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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Rallen. Blätterhühnchen.
Vögel er täglich zu seiner Nahrung brauche, und fanden am anderen Morgen wieder Federn auf dem
Boden." Dies brachte Wodzicki auf den Gedanken, daß der Wiesenknarrer wohl der Zerstörer der
vielen Erdnisterbruten auf nassen Wiesen oder im Sumpfe, deren ausgetrunkene Eier man häufig
findet, sein müsse.

Mit anderen Vögeln darf man den Wiesenknarrer also nicht zusammenhalten. Demungeachtet
empfiehlt er sich sehr für die Gefangenschaft. Er ist einer der drolligsten und unterhaltendsten Vögel,
welche man halten kann. Mein Vater hat ihn vortrefflich beschrieben. "Anfangs", sagt er, "läuft
er ungemein schnell hin und her und ist sehr ungestüm, bald aber wird er zahm, und dann nimmt er
die sonderbarsten Stellungen an. Bald steht er aufgerichtet, wie ein Mensch, mit weit vorstehendem
Schienbeine und ganz ausgezogenen Halse: dabei drückt er die Federn so an, daß er ganz schlank aus-
sieht; bald geht er geduckt und macht einen großen Katzenbuckel. Jch hatte einen mit einem Teich-
huhne zusammen in einem Behälter. Er hielt Dieses in gehöriger Achtung, sträubte, wenn es auf
ihn zukam, die Federn und fuhr mit dem Schnabel so nach ihm, daß es in Furcht gerieth und die
Flucht ergriff. Nun ging er stolz hin und her und schien sich seines Sieges zu freuen. Den Hals
zog er unaufhörlich aus und ein und brachte dadurch eine ungewöhnliche Abwechselung in seinen
Stellungen hervor." Ueber einen Gefangenen, welchen mein Vater später besaß, berichtet er
Folgendes. "Der Vogel gewährt mir ungemein viele Freude. Er ist außerordentlich zahm.
Gewöhnlich läuft er in der Stube umher und nickt dabei mit dem Kopfe, trägt aber den Schwanz
wagerecht. Oft verkriecht er sich in den Winkel und fährt, wenn er sich entdeckt oder nahe bedroht
sieht, plötzlich heraus. Abends ist er ungewöhnlich unruhig, fliegt an die Fenster und scheint sich in
dem wenigen Lichte gütlich zu thun. Die Wärme liebt er sehr; während des Winters ist er ost
hinter dem Ofen, und sowie die Sonne dann in die Stube scheint, stellt er sich mit hängenden Federn
hin und läßt sich den Sonnenschein behagen. Außerordentlich groß ist seine Furcht vor Katzen und
Hunden. Bei Annäherung einer Katze fliegt er gerade in die Höhe, da aber die Richtung seines
Fluges, zumal im Zimmer, nicht in seiner Gewalt steht, so kann er sich nicht auf den hohen, gegen die
Katzen sichernden Ofen setzen, sondern fällt geradezu in einem Winkel wieder nieder. Das Wasser
liebt er sehr, zum Baden und Trinken; doch muß es frisch sein: einige Stunden abgestandenes ver-
achtet er gänzlich. Er trinkt, indem er jedesmal einen Schnabel voll Wasser nimmt und dieses verschluckt,
als wäre es ein fester Körper. Beim Baden stellt er sich mit dem Unterkörper in das Wasser,
bespritzt mit dem Schnabel den Oberkörper, stellt sich dann in die Sonne und schüttelt die Federn.
Er ist so zahm, daß er einige Male in den Hof gelaufen und von freien Stücken zurückgekehrt ist, daß
er nicht nur das ihm vorgeworfene Futter auffrißt, sondern sich sogar, wenn die Leute in der Gesinde-
stube essen, dem Dienstmädchen auf den Schoß setzt und seinen Antheil an der Mahlzeit verlangt.
