mit Ausnahme der schwarzen Schwingen und längsten Deckfedern schmuzigweiß, das Auge braun, der Schnabel lack-, der Fuß blutroth, der kahle Fleck um das Auge grauschwarz. Die Länge beträgt 42, die Breite 86, die Fittiglänge 25, die Schwanzlänge 10 Zoll. Das Weibchen ist kleiner.
Mit Ausnahme der hochnordischen Länder fehlt der Storch keinem Theile Europas, obgleich er freilich nicht überall als Brutvogel gefunden wird. So besucht er unter anderen auch England, woselbst er früher häufig gewesen sein soll, gegenwärtig nur noch selten, vielleicht blos als Jrrling, und ebenso hat er sich aus Griechenland mehr oder weniger zurückgezogen, weil die herzlosen Bewohner der Morea ihn, den heiligen Vogel der Türkei, gänzlich verscheucht haben. "Da, wo die türkische Herrschaft sich länger erhielt, und der griechische Aufstand nicht Alles dem Erdboden gleichgemacht hatte", sagt Lindermayer, "blieben auch die Störche in dem ungeschmälerten Besitze ihrer Paläste, wie z. B. auf der Jnsel Euböa; da aber, wo das Hellenenthum schon von den ersten Tagen der Revolution frisch emporwuchs, verminderten sich oder verschwanden auch die Störche. So gibt es keine mehr in Nauplia, Patras, Syra und Athen." Auch in Spanien gehört der Storch in manchen, für ihn durchaus geeigneten Theilen des Landes zu den Seltenheiten, und zwar scheint es, als ob er hier ebenfalls vielleicht durch die letzteren Kriege vertrieben worden sei. Jn Polen, Preußen, über- haupt in ganz Norddeutschland und in Westfalen lebt er häufig, in Mittel- und Süddeutschland selten und blos hier und da; in den Gebirgen ist er sogut als unbekannt. Nach Osten hin scheint er sich nicht weit zu verbreiten: er kommt allerdings noch in Rußland, insbesondere im Süden dieses Staates vor; sein Verbreitungskreis reicht aber nicht bis Sibirien. Man hat früher geglaubt und sogar behauptet, daß viele Störche schon in den Mittelmeerländern Winterherberge nehmen: diese Ansicht ist jedoch irrthümlich; denn die Störche ziehen bis ins tiefste Jnnere von Afrika, nach meinen Beobachtungen noch über dem 13. Grade nördlicher Breite hinweg. Sie verweilen auch während ihres Zuges nicht in den nördlicher gelegenen Ländern, sondern eilen rastlos ihres Weges dahin. Jn Mittel- und Norddeutschland erscheint der Storch zwischen dem letzten Februar und ersten April, einige Vorläufer und Nachzügler ausgenommen. Einzelne kommen bereits Mitte Februars und andere noch in der zweiten Hälfte des April an; sie aber können die Regel nicht umstoßen. Jm Jnneren Afrikas treffen sie wenige Tage nach ihrer Abreise ein: ich sah sie bereits am ersten September im südlichen Nubien und noch am dreißigsten März bei Charthum.
Der Hausstorch bevorzugt ebene, flache und tiefe Gegenden, welche reich an Wasser und ins- besondere an Sümpfen und Morästen sind. Die Marschen Norddeutschlands und Hollands sagen ihm sehr zu, weil sie ihm die trefflichste Jagd gewähren. Trockene und hochgelegene Ebenen werden gemieden, aber auch nicht alle Sümpfe so stark bevölkert, als man glauben möchte. Es scheint nämlich, als ob noch eine zweite Bedingung erfüllt sein müßte, wenn dem Storche der Aufent- halt gefallen soll: er verlangt eine Gegend, in welcher der Mensch zur Herrschaft gekommen ist. Zwar siedeln sich viele Hausstörche auch fern von den menschlichen Wohnungen in Wäldern an und gründen hier auf starken Bäumen ihren großen Horst: die Mehrzahl aber nistet im Gehöft des Bauern oder wenigstens auf den Dächern und überhaupt erhabenen Stellen der Gebäude.
