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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Kraniche.
fläche emporsteigt. Daß die starke Stimme mit diesem Baue in Verbindung steht, unterliegt
keinem Zweifel.

Die Kraniche sind Weltbürger; doch darf man nur den gemäßigten Gürtel als ihre wirkliche
Heimat ansehen. Jeder Erdtheil beherbergt seine besonderen Arten, Asien die meisten. Die im
Norden lebenden Arten besuchen die Länder unter den Wendekreisen, brüten jedoch nicht in ihnen, und
der Verbreitungskreis der südlichen Arten reicht auch nur bis an den Wendekreis heran. Ausgedehnte
Sümpfe und Moräste bilden ihre Wohnsitze; solche, welche an bebautes Land grenzen, scheinen
bevorzugt zu werden, da die Vögel ebensogut im Sumpfe als auf den Feldern sich Nahrung erwählen.
Jn ihrem Wesen stimmen die bekannten Arten sehr überein. Sie gehen mit abgemessenen Schritten,
jedoch zierlich einher, gefallen sich in anmuthigen tanzartigen Sprüngen, bewahren sich stets
eine gewisse Würde, waten ziemlich tief ins Wasser, sind auch im Stande zu schwimmen, thun Dies
aber nur ungern, fliegen leicht, schön, oft schwebend und große Kreise beschreibend, mit gerade aus-
gestrecktem Halse und Beinen, meist in hoher Luft dahin, haben eine laute, durchdringende Stimme,
sind klug und verständig, gewöhnlich auch heiter, necklustig, aber ebenso kampfesmuthig und selbst
mordsüchtig, zeigen sich gegen Jhresgleichen äußerst gesellig und nehmen auch gern Familienver-
wandte, jedoch nur solche im engeren Sinne, unter sich auf, bekümmern sich sonst aber wenig oder
nicht um andere Thiere oder maßen sich, wenn sie es thun, die Oberherrschaft über diese an. Jhre
Thätigkeit währt vom frühen Morgen bis zum späten Abend, doch widmen sie nur wenige Morgen-
stunden dem Aufsuchen ihrer Nahrung, die übrige Zeit aber der Geselligkeit. Auf ihrem Zuge, welcher
sie bis in die Wendekreisländer bringt, reisen sie fast ununterbrochen, d. h. bei Nacht ebensowohl als
bei Tage, scheinen sich kaum zur Aufnahme des Futters und noch weniger zum Schlafen Zeit zu
gönnen, legen deshalb auch ihre Wanderungen in überraschend kurzer Zeit zurück.

Alle Kraniche sind Pflanzenfresser. Wohl nehmen sie gelegentlich auch Kerbthiere und Würmer,
einen kleinen Lurch oder ein Fischchen mit auf, plündern zuweilen ebenso ein Vogelnest aus, scheinen
aber doch die thierische Nahrung nur als Leckerei zu betrachten. Ein Hauptfutter bilden Körner ver-
schiedener Art, insbesondere Getreide; außerdem fressen sie Knospeu, Blätterspitzen, Wurzeln oder
Knollengewächse. Da, wo sie häufig auftreten, können sie durch ihre Räubereien im Felde lästig
werden; wenigstens klagen die Jndier über den Schaden, welchen die bei ihnen überwinternden grauen,
Riesen- und Jungfernkraniche ihnen zufügen. Bei uns wird man den Schaden nicht hoch anschlagen
dürfen, da die schönen Vögel von Jahr zu Jahr seltener werden und die Durchziehenden zu einer Zeit
uns besuchen, in der sie auf den Feldern wenig Unfug stiften können.

Das Nest steht in tiefliegenden oder doch in sumpfigen Gegenden; denn einzelne Arten nisten,
wie uns Radde belehrt, auch in hoch über dem Meere gelegenen Morästen der Gebirge. Alle Arten
legen blos zwei länglich runde, auf grünlichem Grunde braun gefleckte Eier. Beide Gatten brüten
abwechselnd und ätzen anfänglich die Jungen, welche wahrscheinlich während der ersten Tage im Neste
verweilen und dann erst ausgeführt werden. Jhr Wachsthum geht ziemlich rasch von statten; doch
brauchen sie immerhin mehrere Monate, bevor sie flugfähig sind.

