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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Serrakura.

Die Serrakura lebt wie ihre Verwandten in den Sümpfen des inneren Brasiliens, an Bächen
mit vielem Schilfe oder an stehenden Gewässern, im oder am Walde, läuft hier geschäftig umher und
ernährt sich von Kleingethier und verschiedenen Sämereien. Man kann sie nicht eigentlich scheu
nennen; sie führt aber ein so verborgenes Leben, daß man sie selten zu sehen bekommt. Um so
häufiger hört man sie, namentlich gegen Abend und in den Morgenstunden, und ihre Stimme ist so
schallend und so sonderbar, daß sie Jedermann auffallen muß. Den Jäger, welcher den Urwald
betritt, befremden die ihm gänzlich unbekannten Töne, zumal wenn einige Serrakuren sich vereinigen
und gemeinschaftlich ihr sonderbares Abendlied zum Besten geben. Die Stimme besteht nämlich aus
einem kurzen, tiefen und einem äußerst lauten, klangvollen Kehltone; wenn man Buchstaben zur
Versinnlichung gebrauchen kann, lassen sich beide durch die Silben "Krukä" ungefähr ausdrücken. Die
Nester stehen im Schilfe; die Eier sind auf blaßrostgelbem Grunde spärlich braun gefleckt.

Der Prinz von Wied erwähnt, daß sich die Serrakuren oft in den Schlagfallen fangen,
wenn sie bei Nacht in den Wäldern umherlaufen; es muß jedoch noch andere Mittel geben, ihrer
habhaft zu werden, da sie, wie bemerkt, neuerdings, wenn auch nur einzeln, sodoch nicht ganz selten
lebend zu uns herüber gebracht werden. Die Gefangenen, welche ich beobachten konnte, waren
allerliebst. Sie vertrugen sich mit gleich großen oder größeren Vögeln vortrefflich, insbesondere mit
Purpur- und Wasserhühnern, kleinen Reihern und Jbissen, hielten sich jedoch stets gesondert, wenn
ihrer mehrere waren, paarweise. Jn ihren Bewegungen ähneln sie den Wasserrallen sehr, ebenso
aber auch den Purpurhühnern. Sie gehen höchst zierlich und ziemlich rasch einher, da ihre großen
Schritte sie bedeutend fördern, sind im Stande, ungemein schnell zu laufen, schwimmen ohne Bedenken
nach Art des Teichhühnchens und fliegen, wenn ihnen Dies gestattet wird, verhältnißmäßig gut,
jedenfalls besser als die Verwandten. Gegen Abend flatterten sie stets zu erhabenen Orten empor,
beispielsweise also auf dicke Aeste der Bäume innerhalb ihres Geheges, setzten sich hier fest und ließen
nun ihre laute Stimme zwanzig bis hundert Mal nach einander vernehmen, antworteten auch sofort,
wenn man sie anrief. Mit ihrem Wärter hatten sie sich bald befreundet, traten auch mit Bekannten
in ein trauliches Verhältniß, zeigten nicht die geringste Scheu vor solchen und fraßen unbekümmert
in unmittelbarer Nähe derselben. Hinsichtlich der Ernährung machten sie geringe Ansprüche; das
gewöhnliche Semmelfutter schien ihnen zu genügen; doch nahmen sie gern Fleischbrocken auf und
wußten sich auch außerdem den Tisch zu beschicken. Zu meinem großen Vergnügen sah ich, wie sie
den Sperlingen auflauerten und wiederholt solche mit einem einzigen Hiebe ihres kräftigen Schnabels
besinnungslos zu Boden streckten, worauf sie dann mit größtem Eifer loshämmerten, bis das Opfer
vollends getödtet war. Dann wurde zunächst die Bauchhöhle aufgebrochen, deren Jnhalt entleert,
und später das übrige zerstückelt und hinabgewürgt. Diese Wahrnehmung bestätigt eine schon von
Azara veröffentlichte Beobachtung, zu welcher eine verwandte Art Veranlassung gab. Jm Hause
eines Arztes in Paraguay ließ man eine junge Hühnerralle auf dem Hofe frei umherlaufen.
