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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Löffelreiher. Kahnschnäbler.
Drohung an, sondern erscheint eher als eine Bettelei, welche der Glücklichere ja auch recht gut
abschlagen kann. Nach meinen Beobachtungen glaube ich schließen zu dürfen, daß es einem Löffel-
reiher unmöglich ist, ohne Gesellschaft von Seinesgleichen zu leben; ich erinnere mich wenigstens nicht,
jemals einen einzelnen dieser Vögel gesehen zu haben. Unter dem anderen Geflügel, welches mit ihm
dieselben Aufenthaltsorte theilt, bewegt sich der Löffler mit einer liebenswürdigen Harmlosigkeit und
gutmüthigen Friedfertigkeit, hält mit allen Freundschaft und scheint froh zu sein, wenn ihn die
stärkeren Mitglieder solcher Genossenschaften nicht behelligen; sein unschuldiges Gemüth läßt nicht
einmal einen Gedanken an Neckereien aufkommen.

Wie die Mehrzahl der Reihervögel überhaupt, gehört auch der Löffler zu den Tagvögeln, welche
mit Sonnenuntergang sich zur Ruhe begeben. Jn mondhellen Nächten läßt er sich aber doch gern
verleiten, noch ein wenig auf Nahrung auszugehen. Jch sah ihn am Mensalehsee zu meiner nicht
geringen Verwunderung noch in der elften Nachtstunde eifrig Nahrung suchen; doch mag ein solches
Vorkommniß zu den Ausnahmen gehören. Gewöhnlich eilt er schon vor Sonnenuntergang den
Schlafplätzen zu und verläßt sie bis zum Morgen nicht wieder. Sehr gern hält er auf den Bäumen,
welche ihm Nachtruhe gewähren, auch ein kurzes Mittagsschläfchen, während er, solange er am Boden,
bezüglich im Wasser umherläuft, sich beständig mit seinem Nahrungserwerbe zu beschäftigen scheint.

Wir dürfen annehmen, daß Fische die hauptsächliche Nahrung der Löffelreiher bilden; wenigstens
ziehen Gefangene Diese jedem anderen Futter vor. Sie sind im Stande, solche von fünf bis sechs
Zoll Länge zu verschlingen, packen sie sehr geschickt mit dem Schnabel, drehen sie, bis sie in die rechte
Lage kommen und schlucken sie, den Kopf nach vorn, hinab. Nebenbei werden unzweifelhaft alle
übrigen kleineren Wasserthiere mit aufgenommen, Krebse, Muscheln und Schnecken sammt den
Gehäusen, Wasserlurche u. s. w. und ebensowohl auch Kerbthiere in allen Lebenszuständen.

Die Geselligkeit der Löffelreiher zeigt sich auch bei der Fortpflanzung. Wo diese Vögel häufig
vorkommen, bilden sie Siedelungen und legen auf ein und demselben Baume so viele Nester an, als sie
eben können. Hier und da sollen sie auch im Rohre nisten; Dies geschieht wahrscheinlich blos in
Gegenden, in denen es weit und breit keine Bäume gibt. Die Nester selbst sind breit, locker und
schlecht aus dürren Reisern und Rohrstengeln zusammengefügt, inwendig mit trockenen Schilfblättern,
Binsen und Rispen ausgekleidet. Das Gelege zählt zwei bis drei, seltener vier verhältnißmäßig
große, starkschalige, grobkörnige, glanzlose, auf weißem Grunde mit vielen bleichröthlichgrauen und
gelben Flecken gezeichnete Eier, welche übrigens manchfach abändern. Wahrscheinlich brüten beide
Eltern abwechselnd; beide füttern mindestens die Jungen groß. Letztere werden nach dem Ausfliegen
den Sümpfen zugeführt, verweilen nicht blos auf dem Zuge, sondern auch in der Winterherberge in
Gesellschaft der Alten, kehren mit diesen zurück und schlagen sich erst dann in abgesonderte Trupps
zusammen, da sie nicht vor dem dritten Jahre fortpflanzungsfähig werden.

