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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Flaming.

Unter den Sinnen des auffallenden Geschöpfes dürfte der Geschmack mit dem Gesicht auf
gleicher Stufe stehen; aber die nervenreiche Zunge dient zugleich als Tastwerkzeug, und der Tastsinn
wird durch die weiche Hautbekleidung des Schnabels gewiß noch sehr unterstützt, sodaß also auch das
Gefühl wohl ein sehr entwickeltes genannt werden darf. Möglicherweise werden die gedachten
Sinnesthätigkeiten auch durch den Geruch erhöht; doch können hierüber selbstverständlich nur Muth-
maßungen herrschen. Ueber die Schärfe des Gehörs läßt sich mit Sicherheit ebensowenig ein Urtheil
fällen, wohl aber soviel sagen, daß es wenigstens nicht verkümmert ist. So erscheint der Flaming
als ein sinnenscharfes Geschöpf, und damit steht denn auch seine geistige Begabung im Einklange.
Schon der für einen Vogel seiner Art große Kopf deutet auf besondere Entwicklung des Gehirns hin,
und die Beobachtung straft die Annahme höherer Geistesfähigkeiten nicht Lügen. Der Flaming ist
immer vorsichtig und unter Umständen sehr scheu. Er unterscheidet genau ein ihm gefährliches
Wesen von anderen, unschädlichen. Eine Herde läßt ein Boot niemals so nahe an sich herankommen,
daß mit Erfolg auf sie geschossen werden könnte; die Aeltesten der Gesellschaft halten Tag und Nacht
Wache und sind nicht so leicht zu überlisten. Nur die einzelnen Jungen sind selten scheu, ihnen
mangelt noch die den Alten gewordene Erfahrung. Aber der Flaming gewöhnt sich auch rasch an
diejenigen Wesen, welche ihm früher als Feinde erschienen, eingefangen z. B. an den Menschen und
zumal an den, welcher sich viel mit ihm beschäftigt; er gewinnt diesen schließlich lieb. An den
Gefangenen, welche wir beobachten konnten, haben wir erfahren, daß sie ihren Wärter genau von
anderen Leuten unterscheiden und sehr wohl wissen, daß sie von diesem Nichts zu fürchten haben.
Leichter als andere frischgefangene Vögel lassen sie sich behandeln, in ihre Ställe treiben, von einem
Orte zum anderen bringen; leichter als die übrigen Schwimmvögel gewöhnen sie sich an die Gesell-
schaft fremdartiger Thiere. Hierzu trägt freilich ihr äußerst friedliches Wesen das meiste bei: sie sind
gutmüthiger und verträglicher als alle übrigen Zahnschnäbler.

Nur in einer Hinsicht erscheint der Flaming wenig begabt: er besitzt eine höchst einfache
Stimme. Ein rauhes, heiseres "Krak", ein gleichsam mühselig hervorgepreßtes Gekrächz, jedes
Wohlklanges bar, welches zeitweilig mit einem gänseartigen, höher klingenden Geschrei, gleichsam
dem überschnappenden "Krak", abwechselt, ist Alles, was er hervorbringen kann.

Vorstehende Beschreibung ist bereits fast dem Wortlaute nach von meinem Bruder veröffentlicht
worden; ich habe sie aber wieder hier aufnehmen müssen, weil sie meine eigenen Beobachtungen
enthält, und diese vollständiger sind als die Nachrichten anderer Forscher.

Der Flaming theilt mit vielen Zahnschnäblern dieselbe Nahrung. Er lebt von kleinen Wasser-
thierchen, insbesondere von einschaligen Muscheln, welche er durch Gründeln gewinnt, Würmern
verschiedener Art, Krebsen. Kleine Fischchen werden auch mit aufgenommen und ebenso gewisse Pflanzen-
stoffe nicht verschmäht. Die Gefangenen können mit gekochtem Reis, eingequelltem Weizen, Gersten-
schrot, eingeweichtem Brot und Teichlinsen längere Zeit erhalten werden, bedürfen jedoch, um sich
wohl zu befinden, einen Zusatz von thierischen Stoffen. Bei derartig gemischter Nahrung halten sie
viele Jahre in der Gefangenschaft aus. Es verdient bemerkt zu werden, daß ihr Gefieder den zarten
Rosenhauch verliert, wenn man ihnen längere Zeit ausschließlich Pflanzennahrung reicht, während sie
ihre volle Schönheit zurückerhalten, wenn man die Futtermischung der von ihnen selbst während des
Freilebens gesuchten Nahrung möglichst entsprechend wählt.

