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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Allgemeines.

Für unsere Weiher eignet sich der schwarze Schwan ebenso gut wie irgend ein anderes Mitglied
seiner Familie. Die Strenge unseres Winters sicht ihn wenig an, und seine Anforderungen an die
Nahrung sind so gering, daß sie von Jedermann befriedigt werden können. Schon seit Jahren
pflanzt er sich in England alljährlich fort, und neuerdings ist er auch in Deutschland mit Glück
gezüchtet worden. Mein wackerer Freund Bodinus hat hier unbedingt das Größte geleistet; ihm
zumeist danken wir die Einbürgerung des schönen Fremdlings in unserem Vaterlande. Ein einziges
Paar, welches er erkauft und in seine bewährte Pflege nahm, hat mehr als funfzig Junge erzeugt
und nicht nur die Weiher anderer Thiergärten, sondern auch die verschiedenen Parks bevölkert. Dank
dieses glücklichen Ergebnisses ist der frühere hohe Preis eines Paares dieser Vögel bereits so tief
gesunken, daß gegenwärtig jeder Thierfreund sich schwarze Schwäne erwerben kann, am leichtesten
natürlich, wenn er sich an Dr. Bodinus in Köln selbst wendet.



Die Gänse (Anseres), eine zahlreiche, über die ganze Erde verbreitete Familie, unterscheiden
sich von den Schwänen durch gedrungenen Leib, kurzen Hals, großen Kopf, kürzeren Schnabel und
höhere, mehr in der Mitte des Leibes eingelenkte Füße. Der Schnabel hat ungefähr Kopflänge,
oft noch weniger, ist oben gewölbt, unten flach, an der Wurzel sehr hoch, demgemäß viel höher als
breit, nach vorn abfallend, auch seitlich stark verschmälert, oben und unten in einen breit gewölbten,
scharfschneidigen Nagel ausgezogen, seitlich mit harten Zähnen bewaffnet, übrigens mit weicher Haut
bekleidet; der Fuß ist mittelgroß, fast bis zur Ferse herab befiedert; die drei Vorderzehen werden in
der Regel durch volle Schwimmhäute verbunden und sind mit kurzen, starken, flachgebogenen Krallen
versehen; die Flügel dürfen verhältnißmäßig groß genannt werden: sie sind lang, breit und zuge-
spitzt, da die zweite Schwinge den übrigen vorsteht, die Oberarmschwingen pflegen minder entwickelt
zu sein als bei den Schwänen; ein harter Knollen am Flügelbuge, welcher bei mehreren Arten zu
einem starken Sporen sich verlängert, zeichnet sie außerdem noch aus; der aus vierzehn bis zwanzig
Federn zusammengesetzte Schwanz ist kurz, breit abgerundet oder gerade, das Kleingefieder außer-
ordentlich weich und dicht, am Kopfe strahlig, auf dem Rücken schärfer begrenzt, am Halse bei vielen
Arten eigenthümlich gerieft, das Dunengefieder sehr entwickelt. Ueber die Färbung kann etwas
allgemein Gültiges nicht gesagt werden; denn es gibt sehr einfarbige und außerordentlich prachtvolle
Gänse, ebensowohl was die Färbung, als was die Zeichnung anlangt. Die Geschlechter unterscheiden
sich wenig, ausnahmsweise aber auffallend; doch wetteifert auch dann das Gefieder der Weibchen an
Schönheit mit dem der Männchen. Die Jungen erhalten schon im ersten Jahre ihres Lebens ein
den Alten ähnliches Kleid.

Hinsichtlich des inneren Baues zeigen die Mitglieder dieser Familie die meisten Merkmale der
Zahnschnäbler überhaupt. Der Schädel stimmt sehr mit dem der Enten überein; die Wirbelsäule
besteht aus vierzehn bis siebzehn Hals-, neun Rücken- und sieben Schwanzwirbeln; die Rumpftheile
des Gerippes zeichnen sich aus durch ihre Kürze, die Oberarmknochen durch ihre verhältnißmäßige
Länge; der Luftröhre fehlen die eigenthümlichen Biegungen oder Erweiterungen, welche bei anderen
Familien der Zahnschnäbler bemerklich werden; die Zunge ist verhältnißmäßig hart, der Kropf weit,
der Magen sehr muskelkräftig.