Jn früheren Zeiten wurde auch der Löffler gebaizt; gegenwärtig jagt man ihn hier und da
seines genießbaren, wenn auch nicht gerade wohlschmeckenden Fleisches halber; doch scheint er aller-
orten wenig behelligt zu werden. Rechtzeitig ausgehobene Nestvögel gewöhnen sich leicht an die
Gefangenschaft, auch an allerlei Nahrung, pflanzliche ebensowohl als thierische, lernen ihren Herrn
kennen, begrüßen ihn mit freudigem Schnabelgeklapper, wenn sie ihn sehen, können zum Aus-
und Einfliegen gebracht und wegen ihres sanften, friedfertigen Wesens unter allem Hofgeflügel
gehalten werden.



Schon seit einer Reihe von Jahren kennt man einen merkwürdigen Reihervogel Südamerikas,
welcher hauptsächlich durch die Bildung des Schnabels abweicht; neuerdings hat man in Afrika einen
anderen Sumpfvogel entdeckt, welcher mit ihm größere Aehnlichkeit zu haben scheint, als mit den
übrigen Ordnungs- und Zunftsverwandten. Gleichwohl bleibt es noch fraglich, ob man berechtigt

Die Läufer. Stelzvögel. Löffelreiher. Kahnſchnäbler.
Drohung an, ſondern erſcheint eher als eine Bettelei, welche der Glücklichere ja auch recht gut
abſchlagen kann. Nach meinen Beobachtungen glaube ich ſchließen zu dürfen, daß es einem Löffel-
reiher unmöglich iſt, ohne Geſellſchaft von Seinesgleichen zu leben; ich erinnere mich wenigſtens nicht,
jemals einen einzelnen dieſer Vögel geſehen zu haben. Unter dem anderen Geflügel, welches mit ihm
dieſelben Aufenthaltsorte theilt, bewegt ſich der Löffler mit einer liebenswürdigen Harmloſigkeit und
gutmüthigen Friedfertigkeit, hält mit allen Freundſchaft und ſcheint froh zu ſein, wenn ihn die
ſtärkeren Mitglieder ſolcher Genoſſenſchaften nicht behelligen; ſein unſchuldiges Gemüth läßt nicht
einmal einen Gedanken an Neckereien aufkommen.

Wie die Mehrzahl der Reihervögel überhaupt, gehört auch der Löffler zu den Tagvögeln, welche
mit Sonnenuntergang ſich zur Ruhe begeben. Jn mondhellen Nächten läßt er ſich aber doch gern
verleiten, noch ein wenig auf Nahrung auszugehen. Jch ſah ihn am Menſalehſee zu meiner nicht
geringen Verwunderung noch in der elften Nachtſtunde eifrig Nahrung ſuchen; doch mag ein ſolches
Vorkommniß zu den Ausnahmen gehören. Gewöhnlich eilt er ſchon vor Sonnenuntergang den
Schlafplätzen zu und verläßt ſie bis zum Morgen nicht wieder. Sehr gern hält er auf den Bäumen,
welche ihm Nachtruhe gewähren, auch ein kurzes Mittagsſchläfchen, während er, ſolange er am Boden,
bezüglich im Waſſer umherläuft, ſich beſtändig mit ſeinem Nahrungserwerbe zu beſchäftigen ſcheint.

Wir dürfen annehmen, daß Fiſche die hauptſächliche Nahrung der Löffelreiher bilden; wenigſtens
ziehen Gefangene Dieſe jedem anderen Futter vor. Sie ſind im Stande, ſolche von fünf bis ſechs
Zoll Länge zu verſchlingen, packen ſie ſehr geſchickt mit dem Schnabel, drehen ſie, bis ſie in die rechte
Lage kommen und ſchlucken ſie, den Kopf nach vorn, hinab. Nebenbei werden unzweifelhaft alle
übrigen kleineren Waſſerthiere mit aufgenommen, Krebſe, Muſcheln und Schnecken ſammt den
Gehäuſen, Waſſerlurche u. ſ. w. und ebenſowohl auch Kerbthiere in allen Lebenszuſtänden.

