Jm Verlaufe der Zeit wurde jener Vogel so zahm und vertrauensvoll, daß er seiner Pflegerin gestattete, ihn zu berühren oder seine Schwingen zu untersuchen, auf deren Ruf hörte, und vom fernsten Winkel herbeikam, sie mit Schnabelgeklapper begrüßte oder sie selbst in der Küche aufsuchte. Zum Bedauern seines Gebieters starb er schon, nachdem er vier Monate lang in Gefangenschaft gewesen war.
Ueber die Gefangenen des kölner Gartens theilte mir Bodinus das Nachstehende mit: "Der Sattelstorch ist unzweifelhaft einer der bemerkenswerthesten Vögel. Die stattlich hohe Gestalt, der seltsam geformte und prachtvoll gezeichnete Schnabel, die scharf ausgesprochene Färbung des Gefieders ziehen nothwendig die Aufmerksamkeit jedes Besuchers und Thierfreundes auf sich. Soviel ich an den drei Stücken, welche ich für den hiesigen Garten erwarb, beobachten konnte, hat der prächtige Vogel vor anderen den Vorzug großer Dauerhaftigkeit. Zwei von den unserigen, jetzt wahr- scheinlich im zweiten Lebensjahre stehenden Vögel, haben noch nicht die Größe des älteren, welcher mindestens sechs Jahre zählt, erreicht; ihr Schnabel hat noch nicht die scharf abgegrenzten drei Farben erhalten und ihr Gefieder ist noch, obwohl im allgemeinen dem des alten Vogels nahe kommend, mit einem schmuzigen Grau gemischt. Trotz ihrer Jugend scheinen diese beiden doch schon durch das Band der Liebe eng verbunden zu sein. Sie schnäbeln sich gegenseitig, begrüßen sich nach ihrer Trennung mit freudigem Schnabelgeklapper, und lassen unschwer erkennen, daß nicht blos geschwisterliche Zuneigung sie an einander fesselt. Dem Menschen gegenüber bekunden sie die Zutraulichkeit und Klugheit des Storches; ihre Bekannten kennen sie genau. Sie verzehren mit gleichem Behagen Fische wie Fleisch, scheinen auch gegen Witterungswechsel nicht übermäßig empfindlich zu sein, obwohl ich sie selbstverständlich in dieser Hinsicht nicht auf zu harte Probe gestellt habe. Den Sommer verleben sie am Ufer eines Weihers, und es ist wirklich ein Genuß, sie hier umherstolziren zu sehen. Jede ihrer Bewegungen fesselt und ihr Betragen erscheint ebenso anziehend als ihre Gestalt. Sie gehen gern ins Wasser und baden oft, beschäftigen sich fast nur mit sich und leben deshalb mit allen Mitbewohnern ihres Geheges im besten Einvernehmen."
Die häßlichsten aller Störche bewohnen Südasien und Mittelafrika. Sie werden Kropfstörche genannt, weil ihre Speiseröhre sich am Unterhalse zu einem weiten Sacke ausdehnt, welcher zwar wenig Aehnlichkeit mit dem eigentlichen Kropfe hat, aber doch in derselben Weise gebraucht wird. Uebrigens kennzeichnen sie sich durch kräftigen, fast ungeschlachten Leib, dicken, nackten Hals, nackten oder höchstens mit wenigen flaumartigen Federn bekleideten, grindigen Kopf, einen ungeheueren, an der Wurzel sehr dicken, vierseitigen, vorn keilförmig zugespitzten, leichten Schnabel, dessen äußere Bekleidung durch ihre Unebenheit und Rauhigkeit auffällt, hohe Beine, gewaltige, abgerundete Flügel, in denen die vierte Schwinge die längste, und einen mittellangen Schwanz, dessen untere Deckfedern außerordentlich entwickelt, namentlich von der Wurzel an fein zerschlissen sind und deshalb prächtige Schmuckfedern abgeben.