Ueber die Fortpflanzung des Flaming und seiner Verwandten sind wir immer noch nicht
genügend unterrichtet. Labat gab zuerst eine sonderbare Schilderung der brütenden Vögel;
Dampier bestätigte sie; die späteren Forscher schrieben sie nach, ohne an ihrer Wahrheit zu
zweifeln. "Die Flamings", gibt Dampier an, "bauen ihr Nest in Sümpfen, in denen es viel
Koth gibt, indem sie diesen mit den Füßen zusammenhäufen und kleine Erhöhungen bilden, welche
Jnselchen gleichen und sich anderthalb Fuß über das Wasser erheben. Diese Hügel sind kegelförmig
und enthalten oben auf dem Gipfel die Nistmulde." -- Labat sagt, sie seien fest, soweit sie im
Wasser stehen, oben aber hohl wie ein Topf. "Wenn sie legen oder brüten, so sitzen sie aufrecht,

Flaming.

Unter den Sinnen des auffallenden Geſchöpfes dürfte der Geſchmack mit dem Geſicht auf
gleicher Stufe ſtehen; aber die nervenreiche Zunge dient zugleich als Taſtwerkzeug, und der Taſtſinn
wird durch die weiche Hautbekleidung des Schnabels gewiß noch ſehr unterſtützt, ſodaß alſo auch das
Gefühl wohl ein ſehr entwickeltes genannt werden darf. Möglicherweiſe werden die gedachten
Sinnesthätigkeiten auch durch den Geruch erhöht; doch können hierüber ſelbſtverſtändlich nur Muth-
maßungen herrſchen. Ueber die Schärfe des Gehörs läßt ſich mit Sicherheit ebenſowenig ein Urtheil
fällen, wohl aber ſoviel ſagen, daß es wenigſtens nicht verkümmert iſt. So erſcheint der Flaming
als ein ſinnenſcharfes Geſchöpf, und damit ſteht denn auch ſeine geiſtige Begabung im Einklange.
Schon der für einen Vogel ſeiner Art große Kopf deutet auf beſondere Entwicklung des Gehirns hin,
und die Beobachtung ſtraft die Annahme höherer Geiſtesfähigkeiten nicht Lügen. Der Flaming iſt
immer vorſichtig und unter Umſtänden ſehr ſcheu. Er unterſcheidet genau ein ihm gefährliches
Weſen von anderen, unſchädlichen. Eine Herde läßt ein Boot niemals ſo nahe an ſich herankommen,
daß mit Erfolg auf ſie geſchoſſen werden könnte; die Aelteſten der Geſellſchaft halten Tag und Nacht
Wache und ſind nicht ſo leicht zu überliſten. Nur die einzelnen Jungen ſind ſelten ſcheu, ihnen
mangelt noch die den Alten gewordene Erfahrung. Aber der Flaming gewöhnt ſich auch raſch an
diejenigen Weſen, welche ihm früher als Feinde erſchienen, eingefangen z. B. an den Menſchen und
zumal an den, welcher ſich viel mit ihm beſchäftigt; er gewinnt dieſen ſchließlich lieb. An den
Gefangenen, welche wir beobachten konnten, haben wir erfahren, daß ſie ihren Wärter genau von
anderen Leuten unterſcheiden und ſehr wohl wiſſen, daß ſie von dieſem Nichts zu fürchten haben.
Leichter als andere friſchgefangene Vögel laſſen ſie ſich behandeln, in ihre Ställe treiben, von einem
Orte zum anderen bringen; leichter als die übrigen Schwimmvögel gewöhnen ſie ſich an die Geſell-
ſchaft fremdartiger Thiere. Hierzu trägt freilich ihr äußerſt friedliches Weſen das meiſte bei: ſie ſind
gutmüthiger und verträglicher als alle übrigen Zahnſchnäbler.

Nur in einer Hinſicht erſcheint der Flaming wenig begabt: er beſitzt eine höchſt einfache
Stimme. Ein rauhes, heiſeres „Krak“, ein gleichſam mühſelig hervorgepreßtes Gekrächz, jedes
Wohlklanges bar, welches zeitweilig mit einem gänſeartigen, höher klingenden Geſchrei, gleichſam
dem überſchnappenden „Krak“, abwechſelt, iſt Alles, was er hervorbringen kann.

