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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Späher. Klettervögel. Spechte.
Wiese wiederholt hat, auch ein mittelbarer; denn die Spechte sind bis jetzt die alleinigen Erbauer der
Wohnungen unserer nützlichen Höhlenbrüter. Leider will man noch immer nicht einsehen, daß diesen
Waldhütern Wohnungen gebaut oder wenigstens gelassen werden müssen, daß ein alter, hohler
Baum, welcher ihnen geeignete Nistplätze bietet, wenn er im Walde stehen bleibt, ungleich höhere Zin-
sen trägt, als wenn er gefällt und zu Klaftern aufgeschichtet wird, und deshalb sollte man umsomehr
bedacht sein, die Spechte gewähren zu lassen. Gloger meint, daß "jeder einzelne Specht für sich
allein durchschnittlich schon im Verlaufe eines Jahres gewiß mindestens ein Dutzend, ja oft wohl mehr
als doppelt so viele bestens eingerichtete Höhlen für andere Höhlenbrüter fertig liefere", mithin ebenso
viele Paare der letzteren versorge; denn es bleibe ohne Zweifel bei den Spechten "als gebornen Zim-
merleuten der Vogelwelt noch der bei weitem unbedeutendere Theil ihres nützlichen Schaffens, daß
jedes Paar von ihnen sich im Frühling stets eine ganz neue Bruthöhle anfertigt, um sie niemals wie-
der selbst zu benutzen". Dies ist nun freilich nicht wahr: denn mein Vater sowohl als ich selbst haben
gerade das Gegentheil beobachtet; aber sehr richtig ist die weiterhin von Gloger aufgestellte Behaup-
tung, daß die Spechte eine gewisse Neigung zeigen, sich auch während ihrer Strichzeit überall, wo sie
nicht blos ganz kurze Zeit verweilen, eine Höhle zum Schlafen zurecht zu machen, und daß sie bei dieser
Arbeit einen gewissen Eigensinn bekunden, indem sie nicht selten eine, auch wohl zwei bereits ange-
fangene und halb fertig gearbeitete Höhlen wieder verlassen, welche den meisten andern Höhlenbrütern
schon ausgezeichnet brauchbar erscheinen, kurz, daß sie für das Wohl dieser nützlichen Geschöpfe nach
besten Kräften sorgen, und deshalb schließe ich mich mit vollster Ueberzeugung der in einer wenig gele-
senen fachwissenschaftlichen Zeitschrift ausgesprochenen Bitte Wiese's an, die Spechte zu schonen und
empfehle auch meinen Lefern sie alle ohne Ausnahme "die großen und die kleinen, die schwarzen, grü-
nen und bunten als bewährte Freunde der Wälder.... Die Spechte, wenn sie auch die schadhaften
Stellen an den Bäumen aufdecken, schaden entschieden weniger, als sie im Haushalt der Forste unmit-
telbar wie mittelbar Nutzen stiften. Sie werden schon durch die Einrichtungen des Forstmannes
genug beengt und beschränkt in ihrer Vermehrung; es bedarf dazu nicht mehr einer unmittelbaren
Verfolgung durch Schießgewehr. Jmmer seltener werden in vielen Forsten die Bäume, welche sie
regelmäßig und gern behufs Anlage von Höhlungen aufsuchen, und wohl dürfte es an der Zeit sein,
zu ihrer Hegung einige von diesen anbrüchigen Bäumen recht absichtlich überzuhalten, damit Spechte
und Höhlenbrüter sie benutzen. Jch bin der Ueberzeugung, daß dadurch ebensowenig dem Vortheile
des Waldbesitzers, wie dem Rufe des Forstmannes irgend eine Beeinträchtigung erwachsen kann".
Also Schutz und freies Geleit, Hegung und Pflege diesen nützlichsten und wichtigsten aller unserer
Waldhüter!



Die erste Gruppe der Spechte, welche wir als Familie bezeichnen wollen, umfaßt die Schwarz-
spechte
(Dryocopi). Sie sind die größten und kräftigsten der gesammten Zunft, ausgezeichnet durch
ihre vorherrschende schwarze Färbung und ihr oft zu einer Haube verlängertes Kopfgefieder, im übrigen
aber von dem allgemeinen Gepräge nicht abweichend. Jhre wahre Heimat scheint Amerika zu sein.