Jeder Erdtheil hat seine eigenthümlichen Gänsearten. Jn Asten und Europa kommen mehrere
Arten fast in gleicher Häufigkeit vor; einzelne verbreiten sich auch über den Norden der ganzen Erde;
nach Süden hin sondern sie sich schärfer ab. Sie leben weniger als die übrigen Zahnschnäbler im
Wasser, bringen vielmehr einen großen Theil ihres Lebens auf dem festen Lande zu; einzelne gehören
zu den wirklichen Baumvögeln, wählen wenigstens Bäume zum Ausruhen und Schlafen oder zur
Anlage ihres Nestes. Jn der Ebene finden sie sich häufiger als im Gebirge; aber sie scheuen das

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Allgemeines.

Für unſere Weiher eignet ſich der ſchwarze Schwan ebenſo gut wie irgend ein anderes Mitglied
ſeiner Familie. Die Strenge unſeres Winters ſicht ihn wenig an, und ſeine Anforderungen an die
Nahrung ſind ſo gering, daß ſie von Jedermann befriedigt werden können. Schon ſeit Jahren
pflanzt er ſich in England alljährlich fort, und neuerdings iſt er auch in Deutſchland mit Glück
gezüchtet worden. Mein wackerer Freund Bodinus hat hier unbedingt das Größte geleiſtet; ihm
zumeiſt danken wir die Einbürgerung des ſchönen Fremdlings in unſerem Vaterlande. Ein einziges
Paar, welches er erkauft und in ſeine bewährte Pflege nahm, hat mehr als funfzig Junge erzeugt
und nicht nur die Weiher anderer Thiergärten, ſondern auch die verſchiedenen Parks bevölkert. Dank
dieſes glücklichen Ergebniſſes iſt der frühere hohe Preis eines Paares dieſer Vögel bereits ſo tief
geſunken, daß gegenwärtig jeder Thierfreund ſich ſchwarze Schwäne erwerben kann, am leichteſten
natürlich, wenn er ſich an Dr. Bodinus in Köln ſelbſt wendet.



Die Gänſe (Anseres), eine zahlreiche, über die ganze Erde verbreitete Familie, unterſcheiden
ſich von den Schwänen durch gedrungenen Leib, kurzen Hals, großen Kopf, kürzeren Schnabel und
höhere, mehr in der Mitte des Leibes eingelenkte Füße. Der Schnabel hat ungefähr Kopflänge,
oft noch weniger, iſt oben gewölbt, unten flach, an der Wurzel ſehr hoch, demgemäß viel höher als
breit, nach vorn abfallend, auch ſeitlich ſtark verſchmälert, oben und unten in einen breit gewölbten,
ſcharfſchneidigen Nagel ausgezogen, ſeitlich mit harten Zähnen bewaffnet, übrigens mit weicher Haut
bekleidet; der Fuß iſt mittelgroß, faſt bis zur Ferſe herab befiedert; die drei Vorderzehen werden in
der Regel durch volle Schwimmhäute verbunden und ſind mit kurzen, ſtarken, flachgebogenen Krallen
verſehen; die Flügel dürfen verhältnißmäßig groß genannt werden: ſie ſind lang, breit und zuge-
ſpitzt, da die zweite Schwinge den übrigen vorſteht, die Oberarmſchwingen pflegen minder entwickelt
zu ſein als bei den Schwänen; ein harter Knollen am Flügelbuge, welcher bei mehreren Arten zu
einem ſtarken Sporen ſich verlängert, zeichnet ſie außerdem noch aus; der aus vierzehn bis zwanzig
Federn zuſammengeſetzte Schwanz iſt kurz, breit abgerundet oder gerade, das Kleingefieder außer-
ordentlich weich und dicht, am Kopfe ſtrahlig, auf dem Rücken ſchärfer begrenzt, am Halſe bei vielen
Arten eigenthümlich gerieft, das Dunengefieder ſehr entwickelt. Ueber die Färbung kann etwas
allgemein Gültiges nicht geſagt werden; denn es gibt ſehr einfarbige und außerordentlich prachtvolle
Gänſe, ebenſowohl was die Färbung, als was die Zeichnung anlangt. Die Geſchlechter unterſcheiden
ſich wenig, ausnahmsweiſe aber auffallend; doch wetteifert auch dann das Gefieder der Weibchen an
Schönheit mit dem der Männchen. Die Jungen erhalten ſchon im erſten Jahre ihres Lebens ein
den Alten ähnliches Kleid.