Anfänglich fraß sie Kürbisse, Brot, Fleisch, am liebsten aber Würmer, welche sie allem übrigen
vorzuziehen schien. Als sie erwachsen war, begann sie mit den Hühnern zu kämpfen, und wenn diese
sie erwarteten, duckte sie, unvergleichlich schneller als ihre Widersacher, den Kopf nieder, warf, indem
sie den Gegnern zwischen die Beine fuhr, diese um und gab ihnen, noch ehe sie wieder aufgestanden,
derbe Schnabelhiebe auf Bauch und Steiß. Sie wußte sehr wohl, wenn die Hühner legen wollten,
schlich ihnen nach und lauerte in deren Nähe. Sobald das Ei heraus war, ergriff sie es mit dem
Schnabel, trug es weit fort, durchlöcherte es mit Wohlbehagen und trank es bis auf die Neige aus.
So geschah es, daß man im Hause kein Ei vor ihr retten konnte. Wenn die Hühner nicht rasch legten,
wurde sie ungeduldig und trieb sie mit Bissen vom Neste weg, verfolgte sie auch, indem sie mit voller
Wuth nach ihnen hackte. Gleiches that sie in den anstoßenden Häusern, denn sie durchstrich die ganze
Nachbarschaft und kletterte auf die Dächer, sodaß sie zuletzt getödtet werden mußte, um den Klagen
der Nachbarn ein Ende zu machen. -- "Ohne Zweifel", fügt Azara hinzu, "thut sie während
ihres Freilebens viel Schaden an den Nestern, welche sie auffindet." -- Sie ließ sich nicht anrühren,

Serrakura.

Die Serrakura lebt wie ihre Verwandten in den Sümpfen des inneren Braſiliens, an Bächen
mit vielem Schilfe oder an ſtehenden Gewäſſern, im oder am Walde, läuft hier geſchäftig umher und
ernährt ſich von Kleingethier und verſchiedenen Sämereien. Man kann ſie nicht eigentlich ſcheu
nennen; ſie führt aber ein ſo verborgenes Leben, daß man ſie ſelten zu ſehen bekommt. Um ſo
häufiger hört man ſie, namentlich gegen Abend und in den Morgenſtunden, und ihre Stimme iſt ſo
ſchallend und ſo ſonderbar, daß ſie Jedermann auffallen muß. Den Jäger, welcher den Urwald
betritt, befremden die ihm gänzlich unbekannten Töne, zumal wenn einige Serrakuren ſich vereinigen
und gemeinſchaftlich ihr ſonderbares Abendlied zum Beſten geben. Die Stimme beſteht nämlich aus
einem kurzen, tiefen und einem äußerſt lauten, klangvollen Kehltone; wenn man Buchſtaben zur
Verſinnlichung gebrauchen kann, laſſen ſich beide durch die Silben „Krukä“ ungefähr ausdrücken. Die
Neſter ſtehen im Schilfe; die Eier ſind auf blaßroſtgelbem Grunde ſpärlich braun gefleckt.

Der Prinz von Wied erwähnt, daß ſich die Serrakuren oft in den Schlagfallen fangen,
wenn ſie bei Nacht in den Wäldern umherlaufen; es muß jedoch noch andere Mittel geben, ihrer
habhaft zu werden, da ſie, wie bemerkt, neuerdings, wenn auch nur einzeln, ſodoch nicht ganz ſelten
lebend zu uns herüber gebracht werden. Die Gefangenen, welche ich beobachten konnte, waren
allerliebſt. Sie vertrugen ſich mit gleich großen oder größeren Vögeln vortrefflich, insbeſondere mit
Purpur- und Waſſerhühnern, kleinen Reihern und Jbiſſen, hielten ſich jedoch ſtets geſondert, wenn
ihrer mehrere waren, paarweiſe. Jn ihren Bewegungen ähneln ſie den Waſſerrallen ſehr, ebenſo
aber auch den Purpurhühnern. Sie gehen höchſt zierlich und ziemlich raſch einher, da ihre großen
Schritte ſie bedeutend fördern, ſind im Stande, ungemein ſchnell zu laufen, ſchwimmen ohne Bedenken
nach Art des Teichhühnchens und fliegen, wenn ihnen Dies geſtattet wird, verhältnißmäßig gut,
jedenfalls beſſer als die Verwandten. Gegen Abend flatterten ſie ſtets zu erhabenen Orten empor,
beiſpielsweiſe alſo auf dicke Aeſte der Bäume innerhalb ihres Geheges, ſetzten ſich hier feſt und ließen
nun ihre laute Stimme zwanzig bis hundert Mal nach einander vernehmen, antworteten auch ſofort,
wenn man ſie anrief. Mit ihrem Wärter hatten ſie ſich bald befreundet, traten auch mit Bekannten
in ein trauliches Verhältniß, zeigten nicht die geringſte Scheu vor ſolchen und fraßen unbekümmert
in unmittelbarer Nähe derſelben. Hinſichtlich der Ernährung machten ſie geringe Anſprüche; das
gewöhnliche Semmelfutter ſchien ihnen zu genügen; doch nahmen ſie gern Fleiſchbrocken auf und
wußten ſich auch außerdem den Tiſch zu beſchicken. Zu meinem großen Vergnügen ſah ich, wie ſie
den Sperlingen auflauerten und wiederholt ſolche mit einem einzigen Hiebe ihres kräftigen Schnabels
beſinnungslos zu Boden ſtreckten, worauf ſie dann mit größtem Eifer loshämmerten, bis das Opfer
vollends getödtet war. Dann wurde zunächſt die Bauchhöhle aufgebrochen, deren Jnhalt entleert,
und ſpäter das übrige zerſtückelt und hinabgewürgt. Dieſe Wahrnehmung beſtätigt eine ſchon von
Azara veröffentlichte Beobachtung, zu welcher eine verwandte Art Veranlaſſung gab. Jm Hauſe
eines Arztes in Paraguay ließ man eine junge Hühnerralle auf dem Hofe frei umherlaufen.