Hier sind sie durch alle Gürtel verbreitet, während sie in der alten Welt nur durch ein in Europa vor-
kommendes Mitglied und einige, aber schon abweichende indische Arten vertreten sind.

Unser Schwarzspecht (Dryocopus Martius), der Krähen-, Berg- oder Luderspecht, die
Holz-, Hohl- oder Lochkrähe, der Tannenroller etc. ist einfarbig mattschwarz, am Oberkopf
aber karmoisinroth, und zwar nimmt diese Farbe beim Männchen den ganzen Oberkopf ein, während sie
sich beim Weibchen auf eine Stelle des Hinterkopfes beschränkt. Das Auge ist mattschwefelgelb, der
Schnabel perlfarbig, an der Spitze blaßschieferblau, der Fuß bleigrau. Die Jungen unterscheiden sich
wenig von den Alten. Die Länge beträgt 17 bis 18, die Breite 28 bis 29, die Schwanzlänge 6
bis 61/2 Zoll.

Die Späher. Klettervögel. Spechte.
Wieſe wiederholt hat, auch ein mittelbarer; denn die Spechte ſind bis jetzt die alleinigen Erbauer der
Wohnungen unſerer nützlichen Höhlenbrüter. Leider will man noch immer nicht einſehen, daß dieſen
Waldhütern Wohnungen gebaut oder wenigſtens gelaſſen werden müſſen, daß ein alter, hohler
Baum, welcher ihnen geeignete Niſtplätze bietet, wenn er im Walde ſtehen bleibt, ungleich höhere Zin-
ſen trägt, als wenn er gefällt und zu Klaftern aufgeſchichtet wird, und deshalb ſollte man umſomehr
bedacht ſein, die Spechte gewähren zu laſſen. Gloger meint, daß „jeder einzelne Specht für ſich
allein durchſchnittlich ſchon im Verlaufe eines Jahres gewiß mindeſtens ein Dutzend, ja oft wohl mehr
als doppelt ſo viele beſtens eingerichtete Höhlen für andere Höhlenbrüter fertig liefere“, mithin ebenſo
viele Paare der letzteren verſorge; denn es bleibe ohne Zweifel bei den Spechten „als gebornen Zim-
merleuten der Vogelwelt noch der bei weitem unbedeutendere Theil ihres nützlichen Schaffens, daß
jedes Paar von ihnen ſich im Frühling ſtets eine ganz neue Bruthöhle anfertigt, um ſie niemals wie-
der ſelbſt zu benutzen“. Dies iſt nun freilich nicht wahr: denn mein Vater ſowohl als ich ſelbſt haben
gerade das Gegentheil beobachtet; aber ſehr richtig iſt die weiterhin von Gloger aufgeſtellte Behaup-
tung, daß die Spechte eine gewiſſe Neigung zeigen, ſich auch während ihrer Strichzeit überall, wo ſie
nicht blos ganz kurze Zeit verweilen, eine Höhle zum Schlafen zurecht zu machen, und daß ſie bei dieſer
Arbeit einen gewiſſen Eigenſinn bekunden, indem ſie nicht ſelten eine, auch wohl zwei bereits ange-
fangene und halb fertig gearbeitete Höhlen wieder verlaſſen, welche den meiſten andern Höhlenbrütern
ſchon ausgezeichnet brauchbar erſcheinen, kurz, daß ſie für das Wohl dieſer nützlichen Geſchöpfe nach
beſten Kräften ſorgen, und deshalb ſchließe ich mich mit vollſter Ueberzeugung der in einer wenig gele-
ſenen fachwiſſenſchaftlichen Zeitſchrift ausgeſprochenen Bitte Wieſe’s an, die Spechte zu ſchonen und
empfehle auch meinen Lefern ſie alle ohne Ausnahme „die großen und die kleinen, die ſchwarzen, grü-
nen und bunten als bewährte Freunde der Wälder.... Die Spechte, wenn ſie auch die ſchadhaften
Stellen an den Bäumen aufdecken, ſchaden entſchieden weniger, als ſie im Haushalt der Forſte unmit-
telbar wie mittelbar Nutzen ſtiften. Sie werden ſchon durch die Einrichtungen des Forſtmannes
genug beengt und beſchränkt in ihrer Vermehrung; es bedarf dazu nicht mehr einer unmittelbaren
Verfolgung durch Schießgewehr. Jmmer ſeltener werden in vielen Forſten die Bäume, welche ſie
regelmäßig und gern behufs Anlage von Höhlungen aufſuchen, und wohl dürfte es an der Zeit ſein,
zu ihrer Hegung einige von dieſen anbrüchigen Bäumen recht abſichtlich überzuhalten, damit Spechte
und Höhlenbrüter ſie benutzen. Jch bin der Ueberzeugung, daß dadurch ebenſowenig dem Vortheile
des Waldbeſitzers, wie dem Rufe des Forſtmannes irgend eine Beeinträchtigung erwachſen kann“.
