Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.Wildgans. Schilf, Rohr, Binsen u. s. w. bilden den Unterbau, werden jedoch ohne eigentliche Ordnung zusammen-geschichtet und so locker übereinander gelegt, daß das Nest anfänglich viel höher ist als später, nachdem es niedergetreten wurde. Die eigentliche Mulde wird mit den feineren Stoffen ausgekleidet und das Gelege später mit diesen und mit Dunen bedeckt. Jn den Nestern älterer Weibchen findet man Gelege von sieben bis zehn, ja bis vierzehn Eier; jüngere Weibchen legen gewöhnlich deren nur fünf bis sechs. Die Eier ähneln denen unserer Hausgans so, daß man sie kaum unterscheiden kann. Jhre Länge beträgt 31/4 bis 31/2, ihre Breite an der dicksten Stelle 21/4 bis 21/2 Zoll; die Schale ist glatt, glanzlos, etwas grobkörnig, die Färbung ein trübgilbliches, zuweilen ins Grüne spielende Weiß. Jn den Nestern älterer Paare findet man bereits Anfangs März das erste Ei und um die Mitte des Monates, spätestens zu Ende desselben, die Mutter brütend. Sowie sie sich dazu anschickt, rupft sie sich alle Dunen aus, bekleidet mit ihnen den inneren Rand des Nestes und bedeckt auch, so oft sie sich entfernt, damit sorgsam die Eier. Am achtundzwanzigsten Tage der Bebrütung entschlüpfen die Jungen, werden noch etwa einen Tag lang im Neste festgehalten, dann auf das Wasser geführt und zum Futtersuchen angeleitet. Teichlinsen, Wassergräser und dergleichen bilden ihre erste Nahrung; später werden die Wiesen und Felder besucht. Abends kehrt Alt und Jung noch zum Neste zurück; nach ungefähr zwei Wochen wird dieses für die inzwischen heranwachsenden Jungen zu klein, und letztere nehmen nun hier oder da, dicht neben der Mutter dahingekauert, eine Schlafstelle ein. Die Wachsam- keit des Gansert steigert sich, nachdem die Jungen ausgeschlüpft sind. Die Mutter geht oder schwimmt der Familie voran, die zusammengedrängten Jungen folgen, der Vater deckt gewisser- maßen den Rückzug, mit hoch aufgerichtetem Haupte nach allen Seiten hin spähend, ängstlich auf die Sicherheit der Seinen bedacht und mißtrauisch alles Verdächtige beobachtend. Bei wirklicher Gefahr gibt er zuerst das Zeichen zur Flucht. "Es gewährt dem Naturfreunde", sagt Naumann, "in der That ein hohes Vergnügen, an einem schönen Maiabende, wohl versteckt, solche Gänsefamilien zu belauschen, wenn bei Sonnenuntergange eine wie die andere an verschiedenen Stellen, doch alle fast zu gleicher Zeit aus dem Schilfe hervorgeschlichen kommen, sich auf den freien Wasserspiegel wagend, sachte dem einladenden Ufer zuschwimmen, und wie dann der Familienvater in hoher Besorgniß für die Sicherheit der Seinen die Wachsamkeit verdoppelt, wenn er irgend Verdacht schöpft, endlich glücklich auf dem Weideplatze angelangt, selbst kaum mitzuschmausen sich getraut, und wenn nun gar seine Besorgniß nicht grundlos, er zuerst mit leisen Tönen warnt, bei wirklich eintretender Gefahr aber leider zuerst unter kläglichem Geschrei die Flucht ergreift. Dagegen benimmt sich in solchen Fällen die Mutter viel muthvoller und ist eher auf die Rettung ihrer Kinder als auf die eigene bedacht, indem sie durch wiederholtes ängstliches Schreien die Jungen zu bewegen sucht, sich zu verkriechen, oder wenn sie nicht weit vom Wasser sind, auf letzteres zuzulaufen, sich hineinzustürzen und unterzutauchen, ehe sie sich selbst auf die Flucht begibt. Aber sie fliegt nie weit weg und ist, sobald die Gefahr entfernt, wieder da, um die Jhrigen von neuem zu versammeln; dann erst kommt der Vater wieder zu seiner Familie. Wenn die Alte mit den Jungen ohne den vorsichtigen Familien- wächter, der