Wenn man besonderes Glück hat, kann man die Ankunft des geliebten Dachgastes beobachten und sehen, daß sich das Paar, welches im vorigen Jahre im Gehöft nistete, plötzlich aus ungemessener Höhe in Schraubenlinien herabläßt auf den Dachfirst und nun vom ersten Augenblick an so heimisch thut, als wäre es nie verreist gewesen. Sofort nach der Ankunft beginnt das gewöhnliche Treiben. Er fliegt vom Neste, welches wirklich zu seinem Hause wird, weg, auf Feld und Wiesen, nach Sümpfen und Morästen hinaus, um seiner Jagd obzuliegen, kehrt in den Mittagsstunden gewöhnlich wieder zurück, macht nachmittags einen zweiten Ausflug, kommt vor Sonnenuntergang nach Hause, klappert und schickt sich schließlich zum Schlafen an. So treibt er es ein und alle Tage, bis die Fort- pflanzungszeit heran kommt und nunmehr die Sorge um die Brut eine gewisse Abweichung von der gewohnten Lebensweise nöthig macht.
Die Läufer. Stelzvögel. Störche.
mit Ausnahme der ſchwarzen Schwingen und längſten Deckfedern ſchmuzigweiß, das Auge braun, der Schnabel lack-, der Fuß blutroth, der kahle Fleck um das Auge grauſchwarz. Die Länge beträgt 42, die Breite 86, die Fittiglänge 25, die Schwanzlänge 10 Zoll. Das Weibchen iſt kleiner.
Mit Ausnahme der hochnordiſchen Länder fehlt der Storch keinem Theile Europas, obgleich er freilich nicht überall als Brutvogel gefunden wird. So beſucht er unter anderen auch England, woſelbſt er früher häufig geweſen ſein ſoll, gegenwärtig nur noch ſelten, vielleicht blos als Jrrling, und ebenſo hat er ſich aus Griechenland mehr oder weniger zurückgezogen, weil die herzloſen Bewohner der Morea ihn, den heiligen Vogel der Türkei, gänzlich verſcheucht haben. „Da, wo die türkiſche Herrſchaft ſich länger erhielt, und der griechiſche Aufſtand nicht Alles dem Erdboden gleichgemacht hatte“, ſagt Lindermayer, „blieben auch die Störche in dem ungeſchmälerten Beſitze ihrer Paläſte, wie z. B. auf der Jnſel Euböa; da aber, wo das Hellenenthum ſchon von den erſten Tagen der Revolution friſch emporwuchs, verminderten ſich oder verſchwanden auch die Störche. So gibt es keine mehr in Nauplia, Patras, Syra und Athen.“ Auch in Spanien gehört der Storch in manchen, für ihn durchaus geeigneten Theilen des Landes zu den Seltenheiten, und zwar ſcheint es, als ob er hier ebenfalls vielleicht durch die letzteren Kriege vertrieben worden ſei. Jn Polen, Preußen, über- haupt in ganz Norddeutſchland und in Weſtfalen lebt er häufig, in Mittel- und Süddeutſchland ſelten und blos hier und da; in den Gebirgen iſt er ſogut als unbekannt. Nach Oſten hin ſcheint er ſich nicht weit zu verbreiten: er kommt allerdings noch in Rußland, insbeſondere im Süden dieſes Staates vor; ſein Verbreitungskreis reicht aber nicht bis Sibirien. Man hat früher geglaubt und ſogar behauptet, daß viele Störche ſchon in den Mittelmeerländern Winterherberge nehmen: dieſe Anſicht iſt jedoch irrthümlich; denn die Störche ziehen bis ins tiefſte Jnnere von Afrika, nach meinen Beobachtungen noch über dem 13. Grade nördlicher Breite hinweg. Sie verweilen auch während ihres Zuges nicht in den nördlicher gelegenen Ländern, ſondern eilen raſtlos ihres Weges dahin. Jn Mittel- und Norddeutſchland erſcheint der Storch zwiſchen dem letzten Februar und erſten April, einige Vorläufer und Nachzügler ausgenommen. Einzelne kommen bereits Mitte Februars und andere noch in der zweiten Hälfte des April an; ſie aber können die Regel nicht umſtoßen. Jm Jnneren Afrikas treffen ſie wenige Tage nach ihrer Abreiſe ein: ich ſah ſie bereits am erſten September im ſüdlichen Nubien und noch am dreißigſten März bei Charthum.
Der Hausſtorch bevorzugt ebene, flache und tiefe Gegenden, welche reich an Waſſer und ins- beſondere an Sümpfen und Moräſten ſind. Die Marſchen Norddeutſchlands und Hollands ſagen ihm ſehr zu, weil ſie ihm die trefflichſte Jagd gewähren. Trockene und hochgelegene Ebenen werden gemieden, aber auch nicht alle Sümpfe ſo ſtark bevölkert, als man glauben möchte. Es ſcheint nämlich, als ob noch eine zweite Bedingung erfüllt ſein müßte, wenn dem Storche der Aufent- halt gefallen ſoll: er verlangt eine Gegend, in welcher der Menſch zur Herrſchaft gekommen iſt. Zwar ſiedeln ſich viele Hausſtörche auch fern von den menſchlichen Wohnungen in Wäldern an und gründen hier auf ſtarken Bäumen ihren großen Horſt: die Mehrzahl aber niſtet im Gehöft des Bauern oder wenigſtens auf den Dächern und überhaupt erhabenen Stellen der Gebäude.