Alſo Schutz und freies Geleit, Hegung und Pflege dieſen nützlichſten und wichtigſten aller unſerer
Waldhüter!



Die erſte Gruppe der Spechte, welche wir als Familie bezeichnen wollen, umfaßt die Schwarz-
ſpechte
(Dryocopi). Sie ſind die größten und kräftigſten der geſammten Zunft, ausgezeichnet durch
ihre vorherrſchende ſchwarze Färbung und ihr oft zu einer Haube verlängertes Kopfgefieder, im übrigen
aber von dem allgemeinen Gepräge nicht abweichend. Jhre wahre Heimat ſcheint Amerika zu ſein.
Hier ſind ſie durch alle Gürtel verbreitet, während ſie in der alten Welt nur durch ein in Europa vor-
kommendes Mitglied und einige, aber ſchon abweichende indiſche Arten vertreten ſind.

Unſer Schwarzſpecht (Dryocopus Martius), der Krähen-, Berg- oder Luderſpecht, die
Holz-, Hohl- oder Lochkrähe, der Tannenroller ꝛc. iſt einfarbig mattſchwarz, am Oberkopf
aber karmoiſinroth, und zwar nimmt dieſe Farbe beim Männchen den ganzen Oberkopf ein, während ſie
ſich beim Weibchen auf eine Stelle des Hinterkopfes beſchränkt. Das Auge iſt mattſchwefelgelb, der
Schnabel perlfarbig, an der Spitze blaßſchieferblau, der Fuß bleigrau. Die Jungen unterſcheiden ſich
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[60/0072] Die Späher. Klettervögel. Spechte. Wieſe wiederholt hat, auch ein mittelbarer; denn die Spechte ſind bis jetzt die alleinigen Erbauer der Wohnungen unſerer nützlichen Höhlenbrüter. Leider will man noch immer nicht einſehen, daß dieſen Waldhütern Wohnungen gebaut oder wenigſtens gelaſſen werden müſſen, daß ein alter, hohler Baum, welcher ihnen geeignete Niſtplätze bietet, wenn er im Walde ſtehen bleibt, ungleich höhere Zin- ſen trägt, als wenn er gefällt und zu Klaftern aufgeſchichtet wird, und deshalb ſollte man umſomehr bedacht ſein, die Spechte gewähren zu laſſen. Gloger meint, daß „jeder einzelne Specht für ſich allein durchſchnittlich ſchon im Verlaufe eines Jahres gewiß mindeſtens ein Dutzend, ja oft wohl mehr als doppelt ſo viele beſtens eingerichtete Höhlen für andere Höhlenbrüter fertig liefere“, mithin ebenſo viele Paare der letzteren verſorge; denn es bleibe ohne Zweifel bei den Spechten „als gebornen Zim- merleuten der Vogelwelt noch der bei weitem unbedeutendere Theil ihres nützlichen Schaffens, daß jedes Paar von ihnen ſich im Frühling ſtets eine ganz neue Bruthöhle anfertigt, um ſie niemals wie- der ſelbſt zu benutzen“. Dies iſt nun freilich nicht wahr: denn mein Vater ſowohl als ich ſelbſt haben gerade das Gegentheil beobachtet; aber ſehr richtig iſt die weiterhin von Gloger aufgeſtellte Behaup- tung, daß die Spechte eine gewiſſe Neigung zeigen, ſich auch während ihrer Strichzeit überall, wo ſie nicht blos ganz kurze Zeit verweilen, eine Höhle zum Schlafen zurecht zu machen, und daß ſie bei dieſer Arbeit einen gewiſſen