Auf dem Tische läuft er sehr oft herum. Er frißt Alles, was ihm vorgeworfen wird und von ihm
verschluckt werden kann, namentlich allerhand Sämereien, Hanf, Rübsen, Gras- und anderen Samen,
Hirsen, Reis und dergleichen, außerdem Brotkrumen, in Wasser oder Milch geweichte Semmel,
gekochte Nudeln, Reis- und Hirsenkörner und ähnliche Dinge. Gekochtes oder gebratenes, klein-
geschnittenes Fleisch, hartgesottene Eier, Klümpchen Fett, Regenwürmer, Larven und Maden der
Fleischfliegen, Käferchen, alle Arten Fliegen etc. liebt er vorzüglich. Das Futter liest er lieber vom
trockenen Boden als aus dem Wasser auf, woraus man deutlich sieht, daß er mehr auf trockenen als
auf nassen Stellen seine Nahrung zu suchen beliebt. Sind die Brocken so groß, daß er sie nicht
verschlucken kann, dann zerstückelt er dieselben durch Hacken mit dem Schnabel, was schnell von statten
geht. Er frißt in kleinen Zwischenräumen während des ganzen Tages und nicht wenig. Jn der
letzten Hälfte des März mauserte er sich und zwar so schnell, daß er fast alle Federn auf einmal
erneuerte und in drei Wochen den ganzen Federwechsel überstanden hatte: als er in der Mauser war,
sah er wie gerupft aus; dennoch fand er sich dabei wohl." Andere Gefangene ließen im Frühjahre
auch ihre lauten Locktöne vernehmen, während der von meinem Vater Beobachtete nur ein Knurren
ausstieß, wenn man ihn ergriff.

Die Läufer. Stelzvögel. Rallen. Blätterhühnchen.
Vögel er täglich zu ſeiner Nahrung brauche, und fanden am anderen Morgen wieder Federn auf dem
Boden.“ Dies brachte Wodzicki auf den Gedanken, daß der Wieſenknarrer wohl der Zerſtörer der
vielen Erdniſterbruten auf naſſen Wieſen oder im Sumpfe, deren ausgetrunkene Eier man häufig
findet, ſein müſſe.

Mit anderen Vögeln darf man den Wieſenknarrer alſo nicht zuſammenhalten. Demungeachtet
empfiehlt er ſich ſehr für die Gefangenſchaft. Er iſt einer der drolligſten und unterhaltendſten Vögel,
welche man halten kann. Mein Vater hat ihn vortrefflich beſchrieben. „Anfangs“, ſagt er, „läuft
er ungemein ſchnell hin und her und iſt ſehr ungeſtüm, bald aber wird er zahm, und dann nimmt er
die ſonderbarſten Stellungen an. Bald ſteht er aufgerichtet, wie ein Menſch, mit weit vorſtehendem
Schienbeine und ganz ausgezogenen Halſe: dabei drückt er die Federn ſo an, daß er ganz ſchlank aus-
ſieht; bald geht er geduckt und macht einen großen Katzenbuckel. Jch hatte einen mit einem Teich-
huhne zuſammen in einem Behälter. Er hielt Dieſes in gehöriger Achtung, ſträubte, wenn es auf
ihn zukam, die Federn und fuhr mit dem Schnabel ſo nach ihm, daß es in Furcht gerieth und die
Flucht ergriff. Nun ging er ſtolz hin und her und ſchien ſich ſeines Sieges zu freuen. Den Hals
zog er unaufhörlich aus und ein und brachte dadurch eine ungewöhnliche Abwechſelung in ſeinen
Stellungen hervor.“ Ueber einen Gefangenen, welchen mein Vater ſpäter beſaß, berichtet er
Folgendes. „Der Vogel gewährt mir ungemein viele Freude. Er iſt außerordentlich zahm.
Gewöhnlich läuft er in der Stube umher und nickt dabei mit dem Kopfe, trägt aber den Schwanz
wagerecht. Oft verkriecht er ſich in den Winkel und fährt, wenn er ſich entdeckt oder nahe bedroht
ſieht, plötzlich heraus. Abends iſt er ungewöhnlich unruhig, fliegt an die Fenſter und ſcheint ſich in
dem wenigen Lichte gütlich zu thun. Die Wärme liebt er ſehr; während des Winters iſt er oſt
hinter dem Ofen, und ſowie die Sonne dann in die Stube ſcheint, ſtellt er ſich mit hängenden Federn
hin und läßt ſich den Sonnenſchein behagen. Außerordentlich groß iſt ſeine Furcht vor Katzen und
Hunden. Bei Annäherung einer Katze fliegt er gerade in die Höhe, da aber die Richtung ſeines
Fluges, zumal im Zimmer, nicht in ſeiner Gewalt ſteht, ſo kann er ſich nicht auf den hohen, gegen die
Katzen ſichernden Ofen ſetzen, ſondern fällt geradezu in einem Winkel wieder nieder. Das Waſſer
liebt er ſehr, zum Baden und Trinken; doch muß es friſch ſein: einige Stunden abgeſtandenes ver-
achtet er gänzlich. Er trinkt, indem er jedesmal einen Schnabel voll Waſſer nimmt und dieſes verſchluckt,
als wäre es ein feſter Körper. Beim Baden ſtellt er ſich mit dem Unterkörper in das Waſſer,
beſpritzt mit dem Schnabel den Oberkörper, ſtellt ſich dann in die Sonne und ſchüttelt die Federn.