Hinſichtlich des inneren Baues zeigen die Mitglieder dieſer Familie die meiſten Merkmale der
Zahnſchnäbler überhaupt. Der Schädel ſtimmt ſehr mit dem der Enten überein; die Wirbelſäule
beſteht aus vierzehn bis ſiebzehn Hals-, neun Rücken- und ſieben Schwanzwirbeln; die Rumpftheile
des Gerippes zeichnen ſich aus durch ihre Kürze, die Oberarmknochen durch ihre verhältnißmäßige
Länge; der Luftröhre fehlen die eigenthümlichen Biegungen oder Erweiterungen, welche bei anderen
Familien der Zahnſchnäbler bemerklich werden; die Zunge iſt verhältnißmäßig hart, der Kropf weit,
der Magen ſehr muskelkräftig.

Jeder Erdtheil hat ſeine eigenthümlichen Gänſearten. Jn Aſten und Europa kommen mehrere
Arten faſt in gleicher Häufigkeit vor; einzelne verbreiten ſich auch über den Norden der ganzen Erde;
nach Süden hin ſondern ſie ſich ſchärfer ab. Sie leben weniger als die übrigen Zahnſchnäbler im
Waſſer, bringen vielmehr einen großen Theil ihres Lebens auf dem feſten Lande zu; einzelne gehören
zu den wirklichen Baumvögeln, wählen wenigſtens Bäume zum Ausruhen und Schlafen oder zur
Anlage ihres Neſtes. Jn der Ebene finden ſie ſich häufiger als im Gebirge; aber ſie ſcheuen das

