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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Sporengans. Schwanengans
Kleid ihrer Eltern, nehmen aber noch etwas an Größe zu und haben auch noch keinen entwickelten
Höcker.

Die Sporengans läuft besser als jede andere mir bekannte Art der Familie. Sie trägt sich vorn
hoch aufgerichtet und erinnert beim Gehen entfernt an einen Storch oder Stelzvogel überhaupt; vor
dem Auffliegen rennt sie erst auf eine ziemliche Strecke dahin, erhebt sich, schlägt rasch und kräftig mit
den Flügeln, steigt bald in bedeutende Höhen empor und streicht in diesen schnell vorwärts, gefällt sich
aber oft in einem bei Zahnschnäblern sonst sehr ungewöhnlichen Schweben. Jm Schwimmen unter-
scheidet sie sich nicht von den gewöhnlichen Gänsen. Eine eigentliche Stimme habe ich nie von ihr
vernommen, sondern höchstens, und auch selten, heiser zischende Laute. Alle, welche ich im Freileben
sah, waren scheu und vorsichtig und unterschieden den Weißen sehr wohl von dem Schwarzen, ließen
letzteren wenigstens viel näher an sich herankommen als jenen. Um andere Vögel schienen sie sich
nicht zu bekümmern, obwohl sie mitten unter denselben lebten. Daß sie auch schwächeren Thieren
ihre Herrschsucht fühlen lassen, beobachtet man an Gefangenen, welche, wie die Schwäne, das mit
ihnen auf demselben Teiche lebende Wassergeflügel regelmäßig unterjochen, erzürnt, sich mit wahrer
Wuth auf ihren Gegner stürzen, sich in dessen Gefieder festbeißen und ihn zuweilen wirklich umbringen.
Hinsichtlich der Nahrung unterscheiden sich die Sporengänse insofern von anderen, daß sie sehr gern
Fische oder thierische Stoffe überhaupt fressen und diese, wenn sie sich einmal daran gewöhnt haben,
mit derselben Sehnsucht erwarten wie die Enten.

Von Westafrika aus werden alljährlich Sporengänse lebend nach Europa gebracht; sie finden sich
deshalb in allen Thiergärten. Jm Regentpark hält man sie schon seit mehr als dreißig Jahren
regelmäßig; gleichwohl haben sie sich bei uns noch nicht eingebürgert und, soviel mir bekannt, auch
nirgends fortgepflanzt. Gegen kalte Witterung muß man sie schützen, weil sie sich, wenn man sie im
Freien läßt, die Füße erfrieren.



Mehr als irgend eine andere Art der Familie verdient die Schwanen- oder kanadische
Gans
(Cygnopsis canadensis) die Aufmerksamkeit unserer Thierzüchter. Sie unterscheidet sich von
der Hausgans durch schlankeren Leib, längeren Hals und bunteres Gefieder, wird deshalb auch einer
besonderen Sippe zuertheilt, kommt aber im Wesentlichen sehr mit den echten Gänsen überein. Kopf
und Hinterhals sind schwarz, Wangengegend, Kehle und Gurgel weiß oder grauweiß, die Obertheile
bräunlichgrau, an den Rändern der Federn heller, Brust und Oberhals aschgrau, die Unterseite
übrigens reinweiß, die Handschwingen schwarzbraun, die Armschwingen, die Steuerfedern, sechszehn
oder achtzehn an der Zahl, schwarz. Das Auge ist graubraun, der Schnabel schwarz, der Fuß
schwarzgrau. Die Länge des Männchens beträgt 35 bis 36, die Breite 63 bis 65, die Fittiglänge 18,
die Schwanzlänge 71/2 Zoll. Das Weibchen ist etwas kleiner.

Die Schwanengans wird in ganz Nordamerika gefunden, brütet aber nicht mehr in den südlichen
Theilen der Vereinigten Staaten, sondern hat sich seit Erscheinen des Weißen nach Norden zurück-
gezogen und wird von Jahr zu Jahr weiter zurückgedrängt. Jn größeren, schwer zugänglichen
Sümpfen der mittleren Staaten Südamerikas brüten übrigens noch alljährlich einzelne Paare, und
während des Zuges im Winter besuchen sie alle Staaten. Vom Norden kommend erscheinen sie in
Gesellschaften von zwanzig bis dreißig Stücken. Ende Oktobers, zuweilen früher, zuweilen später,
setzen sie sich in Nahrung versprechenden Gegenden fest, streichen, in Voraussicht des kommenden
Wetters, bald wieder nach Norden zurück, bald mehr nach Süden hinauf, verbringen so den Winter
und treten im April oder Anfangs Mai ihre Rückreise nach den Brutplätzen an, welche heutzutage
größtentheils in der Tundra zwischen dem 50. und 67. Grade nördlicher Breite zu suchen sind.

Sporengans. Schwanengans
Kleid ihrer Eltern, nehmen aber noch etwas an Größe zu und haben auch noch keinen entwickelten
Höcker.