Die Kropfstörche leben mit dem Menschen in vertrauterem Verhältnisse, aber nicht, weil sie in dessen Nähe brüten, sondern weil sie sich durch Aufzehren von allerlei Unrath sehr verdient machen. Jn Jndien hält man sie, laut Dussumier, fast ebenso heilig, wie ehedem in Egypten den Jbis; sie stehen unter öffentlichem Schutze und werden deshalb den Eingebornen nicht selten lästig und gefährlich. Sie bewohnen alle größeren Städte Jndiens, spazieren in den Straßen von Kalkutta umher, leben in den Häusern, finden sich auf den Schlachtplätzen ein und fliegen zu bestimmten Stunden nach anderen, nahrungversprechenden Orten, z. B. nach den Festungswerken, um die Ueber- reste der Mahlzeiten dort in Empfang zu nehmen, gehören zu den regelmäßigen Gästen des Schindangers, streiten sich mit den Geiern überhaupt um jedes Aas und schiffen mit diesen nicht selten auf den Leichnamen, welche von den ärmeren Hindus in den heiligen Strom geworfen worden,
Die Läufer. Stelzvögel. Störche.
Jm Verlaufe der Zeit wurde jener Vogel ſo zahm und vertrauensvoll, daß er ſeiner Pflegerin geſtattete, ihn zu berühren oder ſeine Schwingen zu unterſuchen, auf deren Ruf hörte, und vom fernſten Winkel herbeikam, ſie mit Schnabelgeklapper begrüßte oder ſie ſelbſt in der Küche aufſuchte. Zum Bedauern ſeines Gebieters ſtarb er ſchon, nachdem er vier Monate lang in Gefangenſchaft geweſen war.
Ueber die Gefangenen des kölner Gartens theilte mir Bodinus das Nachſtehende mit: „Der Sattelſtorch iſt unzweifelhaft einer der bemerkenswertheſten Vögel. Die ſtattlich hohe Geſtalt, der ſeltſam geformte und prachtvoll gezeichnete Schnabel, die ſcharf ausgeſprochene Färbung des Gefieders ziehen nothwendig die Aufmerkſamkeit jedes Beſuchers und Thierfreundes auf ſich. Soviel ich an den drei Stücken, welche ich für den hieſigen Garten erwarb, beobachten konnte, hat der prächtige Vogel vor anderen den Vorzug großer Dauerhaftigkeit. Zwei von den unſerigen, jetzt wahr- ſcheinlich im zweiten Lebensjahre ſtehenden Vögel, haben noch nicht die Größe des älteren, welcher mindeſtens ſechs Jahre zählt, erreicht; ihr Schnabel hat noch nicht die ſcharf abgegrenzten drei Farben erhalten und ihr Gefieder iſt noch, obwohl im allgemeinen dem des alten Vogels nahe kommend, mit einem ſchmuzigen Grau gemiſcht. Trotz ihrer Jugend ſcheinen dieſe beiden doch ſchon durch das Band der Liebe eng verbunden zu ſein. Sie ſchnäbeln ſich gegenſeitig, begrüßen ſich nach ihrer Trennung mit freudigem Schnabelgeklapper, und laſſen unſchwer erkennen, daß nicht blos geſchwiſterliche Zuneigung ſie an einander feſſelt. Dem Menſchen gegenüber bekunden ſie die Zutraulichkeit und Klugheit des Storches; ihre Bekannten kennen ſie genau. Sie verzehren mit gleichem Behagen Fiſche wie Fleiſch, ſcheinen auch gegen Witterungswechſel nicht übermäßig empfindlich