Vorſtehende Beſchreibung iſt bereits faſt dem Wortlaute nach von meinem Bruder veröffentlicht
worden; ich habe ſie aber wieder hier aufnehmen müſſen, weil ſie meine eigenen Beobachtungen
enthält, und dieſe vollſtändiger ſind als die Nachrichten anderer Forſcher.

Der Flaming theilt mit vielen Zahnſchnäblern dieſelbe Nahrung. Er lebt von kleinen Waſſer-
thierchen, insbeſondere von einſchaligen Muſcheln, welche er durch Gründeln gewinnt, Würmern
verſchiedener Art, Krebſen. Kleine Fiſchchen werden auch mit aufgenommen und ebenſo gewiſſe Pflanzen-
ſtoffe nicht verſchmäht. Die Gefangenen können mit gekochtem Reis, eingequelltem Weizen, Gerſten-
ſchrot, eingeweichtem Brot und Teichlinſen längere Zeit erhalten werden, bedürfen jedoch, um ſich
wohl zu befinden, einen Zuſatz von thieriſchen Stoffen. Bei derartig gemiſchter Nahrung halten ſie
viele Jahre in der Gefangenſchaft aus. Es verdient bemerkt zu werden, daß ihr Gefieder den zarten
Roſenhauch verliert, wenn man ihnen längere Zeit ausſchließlich Pflanzennahrung reicht, während ſie
ihre volle Schönheit zurückerhalten, wenn man die Futtermiſchung der von ihnen ſelbſt während des
Freilebens geſuchten Nahrung möglichſt entſprechend wählt.

