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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Zahnschnäbler. Schwäne.
"Seine Stimme", sagt Pallas, "hat einen lieblichen Klang, wie den von Silberglocken; er singt auch
im Fluge und wird weithin gehört, und Das, was man vom Gesange des Sterbenden erzählt hat, ist
keine Fabel: denn die letzten Athemzüge des tödtlich verwundeten Singschwanes bringen seinen Gesang
hervor" .... "Den Namen musicus", meint Faber, "verdient er zu behalten. Wenn er nämlich
in kleinen Scharen hoch in der Luft einherzieht, so läßt er seine wohlklingende melancholische Stimme
wie fernher tönende Posaunen vernehmen" ... "Jhr Singen in den langen Winternächten", schreibt
Olaffen, "wenn sie haufenweise die Luft durchstreifen, ist das Allerangenehmste zu hören und ähnelt
den Tönen einer Bioline" .... "Gewiß ist", versichert Arman, "daß die Stimme des Singschwanes
einen helleren Silberklang hat als die irgend eines anderen Thieres, daß sein Athem nach der
Verwundung den singenden Ton hervorbringt, daß seine Stimme in russischen Volksliedern vielfach
gefeiert wird" .... "Jhr Gesang", so gibt Oesel an, "ist zweitönig, sehr laut, wird, von ganzen
Scharen ausgestoßen, auf zwei bis drei englische Meilen weit gehört" .... "Nun endlich", berichtet
A. v. Homeyer, "habe ich auch vom Singschwane Töne vernommen. Es saßen wohl acht bis zehn dieser
Vögel ungefähr hundert Schritte vom Ufer entfernt auf der Grabow und stießen laute, vollklingende
Töne aus. Eine Melodie war nicht vernehmbar; es waren eben nur einzelne, langgezogene, wohl-
klingende Töne; doch da die einen tiefer, die anderen höher lagen, so nahm sich die Tonweise nicht
übel aus und bildete dieselbe gewissermaßen ein harmonisches Ganze. Trotz der großen Entfernung
wurde der Schall sehr deutlich über die ruhige See bis zu meinem Ohre getragen." Ausführlicher
spricht sich Schilling aus. "Der Singschwan entzückt den Beobachter nicht blos durch seine schöne
Gestalt, das aufmerksame kluge Wesen, welches sich bei ihm im Vergleiche mit dem stummen Schwane
sehr vortheilhaft in seiner Kopfbewegung und Haltung ausdrückt, sondern auch durch die lauten,
verschiedenen, reinen Töne seiner Stimme, die er bei jeder Veranlassung als Lockton, Warnungsruf
und, wenn er in Scharen vereinigt ist, wie es scheint, im Wettstreite und zu seiner eigenen Unterhaltung
fortwährend hören läßt. Wenn bei starkem Frostwetter die Gewässer der See außerhalb der Strömungen
nach allen Seiten mit Eis bedeckt und die Lieblingsstellen des Singschwanes, die Untiefen, ihm dadurch
verschlossen sind, diese stattlichen Vögel zu Hunderten in dem noch offenen Wasser der Strömung ver-
sammelt liegen und gleichsam durch ihr melancholisches Geschrei ihr Mißgeschick beklagen, daß sie aus
der Tiefe das nöthige Futter nicht zu erlangen vermögen: dann habe ich die langen Winterabende
und ganze Nächte hindurch diese vielstimmigen Klagetöne in stundenweiter Ferne vielmals vernommen.
Bald möchte man das singende Rufen mit Glockenlauten, bald mit Tönen von Blaswerkzeugen
vergleichen; allein sie sind beiden nicht gleich, sondern übertreffen sie in mancher Hinsicht, eben weil
sie von lebenden Wesen herrühren und unseren Sinnen näher verwandt sind als die Klänge des
todten Metalles. Dieser eigenthümliche Gesang verwirklicht in Wahrheit die für Dichtung gehaltene
Sage vom Schwanengesange, und er ist oftmals auch in der That der Grabgesang dieser schönen Thiere;
denn da diese in dem tiefen Wasser ihre Nahrung nicht zu ergründen vermögen, so werden sie vom
Hunger derart ermattet, daß sie zum Weiterziehen nach milderen Gegenden die Kraft nicht mehr
besitzen und dann oft, auf dem Eise angefroren und verhungert, dem Tode nah oder bereits todt
gefunden werden. Aber bis an ihr Ende lassen sie ihre melancholischen, hellen Laute hören." Nach
diesen Angaben läßt sich die Sage vom Schwanengesange auf ihr rechtes Maß zurückführen. Sie
wurzelt auf thatsächlich vorhandenem Grunde, ist aber durch die Dichtung zum Märchen umgestaltet
worden. Eigentliche Lieder hat auch der sterbende Schwan nicht mehr; aber sein letztes Aufröcheln
noch ist klangvoll, wie jeder Ton, welchen er von sich gibt.