zu ſein, obwohl ich ſie ſelbſtverſtändlich in dieſer Hinſicht nicht auf zu harte Probe geſtellt habe. Den Sommer verleben ſie am Ufer eines Weihers, und es iſt wirklich ein Genuß, ſie hier umherſtolziren zu ſehen. Jede ihrer Bewegungen feſſelt und ihr Betragen erſcheint ebenſo anziehend als ihre Geſtalt. Sie gehen gern ins Waſſer und baden oft, beſchäftigen ſich faſt nur mit ſich und leben deshalb mit allen Mitbewohnern ihres Geheges im beſten Einvernehmen.“
Die häßlichſten aller Störche bewohnen Südaſien und Mittelafrika. Sie werden Kropfſtörche genannt, weil ihre Speiſeröhre ſich am Unterhalſe zu einem weiten Sacke ausdehnt, welcher zwar wenig Aehnlichkeit mit dem eigentlichen Kropfe hat, aber doch in derſelben Weiſe gebraucht wird. Uebrigens kennzeichnen ſie ſich durch kräftigen, faſt ungeſchlachten Leib, dicken, nackten Hals, nackten oder höchſtens mit wenigen flaumartigen Federn bekleideten, grindigen Kopf, einen ungeheueren, an der Wurzel ſehr dicken, vierſeitigen, vorn keilförmig zugeſpitzten, leichten Schnabel, deſſen äußere Bekleidung durch ihre Unebenheit und Rauhigkeit auffällt, hohe Beine, gewaltige, abgerundete Flügel, in denen die vierte Schwinge die längſte, und einen mittellangen Schwanz, deſſen untere Deckfedern außerordentlich entwickelt, namentlich von der Wurzel an fein zerſchliſſen ſind und deshalb prächtige Schmuckfedern abgeben.
Die Kropfſtörche leben mit dem Menſchen in vertrauterem Verhältniſſe, aber nicht, weil ſie in deſſen Nähe brüten, ſondern weil ſie ſich durch Aufzehren von allerlei Unrath ſehr verdient machen. Jn Jndien hält man ſie, laut Duſſumier, faſt ebenſo heilig, wie ehedem in Egypten den Jbis; ſie ſtehen unter öffentlichem Schutze und werden deshalb den Eingebornen nicht ſelten läſtig und gefährlich. Sie bewohnen alle größeren Städte Jndiens, ſpazieren in den Straßen von Kalkutta umher, leben in den Häuſern, finden ſich auf den Schlachtplätzen ein und fliegen zu beſtimmten Stunden nach anderen, nahrungverſprechenden Orten, z. B. nach den Feſtungswerken, um die Ueber- reſte der Mahlzeiten dort in Empfang zu nehmen, gehören zu den regelmäßigen Gäſten des Schindangers, ſtreiten ſich mit den Geiern überhaupt um jedes Aas und ſchiffen mit dieſen nicht ſelten auf den Leichnamen, welche von den ärmeren Hindus in den heiligen Strom geworfen worden,
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Die Läufer. Stelzvögel. Störche.
Jm Verlaufe der Zeit wurde jener Vogel ſo zahm und vertrauensvoll, daß er ſeiner Pflegerin
geſtattete, ihn zu berühren oder ſeine Schwingen zu unterſuchen, auf deren Ruf hörte, und vom fernſten
Winkel herbeikam, ſie mit Schnabelgeklapper begrüßte oder ſie ſelbſt in der Küche aufſuchte. Zum
Bedauern ſeines Gebieters ſtarb er ſchon, nachdem er vier Monate lang in Gefangenſchaft geweſen war.