Die Sporengans läuft beſſer als jede andere mir bekannte Art der Familie. Sie trägt ſich vorn
hoch aufgerichtet und erinnert beim Gehen entfernt an einen Storch oder Stelzvogel überhaupt; vor
dem Auffliegen rennt ſie erſt auf eine ziemliche Strecke dahin, erhebt ſich, ſchlägt raſch und kräftig mit
den Flügeln, ſteigt bald in bedeutende Höhen empor und ſtreicht in dieſen ſchnell vorwärts, gefällt ſich
aber oft in einem bei Zahnſchnäblern ſonſt ſehr ungewöhnlichen Schweben. Jm Schwimmen unter-
ſcheidet ſie ſich nicht von den gewöhnlichen Gänſen. Eine eigentliche Stimme habe ich nie von ihr
vernommen, ſondern höchſtens, und auch ſelten, heiſer ziſchende Laute. Alle, welche ich im Freileben
ſah, waren ſcheu und vorſichtig und unterſchieden den Weißen ſehr wohl von dem Schwarzen, ließen
letzteren wenigſtens viel näher an ſich herankommen als jenen. Um andere Vögel ſchienen ſie ſich
nicht zu bekümmern, obwohl ſie mitten unter denſelben lebten. Daß ſie auch ſchwächeren Thieren
ihre Herrſchſucht fühlen laſſen, beobachtet man an Gefangenen, welche, wie die Schwäne, das mit
ihnen auf demſelben Teiche lebende Waſſergeflügel regelmäßig unterjochen, erzürnt, ſich mit wahrer
Wuth auf ihren Gegner ſtürzen, ſich in deſſen Gefieder feſtbeißen und ihn zuweilen wirklich umbringen.
Hinſichtlich der Nahrung unterſcheiden ſich die Sporengänſe inſofern von anderen, daß ſie ſehr gern
Fiſche oder thieriſche Stoffe überhaupt freſſen und dieſe, wenn ſie ſich einmal daran gewöhnt haben,
mit derſelben Sehnſucht erwarten wie die Enten.

Von Weſtafrika aus werden alljährlich Sporengänſe lebend nach Europa gebracht; ſie finden ſich
deshalb in allen Thiergärten. Jm Regentpark hält man ſie ſchon ſeit mehr als dreißig Jahren
regelmäßig; gleichwohl haben ſie ſich bei uns noch nicht eingebürgert und, ſoviel mir bekannt, auch
nirgends fortgepflanzt. Gegen kalte Witterung muß man ſie ſchützen, weil ſie ſich, wenn man ſie im
Freien läßt, die Füße erfrieren.



Mehr als irgend eine andere Art der Familie verdient die Schwanen- oder kanadiſche
Gans
(Cygnopsis canadensis) die Aufmerkſamkeit unſerer Thierzüchter. Sie unterſcheidet ſich von
der Hausgans durch ſchlankeren Leib, längeren Hals und bunteres Gefieder, wird deshalb auch einer
beſonderen Sippe zuertheilt, kommt aber im Weſentlichen ſehr mit den echten Gänſen überein. Kopf
und Hinterhals ſind ſchwarz, Wangengegend, Kehle und Gurgel weiß oder grauweiß, die Obertheile
bräunlichgrau, an den Rändern der Federn heller, Bruſt und Oberhals aſchgrau, die Unterſeite
übrigens reinweiß, die Handſchwingen ſchwarzbraun, die Armſchwingen, die Steuerfedern, ſechszehn
oder achtzehn an der Zahl, ſchwarz. Das Auge iſt graubraun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß
ſchwarzgrau. Die Länge des Männchens beträgt 35 bis 36, die Breite 63 bis 65, die Fittiglänge 18,
die Schwanzlänge 7½ Zoll. Das Weibchen iſt etwas kleiner.

Die Schwanengans wird in ganz Nordamerika gefunden, brütet aber nicht mehr in den ſüdlichen
Theilen der Vereinigten Staaten, ſondern hat ſich ſeit Erſcheinen des Weißen nach Norden zurück-
gezogen und wird von Jahr zu Jahr weiter zurückgedrängt. Jn größeren, ſchwer zugänglichen
Sümpfen der mittleren Staaten Südamerikas brüten übrigens noch alljährlich einzelne Paare, und
während des Zuges im Winter beſuchen ſie alle Staaten. Vom Norden kommend erſcheinen ſie in
Geſellſchaften von zwanzig bis dreißig Stücken. Ende Oktobers, zuweilen früher, zuweilen ſpäter,
ſetzen ſie ſich in Nahrung verſprechenden Gegenden feſt, ſtreichen, in Vorausſicht des kommenden
Wetters, bald wieder nach Norden zurück, bald mehr nach Süden hinauf, verbringen ſo den Winter
und treten im April oder Anfangs Mai ihre Rückreiſe nach den Brutplätzen an, welche heutzutage
größtentheils in der Tundra zwiſchen dem 50. und 67. Grade nördlicher Breite zu ſuchen ſind.