Die Kraniche haben wenig Feinde. Jhre sprüchwörtliche Vorsicht schützt sie vor vielen Gefahren,
insbesondere die älteren, welche von Jahr zu Jahr klüger werden. Jn der Winterherberge werden
einzelne, wie ich aus Erfahrung weiß, von Krokodilen weggeschnappt: andere Feinde, welche ihnen
gefährlich werden können, sind mir nicht bekannt; denn die Edelfalken, die man noch häufig in Jndien
zur Kranichbaize gebraucht, können nicht als natürliche Feinde angesehen werden, und die starken Adler
werden schwerlich Jagd auf sie machen. Der Mensch verfolgt sie ihres schmackhaften Fleisches wegen
oder um ihre Plündereien der Felder abzuwehren; aber auch dieser Feind wird ihnen nicht sehr
gefährlich, da ihre Klugheit die meisten Nachstellungen zu vereiteln weiß. Dagegen nimmt man
überall, wo Kraniche leben, die Nestjungen aus, um sie großzuziehen. Alle Arten, ohne Ausnahme,
gewöhnen sich leicht an die Gefangenschaft und leicht an den Menschen, treten mit ihrem Pfleger in
ein inniges Freundschaftsverhältniß und erfreuen durch die Zierlichkeit ihrer Bewegungen, die Anmuth

Die Läufer. Stelzvögel. Kraniche.
fläche emporſteigt. Daß die ſtarke Stimme mit dieſem Baue in Verbindung ſteht, unterliegt
keinem Zweifel.

Die Kraniche ſind Weltbürger; doch darf man nur den gemäßigten Gürtel als ihre wirkliche
Heimat anſehen. Jeder Erdtheil beherbergt ſeine beſonderen Arten, Aſien die meiſten. Die im
Norden lebenden Arten beſuchen die Länder unter den Wendekreiſen, brüten jedoch nicht in ihnen, und
der Verbreitungskreis der ſüdlichen Arten reicht auch nur bis an den Wendekreis heran. Ausgedehnte
Sümpfe und Moräſte bilden ihre Wohnſitze; ſolche, welche an bebautes Land grenzen, ſcheinen
bevorzugt zu werden, da die Vögel ebenſogut im Sumpfe als auf den Feldern ſich Nahrung erwählen.
Jn ihrem Weſen ſtimmen die bekannten Arten ſehr überein. Sie gehen mit abgemeſſenen Schritten,
jedoch zierlich einher, gefallen ſich in anmuthigen tanzartigen Sprüngen, bewahren ſich ſtets
eine gewiſſe Würde, waten ziemlich tief ins Waſſer, ſind auch im Stande zu ſchwimmen, thun Dies
aber nur ungern, fliegen leicht, ſchön, oft ſchwebend und große Kreiſe beſchreibend, mit gerade aus-
geſtrecktem Halſe und Beinen, meiſt in hoher Luft dahin, haben eine laute, durchdringende Stimme,
ſind klug und verſtändig, gewöhnlich auch heiter, neckluſtig, aber ebenſo kampfesmuthig und ſelbſt
mordſüchtig, zeigen ſich gegen Jhresgleichen äußerſt geſellig und nehmen auch gern Familienver-
wandte, jedoch nur ſolche im engeren Sinne, unter ſich auf, bekümmern ſich ſonſt aber wenig oder
nicht um andere Thiere oder maßen ſich, wenn ſie es thun, die Oberherrſchaft über dieſe an. Jhre
Thätigkeit währt vom frühen Morgen bis zum ſpäten Abend, doch widmen ſie nur wenige Morgen-
ſtunden dem Aufſuchen ihrer Nahrung, die übrige Zeit aber der Geſelligkeit. Auf ihrem Zuge, welcher
ſie bis in die Wendekreisländer bringt, reiſen ſie faſt ununterbrochen, d. h. bei Nacht ebenſowohl als
bei Tage, ſcheinen ſich kaum zur Aufnahme des Futters und noch weniger zum Schlafen Zeit zu
gönnen, legen deshalb auch ihre Wanderungen in überraſchend kurzer Zeit zurück.