freilich nur zufällig einmal fehlen kann, in schon etwas hohem Getreide steckt, man sich ungesehen an sie schleicht, und nun plötzlich auf sie zuläuft, erhebt sie sich mit gräßlichem Schreien und umschwärmt den Ort des Entsetzens im weiten Kreise, worauf die Jungen zur Stelle in Acker- furchen oder sonstige Vertiefungen sich niederdrücken und ganz still liegen, sodaß man nicht selten eines nach dem anderen wegnehmen kann, ohne daß die übrigen wegzulaufen wagen, während sie, wenn die Ergriffenen schreien, geradewegs dem Wasser zurennen. Hier tauchen die Jungen, solange sie noch nicht fliegen können, recht fertig und suchen sich dadurch immer zu retten, können zwar nicht lange unter dem Wasser aushalten, wiederholen es aber desto öfter.... Jn den ersten vier Wochen des Lebens der Jungen sind die vorsichtigen und schlauen Alten immerwährend in ängstlicher Besorgniß, erblicken überall Gefahr, suchen ihnen auszuweichen oder die Jungen zu entfernen, thun aber in der Wahl der Mittel oft Mißgriffe. Jhr Betragen ist hierbei häufig voller Widersprüche und Räthsel, im Ausführen ihres Vorhabens voller Starrsinn, Junge, welche auf einem einsamen Wildgans. Schilf, Rohr, Binſen u. ſ. w. bilden den Unterbau, werden jedoch ohne eigentliche Ordnung zuſammen-geſchichtet und ſo locker übereinander gelegt, daß das Neſt anfänglich viel höher iſt als ſpäter, nachdem es niedergetreten wurde. Die eigentliche Mulde wird mit den feineren Stoffen ausgekleidet und das Gelege ſpäter mit dieſen und mit Dunen bedeckt. Jn den Neſtern älterer Weibchen findet man Gelege von ſieben bis zehn, ja bis vierzehn Eier; jüngere Weibchen legen gewöhnlich deren nur fünf bis ſechs. Die Eier ähneln denen unſerer Hausgans ſo, daß man ſie kaum unterſcheiden kann. Jhre Länge beträgt 3¼ bis 3½, ihre Breite an der dickſten Stelle 2¼ bis 2½ Zoll; die Schale iſt glatt, glanzlos, etwas grobkörnig, die Färbung ein trübgilbliches, zuweilen ins Grüne ſpielende Weiß. Jn den Neſtern älterer Paare findet man bereits Anfangs März das erſte Ei und um die Mitte des Monates, ſpäteſtens zu Ende deſſelben, die Mutter brütend. Sowie ſie ſich dazu anſchickt, rupft ſie ſich alle Dunen aus, bekleidet mit ihnen den inneren Rand des Neſtes und bedeckt auch, ſo oft ſie ſich entfernt, damit ſorgſam die Eier. Am achtundzwanzigſten Tage der Bebrütung entſchlüpfen die Jungen, werden noch etwa einen Tag lang im Neſte feſtgehalten, dann auf das Waſſer geführt und zum Futterſuchen angeleitet. Teichlinſen, Waſſergräſer und dergleichen bilden ihre erſte Nahrung; ſpäter werden die Wieſen und Felder beſucht. Abends kehrt Alt und Jung noch zum Neſte zurück; nach ungefähr zwei Wochen wird dieſes für die inzwiſchen heranwachſenden Jungen zu klein, und letztere nehmen nun hier oder da, dicht neben der Mutter dahingekauert, eine Schlafſtelle ein. Die Wachſam- keit des Ganſert ſteigert ſich, nachdem die Jungen ausgeſchlüpft ſind. Die Mutter geht oder ſchwimmt der Familie voran, die zuſammengedrängten Jungen folgen, der Vater deckt gewiſſer- maßen den Rückzug, mit hoch aufgerichtetem Haupte nach allen Seiten hin ſpähend, ängſtlich auf die Sicherheit der Seinen bedacht und mißtrauiſch alles Verdächtige beobachtend. Bei wirklicher Gefahr gibt er zuerſt das Zeichen zur Flucht. „Es gewährt dem Naturfreunde“, ſagt Naumann, „in der That ein hohes Vergnügen, an einem ſchönen Maiabende, wohl verſteckt, ſolche Gänſefamilien zu belauſchen, wenn bei Sonnenuntergange eine wie die andere an verſchiedenen Stellen, doch alle faſt zu gleicher Zeit aus dem Schilfe hervorgeſchlichen kommen, ſich auf den freien Waſſerſpiegel wagend, ſachte