Anfänglich fraß ſie Kürbiſſe, Brot, Fleiſch, am liebſten aber Würmer, welche ſie allem übrigen
vorzuziehen ſchien. Als ſie erwachſen war, begann ſie mit den Hühnern zu kämpfen, und wenn dieſe
ſie erwarteten, duckte ſie, unvergleichlich ſchneller als ihre Widerſacher, den Kopf nieder, warf, indem
ſie den Gegnern zwiſchen die Beine fuhr, dieſe um und gab ihnen, noch ehe ſie wieder aufgeſtanden,
derbe Schnabelhiebe auf Bauch und Steiß. Sie wußte ſehr wohl, wenn die Hühner legen wollten,
ſchlich ihnen nach und lauerte in deren Nähe. Sobald das Ei heraus war, ergriff ſie es mit dem
Schnabel, trug es weit fort, durchlöcherte es mit Wohlbehagen und trank es bis auf die Neige aus.
So geſchah es, daß man im Hauſe kein Ei vor ihr retten konnte. Wenn die Hühner nicht raſch legten,
wurde ſie ungeduldig und trieb ſie mit Biſſen vom Neſte weg, verfolgte ſie auch, indem ſie mit voller
Wuth nach ihnen hackte. Gleiches that ſie in den anſtoßenden Häuſern, denn ſie durchſtrich die ganze
Nachbarſchaft und kletterte auf die Dächer, ſodaß ſie zuletzt getödtet werden mußte, um den Klagen
der Nachbarn ein Ende zu machen. — „Ohne Zweifel“, fügt Azara hinzu, „thut ſie während
ihres Freilebens viel Schaden an den Neſtern, welche ſie auffindet.“ — Sie ließ ſich nicht anrühren,

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[747/0793] Serrakura. Die Serrakura lebt wie ihre Verwandten in den Sümpfen des inneren Braſiliens, an Bächen mit vielem Schilfe oder an ſtehenden Gewäſſern, im oder am Walde, läuft hier geſchäftig umher und ernährt ſich von Kleingethier und verſchiedenen Sämereien. Man kann ſie nicht eigentlich ſcheu nennen; ſie führt aber ein ſo verborgenes Leben, daß man ſie ſelten zu ſehen bekommt. Um ſo häufiger hört man ſie, namentlich gegen Abend und in den Morgenſtunden, und ihre Stimme iſt ſo ſchallend und ſo ſonderbar, daß ſie Jedermann auffallen muß. Den Jäger, welcher den Urwald betritt, befremden die ihm gänzlich unbekannten Töne, zumal wenn einige Serrakuren ſich vereinigen und gemeinſchaftlich ihr ſonderbares Abendlied zum Beſten geben. Die Stimme beſteht nämlich aus einem kurzen, tiefen und einem äußerſt lauten, klangvollen Kehltone; wenn man Buchſtaben zur Verſinnlichung gebrauchen kann, laſſen ſich beide durch die Silben „Krukä“ ungefähr ausdrücken. Die Neſter ſtehen im Schilfe; die Eier ſind auf blaßroſtgelbem Grunde ſpärlich braun gefleckt. Der Prinz von Wied erwähnt, daß ſich die Serrakuren oft in den Schlagfallen fangen, wenn ſie bei Nacht in den Wäldern umherlaufen; es muß jedoch noch andere Mittel geben, ihrer habhaft zu werden, da ſie, wie bemerkt, neuerdings, wenn auch nur einzeln, ſodoch nicht ganz ſelten lebend zu uns herüber gebracht werden. Die Gefangenen, welche ich beobachten konnte, waren allerliebſt. Sie vertrugen ſich mit gleich großen oder größeren Vögeln vortrefflich, insbeſondere mit Purpur- und Waſſerhühnern, kleinen Reihern und Jbiſſen, hielten ſich jedoch ſtets geſondert, wenn ihrer mehrere waren, paarweiſe. Jn ihren Bewegungen ähneln ſie den Waſſerrallen ſehr, ebenſo