wird fast ebenso zahm wie ein Purpurhuhn. Wir haben mehrere gehalten, welche unter Hühnern unseres Gehöftes umherliefen, zuweilen in die Zimmer kamen, auf den Ruf hörten, kurz, sich ganz wie Hausgeflügel betrugen. Sehr hübsch war es anzusehen, daß sie auch in der Gefangenschaft jede Gelegenheit wahrnahmen, sich zu verbergen und mit meisterhafter Geschicklichkeit passende Versteckplätze aufzusuchen wußten. Eines hatte seinen Stand in einem gemauerten und überdeckten Wasserabzuge genommen und flüchtete nach diesem sicheren Zufluchtsorte, sobald sich ein feindliches Wesen nahete. Es blieb während des ganzen Winters in unserem Gehöfte, besuchte vonhieraus die benachbarten Teiche, erwarb sich endlich eine Gefährtin und siedelte sich mit dieser in dem ihm am meisten zusagenden Teiche an, um zu brüten.
Jn Deutschland jagt man das Teichhühnchen nicht, weil seine anmuthige Erscheinung Jeder- mann für sich einnimmt und sein Fleisch so moorig schmeckt, daß es einem verwöhnten Gaumen nicht zusagt. Anders ist es im Süden Europas, wo Alles gemordet wird, was einigermaßen eßbar erscheint. Nach Ansicht der Pfaffen zählt das Teichhühnchen zu den "Fischen", gilt also als Fasten- speise, und wird deshalb noch häufiger verfolgt als es sonst vielleicht der Fall sein dürfte.
Einige Naturforscher, und unter ihnen unser Naumann, haben das Bläß- Wasser-, oder Böllhuhn, die Blässe, Horbel, Plärre, Kritschene, den Pfaffen, Zopp, Bölle etc. (Fulica atra) in die Ordnung der Schwimmvögel eingereiht, während wir in ihm den nächsten Ver- wandten der Teichhühnchen erkennen. Abgesehen von dem Fußbaue unterscheidet sich das Wasserhuhn nur durch geringfügige Eigenthümlichkeiten von dem Teichhühnchen, darf also von diesem nicht getrennt werden. Der Leib ist kräftig, seitlich wenig zusammengedrückt, der Hals mittellang, der Kopf ziemlich groß, der Schnabel ein zusammengedrückter Kegel, mit scharfer, etwas gezähnelter Schneide, die Stirnschwiele groß, der Fuß ziemlich hoch, stark, seitlich zusammengedrückt und durch die mit Lappen bekleideten langen Zehen besonders ausgezeichnet, der Flügel mittellang, in ihm die zweite und dritte Schwinge die längste, der aus 14 bis 16 Steuerfedern bestehende Schwanz sehr kurz, unter den Deckfedern versteckt, das Kleingefieder außerordentlich dicht, seine Färbung ein ziemlich gleichmäßiges Schieferschwarz, welches an Kopf und Hals dunkler, auf Brust und Bauch lichter als der Rücken erscheint. Der Augenstern ist hellroth, der Schnabel, einschließlich der Stirn- platte, blendendweiß, der Fuß bleifarben, an der Ferse rothgelblichgrün. Jm Jugendkleide erscheint das Gefieder der Unterseite wegen der breiten, weißlichen Federränder lichtgrau und schwarz gemischt, und der Mantel zeigt einen ölfarbigen Anflug. Die Länge beträgt 18, die Breite 30, die Fittig- länge 9, die Schwanzlänge 3 Zoll.