Die Geſelligkeit der Löffelreiher zeigt ſich auch bei der Fortpflanzung. Wo dieſe Vögel häufig
vorkommen, bilden ſie Siedelungen und legen auf ein und demſelben Baume ſo viele Neſter an, als ſie
eben können. Hier und da ſollen ſie auch im Rohre niſten; Dies geſchieht wahrſcheinlich blos in
Gegenden, in denen es weit und breit keine Bäume gibt. Die Neſter ſelbſt ſind breit, locker und
ſchlecht aus dürren Reiſern und Rohrſtengeln zuſammengefügt, inwendig mit trockenen Schilfblättern,
Binſen und Rispen ausgekleidet. Das Gelege zählt zwei bis drei, ſeltener vier verhältnißmäßig
große, ſtarkſchalige, grobkörnige, glanzloſe, auf weißem Grunde mit vielen bleichröthlichgrauen und
gelben Flecken gezeichnete Eier, welche übrigens manchfach abändern. Wahrſcheinlich brüten beide
Eltern abwechſelnd; beide füttern mindeſtens die Jungen groß. Letztere werden nach dem Ausfliegen
den Sümpfen zugeführt, verweilen nicht blos auf dem Zuge, ſondern auch in der Winterherberge in
Geſellſchaft der Alten, kehren mit dieſen zurück und ſchlagen ſich erſt dann in abgeſonderte Trupps
zuſammen, da ſie nicht vor dem dritten Jahre fortpflanzungsfähig werden.

Jn früheren Zeiten wurde auch der Löffler gebaizt; gegenwärtig jagt man ihn hier und da
ſeines genießbaren, wenn auch nicht gerade wohlſchmeckenden Fleiſches halber; doch ſcheint er aller-
orten wenig behelligt zu werden. Rechtzeitig ausgehobene Neſtvögel gewöhnen ſich leicht an die
Gefangenſchaft, auch an allerlei Nahrung, pflanzliche ebenſowohl als thieriſche, lernen ihren Herrn
kennen, begrüßen ihn mit freudigem Schnabelgeklapper, wenn ſie ihn ſehen, können zum Aus-
und Einfliegen gebracht und wegen ihres ſanften, friedfertigen Weſens unter allem Hofgeflügel
gehalten werden.



Schon ſeit einer Reihe von Jahren kennt man einen merkwürdigen Reihervogel Südamerikas,
welcher hauptſächlich durch die Bildung des Schnabels abweicht; neuerdings hat man in Afrika einen
anderen Sumpfvogel entdeckt, welcher mit ihm größere Aehnlichkeit zu haben ſcheint, als mit den
übrigen Ordnungs- und Zunftsverwandten. Gleichwohl bleibt es noch fraglich, ob man berechtigt