Wenn man beſonderes Glück hat, kann man die Ankunft des geliebten Dachgaſtes beobachten und ſehen, daß ſich das Paar, welches im vorigen Jahre im Gehöft niſtete, plötzlich aus ungemeſſener Höhe in Schraubenlinien herabläßt auf den Dachfirſt und nun vom erſten Augenblick an ſo heimiſch thut, als wäre es nie verreiſt geweſen. Sofort nach der Ankunft beginnt das gewöhnliche Treiben. Er fliegt vom Neſte, welches wirklich zu ſeinem Hauſe wird, weg, auf Feld und Wieſen, nach Sümpfen und Moräſten hinaus, um ſeiner Jagd obzuliegen, kehrt in den Mittagsſtunden gewöhnlich wieder zurück, macht nachmittags einen zweiten Ausflug, kommt vor Sonnenuntergang nach Hauſe, klappert und ſchickt ſich ſchließlich zum Schlafen an. So treibt er es ein und alle Tage, bis die Fort- pflanzungszeit heran kommt und nunmehr die Sorge um die Brut eine gewiſſe Abweichung von der gewohnten Lebensweiſe nöthig macht.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0718"n="676"/><fwplace="top"type="header">Die Läufer. Stelzvögel. Störche.</fw><lb/>
mit Ausnahme der ſchwarzen Schwingen und längſten Deckfedern ſchmuzigweiß, das Auge braun,<lb/>
der Schnabel lack-, der Fuß blutroth, der kahle Fleck um das Auge grauſchwarz. Die Länge beträgt<lb/>
42, die Breite 86, die Fittiglänge 25, die Schwanzlänge 10 Zoll. Das Weibchen iſt kleiner.</p><lb/><p>Mit Ausnahme der hochnordiſchen Länder fehlt der Storch keinem Theile Europas, obgleich er<lb/>
freilich nicht überall als Brutvogel gefunden wird. So beſucht er unter anderen auch England,<lb/>
woſelbſt er früher häufig geweſen ſein ſoll, gegenwärtig nur noch ſelten, vielleicht blos als Jrrling,<lb/>
und ebenſo hat er ſich aus Griechenland mehr oder weniger zurückgezogen, weil die herzloſen Bewohner<lb/>
der Morea ihn, den heiligen Vogel der Türkei, gänzlich verſcheucht haben. „Da, wo die türkiſche<lb/>
Herrſchaft ſich länger erhielt, und der griechiſche Aufſtand nicht Alles dem Erdboden gleichgemacht<lb/>
hatte“, ſagt <hirendition="#g">Lindermayer,</hi>„blieben auch die Störche in dem ungeſchmälerten Beſitze ihrer Paläſte,<lb/>
wie z. B. auf der Jnſel Euböa; da aber, wo das Hellenenthum ſchon von den erſten Tagen der<lb/>
Revolution friſch emporwuchs, verminderten ſich oder verſchwanden auch die Störche. So gibt es<lb/>
keine mehr in Nauplia, Patras, Syra und Athen.“ Auch in Spanien gehört der Storch in manchen,<lb/>
für ihn durchaus geeigneten Theilen des Landes zu den Seltenheiten, und zwar ſcheint es, als ob er<lb/>
hier ebenfalls vielleicht durch die letzteren Kriege vertrieben worden ſei. Jn Polen, Preußen, über-<lb/>
haupt in ganz Norddeutſchland und in Weſtfalen lebt er häufig, in Mittel- und Süddeutſchland<lb/>ſelten und blos hier und da; in den Gebirgen iſt er ſogut als unbekannt. Nach Oſten hin ſcheint<lb/>
er ſich nicht weit zu verbreiten: er kommt allerdings noch in Rußland, insbeſondere im Süden<lb/>
dieſes Staates vor; ſein Verbreitungskreis reicht aber nicht bis Sibirien. Man hat früher geglaubt<lb/>
und ſogar behauptet, daß viele Störche ſchon in den Mittelmeerländern Winterherberge nehmen:<lb/>