Zur Zeit kann man noch nicht mit Bestimmtheit angeben, wie weit der Verbreitungskreis des Wasserhuhnes reicht. Jn Europa kommt es überall vor, wird aber schon im Süden durch eine verwandte Art vertreten; außerdem hat man es in Mittelasien gefunden und im Jnneren Afrikas in der Winterherberge angetroffen; sehr möglich aber ist, daß ein und der andere Beobachter es mit verwandten Arten verwechselt und versäumt hat, eine genauere Untersuchung anzustellen. Jn Deutschland fehlt es keinem geeigneten Gewässer. Es meidet Ströme und Flüsse, ebenso das Meer und fiedelt sich am liebsten an stehenden tiefen Gewässern an, deren Ränder mit Schilf und hohem Rohre bewachsen sind. Demgemäß ist es häufig auf Seen, aber auch auf größeren Teichen. Jn der Winterherberge bezieht es die Strandseen und die wasserreichen Sümpfe Südeuropas, Nord- und Mittelafrikas, gleichviel, ob deren Wasser süß oder salzig ist. Bei uns zu Lande erscheint es im Frühjahre nach der Schnee- und Eisschmelze, also bald früher, bald später, verweilt während des ganzen Sommers an einem und demselben Orte, beginnt im Herbste zu streichen, sammelt sich auf größeren Gewässern, im Gegensatze zu seinem Verwandten, zu starken Scharen an und wandert gesell- schaftlich im Oktober und November nach Süden hinab, überwintert aber schon da, wo es offene Gewässer findet, unter Umständen auch in Deutschland.
Die Läufer. Stelzvögel. Waſſerhühner.
wird faſt ebenſo zahm wie ein Purpurhuhn. Wir haben mehrere gehalten, welche unter Hühnern unſeres Gehöftes umherliefen, zuweilen in die Zimmer kamen, auf den Ruf hörten, kurz, ſich ganz wie Hausgeflügel betrugen. Sehr hübſch war es anzuſehen, daß ſie auch in der Gefangenſchaft jede Gelegenheit wahrnahmen, ſich zu verbergen und mit meiſterhafter Geſchicklichkeit paſſende Verſteckplätze aufzuſuchen wußten. Eines hatte ſeinen Stand in einem gemauerten und überdeckten Waſſerabzuge genommen und flüchtete nach dieſem ſicheren Zufluchtsorte, ſobald ſich ein feindliches Weſen nahete. Es blieb während des ganzen Winters in unſerem Gehöfte, beſuchte vonhieraus die benachbarten Teiche, erwarb ſich endlich eine Gefährtin und ſiedelte ſich mit dieſer in dem ihm am meiſten zuſagenden Teiche an, um zu brüten.
Jn Deutſchland jagt man das Teichhühnchen nicht, weil ſeine anmuthige Erſcheinung Jeder- mann für ſich einnimmt und ſein Fleiſch ſo moorig ſchmeckt, daß es einem verwöhnten Gaumen nicht zuſagt. Anders iſt es im Süden Europas, wo Alles gemordet wird, was einigermaßen eßbar erſcheint. Nach Anſicht der Pfaffen zählt das Teichhühnchen zu den „Fiſchen“, gilt alſo als Faſten- ſpeiſe, und wird deshalb noch häufiger verfolgt als es ſonſt vielleicht der Fall ſein dürfte.
Einige Naturforſcher, und unter ihnen unſer Naumann, haben das Bläß- Waſſer-, oder Böllhuhn, die Bläſſe, Horbel, Plärre, Kritſchene, den Pfaffen, Zopp, Bölle ꝛc. (Fulica atra) in die Ordnung der Schwimmvögel eingereiht, während wir in ihm den nächſten Ver- wandten der Teichhühnchen erkennen. Abgeſehen von dem Fußbaue unterſcheidet ſich das Waſſerhuhn nur durch geringfügige Eigenthümlichkeiten von dem Teichhühnchen, darf alſo von dieſem nicht getrennt werden. Der Leib iſt kräftig, ſeitlich wenig zuſammengedrückt, der Hals mittellang, der Kopf ziemlich groß, der Schnabel ein zuſammengedrückter Kegel, mit ſcharfer, etwas gezähnelter Schneide, die Stirnſchwiele groß, der Fuß ziemlich hoch, ſtark, ſeitlich zuſammengedrückt und durch die mit Lappen bekleideten langen Zehen beſonders ausgezeichnet, der Flügel mittellang, in ihm die zweite und dritte Schwinge die längſte, der aus 14 bis 16 Steuerfedern beſtehende Schwanz ſehr kurz, unter den Deckfedern verſteckt, das Kleingefieder außerordentlich dicht, ſeine Färbung ein ziemlich gleichmäßiges Schieferſchwarz, welches an Kopf und Hals dunkler, auf Bruſt und Bauch lichter als der Rücken erſcheint. Der Augenſtern iſt hellroth, der Schnabel, einſchließlich der Stirn- platte, blendendweiß, der Fuß bleifarben, an der Ferſe rothgelblichgrün. Jm Jugendkleide erſcheint das Gefieder der Unterſeite wegen der breiten, weißlichen Federränder lichtgrau und ſchwarz gemiſcht, und der Mantel zeigt einen ölfarbigen Anflug. Die Länge beträgt 18, die Breite 30, die Fittig- länge 9, die Schwanzlänge 3 Zoll.