Unter seinen Verwandten ist der Singschwan vielleicht der heftigste und zanksüchtigste; wenigstens
habe ich beobachtet, daß die Gefangenen, welche mit Höckerschwänen zusammengebracht wurden, diese
regelmäßig vertrieben, d. h. nach länger währenden Kämpfen in die Flucht schlugen. Zu seinem
Vortheile zeichnet sich der Singschwan aus durch seine Klugheit, welche er im Freileben wie in der
Gefangenschaft bekundet. Den Nachstellungen des Jägers weiß er sich mit vielem Geschick zu entziehen;
seine Jagd ist demgemäß unter allen Umständen sehr schwierig. Unter vielen anderen Beispielen,

Die Schwimmer. Zahnſchnäbler. Schwäne.
„Seine Stimme“, ſagt Pallas, „hat einen lieblichen Klang, wie den von Silberglocken; er ſingt auch
im Fluge und wird weithin gehört, und Das, was man vom Geſange des Sterbenden erzählt hat, iſt
keine Fabel: denn die letzten Athemzüge des tödtlich verwundeten Singſchwanes bringen ſeinen Geſang
hervor“ .... „Den Namen musicus“, meint Faber, „verdient er zu behalten. Wenn er nämlich
in kleinen Scharen hoch in der Luft einherzieht, ſo läßt er ſeine wohlklingende melancholiſche Stimme
wie fernher tönende Poſaunen vernehmen“ ... „Jhr Singen in den langen Winternächten“, ſchreibt
Olaffen, „wenn ſie haufenweiſe die Luft durchſtreifen, iſt das Allerangenehmſte zu hören und ähnelt
den Tönen einer Bioline“ .... „Gewiß iſt“, verſichert Arman, „daß die Stimme des Singſchwanes
einen helleren Silberklang hat als die irgend eines anderen Thieres, daß ſein Athem nach der
Verwundung den ſingenden Ton hervorbringt, daß ſeine Stimme in ruſſiſchen Volksliedern vielfach
gefeiert wird“ .... „Jhr Geſang“, ſo gibt Oeſel an, „iſt zweitönig, ſehr laut, wird, von ganzen
Scharen ausgeſtoßen, auf zwei bis drei engliſche Meilen weit gehört“ .... „Nun endlich“, berichtet
A. v. Homeyer, „habe ich auch vom Singſchwane Töne vernommen. Es ſaßen wohl acht bis zehn dieſer
Vögel ungefähr hundert Schritte vom Ufer entfernt auf der Grabow und ſtießen laute, vollklingende
Töne aus. Eine Melodie war nicht vernehmbar; es waren eben nur einzelne, langgezogene, wohl-
klingende Töne; doch da die einen tiefer, die anderen höher lagen, ſo nahm ſich die Tonweiſe nicht
übel aus und bildete dieſelbe gewiſſermaßen ein harmoniſches Ganze. Trotz der großen Entfernung
wurde der Schall ſehr deutlich über die ruhige See bis zu meinem Ohre getragen.“ Ausführlicher
ſpricht ſich Schilling aus. „Der Singſchwan entzückt den Beobachter nicht blos durch ſeine ſchöne
Geſtalt, das aufmerkſame kluge Weſen, welches ſich bei ihm im Vergleiche mit dem ſtummen Schwane
ſehr vortheilhaft in ſeiner Kopfbewegung und Haltung ausdrückt, ſondern auch durch die lauten,
verſchiedenen, reinen Töne ſeiner Stimme, die er bei jeder Veranlaſſung als Lockton, Warnungsruf
und, wenn er in Scharen vereinigt iſt, wie es ſcheint, im Wettſtreite und zu ſeiner eigenen Unterhaltung
fortwährend hören läßt. Wenn bei ſtarkem Froſtwetter die Gewäſſer der See außerhalb der Strömungen
nach allen Seiten mit Eis bedeckt und die Lieblingsſtellen des Singſchwanes, die Untiefen, ihm dadurch
verſchloſſen ſind, dieſe ſtattlichen Vögel zu Hunderten in dem noch offenen Waſſer der Strömung ver-
ſammelt liegen und gleichſam durch ihr melancholiſches Geſchrei ihr Mißgeſchick beklagen, daß ſie aus
der Tiefe das nöthige Futter nicht zu erlangen vermögen: dann habe ich die langen Winterabende
und ganze Nächte hindurch dieſe vielſtimmigen Klagetöne in ſtundenweiter Ferne vielmals vernommen.