dem einladenden Ufer zuſchwimmen, und wie dann der Familienvater in hoher Beſorgniß für die Sicherheit der Seinen die Wachſamkeit verdoppelt, wenn er irgend Verdacht ſchöpft, endlich glücklich auf dem Weideplatze angelangt, ſelbſt kaum mitzuſchmauſen ſich getraut, und wenn nun gar ſeine Beſorgniß nicht grundlos, er zuerſt mit leiſen Tönen warnt, bei wirklich eintretender Gefahr aber leider zuerſt unter kläglichem Geſchrei die Flucht ergreift. Dagegen benimmt ſich in ſolchen Fällen die Mutter viel muthvoller und iſt eher auf die Rettung ihrer Kinder als auf die eigene bedacht, indem ſie durch wiederholtes ängſtliches Schreien die Jungen zu bewegen ſucht, ſich zu verkriechen, oder wenn ſie nicht weit vom Waſſer ſind, auf letzteres zuzulaufen, ſich hineinzuſtürzen und unterzutauchen, ehe ſie ſich ſelbſt auf die Flucht begibt. Aber ſie fliegt nie weit weg und iſt, ſobald die Gefahr entfernt, wieder da, um die Jhrigen von neuem zu verſammeln; dann erſt kommt der Vater wieder zu ſeiner Familie. Wenn die Alte mit den Jungen ohne den vorſichtigen Familien- wächter, der freilich nur zufällig einmal fehlen kann, in ſchon etwas hohem Getreide ſteckt, man ſich ungeſehen an ſie ſchleicht, und nun plötzlich auf ſie zuläuft, erhebt ſie ſich mit gräßlichem Schreien und umſchwärmt den Ort des Entſetzens im weiten Kreiſe, worauf die Jungen zur Stelle in Acker- furchen oder ſonſtige Vertiefungen ſich niederdrücken und ganz ſtill liegen, ſodaß man nicht ſelten eines nach dem anderen wegnehmen kann, ohne daß die übrigen wegzulaufen wagen, während ſie, wenn die Ergriffenen ſchreien, geradewegs dem Waſſer zurennen. Hier tauchen die Jungen, ſolange ſie noch nicht fliegen können, recht fertig und ſuchen ſich dadurch immer zu retten, können zwar nicht lange unter dem Waſſer aushalten, wiederholen es aber deſto öfter.... Jn den erſten vier Wochen des Lebens der Jungen ſind die vorſichtigen und ſchlauen Alten immerwährend in ängſtlicher Beſorgniß, erblicken überall Gefahr, ſuchen ihnen auszuweichen oder die Jungen zu entfernen, thun aber in der Wahl der Mittel oft Mißgriffe. Jhr Betragen iſt hierbei häufig voller Widerſprüche und Räthſel, im Ausführen ihres Vorhabens voller Starrſinn, Junge, welche auf einem einſamen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0845" n="797"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Wildgans.</hi></fw><lb/> Schilf, Rohr, Binſen u. ſ. w. bilden den Unterbau, werden jedoch ohne eigentliche Ordnung zuſammen-<lb/> geſchichtet und ſo locker übereinander gelegt, daß das Neſt anfänglich viel höher iſt als ſpäter,<lb/> nachdem es niedergetreten wurde. Die eigentliche Mulde wird mit den feineren Stoffen ausgekleidet<lb/> und das Gelege ſpäter mit dieſen und mit Dunen bedeckt. 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Wildgans.
Schilf, Rohr, Binſen u. ſ. w. bilden den Unterbau, werden jedoch ohne eigentliche Ordnung zuſammen-
geſchichtet und ſo locker übereinander gelegt, daß das Neſt anfänglich viel höher iſt als ſpäter,
nachdem es niedergetreten wurde. Die eigentliche Mulde wird mit den feineren Stoffen ausgekleidet
und das Gelege ſpäter mit dieſen und mit Dunen bedeckt. Jn den Neſtern älterer Weibchen findet
man Gelege von ſieben bis zehn, ja bis vierzehn Eier; jüngere Weibchen legen gewöhnlich deren nur
fünf bis ſechs. Die Eier ähneln denen unſerer Hausgans ſo, daß man ſie kaum unterſcheiden kann.
Jhre Länge beträgt 3¼ bis 3½, ihre Breite an der dickſten Stelle 2¼ bis 2½ Zoll; die Schale iſt
glatt, glanzlos, etwas grobkörnig, die Färbung ein trübgilbliches, zuweilen ins Grüne ſpielende Weiß.