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[787/0833] Allgemeines. Für unſere Weiher eignet ſich der ſchwarze Schwan ebenſo gut wie irgend ein anderes Mitglied ſeiner Familie. Die Strenge unſeres Winters ſicht ihn wenig an, und ſeine Anforderungen an die Nahrung ſind ſo gering, daß ſie von Jedermann befriedigt werden können. Schon ſeit Jahren pflanzt er ſich in England alljährlich fort, und neuerdings iſt er auch in Deutſchland mit Glück gezüchtet worden. Mein wackerer Freund Bodinus hat hier unbedingt das Größte geleiſtet; ihm zumeiſt danken wir die Einbürgerung des ſchönen Fremdlings in unſerem Vaterlande. Ein einziges Paar, welches er erkauft und in ſeine bewährte Pflege nahm, hat mehr als funfzig Junge erzeugt und nicht nur die Weiher anderer Thiergärten, ſondern auch die verſchiedenen Parks bevölkert. Dank dieſes glücklichen Ergebniſſes iſt der frühere hohe Preis eines Paares dieſer Vögel bereits ſo tief geſunken, daß gegenwärtig jeder Thierfreund ſich ſchwarze Schwäne erwerben kann, am leichteſten natürlich, wenn er ſich an Dr. Bodinus in Köln ſelbſt wendet. Die Gänſe (Anseres), eine zahlreiche, über die ganze Erde verbreitete Familie, unterſcheiden ſich von den Schwänen durch gedrungenen Leib, kurzen Hals, großen Kopf, kürzeren Schnabel und höhere, mehr in der Mitte des Leibes eingelenkte Füße. Der Schnabel hat ungefähr Kopflänge, oft noch weniger, iſt oben gewölbt, unten flach, an der Wurzel ſehr hoch, demgemäß viel höher als breit, nach vorn abfallend, auch ſeitlich ſtark verſchmälert, oben und unten in einen breit gewölbten, ſcharfſchneidigen Nagel ausgezogen, ſeitlich mit harten Zähnen bewaffnet, übrigens mit weicher Haut bekleidet; der Fuß iſt mittelgroß, faſt bis zur Ferſe herab befiedert; die drei Vorderzehen werden in der Regel durch volle Schwimmhäute verbunden und ſind mit kurzen, ſtarken, flachgebogenen Krallen verſehen; die Flügel dürfen verhältnißmäßig groß genannt werden: ſie ſind lang, breit und zuge- ſpitzt, da die zweite Schwinge den übrigen vorſteht, die Oberarmſchwingen pflegen minder entwickelt zu ſein als bei den Schwänen; ein harter Knollen am Flügelbuge, welcher bei mehreren Arten zu einem ſtarken Sporen ſich verlängert, zeichnet ſie außerdem noch aus; der aus vierzehn bis zwanzig Federn zuſammengeſetzte Schwanz iſt kurz, breit abgerundet oder gerade, das Kleingefieder außer- ordentlich weich und dicht, am Kopfe ſtrahlig, auf dem Rücken ſchärfer begrenzt, am Halſe bei vielen Arten eigenthümlich gerieft, das Dunengefieder ſehr entwickelt. Ueber die Färbung kann etwas allgemein Gültiges nicht geſagt werden; denn es gibt ſehr einfarbige und außerordentlich prachtvolle Gänſe, ebenſowohl was die Färbung, als was die Zeichnung anlangt. Die Geſchlechter unterſcheiden ſich wenig, ausnahmsweiſe aber auffallend; doch wetteifert auch dann das Gefieder der Weibchen an Schönheit mit dem der Männchen. Die Jungen erhalten ſchon im erſten Jahre ihres Lebens ein den Alten ähnliches Kleid. Hinſichtlich des inneren Baues zeigen die Mitglieder dieſer Familie die meiſten Merkmale der Zahnſchnäbler überhaupt. Der Schädel ſtimmt ſehr mit dem der Enten überein; die Wirbelſäule beſteht aus vierzehn bis ſiebzehn Hals-, neun Rücken- und ſieben Schwanzwirbeln; die Rumpftheile des Gerippes zeichnen ſich aus durch ihre Kürze, die Oberarmknochen durch ihre verhältnißmäßige Länge; der Luftröhre fehlen die eigenthümlichen Biegungen oder Erweiterungen, welche bei anderen Familien der Zahnſchnäbler bemerklich werden; die Zunge iſt verhältnißmäßig hart, der Kropf weit, der Magen ſehr muskelkräftig. Jeder Erdtheil hat ſeine eigenthümlichen Gänſearten. Jn Aſten und Europa kommen mehrere Arten faſt in gleicher Häufigkeit vor; einzelne verbreiten ſich auch über den Norden der ganzen Erde; nach Süden hin ſondern ſie ſich ſchärfer ab. Sie leben weniger als die übrigen Zahnſchnäbler im Waſſer, bringen vielmehr einen großen Theil ihres Lebens auf dem feſten Lande zu; einzelne gehören zu den wirklichen Baumvögeln, wählen wenigſtens Bäume zum Ausruhen und Schlafen oder zur Anlage ihres Neſtes. Jn der Ebene finden ſie ſich häufiger als im Gebirge; aber ſie ſcheuen das 50*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 787. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/833>, abgerufen am 22.11.2024.