dieſe Anſicht iſt jedoch irrthümlich; denn die Störche ziehen bis ins tiefſte Jnnere von Afrika, nach<lb/>
meinen Beobachtungen noch über dem 13. Grade nördlicher Breite hinweg. Sie verweilen auch<lb/>
während ihres Zuges nicht in den nördlicher gelegenen Ländern, ſondern eilen raſtlos ihres Weges<lb/>
dahin. Jn Mittel- und Norddeutſchland erſcheint der Storch zwiſchen dem letzten Februar und<lb/>
erſten April, einige Vorläufer und Nachzügler ausgenommen. Einzelne kommen bereits Mitte<lb/>
Februars und andere noch in der zweiten Hälfte des April an; ſie aber können die Regel nicht umſtoßen.<lb/>
Jm Jnneren Afrikas treffen ſie wenige Tage nach ihrer Abreiſe ein: ich ſah ſie bereits am erſten<lb/>
September im ſüdlichen Nubien und noch am dreißigſten März bei Charthum.</p><lb/><p>Der Hausſtorch bevorzugt ebene, flache und tiefe Gegenden, welche reich an Waſſer und ins-<lb/>
beſondere an Sümpfen und Moräſten ſind. Die Marſchen Norddeutſchlands und Hollands ſagen<lb/>
ihm ſehr zu, weil ſie ihm die trefflichſte Jagd gewähren. Trockene und hochgelegene Ebenen<lb/>
werden gemieden, aber auch nicht alle Sümpfe ſo ſtark bevölkert, als man glauben möchte. Es<lb/>ſcheint nämlich, als ob noch eine zweite Bedingung erfüllt ſein müßte, wenn dem Storche der Aufent-<lb/>
halt gefallen ſoll: er verlangt eine Gegend, in welcher der Menſch zur Herrſchaft gekommen iſt.<lb/>
Zwar ſiedeln ſich viele Hausſtörche auch fern von den menſchlichen Wohnungen in Wäldern an<lb/>
und gründen hier auf ſtarken Bäumen ihren großen Horſt: die Mehrzahl aber niſtet im Gehöft des<lb/>
Bauern oder wenigſtens auf den Dächern und überhaupt erhabenen Stellen der Gebäude.</p><lb/><p>Wenn man beſonderes Glück hat, kann man die Ankunft des geliebten Dachgaſtes beobachten<lb/>
und ſehen, daß ſich das Paar, welches im vorigen Jahre im Gehöft niſtete, plötzlich aus ungemeſſener<lb/>
Höhe in Schraubenlinien herabläßt auf den Dachfirſt und nun vom erſten Augenblick an ſo heimiſch<lb/>
thut, als wäre es nie verreiſt geweſen. Sofort nach der Ankunft beginnt das gewöhnliche Treiben.<lb/>
Er fliegt vom Neſte, welches wirklich zu ſeinem Hauſe wird, weg, auf Feld und Wieſen, nach Sümpfen<lb/>
und Moräſten hinaus, um ſeiner Jagd obzuliegen, kehrt in den Mittagsſtunden gewöhnlich wieder<lb/>
zurück, macht nachmittags einen zweiten Ausflug, kommt vor Sonnenuntergang nach Hauſe, klappert<lb/>
und ſchickt ſich ſchließlich zum Schlafen an. So treibt er es ein und alle Tage, bis die Fort-<lb/>
pflanzungszeit heran kommt und nunmehr die Sorge um die Brut eine gewiſſe Abweichung von der<lb/>
gewohnten Lebensweiſe nöthig macht.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[676/0718]
Die Läufer. Stelzvögel. Störche.
mit Ausnahme der ſchwarzen Schwingen und längſten Deckfedern ſchmuzigweiß, das Auge braun,
der Schnabel lack-, der Fuß blutroth, der kahle Fleck um das Auge grauſchwarz. Die Länge beträgt
42, die Breite 86, die Fittiglänge 25, die Schwanzlänge 10 Zoll. Das Weibchen iſt kleiner.