Ueber die Fortpflanzung des Flaming und ſeiner Verwandten ſind wir immer noch nicht
genügend unterrichtet. Labat gab zuerſt eine ſonderbare Schilderung der brütenden Vögel;
Dampier beſtätigte ſie; die ſpäteren Forſcher ſchrieben ſie nach, ohne an ihrer Wahrheit zu
zweifeln. „Die Flamings“, gibt Dampier an, „bauen ihr Neſt in Sümpfen, in denen es viel
Koth gibt, indem ſie dieſen mit den Füßen zuſammenhäufen und kleine Erhöhungen bilden, welche
Jnſelchen gleichen und ſich anderthalb Fuß über das Waſſer erheben. Dieſe Hügel ſind kegelförmig
und enthalten oben auf dem Gipfel die Niſtmulde.“ — Labat ſagt, ſie ſeien feſt, ſoweit ſie im
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[775/0821] Flaming. Unter den Sinnen des auffallenden Geſchöpfes dürfte der Geſchmack mit dem Geſicht auf gleicher Stufe ſtehen; aber die nervenreiche Zunge dient zugleich als Taſtwerkzeug, und der Taſtſinn wird durch die weiche Hautbekleidung des Schnabels gewiß noch ſehr unterſtützt, ſodaß alſo auch das Gefühl wohl ein ſehr entwickeltes genannt werden darf. Möglicherweiſe werden die gedachten Sinnesthätigkeiten auch durch den Geruch erhöht; doch können hierüber ſelbſtverſtändlich nur Muth- maßungen herrſchen. Ueber die Schärfe des Gehörs läßt ſich mit Sicherheit ebenſowenig ein Urtheil fällen, wohl aber ſoviel ſagen, daß es wenigſtens nicht verkümmert iſt. So erſcheint der Flaming als ein ſinnenſcharfes Geſchöpf, und damit ſteht denn auch ſeine geiſtige Begabung im Einklange. Schon der für einen Vogel ſeiner Art große Kopf deutet auf beſondere Entwicklung des Gehirns hin, und die Beobachtung ſtraft die Annahme höherer Geiſtesfähigkeiten nicht Lügen. Der Flaming iſt immer vorſichtig und unter Umſtänden ſehr ſcheu. Er unterſcheidet genau ein ihm gefährliches Weſen von anderen, unſchädlichen. Eine Herde läßt ein Boot niemals ſo nahe an ſich herankommen, daß mit Erfolg auf ſie geſchoſſen werden könnte; die Aelteſten der Geſellſchaft halten Tag und Nacht Wache und ſind nicht ſo leicht zu überliſten. Nur die einzelnen Jungen ſind ſelten ſcheu, ihnen mangelt noch die den Alten gewordene Erfahrung. Aber der Flaming gewöhnt ſich auch raſch an diejenigen Weſen, welche ihm früher als Feinde erſchienen, eingefangen z. B. an den Menſchen und zumal an den, welcher ſich viel mit ihm beſchäftigt; er gewinnt dieſen ſchließlich lieb. An den Gefangenen, welche wir beobachten konnten, haben wir erfahren, daß ſie ihren Wärter genau von anderen Leuten unterſcheiden und ſehr wohl wiſſen, daß ſie von dieſem Nichts zu fürchten haben. Leichter als andere friſchgefangene Vögel laſſen ſie ſich behandeln, in ihre Ställe treiben, von einem Orte zum anderen bringen; leichter als die übrigen Schwimmvögel gewöhnen ſie ſich an die Geſell- ſchaft fremdartiger Thiere. Hierzu trägt freilich ihr äußerſt friedliches Weſen das meiſte bei: ſie ſind gutmüthiger und verträglicher als alle übrigen Zahnſchnäbler. Nur in einer Hinſicht erſcheint der Flaming wenig begabt: er beſitzt eine höchſt einfache Stimme. Ein rauhes, heiſeres „Krak“, ein gleichſam mühſelig hervorgepreßtes Gekrächz, jedes Wohlklanges bar, welches zeitweilig mit einem gänſeartigen, höher klingenden Geſchrei, gleichſam dem überſchnappenden „Krak“, abwechſelt, iſt Alles, was er hervorbringen kann. Vorſtehende Beſchreibung iſt bereits faſt dem Wortlaute nach von meinem Bruder veröffentlicht worden; ich habe ſie aber wieder hier aufnehmen müſſen, weil ſie meine eigenen Beobachtungen enthält, und dieſe vollſtändiger ſind als die Nachrichten anderer Forſcher. Der Flaming theilt mit vielen Zahnſchnäblern dieſelbe Nahrung. Er lebt von kleinen Waſſer- thierchen, insbeſondere von einſchaligen Muſcheln, welche er durch Gründeln gewinnt, Würmern verſchiedener Art, Krebſen. Kleine Fiſchchen werden auch mit aufgenommen und ebenſo gewiſſe Pflanzen- ſtoffe nicht verſchmäht. Die Gefangenen können mit gekochtem Reis, eingequelltem Weizen, Gerſten- ſchrot, eingeweichtem Brot und Teichlinſen längere Zeit erhalten werden, bedürfen jedoch, um ſich wohl zu befinden, einen Zuſatz von thieriſchen Stoffen. Bei derartig gemiſchter Nahrung halten ſie viele Jahre in der Gefangenſchaft aus. Es verdient bemerkt zu werden, daß ihr Gefieder den zarten Roſenhauch verliert, wenn man ihnen längere Zeit ausſchließlich Pflanzennahrung reicht, während ſie ihre volle Schönheit zurückerhalten, wenn man die Futtermiſchung der von ihnen ſelbſt während des Freilebens geſuchten Nahrung möglichſt entſprechend wählt. Ueber die Fortpflanzung des Flaming und ſeiner Verwandten ſind wir immer noch nicht genügend unterrichtet. Labat gab zuerſt eine ſonderbare Schilderung der brütenden Vögel; Dampier beſtätigte ſie; die ſpäteren Forſcher ſchrieben ſie nach, ohne an ihrer Wahrheit zu zweifeln. „Die Flamings“, gibt Dampier an, „bauen ihr Neſt in Sümpfen, in denen es viel Koth gibt, indem ſie dieſen mit den Füßen zuſammenhäufen und kleine Erhöhungen bilden, welche Jnſelchen gleichen und ſich anderthalb Fuß über das Waſſer erheben. Dieſe Hügel ſind kegelförmig und enthalten oben auf dem Gipfel die Niſtmulde.“ — Labat ſagt, ſie ſeien feſt, ſoweit ſie im Waſſer ſtehen, oben aber hohl wie ein Topf. „Wenn ſie legen oder brüten, ſo ſitzen ſie aufrecht,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 775. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/821>, abgerufen am 22.11.2024.