Ueber die Gefangenen des kölner Gartens theilte mir Bodinus das Nachſtehende mit: „Der
Sattelſtorch iſt unzweifelhaft einer der bemerkenswertheſten Vögel. Die ſtattlich hohe Geſtalt, der
ſeltſam geformte und prachtvoll gezeichnete Schnabel, die ſcharf ausgeſprochene Färbung des Gefieders
ziehen nothwendig die Aufmerkſamkeit jedes Beſuchers und Thierfreundes auf ſich. Soviel ich an
den drei Stücken, welche ich für den hieſigen Garten erwarb, beobachten konnte, hat der prächtige
Vogel vor anderen den Vorzug großer Dauerhaftigkeit. Zwei von den unſerigen, jetzt wahr-
ſcheinlich im zweiten Lebensjahre ſtehenden Vögel, haben noch nicht die Größe des älteren, welcher
mindeſtens ſechs Jahre zählt, erreicht; ihr Schnabel hat noch nicht die ſcharf abgegrenzten drei Farben
erhalten und ihr Gefieder iſt noch, obwohl im allgemeinen dem des alten Vogels nahe kommend, mit
einem ſchmuzigen Grau gemiſcht. Trotz ihrer Jugend ſcheinen dieſe beiden doch ſchon durch das Band
der Liebe eng verbunden zu ſein. Sie ſchnäbeln ſich gegenſeitig, begrüßen ſich nach ihrer Trennung
mit freudigem Schnabelgeklapper, und laſſen unſchwer erkennen, daß nicht blos geſchwiſterliche
Zuneigung ſie an einander feſſelt. Dem Menſchen gegenüber bekunden ſie die Zutraulichkeit und
Klugheit des Storches; ihre Bekannten kennen ſie genau. Sie verzehren mit gleichem Behagen Fiſche
wie Fleiſch, ſcheinen auch gegen Witterungswechſel nicht übermäßig empfindlich zu ſein, obwohl ich ſie
ſelbſtverſtändlich in dieſer Hinſicht nicht auf zu harte Probe geſtellt habe. Den Sommer verleben ſie
am Ufer eines Weihers, und es iſt wirklich ein Genuß, ſie hier umherſtolziren zu ſehen. Jede ihrer
Bewegungen feſſelt und ihr Betragen erſcheint ebenſo anziehend als ihre Geſtalt. Sie gehen gern ins
Waſſer und baden oft, beſchäftigen ſich faſt nur mit ſich und leben deshalb mit allen Mitbewohnern
ihres Geheges im beſten Einvernehmen.“
Die häßlichſten aller Störche bewohnen Südaſien und Mittelafrika. Sie werden Kropfſtörche
genannt, weil ihre Speiſeröhre ſich am Unterhalſe zu einem weiten Sacke ausdehnt, welcher zwar
wenig Aehnlichkeit mit dem eigentlichen Kropfe hat, aber doch in derſelben Weiſe gebraucht wird.
Uebrigens kennzeichnen ſie ſich durch kräftigen, faſt ungeſchlachten Leib, dicken, nackten Hals, nackten
oder höchſtens mit wenigen flaumartigen Federn bekleideten, grindigen Kopf, einen ungeheueren, an
der Wurzel ſehr dicken, vierſeitigen, vorn keilförmig zugeſpitzten, leichten Schnabel, deſſen äußere
Bekleidung durch ihre Unebenheit und Rauhigkeit auffällt, hohe Beine, gewaltige, abgerundete Flügel,
in denen die vierte Schwinge die längſte, und einen mittellangen Schwanz, deſſen untere Deckfedern
außerordentlich entwickelt, namentlich von der Wurzel an fein zerſchliſſen ſind und deshalb prächtige
Schmuckfedern abgeben.
Die Kropfſtörche leben mit dem Menſchen in vertrauterem Verhältniſſe, aber nicht, weil ſie in
deſſen Nähe brüten, ſondern weil ſie ſich durch Aufzehren von allerlei Unrath ſehr verdient machen.
Jn Jndien hält man ſie, laut Duſſumier, faſt ebenſo heilig, wie ehedem in Egypten den Jbis; ſie
ſtehen unter öffentlichem Schutze und werden deshalb den Eingebornen nicht ſelten läſtig und
gefährlich. Sie bewohnen alle größeren Städte Jndiens, ſpazieren in den Straßen von Kalkutta
umher, leben in den Häuſern, finden ſich auf den Schlachtplätzen ein und fliegen zu beſtimmten
Stunden nach anderen, nahrungverſprechenden Orten, z. B. nach den Feſtungswerken, um die Ueber-
reſte der Mahlzeiten dort in Empfang zu nehmen, gehören zu den regelmäßigen Gäſten des
Schindangers, ſtreiten ſich mit den Geiern überhaupt um jedes Aas und ſchiffen mit dieſen nicht
ſelten auf den Leichnamen, welche von den ärmeren Hindus in den heiligen Strom geworfen worden,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/730>, abgerufen am 22.11.2024.
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