Alle Kraniche ſind Pflanzenfreſſer. Wohl nehmen ſie gelegentlich auch Kerbthiere und Würmer,
einen kleinen Lurch oder ein Fiſchchen mit auf, plündern zuweilen ebenſo ein Vogelneſt aus, ſcheinen
aber doch die thieriſche Nahrung nur als Leckerei zu betrachten. Ein Hauptfutter bilden Körner ver-
ſchiedener Art, insbeſondere Getreide; außerdem freſſen ſie Knospeu, Blätterſpitzen, Wurzeln oder
Knollengewächſe. Da, wo ſie häufig auftreten, können ſie durch ihre Räubereien im Felde läſtig
werden; wenigſtens klagen die Jndier über den Schaden, welchen die bei ihnen überwinternden grauen,
Rieſen- und Jungfernkraniche ihnen zufügen. Bei uns wird man den Schaden nicht hoch anſchlagen
dürfen, da die ſchönen Vögel von Jahr zu Jahr ſeltener werden und die Durchziehenden zu einer Zeit
uns beſuchen, in der ſie auf den Feldern wenig Unfug ſtiften können.

Das Neſt ſteht in tiefliegenden oder doch in ſumpfigen Gegenden; denn einzelne Arten niſten,
wie uns Radde belehrt, auch in hoch über dem Meere gelegenen Moräſten der Gebirge. Alle Arten
legen blos zwei länglich runde, auf grünlichem Grunde braun gefleckte Eier. Beide Gatten brüten
abwechſelnd und ätzen anfänglich die Jungen, welche wahrſcheinlich während der erſten Tage im Neſte
verweilen und dann erſt ausgeführt werden. Jhr Wachsthum geht ziemlich raſch von ſtatten; doch
brauchen ſie immerhin mehrere Monate, bevor ſie flugfähig ſind.