Jn den Neſtern älterer Paare findet man bereits Anfangs März das erſte Ei und um die Mitte des
Monates, ſpäteſtens zu Ende deſſelben, die Mutter brütend. Sowie ſie ſich dazu anſchickt, rupft ſie
ſich alle Dunen aus, bekleidet mit ihnen den inneren Rand des Neſtes und bedeckt auch, ſo oft ſie ſich
entfernt, damit ſorgſam die Eier. Am achtundzwanzigſten Tage der Bebrütung entſchlüpfen die
Jungen, werden noch etwa einen Tag lang im Neſte feſtgehalten, dann auf das Waſſer geführt und
zum Futterſuchen angeleitet. Teichlinſen, Waſſergräſer und dergleichen bilden ihre erſte Nahrung;
ſpäter werden die Wieſen und Felder beſucht. Abends kehrt Alt und Jung noch zum Neſte zurück; nach
ungefähr zwei Wochen wird dieſes für die inzwiſchen heranwachſenden Jungen zu klein, und letztere
nehmen nun hier oder da, dicht neben der Mutter dahingekauert, eine Schlafſtelle ein. Die Wachſam-
keit des Ganſert ſteigert ſich, nachdem die Jungen ausgeſchlüpft ſind. Die Mutter geht oder
ſchwimmt der Familie voran, die zuſammengedrängten Jungen folgen, der Vater deckt gewiſſer-
maßen den Rückzug, mit hoch aufgerichtetem Haupte nach allen Seiten hin ſpähend, ängſtlich auf die
Sicherheit der Seinen bedacht und mißtrauiſch alles Verdächtige beobachtend. Bei wirklicher Gefahr
gibt er zuerſt das Zeichen zur Flucht. „Es gewährt dem Naturfreunde“, ſagt Naumann, „in der
That ein hohes Vergnügen, an einem ſchönen Maiabende, wohl verſteckt, ſolche Gänſefamilien zu
belauſchen, wenn bei Sonnenuntergange eine wie die andere an verſchiedenen Stellen, doch alle faſt
zu gleicher Zeit aus dem Schilfe hervorgeſchlichen kommen, ſich auf den freien Waſſerſpiegel wagend,
ſachte dem einladenden Ufer zuſchwimmen, und wie dann der Familienvater in hoher Beſorgniß für
die Sicherheit der Seinen die Wachſamkeit verdoppelt, wenn er irgend Verdacht ſchöpft, endlich
glücklich auf dem Weideplatze angelangt, ſelbſt kaum mitzuſchmauſen ſich getraut, und wenn nun gar
ſeine Beſorgniß nicht grundlos, er zuerſt mit leiſen Tönen warnt, bei wirklich eintretender
Gefahr aber leider zuerſt unter kläglichem Geſchrei die Flucht ergreift. Dagegen benimmt ſich in
ſolchen Fällen die Mutter viel muthvoller und iſt eher auf die Rettung ihrer Kinder als auf die
eigene bedacht, indem ſie durch wiederholtes ängſtliches Schreien die Jungen zu bewegen ſucht, ſich zu
verkriechen, oder wenn ſie nicht weit vom Waſſer ſind, auf letzteres zuzulaufen, ſich hineinzuſtürzen
und unterzutauchen, ehe ſie ſich ſelbſt auf die Flucht begibt. Aber ſie fliegt nie weit weg und iſt,
ſobald die Gefahr entfernt, wieder da, um die Jhrigen von neuem zu verſammeln; dann erſt kommt
der Vater wieder zu ſeiner Familie. Wenn die Alte mit den Jungen ohne den vorſichtigen Familien-
wächter, der freilich nur zufällig einmal fehlen kann, in ſchon etwas hohem Getreide ſteckt, man ſich
ungeſehen an ſie ſchleicht, und nun plötzlich auf ſie zuläuft, erhebt ſie ſich mit gräßlichem Schreien
und umſchwärmt den Ort des Entſetzens im weiten Kreiſe, worauf die Jungen zur Stelle in Acker-
furchen oder ſonſtige Vertiefungen ſich niederdrücken und ganz ſtill liegen, ſodaß man nicht ſelten
eines nach dem anderen wegnehmen kann, ohne daß die übrigen wegzulaufen wagen, während ſie,
wenn die Ergriffenen ſchreien, geradewegs dem Waſſer zurennen. Hier tauchen die Jungen, ſolange
ſie noch nicht fliegen können, recht fertig und ſuchen ſich dadurch immer zu retten, können zwar nicht
lange unter dem Waſſer aushalten, wiederholen es aber deſto öfter.... Jn den erſten vier Wochen
des Lebens der Jungen ſind die vorſichtigen und ſchlauen Alten immerwährend in ängſtlicher
Beſorgniß, erblicken überall Gefahr, ſuchen ihnen auszuweichen oder die Jungen zu entfernen, thun
aber in der Wahl der Mittel oft Mißgriffe. Jhr Betragen iſt hierbei häufig voller Widerſprüche
und Räthſel, im Ausführen ihres Vorhabens voller Starrſinn, Junge, welche auf einem einſamen
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