Er iſt ſo zahm, daß er einige Male in den Hof gelaufen und von freien Stücken zurückgekehrt iſt, daß
er nicht nur das ihm vorgeworfene Futter auffrißt, ſondern ſich ſogar, wenn die Leute in der Geſinde-
ſtube eſſen, dem Dienſtmädchen auf den Schoß ſetzt und ſeinen Antheil an der Mahlzeit verlangt.
Auf dem Tiſche läuft er ſehr oft herum. Er frißt Alles, was ihm vorgeworfen wird und von ihm
verſchluckt werden kann, namentlich allerhand Sämereien, Hanf, Rübſen, Gras- und anderen Samen,
Hirſen, Reis und dergleichen, außerdem Brotkrumen, in Waſſer oder Milch geweichte Semmel,
gekochte Nudeln, Reis- und Hirſenkörner und ähnliche Dinge. Gekochtes oder gebratenes, klein-
geſchnittenes Fleiſch, hartgeſottene Eier, Klümpchen Fett, Regenwürmer, Larven und Maden der
Fleiſchfliegen, Käferchen, alle Arten Fliegen ꝛc. liebt er vorzüglich. Das Futter lieſt er lieber vom
trockenen Boden als aus dem Waſſer auf, woraus man deutlich ſieht, daß er mehr auf trockenen als
auf naſſen Stellen ſeine Nahrung zu ſuchen beliebt. Sind die Brocken ſo groß, daß er ſie nicht
verſchlucken kann, dann zerſtückelt er dieſelben durch Hacken mit dem Schnabel, was ſchnell von ſtatten
geht. Er frißt in kleinen Zwiſchenräumen während des ganzen Tages und nicht wenig. Jn der
letzten Hälfte des März mauſerte er ſich und zwar ſo ſchnell, daß er faſt alle Federn auf einmal
erneuerte und in drei Wochen den ganzen Federwechſel überſtanden hatte: als er in der Mauſer war,
ſah er wie gerupft aus; dennoch fand er ſich dabei wohl.“ Andere Gefangene ließen im Frühjahre
auch ihre lauten Locktöne vernehmen, während der von meinem Vater Beobachtete nur ein Knurren
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[750/0796] Die Läufer. Stelzvögel. Rallen. Blätterhühnchen. Vögel er täglich zu ſeiner Nahrung brauche, und fanden am anderen Morgen wieder Federn auf dem Boden.“ Dies brachte Wodzicki auf den Gedanken, daß der Wieſenknarrer wohl der Zerſtörer der vielen Erdniſterbruten auf naſſen Wieſen oder im Sumpfe, deren ausgetrunkene Eier man häufig findet, ſein müſſe. Mit anderen Vögeln darf man den Wieſenknarrer alſo nicht zuſammenhalten. Demungeachtet empfiehlt er ſich ſehr für die Gefangenſchaft. Er iſt einer der drolligſten und unterhaltendſten Vögel, welche man halten kann. Mein Vater hat ihn vortrefflich beſchrieben. „Anfangs“, ſagt er, „läuft er ungemein ſchnell hin und her und iſt ſehr ungeſtüm, bald aber wird er zahm, und dann nimmt er die ſonderbarſten Stellungen an. Bald ſteht er aufgerichtet, wie ein Menſch, mit weit vorſtehendem Schienbeine und ganz ausgezogenen Halſe: dabei drückt er die Federn ſo an, daß er ganz ſchlank aus- ſieht; bald geht er geduckt und macht einen großen Katzenbuckel. Jch hatte einen mit einem Teich- huhne zuſammen in einem Behälter. Er hielt Dieſes in gehöriger Achtung, ſträubte, wenn es auf ihn zukam, die Federn und fuhr mit dem Schnabel ſo nach ihm, daß es in Furcht gerieth und die Flucht ergriff. Nun ging er ſtolz hin und her und ſchien ſich ſeines Sieges zu freuen. Den Hals zog er unaufhörlich aus und ein und brachte dadurch eine ungewöhnliche Abwechſelung in ſeinen Stellungen hervor.