daß ein anderer Specht ſich eingefunden habe. Bei ſeinen Streifereien folgt er den Bäumen; er meidet es, über das freie Feld zu fliegen. Freilich kennt er auch keine Umwege, da ſeine Streifereien eben nur den einen Zweck haben, ſich reichlichere Nahrung zu ſuchen, als er ſie an ſeinem eigentlichen Standorte findet und ſich dabei zugleich ein wenig in der Welt umzuſehen.
Der Buntſpecht iſt, wie Naumann ſagt, ein kräftiger, munterer, gewandter, kecker und dabei ſchöner Vogel, deſſen abſtechende Farben in ihrer bunten Abwechslung auch in der Ferne und beſonders wenn er fliegt, ihn ſehr zieren. „Es ſieht herrlich aus, wenn bei heiterem Wetter dieſe Buntſpechte ſich von Baum zu Baum jagen, im Sonnenſchein ſchnell an den Aeſten hinauflaufen oder auch an den oberen Spitzen hoher Bäume ſich ſonnen oder auf einem dürren Zacken, von der Sonne beſchienen, ihr ſonderbares Schnurren hervorbringen. Sie ſind faſt immer in Bewegung, dabei ſehr hurtig und beleben den Wald, beſonders die düſteren Nadelwaldungen, auf eine angenehme Weiſe.“ Der Flug geſchieht ruckweiſe, iſt ziemlich ſchnell und ſchnurrend, geht aber gewöhnlich nicht weit in einer Strecke fort. Auf dem Boden hüpft der Buntſpecht noch ziemlich geſchickt umher; er kommt aber ſelten zu ihm herab. Sehr gern ſetzt er ſich auf die höchſten Wipfel der Bäume und läßt dabei ſein „Pick pick“ oder „Kik kik“ wiederholt vernehmen. Nachtruhe hält er, wie die übrigen Spechte, in hohlen Bäumen; ſolche Schlupfwinkel ſucht er auch auf, wenn er verwundet iſt. Gegen Seines- gleichen zeigt er ſich keineswegs liebenswürdig; man kann auch ihn, trotz ſeiner Streifereien mit dem erwähnten Kleingeflügel, nicht geſellig nennen. Gegen die Meiſen, Goldhähnchen, Baumläufer und Kleiber zeigt er ſich durchaus nicht freundſchaftlich. Er ſcheint zwar ihr Anführer zu ſein, bekümmert ſich aber gar nicht um ſie, ſondern überläßt es dem Kleingeſindel, ihm nachzuleben. Futterneidiſch ſcheint er im höchſten Grade zu ſein. Er iſt einer von den Spechten, welche ſich durch nachgeahmtes Pochen regelmäßig anlocken laſſen. Jm Frühling verfehlt er gewiß nie, ſich einzuſtellen, ſobald er ein Klopfen nach Art ſeines Trommelns oder Hämmerns vernimmt: denn dann kommt noch die Eiferſucht ins Spiel; aber auch im Sommer und Herbſt erſcheint er dicht vor dem Jäger, welcher ihn foppte und klettert auf allen Zweigen herum, um den vermeintlichen Nebenbuhler oder Beein- trächtiger zu erſpähen. Und nicht blos das Männchen fliegt herbei, ſondern auch das Weibchen: — ein deutlicher Beweis, daß nicht allein die Eiferſucht, ſondern auch der Futterneid Urſache dieſes Betragens iſt.
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[72/0086]
Die Späher. Klettervögel. Buntſpechte
geziert. Die hierher gehörigen Arten bewohnen faſt alle Verbreitungsgebiete der Spechte überhaupt,
ausſchließlich Mittel- und Südafrika.
Unſer Bunt-, Band-, Roth- oder Schildſpecht (Picus major) darf als das bekannteſte
Mitglied dieſer Gruppe betrachtet werden. Er entſpricht ſeinem Namen, denn ſein Gefieder iſt
wirklich außerordentlich bunt. Die Oberſeite iſt ſchwarz, die Unterſeite ſchmuziggelbgrau; ein Stirn-
band iſt gilblich, die Wangen, die Halsſtreifen, große Flecke auf den Schultern und Querbänder auf
den Flügeln ſind weiß, der Hinterkopf und der Unterbauch prächtig karminroth; ein Streifen, welcher
ſich vom Schnabelgrunde an den Halsſeiten herabzieht, iſt ſchwarz. Dem Weibchen fehlt das Roth
des Hinterkopfs. Bei den Jungen iſt der Oberkopf karmiuroth. Das Auge iſt braunroth, der
Schnabel lichtbleifarben, der Fuß grünlichgrau.