aber auch den Purpurhühnern. Sie gehen höchſt zierlich und ziemlich raſch einher, da ihre großen Schritte ſie bedeutend fördern, ſind im Stande, ungemein ſchnell zu laufen, ſchwimmen ohne Bedenken nach Art des Teichhühnchens und fliegen, wenn ihnen Dies geſtattet wird, verhältnißmäßig gut, jedenfalls beſſer als die Verwandten. Gegen Abend flatterten ſie ſtets zu erhabenen Orten empor, beiſpielsweiſe alſo auf dicke Aeſte der Bäume innerhalb ihres Geheges, ſetzten ſich hier feſt und ließen nun ihre laute Stimme zwanzig bis hundert Mal nach einander vernehmen, antworteten auch ſofort, wenn man ſie anrief. Mit ihrem Wärter hatten ſie ſich bald befreundet, traten auch mit Bekannten in ein trauliches Verhältniß, zeigten nicht die geringſte Scheu vor ſolchen und fraßen unbekümmert in unmittelbarer Nähe derſelben. Hinſichtlich der Ernährung machten ſie geringe Anſprüche; das gewöhnliche Semmelfutter ſchien ihnen zu genügen; doch nahmen ſie gern Fleiſchbrocken auf und wußten ſich auch außerdem den Tiſch zu beſchicken. Zu meinem großen Vergnügen ſah ich, wie ſie den Sperlingen auflauerten und wiederholt ſolche mit einem einzigen Hiebe ihres kräftigen Schnabels beſinnungslos zu Boden ſtreckten, worauf ſie dann mit größtem Eifer loshämmerten, bis das Opfer vollends getödtet war. Dann wurde zunächſt die Bauchhöhle aufgebrochen, deren Jnhalt entleert, und ſpäter das übrige zerſtückelt und hinabgewürgt. Dieſe Wahrnehmung beſtätigt eine ſchon von Azara veröffentlichte Beobachtung, zu welcher eine verwandte Art Veranlaſſung gab. Jm Hauſe eines Arztes in Paraguay ließ man eine junge Hühnerralle auf dem Hofe frei umherlaufen. Anfänglich fraß ſie Kürbiſſe, Brot, Fleiſch, am liebſten aber Würmer, welche ſie allem übrigen vorzuziehen ſchien. Als ſie erwachſen war, begann ſie mit den Hühnern zu kämpfen, und wenn dieſe ſie erwarteten, duckte ſie, unvergleichlich ſchneller als ihre Widerſacher, den Kopf nieder, warf, indem ſie den Gegnern zwiſchen die Beine fuhr, dieſe um und gab ihnen, noch ehe ſie wieder aufgeſtanden, derbe Schnabelhiebe auf Bauch und Steiß. Sie wußte ſehr wohl, wenn die Hühner legen wollten, ſchlich ihnen nach und lauerte in deren Nähe. Sobald das Ei heraus war, ergriff ſie es mit dem Schnabel, trug es weit fort, durchlöcherte es mit Wohlbehagen und trank es bis auf die Neige aus. So geſchah es, daß man im Hauſe kein Ei vor ihr retten konnte. Wenn die Hühner nicht raſch legten, wurde ſie ungeduldig und trieb ſie mit Biſſen vom Neſte weg, verfolgte ſie auch, indem ſie mit voller Wuth nach ihnen hackte. Gleiches that ſie in den anſtoßenden Häuſern, denn ſie durchſtrich die ganze Nachbarſchaft und kletterte auf die Dächer, ſodaß ſie zuletzt getödtet werden mußte, um den Klagen der Nachbarn ein Ende zu machen. — „Ohne Zweifel“, fügt Azara hinzu, „thut ſie während ihres Freilebens viel Schaden an den Neſtern, welche ſie auffindet.“ — Sie ließ ſich nicht anrühren,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 747. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/793>, abgerufen am 22.11.2024.