Bald möchte man das ſingende Rufen mit Glockenlauten, bald mit Tönen von Blaswerkzeugen
vergleichen; allein ſie ſind beiden nicht gleich, ſondern übertreffen ſie in mancher Hinſicht, eben weil
ſie von lebenden Weſen herrühren und unſeren Sinnen näher verwandt ſind als die Klänge des
todten Metalles. Dieſer eigenthümliche Geſang verwirklicht in Wahrheit die für Dichtung gehaltene
Sage vom Schwanengeſange, und er iſt oftmals auch in der That der Grabgeſang dieſer ſchönen Thiere;
denn da dieſe in dem tiefen Waſſer ihre Nahrung nicht zu ergründen vermögen, ſo werden ſie vom
Hunger derart ermattet, daß ſie zum Weiterziehen nach milderen Gegenden die Kraft nicht mehr
beſitzen und dann oft, auf dem Eiſe angefroren und verhungert, dem Tode nah oder bereits todt
gefunden werden. Aber bis an ihr Ende laſſen ſie ihre melancholiſchen, hellen Laute hören.“ Nach
dieſen Angaben läßt ſich die Sage vom Schwanengeſange auf ihr rechtes Maß zurückführen. Sie
wurzelt auf thatſächlich vorhandenem Grunde, iſt aber durch die Dichtung zum Märchen umgeſtaltet
worden. Eigentliche Lieder hat auch der ſterbende Schwan nicht mehr; aber ſein letztes Aufröcheln
noch iſt klangvoll, wie jeder Ton, welchen er von ſich gibt.

Unter ſeinen Verwandten iſt der Singſchwan vielleicht der heftigſte und zankſüchtigſte; wenigſtens
habe ich beobachtet, daß die Gefangenen, welche mit Höckerſchwänen zuſammengebracht wurden, dieſe
regelmäßig vertrieben, d. h. nach länger währenden Kämpfen in die Flucht ſchlugen. Zu ſeinem
Vortheile zeichnet ſich der Singſchwan aus durch ſeine Klugheit, welche er im Freileben wie in der
Gefangenſchaft bekundet. Den Nachſtellungen des Jägers weiß er ſich mit vielem Geſchick zu entziehen;
ſeine Jagd iſt demgemäß unter allen Umſtänden ſehr ſchwierig. Unter vielen anderen Beiſpielen,

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[782/0828] Die Schwimmer. Zahnſchnäbler. Schwäne. „Seine Stimme“, ſagt Pallas, „hat einen lieblichen Klang, wie den von Silberglocken; er ſingt auch im Fluge und wird weithin gehört, und Das, was man vom Geſange des Sterbenden erzählt hat, iſt keine Fabel: denn die letzten Athemzüge des tödtlich verwundeten Singſchwanes bringen ſeinen Geſang hervor“ .... „Den Namen musicus“, meint Faber, „verdient er zu behalten. Wenn er nämlich in kleinen Scharen hoch in der Luft einherzieht, ſo läßt er ſeine wohlklingende melancholiſche Stimme wie fernher tönende Poſaunen vernehmen“ ... „Jhr Singen in den langen Winternächten“, ſchreibt Olaffen, „wenn ſie haufenweiſe die Luft durchſtreifen, iſt das Allerangenehmſte zu hören und ähnelt den Tönen einer Bioline“ .... „Gewiß iſt“, verſichert Arman, „daß die Stimme des Singſchwanes einen helleren Silberklang hat als die irgend eines anderen Thieres, daß ſein Athem nach der Verwundung den ſingenden Ton hervorbringt, daß ſeine Stimme in ruſſiſchen Volksliedern vielfach gefeiert wird“ .... „Jhr Geſang“, ſo gibt Oeſel an, „iſt zweitönig, ſehr laut, wird, von ganzen Scharen ausgeſtoßen, auf zwei bis drei engliſche Meilen weit gehört“ .... „Nun endlich“, berichtet A. v. Homeyer, „habe ich auch vom Singſchwane Töne vernommen. Es ſaßen wohl acht bis zehn dieſer Vögel ungefähr hundert Schritte vom Ufer entfernt auf der Grabow und ſtießen laute, vollklingende Töne aus. Eine Melodie war nicht vernehmbar; es waren eben nur einzelne, langgezogene, wohl- klingende Töne; doch da die einen tiefer, die anderen höher lagen, ſo nahm ſich die Tonweiſe nicht übel aus und bildete dieſelbe gewiſſermaßen ein harmoniſches Ganze. Trotz der großen Entfernung wurde der Schall ſehr deutlich über die ruhige See bis zu meinem Ohre getragen.