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[791/0837] Sporengans. Schwanengans Kleid ihrer Eltern, nehmen aber noch etwas an Größe zu und haben auch noch keinen entwickelten Höcker. Die Sporengans läuft beſſer als jede andere mir bekannte Art der Familie. Sie trägt ſich vorn hoch aufgerichtet und erinnert beim Gehen entfernt an einen Storch oder Stelzvogel überhaupt; vor dem Auffliegen rennt ſie erſt auf eine ziemliche Strecke dahin, erhebt ſich, ſchlägt raſch und kräftig mit den Flügeln, ſteigt bald in bedeutende Höhen empor und ſtreicht in dieſen ſchnell vorwärts, gefällt ſich aber oft in einem bei Zahnſchnäblern ſonſt ſehr ungewöhnlichen Schweben. Jm Schwimmen unter- ſcheidet ſie ſich nicht von den gewöhnlichen Gänſen. Eine eigentliche Stimme habe ich nie von ihr vernommen, ſondern höchſtens, und auch ſelten, heiſer ziſchende Laute. Alle, welche ich im Freileben ſah, waren ſcheu und vorſichtig und unterſchieden den Weißen ſehr wohl von dem Schwarzen, ließen letzteren wenigſtens viel näher an ſich herankommen als jenen. Um andere Vögel ſchienen ſie ſich nicht zu bekümmern, obwohl ſie mitten unter denſelben lebten. Daß ſie auch ſchwächeren Thieren ihre Herrſchſucht fühlen laſſen, beobachtet man an Gefangenen, welche, wie die Schwäne, das mit ihnen auf demſelben Teiche lebende Waſſergeflügel regelmäßig unterjochen, erzürnt, ſich mit wahrer Wuth auf ihren Gegner ſtürzen, ſich in deſſen Gefieder feſtbeißen und ihn zuweilen wirklich umbringen. Hinſichtlich der Nahrung unterſcheiden ſich die Sporengänſe inſofern von anderen, daß ſie ſehr gern Fiſche oder thieriſche Stoffe überhaupt freſſen und dieſe, wenn ſie ſich einmal daran gewöhnt haben, mit derſelben Sehnſucht erwarten wie die Enten. Von Weſtafrika aus werden alljährlich Sporengänſe lebend nach Europa gebracht; ſie finden ſich deshalb in allen Thiergärten. Jm Regentpark hält man ſie ſchon ſeit mehr als dreißig Jahren regelmäßig; gleichwohl haben ſie ſich bei uns noch nicht eingebürgert und, ſoviel mir bekannt, auch nirgends fortgepflanzt. Gegen kalte Witterung muß man ſie ſchützen, weil ſie ſich, wenn man ſie im Freien läßt, die Füße erfrieren. Mehr als irgend eine andere Art der Familie verdient die Schwanen- oder kanadiſche Gans (Cygnopsis canadensis) die Aufmerkſamkeit unſerer Thierzüchter. Sie unterſcheidet ſich von der Hausgans durch ſchlankeren Leib, längeren Hals und bunteres Gefieder, wird deshalb auch einer beſonderen Sippe zuertheilt, kommt aber im Weſentlichen ſehr mit den echten Gänſen überein. Kopf und Hinterhals ſind ſchwarz, Wangengegend, Kehle und Gurgel weiß oder grauweiß, die Obertheile bräunlichgrau, an den Rändern der Federn heller, Bruſt und Oberhals aſchgrau, die Unterſeite übrigens reinweiß, die Handſchwingen ſchwarzbraun, die Armſchwingen, die Steuerfedern, ſechszehn oder achtzehn an der Zahl, ſchwarz. Das Auge iſt graubraun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß ſchwarzgrau. Die Länge des Männchens beträgt 35 bis 36, die Breite 63 bis 65, die Fittiglänge 18, die Schwanzlänge 7½ Zoll. Das Weibchen iſt etwas kleiner. Die Schwanengans wird in ganz Nordamerika gefunden, brütet aber nicht mehr in den ſüdlichen Theilen der Vereinigten Staaten, ſondern hat ſich ſeit Erſcheinen des Weißen nach Norden zurück- gezogen und wird von Jahr zu Jahr weiter zurückgedrängt. Jn größeren, ſchwer zugänglichen Sümpfen der mittleren Staaten Südamerikas brüten übrigens noch alljährlich einzelne Paare, und während des Zuges im Winter beſuchen ſie alle Staaten. Vom Norden kommend erſcheinen ſie in Geſellſchaften von zwanzig bis dreißig Stücken. Ende Oktobers, zuweilen früher, zuweilen ſpäter, ſetzen ſie ſich in Nahrung verſprechenden Gegenden feſt, ſtreichen, in Vorausſicht des kommenden Wetters, bald wieder nach Norden zurück, bald mehr nach Süden hinauf, verbringen ſo den Winter und treten im April oder Anfangs Mai ihre Rückreiſe nach den Brutplätzen an, welche heutzutage größtentheils in der Tundra zwiſchen dem 50. und 67. Grade nördlicher Breite zu ſuchen ſind.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 791. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/837>, abgerufen am 16.07.2024.