Die Kraniche haben wenig Feinde. Jhre ſprüchwörtliche Vorſicht ſchützt ſie vor vielen Gefahren,
insbeſondere die älteren, welche von Jahr zu Jahr klüger werden. Jn der Winterherberge werden
einzelne, wie ich aus Erfahrung weiß, von Krokodilen weggeſchnappt: andere Feinde, welche ihnen
gefährlich werden können, ſind mir nicht bekannt; denn die Edelfalken, die man noch häufig in Jndien
zur Kranichbaize gebraucht, können nicht als natürliche Feinde angeſehen werden, und die ſtarken Adler
werden ſchwerlich Jagd auf ſie machen. Der Menſch verfolgt ſie ihres ſchmackhaften Fleiſches wegen
oder um ihre Plündereien der Felder abzuwehren; aber auch dieſer Feind wird ihnen nicht ſehr
gefährlich, da ihre Klugheit die meiſten Nachſtellungen zu vereiteln weiß. Dagegen nimmt man
überall, wo Kraniche leben, die Neſtjungen aus, um ſie großzuziehen. Alle Arten, ohne Ausnahme,
gewöhnen ſich leicht an die Gefangenſchaft und leicht an den Menſchen, treten mit ihrem Pfleger in
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[722/0766] Die Läufer. Stelzvögel. Kraniche. fläche emporſteigt. Daß die ſtarke Stimme mit dieſem Baue in Verbindung ſteht, unterliegt keinem Zweifel. Die Kraniche ſind Weltbürger; doch darf man nur den gemäßigten Gürtel als ihre wirkliche Heimat anſehen. Jeder Erdtheil beherbergt ſeine beſonderen Arten, Aſien die meiſten. Die im Norden lebenden Arten beſuchen die Länder unter den Wendekreiſen, brüten jedoch nicht in ihnen, und der Verbreitungskreis der ſüdlichen Arten reicht auch nur bis an den Wendekreis heran. Ausgedehnte Sümpfe und Moräſte bilden ihre Wohnſitze; ſolche, welche an bebautes Land grenzen, ſcheinen bevorzugt zu werden, da die Vögel ebenſogut im Sumpfe als auf den Feldern ſich Nahrung erwählen. Jn ihrem Weſen ſtimmen die bekannten Arten ſehr überein. Sie gehen mit abgemeſſenen Schritten, jedoch zierlich einher, gefallen ſich in anmuthigen tanzartigen Sprüngen, bewahren ſich ſtets eine gewiſſe Würde, waten ziemlich tief ins Waſſer, ſind auch im Stande zu ſchwimmen, thun Dies aber nur ungern, fliegen leicht, ſchön, oft ſchwebend und große Kreiſe beſchreibend, mit gerade aus- geſtrecktem Halſe und Beinen, meiſt in hoher Luft dahin, haben eine laute, durchdringende Stimme, ſind klug und verſtändig, gewöhnlich auch heiter, neckluſtig, aber ebenſo kampfesmuthig und ſelbſt mordſüchtig, zeigen ſich gegen Jhresgleichen äußerſt geſellig und nehmen auch gern Familienver- wandte, jedoch nur ſolche im engeren Sinne, unter ſich auf, bekümmern ſich ſonſt aber wenig oder nicht um andere Thiere oder maßen ſich, wenn ſie es thun, die Oberherrſchaft über dieſe an. Jhre Thätigkeit währt vom frühen Morgen bis zum ſpäten Abend, doch widmen ſie nur wenige Morgen- ſtunden dem Aufſuchen ihrer Nahrung, die übrige Zeit aber der Geſelligkeit. Auf ihrem Zuge, welcher ſie bis in die Wendekreisländer bringt, reiſen ſie faſt ununterbrochen, d. h. bei Nacht ebenſowohl als bei Tage, ſcheinen ſich kaum zur Aufnahme des Futters und noch weniger zum Schlafen Zeit zu gönnen, legen deshalb auch ihre Wanderungen in überraſchend kurzer Zeit zurück. Alle Kraniche ſind Pflanzenfreſſer. Wohl nehmen ſie gelegentlich auch Kerbthiere und Würmer, einen kleinen Lurch oder ein Fiſchchen mit auf, plündern zuweilen ebenſo ein Vogelneſt aus, ſcheinen aber doch die thieriſche Nahrung nur als Leckerei zu betrachten. Ein Hauptfutter bilden Körner ver- ſchiedener Art, insbeſondere Getreide; außerdem freſſen ſie Knospeu, Blätterſpitzen, Wurzeln oder Knollengewächſe. Da, wo ſie häufig auftreten, können ſie durch ihre Räubereien im Felde läſtig werden; wenigſtens klagen die Jndier über den Schaden, welchen die bei ihnen überwinternden grauen, Rieſen- und Jungfernkraniche ihnen zufügen. Bei uns wird man den Schaden nicht hoch anſchlagen dürfen, da die ſchönen Vögel von Jahr zu Jahr ſeltener werden und die Durchziehenden zu einer Zeit uns beſuchen, in der ſie auf den Feldern wenig Unfug ſtiften können. Das Neſt ſteht in tiefliegenden oder doch in ſumpfigen Gegenden; denn einzelne Arten niſten, wie uns Radde belehrt, auch in hoch über dem Meere gelegenen Moräſten der Gebirge. Alle Arten legen blos zwei länglich runde, auf grünlichem Grunde braun gefleckte Eier. Beide Gatten brüten abwechſelnd und ätzen anfänglich die Jungen, welche wahrſcheinlich während der erſten Tage im Neſte verweilen und dann erſt ausgeführt werden. Jhr Wachsthum geht ziemlich raſch von ſtatten; doch brauchen ſie immerhin mehrere Monate, bevor ſie flugfähig ſind. Die Kraniche haben wenig Feinde. Jhre ſprüchwörtliche Vorſicht ſchützt ſie vor vielen Gefahren, insbeſondere die älteren, welche von Jahr zu Jahr klüger werden. Jn der Winterherberge werden einzelne, wie ich aus Erfahrung weiß, von Krokodilen weggeſchnappt: andere Feinde, welche ihnen gefährlich werden können, ſind mir nicht bekannt; denn die Edelfalken, die man noch häufig in Jndien zur Kranichbaize gebraucht, können nicht als natürliche Feinde angeſehen werden, und die ſtarken Adler werden ſchwerlich Jagd auf ſie machen. Der Menſch verfolgt ſie ihres ſchmackhaften Fleiſches wegen oder um ihre Plündereien der Felder abzuwehren; aber auch dieſer Feind wird ihnen nicht ſehr gefährlich, da ihre Klugheit die meiſten Nachſtellungen zu vereiteln weiß. Dagegen nimmt man überall, wo Kraniche leben, die Neſtjungen aus, um ſie großzuziehen. Alle Arten, ohne Ausnahme, gewöhnen ſich leicht an die Gefangenſchaft und leicht an den Menſchen, treten mit ihrem Pfleger in ein inniges Freundſchaftsverhältniß und erfreuen durch die Zierlichkeit ihrer Bewegungen, die Anmuth

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 722. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/766>, abgerufen am 22.11.2024.