“ Ausführlicher ſpricht ſich Schilling aus. „Der Singſchwan entzückt den Beobachter nicht blos durch ſeine ſchöne Geſtalt, das aufmerkſame kluge Weſen, welches ſich bei ihm im Vergleiche mit dem ſtummen Schwane ſehr vortheilhaft in ſeiner Kopfbewegung und Haltung ausdrückt, ſondern auch durch die lauten, verſchiedenen, reinen Töne ſeiner Stimme, die er bei jeder Veranlaſſung als Lockton, Warnungsruf und, wenn er in Scharen vereinigt iſt, wie es ſcheint, im Wettſtreite und zu ſeiner eigenen Unterhaltung fortwährend hören läßt. Wenn bei ſtarkem Froſtwetter die Gewäſſer der See außerhalb der Strömungen nach allen Seiten mit Eis bedeckt und die Lieblingsſtellen des Singſchwanes, die Untiefen, ihm dadurch verſchloſſen ſind, dieſe ſtattlichen Vögel zu Hunderten in dem noch offenen Waſſer der Strömung ver- ſammelt liegen und gleichſam durch ihr melancholiſches Geſchrei ihr Mißgeſchick beklagen, daß ſie aus der Tiefe das nöthige Futter nicht zu erlangen vermögen: dann habe ich die langen Winterabende und ganze Nächte hindurch dieſe vielſtimmigen Klagetöne in ſtundenweiter Ferne vielmals vernommen. Bald möchte man das ſingende Rufen mit Glockenlauten, bald mit Tönen von Blaswerkzeugen vergleichen; allein ſie ſind beiden nicht gleich, ſondern übertreffen ſie in mancher Hinſicht, eben weil ſie von lebenden Weſen herrühren und unſeren Sinnen näher verwandt ſind als die Klänge des todten Metalles. Dieſer eigenthümliche Geſang verwirklicht in Wahrheit die für Dichtung gehaltene Sage vom Schwanengeſange, und er iſt oftmals auch in der That der Grabgeſang dieſer ſchönen Thiere; denn da dieſe in dem tiefen Waſſer ihre Nahrung nicht zu ergründen vermögen, ſo werden ſie vom Hunger derart ermattet, daß ſie zum Weiterziehen nach milderen Gegenden die Kraft nicht mehr beſitzen und dann oft, auf dem Eiſe angefroren und verhungert, dem Tode nah oder bereits todt gefunden werden. Aber bis an ihr Ende laſſen ſie ihre melancholiſchen, hellen Laute hören.“ Nach dieſen Angaben läßt ſich die Sage vom Schwanengeſange auf ihr rechtes Maß zurückführen. Sie wurzelt auf thatſächlich vorhandenem Grunde, iſt aber durch die Dichtung zum Märchen umgeſtaltet worden. Eigentliche Lieder hat auch der ſterbende Schwan nicht mehr; aber ſein letztes Aufröcheln noch iſt klangvoll, wie jeder Ton, welchen er von ſich gibt. Unter ſeinen Verwandten iſt der Singſchwan vielleicht der heftigſte und zankſüchtigſte; wenigſtens habe ich beobachtet, daß die Gefangenen, welche mit Höckerſchwänen zuſammengebracht wurden, dieſe regelmäßig vertrieben, d. h. nach länger währenden Kämpfen in die Flucht ſchlugen. Zu ſeinem Vortheile zeichnet ſich der Singſchwan aus durch ſeine Klugheit, welche er im Freileben wie in der Gefangenſchaft bekundet. Den Nachſtellungen des Jägers weiß er ſich mit vielem Geſchick zu entziehen; ſeine Jagd iſt demgemäß unter allen Umſtänden ſehr ſchwierig. Unter vielen anderen Beiſpielen,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 782. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/828>, abgerufen am 22.11.2024.