Ganz Europa und Sibirien bis Kamtſchatka ſind die Heimat dieſes allbekannten Vogels. Seine
Lebensweiſe iſt zuerſt von meinem Vater und ſodann von Naumann ſo ausführlich beſchrieben
worden, daß ſeither kaum noch Etwas hinzugefügt werden konnte.
Der Buntſpecht liebt Vorhölzer und tiefe Waldungen, kommt aber auch in Feldhölzern vor und
erſcheint im Herbſt und Winter in den Gärten. Er bevorzugt Kieferwaldungen allen übrigen.
Während des Sommers bewohnt er ein nicht eben ausgedehntes Gebiet; im Herbſt und
Winter ſtreicht er in einem größeren Bezirk umher und dann, wie ſchon bemerkt, gewöhnlich in
Geſellſchaft von Kleibern, Baumläufern, Meiſen und Goldhähnchen. Jm Sommer duldet er inner-
halb ſeines Gebiets keinen Seinesgleichen und kommt angenblicklich herbei, ſobald er ein Klopfen ver-
nimmt, aus dem er ſchließt, daß ein anderer Specht ſich eingefunden habe. Bei ſeinen Streifereien
folgt er den Bäumen; er meidet es, über das freie Feld zu fliegen. Freilich kennt er auch keine
Umwege, da ſeine Streifereien eben nur den einen Zweck haben, ſich reichlichere Nahrung zu ſuchen, als
er ſie an ſeinem eigentlichen Standorte findet und ſich dabei zugleich ein wenig in der Welt umzuſehen.
Der Buntſpecht iſt, wie Naumann ſagt, ein kräftiger, munterer, gewandter, kecker und dabei
ſchöner Vogel, deſſen abſtechende Farben in ihrer bunten Abwechslung auch in der Ferne und
beſonders wenn er fliegt, ihn ſehr zieren. „Es ſieht herrlich aus, wenn bei heiterem Wetter dieſe
Buntſpechte ſich von Baum zu Baum jagen, im Sonnenſchein ſchnell an den Aeſten hinauflaufen oder
auch an den oberen Spitzen hoher Bäume ſich ſonnen oder auf einem dürren Zacken, von der Sonne
beſchienen, ihr ſonderbares Schnurren hervorbringen. Sie ſind faſt immer in Bewegung, dabei ſehr
hurtig und beleben den Wald, beſonders die düſteren Nadelwaldungen, auf eine angenehme Weiſe.“
Der Flug geſchieht ruckweiſe, iſt ziemlich ſchnell und ſchnurrend, geht aber gewöhnlich nicht weit in
einer Strecke fort. Auf dem Boden hüpft der Buntſpecht noch ziemlich geſchickt umher; er kommt
aber ſelten zu ihm herab. Sehr gern ſetzt er ſich auf die höchſten Wipfel der Bäume und läßt dabei
ſein „Pick pick“ oder „Kik kik“ wiederholt vernehmen. Nachtruhe hält er, wie die übrigen Spechte, in
hohlen Bäumen; ſolche Schlupfwinkel ſucht er auch auf, wenn er verwundet iſt. Gegen Seines-
gleichen zeigt er ſich keineswegs liebenswürdig; man kann auch ihn, trotz ſeiner Streifereien mit dem
erwähnten Kleingeflügel, nicht geſellig nennen. Gegen die Meiſen, Goldhähnchen, Baumläufer und
Kleiber zeigt er ſich durchaus nicht freundſchaftlich. Er ſcheint zwar ihr Anführer zu ſein, bekümmert
ſich aber gar nicht um ſie, ſondern überläßt es dem Kleingeſindel, ihm nachzuleben. Futterneidiſch
ſcheint er im höchſten Grade zu ſein. Er iſt einer von den Spechten, welche ſich durch nachgeahmtes
Pochen regelmäßig anlocken laſſen. Jm Frühling verfehlt er gewiß nie, ſich einzuſtellen, ſobald er ein
Klopfen nach Art ſeines Trommelns oder Hämmerns vernimmt: denn dann kommt noch die
Eiferſucht ins Spiel; aber auch im Sommer und Herbſt erſcheint er dicht vor dem Jäger, welcher
ihn foppte und klettert auf allen Zweigen herum, um den vermeintlichen Nebenbuhler oder Beein-
trächtiger zu erſpähen. Und nicht blos das Männchen fliegt herbei, ſondern auch das Weibchen: —
ein deutlicher Beweis, daß nicht allein die Eiferſucht, ſondern auch der Futterneid Urſache dieſes
Betragens iſt.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/86>, abgerufen am 25.11.2024.
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