“ Ueber einen Gefangenen, welchen mein Vater ſpäter beſaß, berichtet er Folgendes. „Der Vogel gewährt mir ungemein viele Freude. Er iſt außerordentlich zahm. Gewöhnlich läuft er in der Stube umher und nickt dabei mit dem Kopfe, trägt aber den Schwanz wagerecht. Oft verkriecht er ſich in den Winkel und fährt, wenn er ſich entdeckt oder nahe bedroht ſieht, plötzlich heraus. Abends iſt er ungewöhnlich unruhig, fliegt an die Fenſter und ſcheint ſich in dem wenigen Lichte gütlich zu thun. Die Wärme liebt er ſehr; während des Winters iſt er oſt hinter dem Ofen, und ſowie die Sonne dann in die Stube ſcheint, ſtellt er ſich mit hängenden Federn hin und läßt ſich den Sonnenſchein behagen. Außerordentlich groß iſt ſeine Furcht vor Katzen und Hunden. Bei Annäherung einer Katze fliegt er gerade in die Höhe, da aber die Richtung ſeines Fluges, zumal im Zimmer, nicht in ſeiner Gewalt ſteht, ſo kann er ſich nicht auf den hohen, gegen die Katzen ſichernden Ofen ſetzen, ſondern fällt geradezu in einem Winkel wieder nieder. Das Waſſer liebt er ſehr, zum Baden und Trinken; doch muß es friſch ſein: einige Stunden abgeſtandenes ver- achtet er gänzlich. Er trinkt, indem er jedesmal einen Schnabel voll Waſſer nimmt und dieſes verſchluckt, als wäre es ein feſter Körper. Beim Baden ſtellt er ſich mit dem Unterkörper in das Waſſer, beſpritzt mit dem Schnabel den Oberkörper, ſtellt ſich dann in die Sonne und ſchüttelt die Federn. Er iſt ſo zahm, daß er einige Male in den Hof gelaufen und von freien Stücken zurückgekehrt iſt, daß er nicht nur das ihm vorgeworfene Futter auffrißt, ſondern ſich ſogar, wenn die Leute in der Geſinde- ſtube eſſen, dem Dienſtmädchen auf den Schoß ſetzt und ſeinen Antheil an der Mahlzeit verlangt. Auf dem Tiſche läuft er ſehr oft herum. Er frißt Alles, was ihm vorgeworfen wird und von ihm verſchluckt werden kann, namentlich allerhand Sämereien, Hanf, Rübſen, Gras- und anderen Samen, Hirſen, Reis und dergleichen, außerdem Brotkrumen, in Waſſer oder Milch geweichte Semmel, gekochte Nudeln, Reis- und Hirſenkörner und ähnliche Dinge. Gekochtes oder gebratenes, klein- geſchnittenes Fleiſch, hartgeſottene Eier, Klümpchen Fett, Regenwürmer, Larven und Maden der Fleiſchfliegen, Käferchen, alle Arten Fliegen ꝛc. liebt er vorzüglich. Das Futter lieſt er lieber vom trockenen Boden als aus dem Waſſer auf, woraus man deutlich ſieht, daß er mehr auf trockenen als auf naſſen Stellen ſeine Nahrung zu ſuchen beliebt. Sind die Brocken ſo groß, daß er ſie nicht verſchlucken kann, dann zerſtückelt er dieſelben durch Hacken mit dem Schnabel, was ſchnell von ſtatten geht. Er frißt in kleinen Zwiſchenräumen während des ganzen Tages und nicht wenig. Jn der letzten Hälfte des März mauſerte er ſich und zwar ſo ſchnell, daß er faſt alle Federn auf einmal erneuerte und in drei Wochen den ganzen Federwechſel überſtanden hatte: als er in der Mauſer war, ſah er wie gerupft aus; dennoch fand er ſich dabei wohl.“ Andere Gefangene ließen im Frühjahre auch ihre lauten Locktöne vernehmen, während der von meinem Vater Beobachtete nur ein Knurren ausſtieß, wenn man ihn ergriff.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 750. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/796>, abgerufen am 22.11.2024.