Eigenſinn bekunden, indem ſie nicht ſelten eine, auch wohl zwei bereits ange- fangene und halb fertig gearbeitete Höhlen wieder verlaſſen, welche den meiſten andern Höhlenbrütern ſchon ausgezeichnet brauchbar erſcheinen, kurz, daß ſie für das Wohl dieſer nützlichen Geſchöpfe nach beſten Kräften ſorgen, und deshalb ſchließe ich mich mit vollſter Ueberzeugung der in einer wenig gele- ſenen fachwiſſenſchaftlichen Zeitſchrift ausgeſprochenen Bitte Wieſe’s an, die Spechte zu ſchonen und empfehle auch meinen Lefern ſie alle ohne Ausnahme „die großen und die kleinen, die ſchwarzen, grü- nen und bunten als bewährte Freunde der Wälder.... Die Spechte, wenn ſie auch die ſchadhaften Stellen an den Bäumen aufdecken, ſchaden entſchieden weniger, als ſie im Haushalt der Forſte unmit- telbar wie mittelbar Nutzen ſtiften. Sie werden ſchon durch die Einrichtungen des Forſtmannes genug beengt und beſchränkt in ihrer Vermehrung; es bedarf dazu nicht mehr einer unmittelbaren Verfolgung durch Schießgewehr. Jmmer ſeltener werden in vielen Forſten die Bäume, welche ſie regelmäßig und gern behufs Anlage von Höhlungen aufſuchen, und wohl dürfte es an der Zeit ſein, zu ihrer Hegung einige von dieſen anbrüchigen Bäumen recht abſichtlich überzuhalten, damit Spechte und Höhlenbrüter ſie benutzen. Jch bin der Ueberzeugung, daß dadurch ebenſowenig dem Vortheile des Waldbeſitzers, wie dem Rufe des Forſtmannes irgend eine Beeinträchtigung erwachſen kann“. Alſo Schutz und freies Geleit, Hegung und Pflege dieſen nützlichſten und wichtigſten aller unſerer Waldhüter! Die erſte Gruppe der Spechte, welche wir als Familie bezeichnen wollen, umfaßt die Schwarz- ſpechte (Dryocopi). Sie ſind die größten und kräftigſten der geſammten Zunft, ausgezeichnet durch ihre vorherrſchende ſchwarze Färbung und ihr oft zu einer Haube verlängertes Kopfgefieder, im übrigen aber von dem allgemeinen Gepräge nicht abweichend. Jhre wahre Heimat ſcheint Amerika zu ſein. Hier ſind ſie durch alle Gürtel verbreitet, während ſie in der alten Welt nur durch ein in Europa vor- kommendes Mitglied und einige, aber ſchon abweichende indiſche Arten vertreten ſind. Unſer Schwarzſpecht (Dryocopus Martius), der Krähen-, Berg- oder Luderſpecht, die Holz-, Hohl- oder Lochkrähe, der Tannenroller ꝛc. iſt einfarbig mattſchwarz, am Oberkopf aber karmoiſinroth, und zwar nimmt dieſe Farbe beim Männchen den ganzen Oberkopf ein, während ſie ſich beim Weibchen auf eine Stelle des Hinterkopfes beſchränkt. Das Auge iſt mattſchwefelgelb, der Schnabel perlfarbig, an der Spitze blaßſchieferblau, der Fuß bleigrau. Die Jungen unterſcheiden ſich wenig von den Alten. Die Länge beträgt 17 bis 18, die Breite 28 bis 29, die Schwanzlänge 6 bis 6½ Zoll.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/72>, abgerufen am 26.11.2024.