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[666/0706] Die Läufer. Stelzvögel. Löffelreiher. Kahnſchnäbler. Drohung an, ſondern erſcheint eher als eine Bettelei, welche der Glücklichere ja auch recht gut abſchlagen kann. Nach meinen Beobachtungen glaube ich ſchließen zu dürfen, daß es einem Löffel- reiher unmöglich iſt, ohne Geſellſchaft von Seinesgleichen zu leben; ich erinnere mich wenigſtens nicht, jemals einen einzelnen dieſer Vögel geſehen zu haben. Unter dem anderen Geflügel, welches mit ihm dieſelben Aufenthaltsorte theilt, bewegt ſich der Löffler mit einer liebenswürdigen Harmloſigkeit und gutmüthigen Friedfertigkeit, hält mit allen Freundſchaft und ſcheint froh zu ſein, wenn ihn die ſtärkeren Mitglieder ſolcher Genoſſenſchaften nicht behelligen; ſein unſchuldiges Gemüth läßt nicht einmal einen Gedanken an Neckereien aufkommen. Wie die Mehrzahl der Reihervögel überhaupt, gehört auch der Löffler zu den Tagvögeln, welche mit Sonnenuntergang ſich zur Ruhe begeben. Jn mondhellen Nächten läßt er ſich aber doch gern verleiten, noch ein wenig auf Nahrung auszugehen. Jch ſah ihn am Menſalehſee zu meiner nicht geringen Verwunderung noch in der elften Nachtſtunde eifrig Nahrung ſuchen; doch mag ein ſolches Vorkommniß zu den Ausnahmen gehören. Gewöhnlich eilt er ſchon vor Sonnenuntergang den Schlafplätzen zu und verläßt ſie bis zum Morgen nicht wieder. Sehr gern hält er auf den Bäumen, welche ihm Nachtruhe gewähren, auch ein kurzes Mittagsſchläfchen, während er, ſolange er am Boden, bezüglich im Waſſer umherläuft, ſich beſtändig mit ſeinem Nahrungserwerbe zu beſchäftigen ſcheint. Wir dürfen annehmen, daß Fiſche die hauptſächliche Nahrung der Löffelreiher bilden; wenigſtens ziehen Gefangene Dieſe jedem anderen Futter vor. Sie ſind im Stande, ſolche von fünf bis ſechs Zoll Länge zu verſchlingen, packen ſie ſehr geſchickt mit dem Schnabel, drehen ſie, bis ſie in die rechte Lage kommen und ſchlucken ſie, den Kopf nach vorn, hinab. Nebenbei werden unzweifelhaft alle übrigen kleineren Waſſerthiere mit aufgenommen, Krebſe, Muſcheln und Schnecken ſammt den Gehäuſen, Waſſerlurche u. ſ. w. und ebenſowohl auch Kerbthiere in allen Lebenszuſtänden. Die Geſelligkeit der Löffelreiher zeigt ſich auch bei der Fortpflanzung. Wo dieſe Vögel häufig vorkommen, bilden ſie Siedelungen und legen auf ein und demſelben Baume ſo viele Neſter an, als ſie eben können. Hier und da ſollen ſie auch im Rohre niſten; Dies geſchieht wahrſcheinlich blos in Gegenden, in denen es weit und breit keine Bäume gibt. Die Neſter ſelbſt ſind breit, locker und ſchlecht aus dürren Reiſern und Rohrſtengeln zuſammengefügt, inwendig mit trockenen Schilfblättern, Binſen und Rispen ausgekleidet. Das Gelege zählt zwei bis drei, ſeltener vier verhältnißmäßig große, ſtarkſchalige, grobkörnige, glanzloſe, auf weißem Grunde mit vielen bleichröthlichgrauen und gelben Flecken gezeichnete Eier, welche übrigens manchfach abändern. Wahrſcheinlich brüten beide Eltern abwechſelnd; beide füttern mindeſtens die Jungen groß. Letztere werden nach dem Ausfliegen den Sümpfen zugeführt, verweilen nicht blos auf dem Zuge, ſondern auch in der Winterherberge in Geſellſchaft der Alten, kehren mit dieſen zurück und ſchlagen ſich erſt dann in abgeſonderte Trupps zuſammen, da ſie nicht vor dem dritten Jahre fortpflanzungsfähig werden. Jn früheren Zeiten wurde auch der Löffler gebaizt; gegenwärtig jagt man ihn hier und da ſeines genießbaren, wenn auch nicht gerade wohlſchmeckenden Fleiſches halber; doch ſcheint er aller- orten wenig behelligt zu werden. Rechtzeitig ausgehobene Neſtvögel gewöhnen ſich leicht an die Gefangenſchaft, auch an allerlei Nahrung, pflanzliche ebenſowohl als thieriſche, lernen ihren Herrn kennen, begrüßen ihn mit freudigem Schnabelgeklapper, wenn ſie ihn ſehen, können zum Aus- und Einfliegen gebracht und wegen ihres ſanften, friedfertigen Weſens unter allem Hofgeflügel gehalten werden. Schon ſeit einer Reihe von Jahren kennt man einen merkwürdigen Reihervogel Südamerikas, welcher hauptſächlich durch die Bildung des Schnabels abweicht; neuerdings hat man in Afrika einen anderen Sumpfvogel entdeckt, welcher mit ihm größere Aehnlichkeit zu haben ſcheint, als mit den übrigen Ordnungs- und Zunftsverwandten. Gleichwohl bleibt es noch fraglich, ob man berechtigt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 666. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/706>, abgerufen am 23.11.2024.