Zur Zeit kann man noch nicht mit Beſtimmtheit angeben, wie weit der Verbreitungskreis des Waſſerhuhnes reicht. Jn Europa kommt es überall vor, wird aber ſchon im Süden durch eine verwandte Art vertreten; außerdem hat man es in Mittelaſien gefunden und im Jnneren Afrikas in der Winterherberge angetroffen; ſehr möglich aber iſt, daß ein und der andere Beobachter es mit verwandten Arten verwechſelt und verſäumt hat, eine genauere Unterſuchung anzuſtellen. Jn Deutſchland fehlt es keinem geeigneten Gewäſſer. Es meidet Ströme und Flüſſe, ebenſo das Meer und fiedelt ſich am liebſten an ſtehenden tiefen Gewäſſern an, deren Ränder mit Schilf und hohem Rohre bewachſen ſind. Demgemäß iſt es häufig auf Seen, aber auch auf größeren Teichen. Jn der Winterherberge bezieht es die Strandſeen und die waſſerreichen Sümpfe Südeuropas, Nord- und Mittelafrikas, gleichviel, ob deren Waſſer ſüß oder ſalzig iſt. Bei uns zu Lande erſcheint es im Frühjahre nach der Schnee- und Eisſchmelze, alſo bald früher, bald ſpäter, verweilt während des ganzen Sommers an einem und demſelben Orte, beginnt im Herbſte zu ſtreichen, ſammelt ſich auf größeren Gewäſſern, im Gegenſatze zu ſeinem Verwandten, zu ſtarken Scharen an und wandert geſell- ſchaftlich im Oktober und November nach Süden hinab, überwintert aber ſchon da, wo es offene Gewäſſer findet, unter Umſtänden auch in Deutſchland.
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[762/0808]
Die Läufer. Stelzvögel. Waſſerhühner.
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unſeres Gehöftes umherliefen, zuweilen in die Zimmer kamen, auf den Ruf hörten, kurz, ſich ganz wie
Hausgeflügel betrugen. Sehr hübſch war es anzuſehen, daß ſie auch in der Gefangenſchaft jede
Gelegenheit wahrnahmen, ſich zu verbergen und mit meiſterhafter Geſchicklichkeit paſſende Verſteckplätze
aufzuſuchen wußten. Eines hatte ſeinen Stand in einem gemauerten und überdeckten Waſſerabzuge
genommen und flüchtete nach dieſem ſicheren Zufluchtsorte, ſobald ſich ein feindliches Weſen nahete.
Es blieb während des ganzen Winters in unſerem Gehöfte, beſuchte vonhieraus die benachbarten Teiche,
erwarb ſich endlich eine Gefährtin und ſiedelte ſich mit dieſer in dem ihm am meiſten zuſagenden
Teiche an, um zu brüten.
Jn Deutſchland jagt man das Teichhühnchen nicht, weil ſeine anmuthige Erſcheinung Jeder-
mann für ſich einnimmt und ſein Fleiſch ſo moorig ſchmeckt, daß es einem verwöhnten Gaumen nicht
zuſagt. Anders iſt es im Süden Europas, wo Alles gemordet wird, was einigermaßen eßbar
erſcheint. Nach Anſicht der Pfaffen zählt das Teichhühnchen zu den „Fiſchen“, gilt alſo als Faſten-
ſpeiſe, und wird deshalb noch häufiger verfolgt als es ſonſt vielleicht der Fall ſein dürfte.