Mit Ausnahme der hochnordiſchen Länder fehlt der Storch keinem Theile Europas, obgleich er
freilich nicht überall als Brutvogel gefunden wird. So beſucht er unter anderen auch England,
woſelbſt er früher häufig geweſen ſein ſoll, gegenwärtig nur noch ſelten, vielleicht blos als Jrrling,
und ebenſo hat er ſich aus Griechenland mehr oder weniger zurückgezogen, weil die herzloſen Bewohner
der Morea ihn, den heiligen Vogel der Türkei, gänzlich verſcheucht haben. „Da, wo die türkiſche
Herrſchaft ſich länger erhielt, und der griechiſche Aufſtand nicht Alles dem Erdboden gleichgemacht
hatte“, ſagt Lindermayer, „blieben auch die Störche in dem ungeſchmälerten Beſitze ihrer Paläſte,
wie z. B. auf der Jnſel Euböa; da aber, wo das Hellenenthum ſchon von den erſten Tagen der
Revolution friſch emporwuchs, verminderten ſich oder verſchwanden auch die Störche. So gibt es
keine mehr in Nauplia, Patras, Syra und Athen.“ Auch in Spanien gehört der Storch in manchen,
für ihn durchaus geeigneten Theilen des Landes zu den Seltenheiten, und zwar ſcheint es, als ob er
hier ebenfalls vielleicht durch die letzteren Kriege vertrieben worden ſei. Jn Polen, Preußen, über-
haupt in ganz Norddeutſchland und in Weſtfalen lebt er häufig, in Mittel- und Süddeutſchland
ſelten und blos hier und da; in den Gebirgen iſt er ſogut als unbekannt. Nach Oſten hin ſcheint
er ſich nicht weit zu verbreiten: er kommt allerdings noch in Rußland, insbeſondere im Süden
dieſes Staates vor; ſein Verbreitungskreis reicht aber nicht bis Sibirien. Man hat früher geglaubt
und ſogar behauptet, daß viele Störche ſchon in den Mittelmeerländern Winterherberge nehmen:
dieſe Anſicht iſt jedoch irrthümlich; denn die Störche ziehen bis ins tiefſte Jnnere von Afrika, nach
meinen Beobachtungen noch über dem 13. Grade nördlicher Breite hinweg. Sie verweilen auch
während ihres Zuges nicht in den nördlicher gelegenen Ländern, ſondern eilen raſtlos ihres Weges
dahin. Jn Mittel- und Norddeutſchland erſcheint der Storch zwiſchen dem letzten Februar und
erſten April, einige Vorläufer und Nachzügler ausgenommen. Einzelne kommen bereits Mitte
Februars und andere noch in der zweiten Hälfte des April an; ſie aber können die Regel nicht umſtoßen.
Jm Jnneren Afrikas treffen ſie wenige Tage nach ihrer Abreiſe ein: ich ſah ſie bereits am erſten
September im ſüdlichen Nubien und noch am dreißigſten März bei Charthum.
Der Hausſtorch bevorzugt ebene, flache und tiefe Gegenden, welche reich an Waſſer und ins-
beſondere an Sümpfen und Moräſten ſind. Die Marſchen Norddeutſchlands und Hollands ſagen
ihm ſehr zu, weil ſie ihm die trefflichſte Jagd gewähren. Trockene und hochgelegene Ebenen
werden gemieden, aber auch nicht alle Sümpfe ſo ſtark bevölkert, als man glauben möchte. Es
ſcheint nämlich, als ob noch eine zweite Bedingung erfüllt ſein müßte, wenn dem Storche der Aufent-
halt gefallen ſoll: er verlangt eine Gegend, in welcher der Menſch zur Herrſchaft gekommen iſt.
Zwar ſiedeln ſich viele Hausſtörche auch fern von den menſchlichen Wohnungen in Wäldern an
und gründen hier auf ſtarken Bäumen ihren großen Horſt: die Mehrzahl aber niſtet im Gehöft des
Bauern oder wenigſtens auf den Dächern und überhaupt erhabenen Stellen der Gebäude.
Wenn man beſonderes Glück hat, kann man die Ankunft des geliebten Dachgaſtes beobachten
und ſehen, daß ſich das Paar, welches im vorigen Jahre im Gehöft niſtete, plötzlich aus ungemeſſener
Höhe in Schraubenlinien herabläßt auf den Dachfirſt und nun vom erſten Augenblick an ſo heimiſch
thut, als wäre es nie verreiſt geweſen. Sofort nach der Ankunft beginnt das gewöhnliche Treiben.
Er fliegt vom Neſte, welches wirklich zu ſeinem Hauſe wird, weg, auf Feld und Wieſen, nach Sümpfen
und Moräſten hinaus, um ſeiner Jagd obzuliegen, kehrt in den Mittagsſtunden gewöhnlich wieder
zurück, macht nachmittags einen zweiten Ausflug, kommt vor Sonnenuntergang nach Hauſe, klappert
und ſchickt ſich ſchließlich zum Schlafen an. So treibt er es ein und alle Tage, bis die Fort-
pflanzungszeit heran kommt und nunmehr die Sorge um die Brut eine gewiſſe Abweichung von der
gewohnten Lebensweiſe nöthig macht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/718>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.