Einige Naturforſcher, und unter ihnen unſer Naumann, haben das Bläß- Waſſer-, oder
Böllhuhn, die Bläſſe, Horbel, Plärre, Kritſchene, den Pfaffen, Zopp, Bölle ꝛc.
(Fulica atra) in die Ordnung der Schwimmvögel eingereiht, während wir in ihm den nächſten Ver-
wandten der Teichhühnchen erkennen. Abgeſehen von dem Fußbaue unterſcheidet ſich das Waſſerhuhn
nur durch geringfügige Eigenthümlichkeiten von dem Teichhühnchen, darf alſo von dieſem nicht
getrennt werden. Der Leib iſt kräftig, ſeitlich wenig zuſammengedrückt, der Hals mittellang, der
Kopf ziemlich groß, der Schnabel ein zuſammengedrückter Kegel, mit ſcharfer, etwas gezähnelter
Schneide, die Stirnſchwiele groß, der Fuß ziemlich hoch, ſtark, ſeitlich zuſammengedrückt und durch
die mit Lappen bekleideten langen Zehen beſonders ausgezeichnet, der Flügel mittellang, in ihm die
zweite und dritte Schwinge die längſte, der aus 14 bis 16 Steuerfedern beſtehende Schwanz
ſehr kurz, unter den Deckfedern verſteckt, das Kleingefieder außerordentlich dicht, ſeine Färbung ein
ziemlich gleichmäßiges Schieferſchwarz, welches an Kopf und Hals dunkler, auf Bruſt und Bauch
lichter als der Rücken erſcheint. Der Augenſtern iſt hellroth, der Schnabel, einſchließlich der Stirn-
platte, blendendweiß, der Fuß bleifarben, an der Ferſe rothgelblichgrün. Jm Jugendkleide erſcheint
das Gefieder der Unterſeite wegen der breiten, weißlichen Federränder lichtgrau und ſchwarz gemiſcht,
und der Mantel zeigt einen ölfarbigen Anflug. Die Länge beträgt 18, die Breite 30, die Fittig-
länge 9, die Schwanzlänge 3 Zoll.
Zur Zeit kann man noch nicht mit Beſtimmtheit angeben, wie weit der Verbreitungskreis des
Waſſerhuhnes reicht. Jn Europa kommt es überall vor, wird aber ſchon im Süden durch eine
verwandte Art vertreten; außerdem hat man es in Mittelaſien gefunden und im Jnneren Afrikas in
der Winterherberge angetroffen; ſehr möglich aber iſt, daß ein und der andere Beobachter es mit
verwandten Arten verwechſelt und verſäumt hat, eine genauere Unterſuchung anzuſtellen. Jn
Deutſchland fehlt es keinem geeigneten Gewäſſer. Es meidet Ströme und Flüſſe, ebenſo das Meer
und fiedelt ſich am liebſten an ſtehenden tiefen Gewäſſern an, deren Ränder mit Schilf und hohem
Rohre bewachſen ſind. Demgemäß iſt es häufig auf Seen, aber auch auf größeren Teichen. Jn
der Winterherberge bezieht es die Strandſeen und die waſſerreichen Sümpfe Südeuropas, Nord-
und Mittelafrikas, gleichviel, ob deren Waſſer ſüß oder ſalzig iſt. Bei uns zu Lande erſcheint es im
Frühjahre nach der Schnee- und Eisſchmelze, alſo bald früher, bald ſpäter, verweilt während des
ganzen Sommers an einem und demſelben Orte, beginnt im Herbſte zu ſtreichen, ſammelt ſich auf
größeren Gewäſſern, im Gegenſatze zu ſeinem Verwandten, zu ſtarken Scharen an und wandert geſell-
ſchaftlich im Oktober und November nach Süden hinab, überwintert aber ſchon da, wo es offene
Gewäſſer findet, unter Umſtänden auch in Deutſchland.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 762. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/808>, abgerufen am 26.11.2024.
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